Ein Hoch auf Porsche
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Ein Hoch auf Porsche
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Christophorus 333<br />
Unternehmen<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Hoch</strong> <strong>auf</strong> <strong>Porsche</strong><br />
Text<br />
Michael Thiem<br />
Fotografie<br />
Dirk Deckbar<br />
Christophorus 333<br />
<strong>Porsche</strong> verstehen heißt <strong>Porsche</strong> fahren. Deshalb lud das Unternehmen zum<br />
60. Geburtstag seiner Sportwagen zu einer Spurensuche nach Österreich<br />
ein. Bei einer Fahrt mit historischen <strong>Porsche</strong>-Fahrzeugen über die Großglockner-<br />
<strong>Hoch</strong>alpenstraße zu den Wurzeln des Unternehmens in den Bundesländern<br />
Salzburg und Kärnten wurde die Geschichte lebendig.<br />
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Christophorus 333<br />
Die Kulisse hat sich kaum verändert. Das Gebäude der Guggenthal-Brauerei<br />
sieht aus wie früher: Verlassen, die Fenster eingeschlagen,<br />
von der hellbeigen Fassade blättert der Putz. Bereits 1916<br />
wurde hier das letzte Bier gebraut. Und so gehörte eben jener morbide<br />
Charme schon zwischen 1929 und 1969 zu den Rennen <strong>auf</strong><br />
den Gaisberg wie die Bratwurst vor dem Start. Deshalb hat <strong>Porsche</strong><br />
nach fast 40 Jahren noch einmal vor der Bauruine wenige Kilometer<br />
von Salzburg entfernt sein Fahrerlager <strong>auf</strong>geschlagen. Und<br />
tatsächlich: An einem besseren Ort könnte die Zeitreise zu den<br />
Ursprüngen der Marke <strong>Porsche</strong> nicht beginnen. Von hier aus führt<br />
die knapp 400 Kilometer lange Fahrt zu den <strong>Porsche</strong>-Wurzeln in<br />
Österreich. Stationen sind der Familiensitz Zell am See, die Großglockner-<strong>Hoch</strong>alpenstraße,<br />
Gmünd, der Geburtsort des ersten<br />
<strong>Porsche</strong>-Prototyps mit der Fahrgestellnummer 356-001, und die<br />
damaligeTeststrecke am Katschberg.<br />
<strong>Ein</strong>en Steinwurf vom Gaisberg entfernt modert inzwischen auch<br />
die ehemalige Brauereigaststätte vor sich hin. Das Mobiliar ist<br />
umgeworfen. Die Szenerie sieht aus, als hätten es die Gäste eilig<br />
gehabt, an die Strecke zu kommen.Wie damals kündigen auch an<br />
diesem Morgen die knatterndenVierzylinder-Motoren den Start<br />
an. Der ehemalige Rennfahrer Herbert Linge sitzt im 356 B 1600<br />
GS Carrera GTL Abarth am Fuße der Gaisbergstraße und spielt<br />
gekonnt mit den 135 PS. Dann geht es los. Der 80-Jährige drückt<br />
<strong>auf</strong>s Gas. Stellenweise trotzt Linge dem Boxer-Motor 140 km/h<br />
ab. Auf der 8,652 Kilometer langen Strecke mit einem Höhenunterschied<br />
von 652 Metern ist höchste Konzentration gefordert.<br />
Die schnellen, lang gezogenen Kurven führen hin<strong>auf</strong> zur Gersbergalpe,<br />
von der Rauchenbichl-Kehre nach Mitteregg und dann<br />
weiter zur Zistelalm. „In den 60er Jahren standen mehr als 20 000<br />
Menschen an der Strecke. Da war die Hölle los“, erinnert sich<br />
Linge. Heute besteht das Publikum nur aus einem 69-jährigen<br />
<strong>Porsche</strong>-Parade vor dem <strong>Porsche</strong>-Hotel: Das Schloss Prielau in<br />
Zell am See gehört seit 1987 der Familie<br />
Radfahrer. Josef Röhrl („Wie der Rennfahrer, nur langsamer“)<br />
nimmt <strong>auf</strong> dem 1287 Meter hohen Gipfel den <strong>Porsche</strong> unter die<br />
Lupe und ist fasziniert. „Ich war früher Autosattler. Die Verarbeitung<br />
ist beeindruckend. <strong>Ein</strong> tolles Auto“, sagt Röhrl.<br />
Die Bergrennen am Gaisberg zählen zu den schnellsten ihrer Zeit.<br />
1967 stellte Rolf Stommelen imTyp 910-8Spyder mit 3:39 Minuten<br />
den Rekord für den Gipfelsturm <strong>auf</strong>. Die Marke <strong>Porsche</strong> erzielte<br />
bei dem Rennen, das von 1957 an als „Großer Bergpreis von<br />
Österreich“ ausgetragen wurde, die meisten Siege. Diese Rennsport-Begeisterung<br />
lässt das Unternehmen für 30 Journalisten aus<br />
der ganzenWelt noch einmal <strong>auf</strong>leben. Die Mitfahrgelegenheiten<br />
mit den Motorsport-Legenden Herbert Linge, Peter Falk und Rudi<br />
Lins sind ein Erlebnis.<br />
<strong>Porsche</strong> fahren heißt genießen. Dazu eignet sich bereits der erste<br />
Abschnitt der Reise. Die historischen Fahrzeuge lassen den idyllischenWolfgangsee<br />
links liegen und erklimmen <strong>auf</strong> demWeg nach<br />
Zell am See zuerst die Postalm. Unterwegs im 356 1500 Coupé<br />
„Knickscheibe“ (1954), dem 356 A 1600 S Speedster (1958), dem<br />
356 B Carrera 2 Cabriolet (1962) oder dem 356 B-Coupé (1963)<br />
durch Österreichs größtes Almgebiet reist die Begeisterung mit.<br />
An der Mautstelle bei der Jausenstation Bergheimat sitzt Gisela<br />
Greiner und zählt die <strong>Porsche</strong> in Gedanken mit. „Heute sind A<br />
Der Blick in die Vergangenheit: Noch heute erinnert in Gmünd<br />
vieles an die <strong>Porsche</strong>-Ära von 1944 bis 1950<br />
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Christophorus 333<br />
Fachgespräche im Journalistenkreis: Dr. Wolfgang <strong>Porsche</strong><br />
empfängt die Besucher am Familienstammsitz Schüttgut<br />
bereits 14 vorbeigekommen. <strong>Ein</strong>er schöner als der andere“, verrät<br />
sie. „Wenn’s Wetter passt, dann ist das eine herrliche Strecke für<br />
herrliche Fahrzeuge.“<br />
Blauer Himmel, 25 Grad – es passt. Die Überlandfahrt geht weiter<br />
über die Orte Abtenau, St. Martin, Eben, Altenmarkt, St. Johann<br />
und endet nach 160 Kilometern schließlich in Zell am See. Dort<br />
wartet zur Überraschung aller der Gastgeber: Dr.Wolfgang <strong>Porsche</strong>.<br />
Der Sohn von Ferry <strong>Porsche</strong> und heutige Vorsitzende des Aufsichtsrates<br />
empfängt die Besuchergruppe <strong>auf</strong> dem Familiensitz,<br />
dem Schüttgut. Der 65-Jährige öffnet seinWohnzimmer, zeigt die<br />
Grabkapelle der Familien <strong>Porsche</strong> und Piëch, lädt zu frisch gezapftem<br />
Bier,Vogelbeer-Schnaps und Speck ein. „Ich bin zu Hause in<br />
Zell am See, in München und in Stuttgart, aber hier bin ich daheim“,<br />
sagtWolfgang <strong>Porsche</strong>. Der Bauernhof wird noch bewirtschaftet.<br />
Auf der 400 Hektar großen Alm weiden 150 Kühe. „Wir<br />
sind Selbstversorger“, erzählt der Hausherr, „wir haben Honig,<br />
Brot, Butter, Käse, Speck – und wir bauen Autos.“<br />
Selbst für erfahrene Journalisten erscheint die <strong>Porsche</strong>-Geschichte<br />
in einem neuen Licht.„Ich bin überrascht, welche persönliche Note<br />
diese Reise besitzt“, sagtWolfgang Peters, Ressortleiter der Frankfurter<br />
Allgemeinen Zeitung, „denn die Produkte und die Menschen<br />
sind entscheidend dafür, warum dieses Unternehmen heute ganz<br />
oben steht.“<br />
<strong>Porsche</strong> erleben ist Exklusivität. Dafür garantiert am Nordufer<br />
des Zeller Sees auch das Schloss Prielau. Seit 1987 gehört das Anwesen<br />
der Familie <strong>Porsche</strong>. Die hat es renoviert, ein Hotel und ein<br />
Gourmet-Restaurant eröffnet und dadurch ein geschichtliches<br />
Kleinod vor dem Verfall bewahrt. Zeitweise wohnte Wolfgang<br />
<strong>Porsche</strong> selbst im Schloss. <strong>Ein</strong>er seiner Vorgänger war im Jahr<br />
1598 Dietrich Kuen-Belasy. Er galt als kräftigster Mann des Pinzgaus.<br />
Der damalige Schlossherr sollWiesenbäume über das Stalldach<br />
geworfen haben und <strong>auf</strong> seiner <strong>Hoch</strong>zeitsfeier ein FassWein<br />
alleine ausgetrunken haben – übrigens im Alter von 82 Jahren. A<br />
Freie Fahrt nach oben: Das Panorama <strong>auf</strong> der Großglockner-<br />
<strong>Hoch</strong>alpenstraße begeistert alle
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DEUTSCHLAND<br />
Kitzbühel<br />
Zell am See<br />
ITALIEN<br />
Kitzsteinhorn<br />
Großglockner<br />
OSTTIROL<br />
Salzburg<br />
Lienz<br />
Gaisberg<br />
Abtenau<br />
St. Johann<br />
OBERÖSTERREICH<br />
Bad Ischl<br />
St. Martin<br />
Altenmarkt<br />
SALZBURG<br />
Heiligenblut Katschberg<br />
Gmünd<br />
STEIERMARK<br />
ÖSTERREICH<br />
KÄRNTEN<br />
Zurück im Heute. Außergewöhnliches müssen nun auch die historischen<br />
Fahrzeuge leisten. Auf dem Weg nach Gmünd, der Geburtsstätte<br />
des ersten <strong>Porsche</strong>-Sportwagens, wartet die atemberaubende<br />
Großglockner-<strong>Hoch</strong>alpenstraße. Sie verbindet seit 1935<br />
die österreichischen Bundesländer Salzburg und Kärnten. Bis zur<br />
endgültigen Rückkehr von <strong>Porsche</strong> 1950 nach Zuffenhausen wurde<br />
die 47,8 Kilometer lange Passstraße genutzt, um die Kletterkünste<br />
und Bremsleistung der Fahrzeuge zu testen. Oberhalb von 1200<br />
Meter liegt auch im Sommer oft Schnee.Wer am frühen Morgen<br />
die 36 Kehren bewältigt, wird mit einem außergewöhnlichen Bergpanorama<br />
belohnt. Der tiefe Sound des 356Carrera2 Liter oder des<br />
911 Speedster stört selbst die vielen Murmeltiere kaum.Während<br />
die <strong>Porsche</strong>-Fahrzeuge wie an der Schnur gezogen nach oben streben,<br />
tollen die possierlichen Nager munter am Straßenrand herum.<br />
Murmeltiere waren vermutlich auch 1950 schon Zeugen, als in<br />
luftigen Höhen ein Auslandsgeschäft von <strong>Porsche</strong> abgewickelt<br />
wurde. Dabei spielte der Zufall die entscheidende Rolle. Der aus-<br />
Grafik: RWS<br />
<strong>Ein</strong> Wiedersehen zum Geburtstag am Geburtsort in Gmünd:<br />
Aus den alten Tagen steht nur noch das Pförtnerhäuschen<br />
tralische Geschäftsmann Norman Hamilton war damals mit seinem<br />
Fahrzeug <strong>auf</strong> der Großglockner-<strong>Hoch</strong>alpenstraße unterwegs.<br />
Doch <strong>auf</strong> halber Strecke machte seinWagen schlapp. Als kurz dar<strong>auf</strong><br />
der Journalist und Rennfahrer Richard von Frankenberg mit<br />
seinem 356 problemlos den Anstieg bewältigte, wollte der Wasserpumpen-Vertreter<br />
aus Down Under unbedingt auch so ein Fahrzeug.<br />
Am Kaiser-Franz-Josef-Haus, einer Schutzhütte bei Kilometer<br />
8,7 der Gletscherstraße <strong>auf</strong> 2369 Meter Höhe, wurde der<br />
Verk<strong>auf</strong> praktisch besiegelt.<br />
<strong>Porsche</strong> fahren heißt staunen. Ob historischer Rennsportwagen<br />
oder neuestes Modell – die Fahrzeuge erregen <strong>auf</strong> ihrer Reise zum<br />
Großglockner Aufsehen. An der Passstraße wird gebaut, dies sorgt<br />
für einen Stau. Doch dieWartezeit kommt denTouristen, die ebenfalls<br />
Richtung Kärnten unterwegs sind, gelegen.Viele steigen aus<br />
und zücken die Fotoapparate: Speedster statt Bergmassiv. Die<br />
nächsten Stationen <strong>auf</strong> dem Weg nach Gmünd sind Heiligenblut<br />
und der Millstätter See. Wenige Kilometer weiter wartet mit dem<br />
Katschberg und dessen 29 Prozent Steigung die nächste Belastungsprobe.<br />
Auch er stand in den frühen <strong>Porsche</strong>-Jahren regelmäßig <strong>auf</strong><br />
dem Testprogramm. Ferry <strong>Porsche</strong> bewältigte mit dem 356 die<br />
Naturstraße <strong>auf</strong> Probefahrten sogar ohne Karosserie. Die wurde<br />
wenig später angebracht – der erste <strong>Porsche</strong>-Sportwagen war geboren.<br />
Dr.Wolfgang <strong>Porsche</strong> setzt die Philosophie fort.Vor einigen<br />
Tagen fuhr er mit dem 15-jährigen Sohn Ferdinand in einem 959<br />
<strong>auf</strong> den Großglockner. „Wir haben die Scheiben runtergekurbelt,<br />
damit wir den Sound besser genießen konnten.“ <strong>Porsche</strong> fahren<br />
heißt einenTraum leben. B