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Ulrike Längle, Natalie Beer und Max Riccabona - Vorarlberg

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noch den Nationalsozialismus samt Hitler hochjubelt, dieRudolf Heß als ‚Kämpfer der Friedens’ bezeichnet, die dasWort ‚Demokratie’ nicht über die Zunge bringt usw., in unseremLand derart hochgejubelt <strong>und</strong> mit Auszeichnungennur so überhäuft wird. Z. B. letzhin mit der Felder-Medaille.Ich ersuche hiemit insbesondere den Felder-Verein, darzulegen,wie es zu dieser Preisverleihung kommen konnte.Welch Geistes Kind diese <strong>Natalie</strong> <strong>Beer</strong> auch heute noch ist,war ja bekannt.“ 55Der Felder-Verein nahm in einem Leserbrief von VorstandsmitgliedProf. Heinzle zu diesen Vorwürfen Stellung <strong>und</strong>rechtfertigte sich damit, dass die Kriterien für die Verleihungder Felder-Medaille „ausschließlich künstlerische<strong>und</strong> nicht politische“ seien. „Selbstverständlich distanziertsich der Felder-Verein eindeutig von den neonazistisch anmutendenÄußerungen der Dichterin, er kann aber niemandemdie Freiheit der eigenen Meinung absprechen.“ Dieseeindeutige Distanzierung wird aber in der Folge wieder relativiert:viele Menschen hätten sich im Laufe ihres Lebensin ihren politischen Einschätzungen geirrt, später aber ausEinsicht oder Erfahrung die Konsequenzen gezogen. Andereseien bei ihrem früheren Urteil geblieben, wie Brecht, dersich auch durch die Massenmorde der Stalinära nicht vomKommunismus hätte abhalten lassen. Zu <strong>Beer</strong>s Entlastungwird gesagt, dass man ihr „ganzes, nicht immer leichtesLeben <strong>und</strong> ihr imponierendes Gesamtwerk berücksichtigen<strong>und</strong> sie nicht nur nach einigen Äußerungen abqualifizieren[sollte], die sie mit dem vielleicht doch schon etwas getrübtenBlick einer Achtzigjährigen gemacht hat.“Auch im Landtag kam die Affäre zur Sprache, <strong>und</strong> zwar inder Kulturdebatte zum Rechenschaftsbericht. Der Kultursprecherder SPÖ, Alwin Riedmann, attackierte die ÖVP, die<strong>Beer</strong> „als ‚Vorzeigedame der <strong>Vorarlberg</strong>er Kulturpolitik’ verwendet“habe, <strong>und</strong> die „Altherrenriege des Felder-Vereins“,der sich diesen Vorstellungen angeschlossen habe. DerÖVP-Abgeordnete Dr. Franz Bernhard empfand die Äußerungen<strong>Beer</strong>s als „einen Schlag ins Gesicht all jener […], diewährend der NS-Diktatur verfolgt waren oder gar sterbenmußten.“ Dr. Arnulf Häfele von der SPÖ „stellte die Frage,ob es nicht gefährlicher sei, <strong>Beer</strong> in <strong>Vorarlberg</strong>er Schulen,wie das häufig geschehen sei, lesen zu lassen. Währendman auf der anderen Seite einer international anerkanntenAutorin wie Renate Welsh Schul-Lesungen untersage, wiedas vor wenigen Tagen der Fall gewesen sei.“ 56Die Landesförderung für <strong>Natalie</strong> <strong>Beer</strong> wie auch die Zuwendungendes B<strong>und</strong>esministeriums für Unterricht <strong>und</strong> Kunstwurden auch nach dieser Affäre fortgeführt wie bisher, obwohl<strong>Natalie</strong> <strong>Beer</strong> in einem Brief dem Landeshauptmanngeschrieben hatte, auf die Prämie verzichten zu wollen, dasie nun durch die LVG als Altersversorgung rückwirkend ab1. Juli 1983 monatlich 4.079 Schilling erhalte. „Daher glaubeich sagen zu dürfen, daß eine weitere Unterhaltsprämieder <strong>Vorarlberg</strong>er Landesregierung nicht mehr notwendigerscheint. Es werden dann auch wohl die bösen Mäuler gestopft,die mir in diesem Sommer das Leben sehr schwergemacht haben.“ Soviel zu <strong>Natalie</strong> <strong>Beer</strong>. Aus heutiger Sichtkann man diese Ereignisse als Indiz für die moralische Indifferenzoder auch für die Sympathie sehen, die in weitenKreisen in Österreich bis in die Achtzigerjahre, genauer biszur Waldheim-Affäre, gegenüber Mitläuferfiguren <strong>und</strong> auchgegenüber standhaften Nationalsozialisten, wie <strong>Natalie</strong><strong>Beer</strong> eine war, herrschte.Die literaturpolitische Situation in den 70er JahrenDass sich hinter den Turbulenzen um <strong>Beer</strong>s Memoiren nochandere, nämlich literarische Konfliktfelder verbergen, sollnun gezeigt werden. Es ging hiebei auch um einen Paradigmenwechselin der Literatur, um einen Generationenwechselbei den Schriftstellerinnen <strong>und</strong> Schriftstellern. Dominiertenbis in die Sechzigerjahre in <strong>Vorarlberg</strong> Vertreter derHeimatliteratur oder christliche Autoren wie Franz MichelWillam, Adalbert Welte, Richard Beitl, Eugen Andergassen,Anna Hensler, Anna Linder-Knecht oder <strong>Natalie</strong> <strong>Beer</strong>, soänderte sich das Panorama der Literatur in <strong>Vorarlberg</strong> seitden Siebzigerjahren gr<strong>und</strong>legend. Noch 1970 äußerte derSeite 235

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