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Hilpold: Das Kosovo-Problem – ein Testfall für das Völkerrecht

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780 <strong>Hilpold</strong>then im gesellschaftlichen Leben präsenter als dort. 2 In wechselseitiger Verbindungergibt sich daraus <strong>ein</strong> explosives Gemisch. Es wird <strong>ein</strong>e Grundlage geschaffen <strong>für</strong>nicht mehr enden wollende Konflikte; die gegenseitige Aufrechnung von in graueVorzeit zurückreichender Schuld, getragen von beliebig definierbaren ethnischenGem<strong>ein</strong>schaften, macht <strong>ein</strong>e “historisch gerechte” Lösung nahezu denkunmöglich.Eine aktuelle Deutung der im <strong>Kosovo</strong> widerstreitenden Ansprüche unter Bezugnahmeauf die Schlacht auf dem Amselfeld 1389 ist damit wenig zielführend. Diesesmythenumrankte Ereignis, dessen unmittelbare politisch-militärische Bedeutungunter Historikern umstritten ist, ist dennoch als identitätsstiftendes Elementzur Kenntnis zu nehmen. Unmittelbaren Einfluss auf die heutige Statusdiskussionhatten hingegen <strong>ein</strong>erseits die verfassungsrechtliche Einstufung dieser Provinz imjugoslawischen Staatsverband und andererseits die Ereignisse während des jugoslawischenZerfallsprozesses.Auf der Grundlage der jugoslawischen Verfassung hatte der <strong>Kosovo</strong> zuerst dieStellung <strong>ein</strong>es “autonomen Gebiets”, ab 1974 jene <strong>ein</strong>er “autonomen Provinz”.Damit wurde die Stellung dieses Territoriums <strong>–</strong> gleichzeitig mit jener der Vojvodina<strong>–</strong> an jene <strong>ein</strong>er Republik angenähert, ohne <strong>das</strong>s formal dieser Status zuerkanntworden wäre. So hatte der <strong>Kosovo</strong> <strong>ein</strong>e eigene Verfassung, <strong>ein</strong>e eigene Regierung,<strong>ein</strong>en Obersten Gerichtshof, <strong>ein</strong>e separate Territorialverteidigung, <strong>das</strong> Recht, autonomdie Staatsangehörigkeit zu verleihen und Pässe auszustellen. 3 Diese Regelungstellte <strong>ein</strong>en Kompromiss zwischen den nationalen Aspirationen der immerstärker werdenden albanischen Volksgruppe und dem Bestreben Serbiens auf Verteidigungs<strong>ein</strong>er territorialen Integrität innerhalb des jugoslawischen Staatsverbandesdar. 4Der verfassungsrechtliche Status des <strong>Kosovo</strong> war somit <strong>ein</strong> unscharfer,die Gleichstellung mit den Republiken nur <strong>ein</strong>e faktische. Insbesondere sollte der<strong>Kosovo</strong> damit auch nicht in den Genuss des von der jugoslawischen Verfassungvorgesehenen Sezessionsrechtes kommen. Wie nachfolgend zu zeigen s<strong>ein</strong> wird,sollte diese verfassungsrechtliche Regelung zu <strong>ein</strong>em späteren Zeitpunkt ungeahnteAuswirkungen auf völkerrechtlicher Ebene haben.Der formal <strong>ein</strong>geschränkte Status des <strong>Kosovo</strong> bot dennoch die Grundlage <strong>für</strong><strong>ein</strong>e weitgehend eigenständige politische, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklungdes <strong>Kosovo</strong> innerhalb Jugoslawiens und damit nicht zuletzt <strong>für</strong> <strong>ein</strong>e Festigungder kosovarischen Identität. Dieser Prozess wurde von Teilen der serbischen Politikmit Argwohn wahrgenommen und stieß schon wenige Jahre nach dem Tod T i -2Vgl. dazu bspw. R.D. K a p l a n , Balkan Ghosts: A Journey Through History, New York 1993.3Vgl. N. M a l c o l m , A Short History of <strong>Kosovo</strong>, New York 1998; International Crisis Group,Intermediate Sovereignty as a Basis for Resolving the <strong>Kosovo</strong> Crisis, ICG Balkans Report No 46, 9November 1998, (25.6.2008), 4 ff.; J. S c h m i e r e r , Globalisierte Welt und Außenpolitik <strong>–</strong> März 2008, in: (14.6.2008); C. S t a h n , Constitution Without a State?<strong>Kosovo</strong> Under the United Nations Constitutional Framework for Self-Government, in: 14 LeidenJournal of International Law 2001, 531-561 (532 ff.); S. M a l i q i , Die politische Geschichte des <strong>Kosovo</strong>,in: D. Melcic (Hrsg.), Der Jugoslawien-Krieg, Wiesbaden 2007, 121-138.4Vgl. Malcolm (Anm. 3), 128.http://www.zaoerv.de/© 2008, Max-Planck-Institut <strong>für</strong> ausländisches öffentliches Recht und <strong>Völkerrecht</strong>ZaöRV 68 (2008)

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