13.07.2015 Aufrufe

Mindestanforderungen an Prognosegutachten NStZ 2006, 537.pdf

Mindestanforderungen an Prognosegutachten NStZ 2006, 537.pdf

Mindestanforderungen an Prognosegutachten NStZ 2006, 537.pdf

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>NStZ</strong> <strong>2006</strong>, 537 - beck-onlinehttp://beck-online.beck.de/default.aspx?printm<strong>an</strong>ager=print&VPATH=b...9 von 14 20.09.2013 13:50Die Exploration ist für den Prob<strong>an</strong>den möglicherweise für Jahre die letzte Ch<strong>an</strong>ce, seine Person und seine Sichtder Dinge darzustellen. Dafür sollte ihm <strong>an</strong>gemessen Raum gegeben werden. Bei begrenzten Fragestellungenoder bei ausführlichen vor<strong>an</strong>geg<strong>an</strong>genen Begutachtungen k<strong>an</strong>n ein einziger Untersuchungstermin ausreichendsein. Bei komplexen Fragestellungen und einem bisl<strong>an</strong>g unbek<strong>an</strong>nten Prob<strong>an</strong>den wird der Sachverständigeschon wegen der Fülle der zu besprechenden Themen (siehe II.1.5) meist mehrere Termine wahrnehmenmüssen.II.1.4 Mehrdimensionale Untersuchung- Entwicklung und gegenwärtiges Bild der Persönlichkeit- Kr<strong>an</strong>kheits- und Störungs<strong>an</strong>amnese- Analyse der Delinquenzgeschichte und des TatbildesUnter „mehrdimensionaler Untersuchung” ist zu verstehen, dass themenbezogene 3 elementare Bereicheexploriert werden: Person - Kr<strong>an</strong>kheit - Delinquenz. Eine Reduktion auf nur 2 oder eines dieser Themen machtdas Gutachten insuffizient. Die 3 Bereiche sind im individuellen Lebensverlauf zeitlich und sachlich verzahnt, wasim Gespräch oft ein chronologisches Vorgehen nahe legt. Wenn die Prognosebegutachtung die erste forensischeBegutachtung des Prob<strong>an</strong>den ist, sollte m<strong>an</strong> sich hinsichtlich der zu erhebenden Informationen <strong>an</strong> den„<strong>Mindest<strong>an</strong>forderungen</strong> für die Schuldfähigkeitsbegutachtung” orientieren. Dies betrifft insbesondere die deliktunddiagnosespezifische Exploration.II.1.5 Umfassende Erhebung der dafür relev<strong>an</strong>ten InformationenHierzu gehören insbesondere: Herkunftsfamilie, Ersatzfamilie, Kindheit (Kindergartenalter, Grundschulalter),Schule/Ausbildung/Beruf, fin<strong>an</strong>zielle Situation, Erkr<strong>an</strong>kungen (allgemein/psychiatrisch), Suchtmittel, Sexualität,Partnerschaften, Freizeitgestaltung, Lebenszeit-Delinquenz (evtl. Benennung spezifischer Tatphänomene sowieProgredienz, Gewaltbereitschaft, Tatmotive etc.), ggf. Vollzugs- und Therapieverlauf, soziale Bezüge,Lebenseinstellungen, Selbsteinschätzung, Umg<strong>an</strong>g mit Konflikten, Zukunftsperspektive. Ausführliche Explorationinsbesondere in Bezug auf die Lebenszeitdelinquenz (Delikteinsicht, Opferempathie, Veränderungsprozesse seitletztem Delikt, Einschätzung von zukünftigen Risiken und deren M<strong>an</strong>agement)- Erörterung von faktischen Diskrep<strong>an</strong>zen mit dem Prob<strong>an</strong>den- Überprüfung der Stimmigkeit der gesammelten Informationen- Ansprechen von Widersprüchen zwischen Exploration und AkteninhaltWenn der Prob<strong>an</strong>d rechtskräftig abgeurteilt ist, k<strong>an</strong>n und muss der Sachverständige von denUrteilsfeststellungen ausgehen (vgl. oben unter B. IV) und darf den Prob<strong>an</strong>den mit den zu Grunde liegendenSachverhalten konfrontieren, ohne dass er sich damit dem Vorwurf der Bef<strong>an</strong>genheit aussetzt. EinzelneSachverhalte, insbesondere zur Delinquenzgeschichte, müssen gezielt erfragt werden, was Aktenkenntnis desSachverständigen voraussetzt. Wenn der Prob<strong>an</strong>d Angaben macht, die deutlich von früheren Einlassungen odervon relev<strong>an</strong>ten Akteninformationen abweichen, so sind diese Diskrep<strong>an</strong>zen <strong>an</strong>zusprechen. Wie die Prob<strong>an</strong>dendarauf reagieren, ist ein weiterer wichtiger Teil der Informationsgewinnung.Informativ ist eine Wiedergabe der Äußerungen im Gutachten, aus der die Gesprächs- undArgumentationshaltung des Prob<strong>an</strong>den deutlich wird. Die möglichst getreue Dokumentation von Kernaussagenerleichtert es, sie einem späteren Vergleich zugänglich zu machen.II.1.6 Beobachtung des Verhaltens während der Exploration, psychischer Befund, ausführlichePersönlichkeitsbeschreibungUnverzichtbar im Gutachten ist eine ausführliche und <strong>an</strong>schauliche Beschreibung des psychischen Ist-Zust<strong>an</strong>desdes Prob<strong>an</strong>den. Der Sachverständige soll das Interaktionsverhalten, die Selbstdarstellungsweisen, dieemotionalen Reaktionsweisen, den Denkstil des Prob<strong>an</strong>den in der Untersuchungssituation wahrnehmen,beschreiben und (persönlichkeits-)diagnostisch zuordnen. Es ist also wichtig, sich bald nach den Gesprächennochmals alle Wahrnehmungen zu vergegenwärtigen und sie sprachlich zu fassen. Bei einem zweitenUntersuchungsgespräch können erste Eindrücke überprüft und eventuell korrigiert werden. Der „PsychischeBefund” ist durch die Wiedergabe testpsychologischer Ergebnisse nicht ersetzbar (s. II.1.8).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!