INTERVIEWVor einigen Jahren schien es für kurze Zeit so, als wäreJohn Grisham dem Fußball verfallen. Sein englischerLektor h<strong>at</strong>te dem Bestsellerautor diesen unamerikanischenKick nahebringen wollen und ihn zum FCChelsea mitgenommen. Grisham machte sich einenSpaß aus dem Stadionbesuch, indem er nicht das Spitzenteam ausLondon anfeuerte, sondern den krassen Außenseiter, den unterklassigenAFC Bournemouth. Wenig später sei er in englischenZeitungen als glühender Bournemouth-Anhänger dargestelltworden, sagt Grisham, was wiederum zur Folge gehabt habe, dassihm der wirtschaftlich angeschlagene Klub zum Kauf angebotenworden sei. Grisham: „Es war ein nettes Angebot, aber ich habeabgelehnt.“ John Grisham, mit Justizthrillern reich und berühmtgeworden, blieb seinem Lieblingssport treu: Baseball. Sein ebenauf Deutsch erschienener Roman „Home Run“, im englischenOriginal „Calico Joe“, kreist rund um dieses typisch amerikanischeSpiel.deluxe: Herr Grisham, in Österreich und allen anderen europäischenLändern ist Fußball unumstritten die Nummer eins unter denSportarten. Erklären Sie als Amerikaner uns doch einmal die Faszin<strong>at</strong>ionvon Baseball.JOHN GRISHAM: Nichts ist vergleichbar mit Fußball. Er ist einwirklich intern<strong>at</strong>ionaler Sport. In den Vereinigten Sta<strong>at</strong>en habenwir drei bedeutende Sportarten – Baseball, American Footballund Basketball – und sie sind saisonabhängig. Wenn man diesedrei in einem gigantischen Paket zusammenschnürte, dann wärensie wohl Ihrem Fußball in etwa ebenbürtig.Im Nachwort Ihres Romans bezeichnen Sie Baseball als ein einfachesSpiel. Mit Verlaub, für Nichtamerikaner erscheinen die Regelnhöchst kompliziert. Was soll daran einfach sein?Das war scherzhaft gemeint. Baseball ist kompliziert bis zur Lächerlichkeit.Ich bin ein großer Fan und ich kenne immer nochnicht alle Regeln.In Amerika gibt es viele Filme wie Field of Dreams, Bücher wie DieKunst des Feldspiels und Lieder wie Mrs. Robinson, die sich umBaseball drehen. Warum ist dieses Spiel so ein fester Bestandteilder amerikanischen Kultur?Die Geschichte des Baseballs ist die Geschichte Amerikas. DasSpiel wurde schon vor dem Bürgerkrieg gespielt und es zieht sichseither durch so vieles in unserem Land: die industrielle Revolution,die Einwanderung, die Kriegsjahre, die Bürgerrechtsbewegung,die Große Depression und so weiter. Außerdem wird Baseballvon einer Gener<strong>at</strong>ion zur nächsten weitergegeben. Mein V<strong>at</strong>erh<strong>at</strong> mir das Spiel in derselben Weise beigebracht, wie er es zuvorvon seinem V<strong>at</strong>er gelernt h<strong>at</strong>te.Mit dreizehn Jahren hegten Sie den Traum vieler amerikanischerJungen, nämlich Baseballprofi zu werden. Wie und wo haben Siegespielt?Ich habe unentwegt gespielt, bis ich neunzehn Jahre alt war undletztlich alles aus meinem Talent herausgeholt h<strong>at</strong>te. Zu verschiedenenZeiten habe ich auf allen Positionen gespielt. Danach habeich die Mannschaft meines Sohnes trainiert, zwischen seinemachten und siebzehnten Lebensjahr.Zugleich haben Sie auf einem Ihrer Grundstücke im Bundessta<strong>at</strong>30deluxe edition 3*13
Virginia sechs Baseballfelder errichten lassen für Kinder- undJugendmannschaften. Wie muss man sich Ihre Unterstützungfür Baseballtalente vorstellen?Vor siebzehn Jahren habe ich Cove Creek Park für die Kinderin unserem Landesteil aufgebaut. Vorher h<strong>at</strong>te es in unsererGegend keine Baseballfelder gegeben, sodass viele Kindernicht spielen konnten. Also habe ich den Komplex errichtet.Mittlerweile haben wir 400, 500 Jungen und Mädchen, die beiuns jedes Jahr Baseball und Softball spielen. Ich selbst habedort meinen Sohn und meine Tochter trainiert und bin auchjetzt noch dort eingebunden. Das Spiel dort ist eher ein Freizeitvergnügenals wettbewerbsorientiert und wir erwarten vonjedem, besonders von den Eltern, dass er sich ordentlich verhält.In Grishams Cove Creek Park, in einem grünen Landstrich dreißigKilometer von der nächsten Stadt Charlottesville entfernt gelegen,herrschen strenge Sitten. Fluchen ist den Baseball-Kidsund ihren Eltern untersagt, ebenso Wutanfälle und unfaires Benehmen.Keine Respektlosigkeit!, steht auf einem großen Schild.Fehlverhalten wird von der Leitung des Nachwuchszentrums geahndet.Dieser besondere Verhaltenskodex ist möglich, weil CoveCreek Park in priv<strong>at</strong>em Besitz ist. Als ein Vorbild an gelebter Bescheidenheitkann der berühmte Gründer gelten. Anders als inAmerika üblich, findet sich nirgends auf dem Gelände ein Hinweisauf John Grisham, den großen Spender.