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hate radio - International Institute of Political Murder

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40 HATE RADIO. Fragmente einer Sprache des HassesHATE RADIO. Fragmente einer Sprache des Hasses41ASSUMPTA MUGIRANEZAFRAGMENTE EINER SPRACHEDES HASSES→ INYENZI: KÜCHENSCHABE, KAKERLAKEDas Wort INYENZI wurde erstmals währendder ‚Ereignisse von 59’ verwendet,wie man heute den Aufstand bezeichnet,der die Abschaffung der Monarchie, dieGründung der Republik Ruanda (1959) unddie Unabhängigkeit (1962) begleitete. Eswar die Partei der Hutu-Bewegung MDR-Parmehutu (Mouvement DémocratiqueRépublicain – Partei für die Emanzipationdes Hutu), die die Revolution anführte,und so wurde bereits in den politischenDiskursen jener Zeit als „Tutsi“ bezeichnet,wer verfolgt, geschlagen und massakriertwerden sollte. Viele unter denjenigen, diediesen ersten ethnisch motivierten Massakernentkommen konnten, flüchteten indie Nachbarländer. Unterstützt durch diePartei der Monarchisten (UNR – UnionNationale Rwandaise), unternahmen dieExilierten verschiedene Versuche, mit Gewaltdas Land zurückzuerobern, die jedochalle scheiterten. Jeder dieser Angriffewurde begleitet von einer äußerst gewaltsamenRepression in den Grenzregionen.1964 wurden die Massaker an den Tutsiin der Provinz Gikongoro und im Bugeserabereits erstmals <strong>of</strong>fiziell als „Genozid“bezeichnet. Der Begriff INYENZI bezeichnetedamals in erster Linie die Exilierten, diefür ihre Rückkehr nach Ruanda kämpften.Oft wurde der Begriff auch verwendet, umMassaker an Unschuldigen zu legitimieren,die man beschuldigte, die anderen INYENZIzu unterstützen.In den 60er und 70er Jahren wuchsein Kind in Ruanda mit Geschichten überdie INYENZI auf, die ihm eine diffuse Angsteinflössten, welche nicht mehr allzu vielmit der Abscheu zu tun hatte, die es gegenüberkleinem Ungeziefer, den KAKER-LAKEN empfand. Im Geschichtsunterrichtlernte es viel darüber, wie die Tutsi denHutu erst das Land gestohlen hatten, umdann eine bösartige und ungerechte Feudalherrschaftzu etablieren. Es lernte, dasswährend der Revolution von 59 der Königund seine Schergen vertrieben, die Republikgegründet und so den Hutu ihre Rechtezurückgegeben worden waren, nachdemsie Jahrzehnte lang als Sklaven gelebt undunsägliche Erniedrigungen hatten übersich ergehen lassen. Es lernte, welchesUnheil die Angriffe der INYENZI über Ruandagebracht hätten, wären sie nicht von dermächtigen Armee und den Partisanen desParmehutu unter der Führung von PräsidentGrégoire Kayibanda niedergeschlagenworden.Nach dem Putsch Juvénal Habyarimanasgegen Kayibanda aber sprach mankaum mehr von der 59er Revolution unddem Kampf gegen die INYENZI. Die Machtging von den Hutu aus dem Süden (derHerkunftsregion des gestürzten Präsenten)über in die Hände der Hutu aus demNorden. Nun musste das neue Regimebesungen werden. Doch als am erstenOktober 1990 der FPR (Front PopulaireRwandais) Ruanda angriff, holte das durchdie Einführung des Mehrparteiensystemsbereits stark angeschlagene Regime diealten Geschichten wieder hervor und ließdie Angst vor den INYENZI aufleben. Immerwenn das Regime Massaker an einem Teilder Bevölkerung veranlasste, verpassteman ihnen die Etikette INYENZI. Der Generalstabschefder ruandischen Armee legtefest, wer zum Feind erklärt wurde: dieTutsi, die Ruanda von Burundi und Ugandaaus angriffen und diejenigen, die sie imLandesinneren unterstützten. Andere kümmertensich darum, seine Strategie derBevölkerung verständlich zu machen: AlleFeinde waren nun INYENZI.Zu Beginn war INYENZI noch eine fatalereBezeichnung als Inkontanyi („dieTapferen“, Selbstbezeichnung der FPR-Soldaten) oder Tutsi und trat häufiger inVerbindung mit einer Todesdrohung auf.Erst in der Hasspropaganda der ZeitungKangura und des RTLM, die sich in denletzten Monaten vor dem Genozid immermehr ausbreitete, wurden die BezeichnungenTutsi, Inkontanyi und INYENZI allmählichgleichbedeutend. Während den 100 Tagendes Genozids ab April 1994 meinte manschließlich exakt dasselbe, wenn man sagte,man hätte einen Tutsi, einen INYENZI odereinen Inkontanyi getötet – es gab nur nocheinen einzigen Feind.Die extremistische Zeitung Kangura zögertenicht Folgendes auszuführen: „EineKAKERLAKE kann keinen Schmetterling gebären,und genau so ist es. Eine KAKERLAKEgebiert immer nur eine weitere KAKERLAKE.Die Geschichte Ruandas zeigt uns, dassdie Tutsi immer dieselben geblieben sindund sich nie geändert haben. Wir kennenaus der Geschichte unseres Landes nurihre Bösartigkeiten und Gemeinheiten. Umdas zu verstehen, reicht es, wenn wir darandenken, dass wir sie immer Schlangennannten. Ein Tutsi verführt mit Worten,und seine Bösartigkeit hat keine Grenzen.Ein Tutsi ist jemand, dessen Rachegelüstenie erlöschen, bei dem Du nie genauweißt, was er denkt, der lacht, obschon erschrecklich leidet.“Das RTLM hingegen benutzte damalsin seinen Reden über die Massaker dieBezeichnung INYENZI in einer umkehrendenLogik. Es lastete den INYENZI die Verbrechenan, die von den Hutu begangen wordenwaren und sparte in den detaillierten Ausführungender verübten Grausamkeitennicht mit Übertreibungen. Es beschuldigtedie INYENZI, alle Seen und Flüsse bis zumNil und dem Mittelmeer mit den Leichender Hutu gefüllt zu haben und schloss eineRede mit dem Satz: „Sie verstehen h<strong>of</strong>fentlich,dass die Grausamkeiten der INYENZInicht mehr rückgängig zu machen sind undnur noch mit der totalen Vernichtung derINYENZI wieder gut gemacht werden können,mit ihrer totalen Vernichtung.“Bilder: Archiv ICTR→ GUKORA: ARBEITEN, UMBRINGEN,MASSAKRIERENDen Begriff GUKURA (wörtlich: ARBEITEN)kann man heute kaum mehr in seinerursprünglichen Bedeutung verstehen.Während des Genozids ging man nicht indie Sümpfe, um Menschen umzubringen,sondern um zu ARBEITEN: Man stand morgensauf, nahm seine ARBEITSUTENSILIEN zurHand und begab sich zu den Versammlungen,bei denen man die Instruktionenerhielt. Man ARBEITETE in Teams, man befolgteInterventionspläne, man machte sichgemeinsam und singend auf den Weg, umseine Nachbarn, die Tutsi zu töten. Bei derARBEIT begann man mit denjenigen, die ammeisten Widerstand leisteten, die Männerim kampftüchtigen Alter. Dann ging manzu den Frauen über, zu den Kindern undschließlich zu den Alten. Die ARBEIT bestandauch darin, dass man die Habe der Getötetenplünderte, ihre Häuser zerstörte,ohne dabei die Dachziegel zu vergessenoder das Blech, die Türen, die Fenster,die Backsteine. Was man nicht mitnehmenkonnte, zündete man an. Schließlich kehrteman zum QG zurück (dem Versammlungsort– meist kleine Geschäftszentren, woalkoholische Getränke vorhanden waren),machte seinen Rapport und wurde bezahlt.In seiner Rede vom 19. April 1994 andie südlichen Provinzen des Landes (Gikongoround Butare) rief der InterimspräsidentThéodore Sindikubwabo die Bevölkerungauf, aktiv an den Massakern teilzunehmen,denn im Süden hatten die Massaker bis zudiesem Zeitpunkt erst sehr vereinzelt begonnen.Der Präsident reiste also nach Butare,um sich an die Gemeinde zu wenden– nachdem man, wohlgemerkt, den Präfektender Stadt und seine Familie, die sichgegen die Massaker gewehrt hatten, ausdem Weg geräumt hatte. In seiner Redeermahnte er die ARBEITER, effizienter zu sein:„Diejenigen, die sich nicht betr<strong>of</strong>fen fühlen,die keine Verantwortung übernehmenwollen oder es vorziehen, den anderen beider ARBEIT zuzuschauen, sollen gehen!“ Erfügte hinzu, dass die willigen ARBEITER sichso schnell wie möglich derjenigen entledigensollten, die sie dabei behinderten„damit diejenigen, denen ihre ARBEIT amHerzen liegt, die Möglichkeit haben, damitanzufangen.“Diese Rede wurde am 21. April 94über die Kurzwellen von Radio RuandaKangura, Novemberausgabe 1990, Titelseite:- Tutsi, göttliche Rasse!- Welche Waffen können wir benutzen, um die Kakerlaken endgültig zu vernichten?- Und wenn es noch eine Hutu-Revolution geben würde, um die Tutsi-Kakerlaken zu besiegen?gesendet. Weder die zukünftigen Opfernoch die Täter hatten damals Mühe, diegesamte Bedeutung jener Botschaft zu verstehen,da die ARBEIT und das ARBEITEN alleübrigen alltäglichen Tätigkeiten verdrängthatte. Man ging nicht mehr ins Büro, aufsFeld oder an die Universität. Man standmorgens auf, um die Tutsi auszurotten.Es war die Zeit der Macheten, wie JeanHatzfeld sie nannte.Assumpta Mugiraneza, Fachberaterin desIIPM, ist Linguistin und Soziologin in Parisund Kigali. Die „Fragmente einer Sprachedes Hasses“, ein Wörterbuch der Sprachedes ruandischen Genozids, erscheinen invollständiger Form im Rahmen der PublikationHATE RADIO.Kamarampaka, Aprilausgabe 1993, S. 14:- Die Tutsi-Rebellen am Werk.

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