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Elektronischer Sonderdruck für Primärer Megaureter P. Anheuser

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Der UrologeOrgan der Deutschen Gesellschaft <strong>für</strong> UrologieOrgan des Berufsverbandes der Deutschen Urologen<strong>Elektronischer</strong> <strong>Sonderdruck</strong> <strong>für</strong>P. <strong>Anheuser</strong>Ein Service von Springer MedizinUrologe 2013 · 52:33–38 · DOI 10.1007/s00120-012-3081-5© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012zur nichtkommerziellen Nutzung auf derprivaten Homepage und Institutssite des AutorsP. <strong>Anheuser</strong> · J. Kranz · J. Steffens · R. Beetz<strong>Primärer</strong> <strong>Megaureter</strong>www.DerUrologe.de


LeitthemaUrologe 2013 · 52:33–38DOI 10.1007/s00120-012-3081-5Online publiziert: 24. Januar 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013P. <strong>Anheuser</strong> 1 · J. Kranz 1 · J. Steffens 1 · R. Beetz 21Klinik <strong>für</strong> Urologie und Kinderurologie, St.-Antonius-Hospital Eschweiler, Eschweiler2Zentrum <strong>für</strong> Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsmedizin,Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz<strong>Primärer</strong> <strong>Megaureter</strong>DefinitionEin prävesikal oder in seinem Gesamtverlaufdilatierter Harnleiter wird als <strong>Megaureter</strong>bezeichnet. Als Grenze zwischen„normaler“ Ureterweite und <strong>Megaureter</strong>wird in der Literatur ein Durchmesser von6 mm angegeben [27]. Ein höhergradigrefluxiver Harnleiter, der bei der Blasenentleerungkollabiert, fällt nicht unter dieseDefinition.Hinsichtlich der zugrunde liegendenStörung wird zwischen einer primärenund einer sekundären Form unterschieden:F Beim primären <strong>Megaureter</strong> findet sichdie Ursache der Dilatation im terminalen,juxtavesikal gelegenen Harnleitersegment.F Dem sekundären <strong>Megaureter</strong> liegtin der Regel eine infravesikale Obstruktionzugrunde, die überwiegenddurch Harnröhrenklappen oderneurogene Blasenentleerungsstörungenverursacht wird.Beide Formen können mit oder ohneeinem vesikoureteralen Reflux (VUR)einhergehen, sodass vereinfacht vier Variantenunterschieden werden können(. Abb. 1). Im Folgenden wird ausschließlichder primäre <strong>Megaureter</strong>(pMU) behandelt.EpidemiologiePrimäre <strong>Megaureter</strong>en sind nach ureteropelvinenStenosen die zweithäufigsteUrsache <strong>für</strong> eine im Neugeborenen- undSäuglingsalter entdeckte Nierenbeckenkelchdilatation[27]. Bei Neugeborenenwurde über eine Inzidenz des pMU von0,3 Fällen auf 1000 Geburten berichtet[59]; in einer Autopsiestudie bei Kindernbetrug sie 0,29 auf 1000 [63]. Er kommtbei Jungen 2- bis 5-mal häufiger vor alsbei Mädchen [36, 46]. Der linke Ureter istv. a. bei Jungen sehr viel häufiger betroffenals der rechte [7, 55]. In 26–40% der Fällebestehen weitere Harntraktanomalien,bei denen es sich überwiegend um Nierenagenesienoder einen kontralateralenvesikoureteralen Reflux handelt [46, 48].Ein ipsilateraler vesikorenaler Reflux findetsich beim pMU in lediglich 10–15% derFälle. Er geht gewöhnlich mit einer Lateralisationdes Ostiums und einer verkürztensubmukösen Verlaufsstrecke des Ureterseinher und ist gelegentlich mit einemparaureteralen Divertikel (Hutch-Divertikel)assoziiert.Ätiologie und PathogeneseBeim primären, nicht refluxiven <strong>Megaureter</strong>findet sich ein 0,5–4,0 cm langes, relativschmales bis normal weites prävesikalesUretersegment, an welches sich kranialder dilatierte und wandverdickte Ureteranschließt [37, 47, 55]. Es besteht alsoweniger eine Enge („Stenose“) des prävesikalenUretersegments, als vielmehreine funktionelle Störung im Sinne einer„aperistaltischen“ distalen Ureterstrecke,die den Harntransport in die Blase behindert.Die darüberliegende Harnleiterdilatationist Folge dieser Harntransportstörung(. Abb. 2, 3).Im prävesikalen Uretersegment ist eineausgeprägte Bindegewebevermehrungcharakteristisch, deren Ausprägungsgradvon minimalen Strukturveränderungenüber ausgeprägte Kollagenvermehrungzwischen pathologisch angeordnetenMuskelfasern bis hin zur Wandfibrosereicht [27, 33, 37, 40].Zur Ätiologie des pMU existieren,auch im Hinblick auf ein multifaktoriellesGeschehen, zahlreiche Hypothesen. Wiebei der ureteropelvinen Stenose wird eineinkomplette Kanalisierung des Harnleitersnach dem 42. Gestationstag als Erklärungherangezogen [53]. Eine verspäteteReabsorption der Chwalla-Membran imureterovesikalen Übergang zwischen 37.und 47. Gestationstag [2] sowie embryonaleEntwicklungsstörungen der distalenUretermuskulatur werden ebenfalls diskutiert[60]. Die transiente infravesikaleObstruktion [28] und extrinsische Faktorenwie die Impression durch die Umbilikalarterie[42] oder der kreuzende Wolff-Gang [60], was ein vermehrtes Auftretenbeim männlichen Geschlecht erklärenkönnte, sind weitere Erklärungsansätze.Daneben wird eine gestörte Entwicklungder Gefäßversorgung des betroffenenUretersegments mit resultierender Apoptosevon Myozyten und einer Reduktionneuraler und muskulärer Strukturkomponentendiskutiert, die im Endeffekt zurSubstitution durch Bindegewebestrukturenund damit zur Adynamik des Ureterabschnittsführt [43]. In Operationspräparaten2-jähriger Kinder werden hoheintramuskuläre Konzentrationen von„transforming growth factor β“ (TGF-β)im prävesikalen Segment des pMU gefunden,die in diesem Ureterabschnittnormalerweise lediglich bis zur 20. Ges­P. <strong>Anheuser</strong> und J. Kranz sind gleichberechtigteErstautoren.Prof. Dr. J.A. Steffens ist Chefarzt der Klinik <strong>für</strong>Urologie und Kinderurologie und Leiter desProstatakarzinomzentrums Eschweiler.Der Urologe 1 · 2013 |33


Leitthema<strong>Megaureter</strong>SonographienichtrefluxivnichtrefluxivprimärrefluxivsekundärrefluxivAbb. 1 8 <strong>Megaureter</strong>: vereinfachte KlassifikationAbb. 2 7 Morphologischer Aspekt bei pMU.(Quelle: Dr. Beetz, mit freundl. Genehmigung)OstiumTrigonumExtravesikalerAbschnittTransmuraler AbschnittVoraussetzung <strong>für</strong> die korrekte Beurteilungdes sonographischen Befunds istgenerell eine ausreichende Hydrierung.Im postnatalen sonographischen Nierenscreeningkann eine Harntransportstörungu. U. übersehen werden, wenndie Untersuchung innerhalb der ersten2–3 Lebenstage im Stadium der „funktionellenOligurie“ erfolgt.Die Erweiterung des Harnleiters ist inder Regel direkt oberhalb des prävesikalenAbschnitts besonders ausgeprägt. EineVermehrung der Kelche im Sinne einerPolykalikosis und sog. „Langnieren“ sindkeine seltenen Befunde bei pMU [19, 20].Entlang des pMU fällt oft eine durchgreifendePeristaltik auf. Im Rahmen einerfieberhaften HWI kann die Peristaltikjedoch durch eine Endotoxin-bedingteHarnleiterparalyse vermindert oder vollständigaufgehoben sein.Miktionszystourethrogrammtationswoche nachweisbar sind. Die Autorenerklären die häufige spontane Rückbildungdes pMU mit der verspäteten Abnahmeder pathologisch erhöhten TGF-β-Produktion innerhalb der ersten Lebensjahre[40].Oberhalb des prävesikalen Uretersegmentsverhindert die ausgeprägte Dilatationdes pMU eine wesentliche Zunahmeder intrapelvinen Wandspannung. Durchdiesen Adaptationsvorgang lässt sich dasgeringere Risiko <strong>für</strong> Parenchymdestruktionenbeim pMU gegenüber vergleichbarenDilatationsgraden bei ureteropelvinenStenosen erklären [30]. Tatsächlichist die anteilige Nierenfunktion beimnicht-re fluxiven pMU meist nicht wesentlicheingeschränkt. Besteht eine konnatalausgeprägte, ipsilaterale Nierenfunktionseinschränkung,so muss ätiologisch eineprimäre renale Dysplasie im Rahmen vonCAKUT („congenital anomalies of kidneysand urinary tract“) in Betracht gezogenwerden [8, 22].Die refluxive Form stellt eine selten auftretendeKombination aus gestörter Peristaltikim distalen Ureterabschnitt undeiner pathologischen, lateralisierten Ostiumlagedar (2%).SymptomeDurch sorgfältiges intrauterines und neonatalessonographisches Screening lassensich inzwischen die meisten <strong>Megaureter</strong>enbereits entdecken, bevor sie symptomatischwerden. Auch heute fallen jedochetwa 20% der <strong>Megaureter</strong>en erst imRahmen der Diagnostik nach symptomatischenHarnwegsinfektionen (HWI)oder bei der Abklärung von Abdominalbeschwerdenauf [7, 17, 45].DiagnoseAbb. 3 9 IntraoperativerBefund bei pMUFür die Therapieentscheidung ist die Differenzierungzwischen einer Harnwegsdilatationohne Funktionseinschränkungund einer operativ korrekturbedürftigenObstruktion von zentraler Bedeutung.Das Miktionszystourethrogramm (MCU)dient v. a. zum Ausschluss eines VURund/oder einer infravesikalen Obstruktion(z. B. Harnröhrenklappe beim Jungen).Der Befund von bilateralen <strong>Megaureter</strong>enbeim Jungen erfordert grundsätzlichdie infravesikale Abklärung mittelsMCU. Die Frage, ob bei asymptomatischemunilateralem pMU das MCU zumAusschluss eines VUR direkt in der Neonatalzeiterfolgen sollte oder hinausgeschobenwerden kann, wird kontroversdiskutiert.DiureseszintigrammEine Diureseszintigraphie ist frühestensab der 4. bis 6. Lebenswoche sinnvoll,wenn die tubuläre Funktionsreifung weitgehendabgeschlossen ist. Das Untersuchungsergebnissollte immer im Kontextmit klinischen, sonographischen und ggf.radiologischen Befunden beurteilt werden.Die Beurteilung des Nuklidabflussesist beim <strong>Megaureter</strong> schwierig. Es bestehtkein einheitlicher Standard bezüglich der„region of interest“, über welcher die Radioaktivitätim Zeitverlauf gemessen werdensoll. Die Durchmischung des Nuklidsmit dem im dilatierten Ureter befindli­34 | Der Urologe 1 · 2013


Zusammenfassung · Abstractchen Urin kann einen ausreichenden Nuklidabflussvortäuschen, wenn die Aktivitätlediglich über der Niere bestimmt wird(„Reservoir-Effekt“, „mixing chamber effect“,[32, 64]). Kass et al. [26] empfahlendaher die Einbeziehung des Ureters in die„region of interest“. Von den meisten Autorenwird jedoch die getrennte Bewertungder Abflusskurven sowohl von derNierenregion, als auch vom Harnleiterpraktiziert [10, 23, 24, 25, 32, 39, 64]. Angesichtsdieser Schwierigkeiten bei der Beurteilungder Abflussdynamik erhält dieseitengetrennte Nierenfunktionsbestimmungin der Szintigraphie eine vorrangigeBedeutung <strong>für</strong> die Therapieentscheidung.Zur Vermeidung von Interpretationsproblemenwird empfohlen, auf dieSpontanentleerung der Blase währendder Untersuchung zu warten. Von Einigenwird die transurethrale Katheterisierungempfohlen, falls das Kind nicht willkürlichmiktionieren kann [10, 58]. DieKatheterisierung birgt allerdings geradebeim pMU ein nicht unerhebliches Infektionsrisiko.MagnetresonanzurographieDurch kontrastmittelgestützte, kombiniertstatisch-dynamische Techniken lässtdie MR-Urographie nicht nur eine hervorragendeDarstellung des Nierenparenchymsund der ableitenden Harnwege zu,sondern ermöglicht auch die Bestimmungder seitengetrennten Nierenfunktion undder Abflussverhältnisse wie beim Szintigramm[49, 50, 51, 52]. Dieses Verfahrenist jedoch bislang nur an wenigen Klinikenverfügbar und ausgesprochen aufwändig.Therapie<strong>Primärer</strong>, nicht-refluxiver<strong>Megaureter</strong>Beim nicht-refluxiven pMU mit normaleripsilateraler Nierenfunktion kann imNeugeborenen- und Säuglingsalter voneiner operativen Korrektur abgesehenwerden, solange bei sonographischenKontrollen keine Zunahme der Dilatationerkennbar ist und keine klinischen Symptomeauftreten [13, 28, 29].Die ausgeprägte Compliance des fetalenUreters erklärt die oft eindrucksvolleAufweitung und Schlängelung des nichtrefluxivenpMU im Rahmen der prä- oderpostnatalen Erstdiagnose. Diese Erweiterungbildet sich im Zuge des Körperlängenwachstumsoft bereits innerhalb des1. Lebensjahres deutlich zurück und gehtlangfristig oft in eine lediglich distale segmentaleDilatation über. Diureseszintigraphischlässt sich in der Regel eine spontaneVerbesserung der Harnabflussverhältnissedarstellen (. Abb. 4, [2, 5, 7, 28, 31,36, 41, 56]). Die Rückbildungsdauer korreliertmit der Weite des pMU und demGrad der NBKS-Dilatation [11, 13, 21, 30,38].Konservatives VorgehenKeating et al. [28, 29] behandelten 34 von44 (78%) pränatal und neonatal diagnostizierterpMU vorwiegend höherer Schweregradekonservativ. Nur 2 (6%) dieser<strong>Megaureter</strong>en bedurften im Verlaufwegen zunehmender Obstruktion oderFunktionsverschlechterung einer operativenKorrektur. Von den 23 pränatal erkannten<strong>Megaureter</strong>en wurden 20 (87%)über einen mittleren Beobachtungszeitraumvon 28 Monaten konservativ betreut.In 83% dieser Fälle war eine Besserungder Abflussverhältnisse erkennbar;in keinem Fall kam es zu einer Verschlechterungder ipsilateralen Nierenfunktionim DTPA-Scan (Diethylentriaminpentaessigsäure).In vielen kinderurologischen Zentrenliegt der Anteil der nach prä- oder postnatalerDiagnose konservativ behandelten<strong>Megaureter</strong>n heute bei etwa 80% [3, 6, 8,9, 11, 28, 36, 57].Es existieren kaum Parameter, dieeine Vorhersage des Spontanverlaufs bereitsbei Diagnosestellung erlauben. DieArbeitsgruppe um P.G. Ransley in Londonprüfte die Weite des Harnleiters alsprognostischen Parameter. In einer retrospektivenStudie zeigte sich, dass alle <strong>Megaureter</strong>en,bei denen es in einem Beobachtungszeitraumvon durchschnittlich3 Jahren zu einem spontanen Rückgangder Harntransportstörung gekommenwar, initial einen Durchmesser 80% der Fällenicht operationsbedürftig, da die Spontanremissionsratehoch ist. Dagegen ist der obstruktiv-refluxive<strong>Megaureter</strong> in der Regelkorrekturbedürftig. Bei rezidivierenden Harnwegsinfekten/Pyelonephritidensollte im 1.Lebensjahr eine Antibiotikadauerprophylaxeerfolgen.SchlüsselwörterHarnleiter · Harnabflussstörung ·Psoas-hitch-Technik · Ureterozystoneostomie ·AntibiotikaprophylaxePrimary megaureterAbstractA primary megaureter is an anomaly with aprevesical or overall dilated ureter of morethan 6 mm in diameter. It is important to distinguishbetween cases of primary non-refluxingand primary obstructive-refluxingmegaureters, as the treatment of bothis completely different. The basic diagnosticwork-up includes ultrasonography and voidingcystourethrography. Diuretic renographyis used to detect split renal function and thedegree of upper urinary tract obstruction. Inmost cases of primary non-refluxing megauretersurgical treatment is unnecessary dueto the high remission rate, whereas obstructiverefluxing megaureters commonly onlyneed to be corrected. Antibiotic prophylaxismay be indicated in infants with a primaryobstructive megaureter during the first6 months of life due to a higher risk of complicationsdue to pyelonephritis especially inthis age group.KeywordsUreter · Obstructive urinary flow · Psoas-hitchtechnique · Antibiotic prophylaxis ·UreterocystoneostomyDer Urologe 1 · 2013 |35


LeitthemaAbb. 4 8 Spontanverlauf der Harnabflussverhältnisse im Diureseszintigramm bei einem Kind mit pMU links. Die obere Kurvezeigt den Nuklidabfluss aus der „region of interest“ (im Bild links dargestellt durch die rote und grüne Linie) innerhalb der ersten30 min nach i. v.-Nuklidinjektion (Tc-MAG3). Die mittlere Kurve rechts stellt den Abfluss nach kurzer Orthostase dar. Dieunter Kurve rechts dokumentiert das Abflussverhalten nach Furosemid-Gabe. (Quelle: Dr. Beetz, mit freundl. Genehmigung)Abb. 5 8 Urographische Verlaufskontrolle eines konservativ behandelten, asymptomatischen pMU(links) mit Rückbildung der Harntraktdilatation bis zum 10. Lebensjahr (rechts)funktionsverschlechterung einer operativenKorrektur unterzogen werden mussten,initial >10 mm weit [36]. Eine israelischeArbeitsgruppe identifizierte in einerretrospektiven Untersuchung bei 79 Kindernmit postnataler Diagnose eines pMUeine anteilige Nierenfunktion von 30%,eine NBKS-Dilatation Grad III–IV nachder „Society for Fetal Urology“ [14] undeinem Ureterdurchmesser >1,33 cm alsunabhängige prädiktive Parameter <strong>für</strong> dieOperationsbedürftigkeit [9]. Die Hauptindikationen<strong>für</strong> die Operation waren eineAbnahme der anteiligen Nierenfunktionum 5%, eine Zunahme der NBKS-Dilatationund eine persistierende diureseszintigraphischrelevante Harnabflussstörung.36 | Der Urologe 1 · 2013


Abb. 6 8 Intraoperative Befunde bei Ureterozystoneostomie im Psoas-Hitch-Verfahren: a eröffnete,mobilisierte Harnblase vor Fixation des Blasenhorns an der Psoasfaszie, mobilisierter distaler <strong>Megaureter</strong>vor Reimplantation. b Zustand nach HarnleiterneueinpflanzungAntibakterielleInfektionsprophylaxeIn einer retrospektiven Kohortenstudiezeigte sich, dass Säuglinge mit antenataldiagnostizierter Nierenbeckendilatationein 12-fach erhöhtes Risiko einer stationärbehandlungsbedürftigen Pyelonephritisinnerhalb des 1. Lebensjahres aufweisengegenüber vergleichbaren Säuglingenohne auffälligen Nierenbefund [62].Eine koreanische Arbeitsgruppe prüftedie Prävalenz eines HWI von Neugeborenenmit NBKS-Dilatation während ihres1. Lebensjahres. HWI traten bei Patientenmit <strong>Megaureter</strong> deutlich häufiger auf alsbei Patienten ohne <strong>Megaureter</strong> (47% vs.13% [34]). Beim <strong>Megaureter</strong> ist nach heutigemKenntnisstand zumindest im 1. Lebenshalbjahreine antibakterielle Infektionsprophylaxeangemessen. In jedemFall müssen Eltern und betreuende Ärzteüber die Notwendigkeit einer raschenErkennung und adäquaten Therapie derHWI aufgeklärt werden.Operative TherapieEin hochgradig obstruktiver <strong>Megaureter</strong>mit klinischer Symptomatik (Pyelonephritiden,Flankenschmerzen, Urolithiasis)und gleichzeitig szintigraphisch hochgradigrelevanter Harnabflussstörung imDiureseszintigramm stellt eine Indikationzur Ureterozystoneostomie dar, die imPsoas-Hitch-Verfahren erfolgen kann ([8,15, 16], . Abb. 6). In den meisten Serienliegt die Erfolgsrate der Ureterozystoneostomieweit >90% [1, 12, 18, 44, 45, 54, 61].Daher kann auf ein postoperatives Routine-MCUverzichtet werden.Es ist nicht ungewöhnlich, dass einedeutliche Nierenbeckenkelcherweiterungund Ureterdilatation postoperativüber längere Zeit persistiert, auch wenndie Kontrolldiureseszintigraphie bereitswesentlich gebesserte Abflussverhältnissezeigt [35]. Die Dauer der Langzeitüberwachunghängt von der Rückbildungstendenzder Dilatation ab. Unter Umständensind Verlaufskontrollen bis über die Pubertäthinaus notwendig [56].Im Früh- und Neugeborenenalterkann bei massivster Aufweitung des Nierenbeckenkelchsystemsund Parenchymverschmälerungbzw. ipislateraler Nierenfunktionseinschränkungeine Pyelokutaneostomieoder Ureterokutaneostomie alspassagere Harnableitung bis zur definitivenUreterozystoneostomie in Erwägunggezogen werden.<strong>Primärer</strong>, refluxiver <strong>Megaureter</strong>Refluxiv-obstruktive pMU stellen ein relativhohes Risiko <strong>für</strong> aszendierende HWIund „Durchbruchsinfektionen“ auchunter antibakterieller Prophylaxe dar [4].Die Entscheidung zur operativen Korrektur(s. oben) ist daher großzügiger zu treffenals beim nicht-refluxiven pMU. DieExzision des engen prävesikalen Harnleitersegments,eine Neueinpflanzung miteventueller Harnleiterverschmälerung imzu reimplantierenden Abschnitt erfolgtbevorzugt ab dem vollendeten 6. Lebensmonat.Fazit <strong>für</strong> die PraxisF <strong>Megaureter</strong>en werden ihrer Genesenach in primäre und sekundäre Formenunterteilt. Bei der primären Formunterscheidet man nicht-refluxivevon obstruktiv-refluxiven <strong>Megaureter</strong>en.Sekundäre <strong>Megaureter</strong>en tretenbei anatomischer und funktionellerinfravesikaler Obstruktion oder Blasenentleerungsstörungenauf.F Diagnostisch ist zwischen einer funktionellenHarnwegsdilatation ohneNierenfunktionseinschränkung undeiner operativ korrekturbedürftigenObstruktion zu unterscheiden.F Die Sonographie und das Miktionszystourethrogrammgelten als Basisdiagnostik.Die MR-Urographie bietet dieMöglichkeit einer gleichzeitigen, seitengetrenntenBestimmung der Nierenfunktionohne Strahlenbelastung.F Ein konservatives Vorgehen ist beiprimären, nicht-refluxiven <strong>Megaureter</strong>engerechtfertigt; sie weisen einenhohen Anteil an Spontanremissionenauf. Ein operatives Vorgehen istdagegen bei primären symptomatischenund obstruktiv-refluxiven <strong>Megaureter</strong>nmit szintigraphisch nachweisbarerHarnabflussstörung indiziert.F Eine antibakterielle Infektionsprophylaxesollte im 1. Lebensjahr bei erhöhtemRisiko einer Pyelonephritis erfolgen.KorrespondenzadresseDr. P. <strong>Anheuser</strong>Klinik <strong>für</strong> Urologie undKinderurologie,St.-Antonius-HospitalEschweiler,Dechant Deckers-Straße 8,52249 EschweilerPetra.<strong>Anheuser</strong>@sah-eschweiler.deInteressenkonflikt. Der korrespondierende Autorgibt <strong>für</strong> sich und seine Koautoren an, dass kein Interessenkonfliktbesteht.Literatur1. Aksnes G, Imaji R, Dewan PA (2002) Primary megaureter:results of surgical treatment. ANZ J Surg72:877–8802. Alcaraz A, Vinaixa F, Tejedo-Mateu A et al (1991)Obstruction and recanalization of the ureter duringembryonic development. J Urol 145:410–4163. Arena F, Baldari S, Proietto F et al (1998) Conservativetreatment in primary neonatal megaureter.Eur J Pediatr Surg 8:347–351Der Urologe 1 · 2013 |37


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