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Mindestanforderungen an Prognosegutachten NStZ 2006, 537.pdf

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<strong>NStZ</strong> <strong>2006</strong>, 537 - beck-onlinehttp://beck-online.beck.de/default.aspx?printm<strong>an</strong>ager=print&VPATH=b...12 von 14 20.09.2013 13:50Rückfallquoten gibt, zumindest unspezifische Daten über erneute Bestrafung, m<strong>an</strong>chmal auch Daten zuspezifischer Rückfälligkeit (mit dem gleichen Delikt). In der Regel interessiert den Sachverständigen nicht nurein Rückfall mit dem gleichen Delikt, sondern mit jedem schweren Delikt. Die gruppenstatistischenRückfallquoten in sehr vielen Deliktsbereichen liegen im Spektrum von 20 bis 50%. Je mehr Variablengleichzeitig berücksichtigt werden sollen (z.B. Deliktart, Intelligenz, kultureller Hintergrund, psychischeKr<strong>an</strong>kheit oder Subst<strong>an</strong>zmissbrauch), desto seltener gibt es eine passende Vergleichsgruppe mit bek<strong>an</strong>nterBoetticher, Kröber, Müller-Isberner, Böhm, Müller-Metz, Wolf: <strong>Mindest<strong>an</strong>forderungen</strong> für<strong>Prognosegutachten</strong> (<strong>NStZ</strong> <strong>2006</strong>, 537)544Basisrate der Rückfälligkeit. Es geht also hier noch nicht um die Entscheidung im Einzelfall, sondern wie imvor<strong>an</strong>gehenden Punkt um eine Verortung des Einzelfalls im kriminologischen Erfahrungsraum. Einen Prob<strong>an</strong>denmit einem gruppenstatistisch niedrigen Rückfallrisiko (z.B. sozial gut eingebundener, sonst nicht straffälligerErsttäter, nicht gewaltsamer sexueller Missbrauch der 13jährigen Tochter der Partnerin, nicht pädophil,Basisrate unter 10% Rückfallrisiko) wird m<strong>an</strong> vor diesem kriminologischen Erfahrungshintergrund <strong>an</strong>dersdiskutieren als einen Prob<strong>an</strong>den, dessen Merkmale gruppenstatistisch auf eine sehr hoheRückfallwahrscheinlichkeit verweisen.II.3.5 Darstellung der Persönlichkeitsentwicklung des Prob<strong>an</strong>den seit der Anlasstat unter besondererBerücksichtigung der Risikofaktoren, der protektiven Faktoren, des Beh<strong>an</strong>dlungsverlaufs und derAngemessenheit (Geeignetheit) der <strong>an</strong>gew<strong>an</strong>dten therapeutischen VerfahrenDie 2. Teilaufgabe besteht in der Klärung der Frage, wie der Verlauf seit der Anlasstat aussieht und zu bewertenist. Die Prüfung der relev<strong>an</strong>ten Entwicklungen in der Zeit seit der Tat erlaubt weitere Aussagen über diePersönlichkeit des Prob<strong>an</strong>den, über mögliche Veränderungsprozesse und sein Veränderungspotential. Sie dientzugleich in gewissem Umf<strong>an</strong>g einer Überprüfung der Theorie über die Persönlichkeitsentwicklung und dieH<strong>an</strong>dlungsbereitschaften bis zur Tat. Besondere Aufmerksamkeit gilt den Risikopotentialen dieser Person undihrer Veränderbarkeit sowie der Verstärkung protektiver Faktoren. Zu diskutieren ist, wodurch Änderungenbedingt sein mögen, und welche Ressourcen und Möglichkeiten, aber auch Grenzen dabei sichtbar werden.In vielen Fällen ist dies verknüpft mit einer sachkundigen Therapieverlaufs-Beurteilung. Dabei ist nicht nur zubetrachten, was der Prob<strong>an</strong>d geleistet hat, sondern auch, ob die <strong>an</strong>gebotenen oder durchgeführten Therapienüberhaupt geeignet waren, ihn zu fördern und Delinquenzrisiken zu mindern. Entscheidend ist, ob in derExploration und im Vollzugsverlauf sichtbar wird, dass die Beh<strong>an</strong>dlung gewirkt hat. Es geht nicht umirgendwelche Veränderungen oder sozial erwünschte Fortschritte, sondern um die Abklärung, welcheRisikofaktoren deutlich abgeschwächt und welche unverändert sind, ob und welche protektiven Faktorenaufgebaut wurden. Das Gutachten soll aufzeigen, wor<strong>an</strong> m<strong>an</strong> dies konkret erkennen k<strong>an</strong>n.II.3.6 Ausein<strong>an</strong>dersetzung mit VorgutachtenVorgutachter können zur gleichen Schlussfolgerung gekommen sein wie das gegenwärtige Gutachten, siekönnen aber auch davon abweichen. Mit beidem muss sich der Sachverständige ausein<strong>an</strong>dersetzen. Auch dievon den Vorgutachten erhobenen Informationen sind ggf. erneut zu gewichten und ggf. auf ihre Validität zuüberprüfen. Abweichende Einschätzungen müssen argumentativ begründet, tatsächliche oder scheinbareWidersprüche geklärt werden.II.3.7 Prognostische Einschätzung des künftigen Verhaltens und des Rückfallrisikos bzw. desLockerungsmissbrauchs unter besonderer Berücksichtigung des sozialen Empf<strong>an</strong>gsraums, derSteuerungsmöglichkeiten in der Nachsorge und der zu erwartenden belastenden und stabilisierenden Faktoren(z.B. Arbeit, Partnerschaft)Die Abklärung der künftigen Lebensperspektiven eines Prob<strong>an</strong>den und des „sozialen Empf<strong>an</strong>gsraums” sind einweiterer entscheidender Aspekt der Prognosebeurteilung: Dies betrifft nicht nur die subjektivenZukunftsperspektiven, wie individuelle Wünsche hinsichtlich Arbeit, Partnerschaft, Sexualität, Sport, Freizeit,Kontakte zur Verw<strong>an</strong>dtschaft, zu früheren Freunden und Bek<strong>an</strong>nten, sondern mehr noch die objektiven: WelcheMöglichkeiten wird er im Fall einer Entlassung haben hinsichtlich Wohnen, Arbeiten, fin<strong>an</strong>zieller Absicherung,persönlichen Beziehungen, Freizeitaktivitäten, gesundheitlicher Betreuung etc.?Aus der Zusammenführung von individueller Analyse der ursprünglichen Gefährlichkeit, der seitherigen

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