M o d e l l p r o j e k t eDie rumänischen Aidshilfe ARAS(Asociatia Romania Anti-Sida)und das Bonner Ost-West-Institut<strong>für</strong> Sozialmanagement (OWI)haben im Juli 1998 ein EU-finanziertesModellprojekt im DistriktBacau gestartet. Im Mittelpunktdes Projektes steht die psychosozialeBeratung und Begleitungder an HIV infizierten oder aidskrankenKinder und deren Familien.Die Ausbildung von Sozialarbeiternund Psychologen sowiedie Fortbildung von Ärzten ist einweiterer S<strong>chwerpunkt</strong>. So sollerreicht werden, dass bei Projektendedie Hilfsangebote weiterbestehen und ausgebaut werdenkönnen.kenhausaufenthaltes wurde er mitHIV infiziert. Die Sozialarbeiterinnenvon ARAS und OWI lernen imFebruar 1999 Mihai und seineFamilie bei ihrem ersten Besuch imDorf kennen.Mihais Mutter fasst Vertrauen zuden Sozialarbeiterinnnen. Kurznach dem ersten Kontakt sucht siedie neue psychosoziale Beratungsstellein Bacau auf und berichtetüber ihre Probleme: Weil ihr Kindnicht gerne in der Dorfschule gesehenwird, hatten seine Eltern leidererfolglos versucht, vom Dorfarzteine Bescheinigung zu erhalten. Einschriftliches Attest sollte belegen,dass Mihai die anderen Kinder inder Schule nicht anstecken kann.Keine Hilfe nur „auf Zeit“HIV-infizierten Kindern in Rumänien soll langfristig geholfen werdenMihai wird übergangsweise aufKosten der Schulbehörde zu Hauseweiter unterrichtet. Bald wird ereine Schule besuchen, die schonseit längerem mit dem Modellprojektkooperiert. Die Lehrer dieserSchule haben an Informationsveranstaltungenteilgenommen. Dochdie Ausgrenzung im Dorf geht <strong>für</strong>Mihais Familie weiter. Die Projektmitarbeiterwerden noch vieleGespräche führen müssen.Medizinische undpsychosoziale Hilfe istnotwendigMit dem Modellprojekt betretenARAS und OWI Neuland. „Wir wusstenschon lange um das ProblemBeide Organisationen haben vorOrt eine Beratungsstelle eingerichtet.Dauerhafte Hilfsangebote wieErnährungs- und Lebensberatungsowie Gruppentherapie sollen helfen,die Familiensituation zu stabilisieren.Auch in akuten Krisen kannschnell und unbürokratisch geholfenwerden. Für eine verbessertemedizinische Basisversorgung derKinder wird gesorgt. Die betroffenenFamilien erhalten materielleUnterstützung, Lebensmittel undKleidung.Neben der medizinischen und psychosozialenHilfe wird das Umfeldder betroffenen Familien einbezogen.Viele Menschen in der Regionwissen wenig über HIV/Aids oderhaben große Angst vor einerAnsteckung. So wird in den Familien,in der Nachbarschaft unddarüber hinaus immer wieder durchGespräche versucht, Wissen undAkzeptanz zu fördern. Mit diesenkleinen Schritten wollen die Projektverantwortlichender sozialenAusgrenzung der betroffenenFamilien entgegenwirken.Wie die konkrete Projektarbeit aussieht,zeigt das Beispiel des elfjährigenMihai: Er lebt mit seinerFamilie in einem kleinem Bergdorfin der Nähe von Bacau am Ostrandder Karpaten. Während eines Kran-Bei einem erneuten Besuch desDorfes sprechen die Sozialarbeiterinnnenmit dem Dorfarzt und demPriester. Sie informieren über dieAnsteckungsgefahren von Aids undversuchen, den weiteren Schulbesuchvon Mihai zu ermöglichen.Doch die Gespräche verlaufen ohneErfolg. Auch nachdem Landschulratund das Gesundheitsamt hinzugezogenwerden, ändert sich nichtsam Verhalten der Lehrer, der anderenEltern und der Dorfautoritäten.der HIV-infizierten Kinder undderen Familien und versuchten dieFamilien über schriftliche Materialienzu erreichen und die Bevölkerungaufzuklären, denn <strong>für</strong> mehrreichte das Geld nicht. Doch mitInformation allein ist den Familiennicht geholfen“, sagt ProjektleiterinMihaela Vatavoiu, Krankenschwesterund Gründerin von ARASin Bacau. Da kam der Kontakt zumBonner Ost-West-Institut geraderecht. Seit 1997 wurde das Projekt„ForumSOZIAL“ 4/2000 33
D B S H - R e p o r tDurch dieErkrankung derKinder geratendie Familienoft unter dieArmutsgrenzeund in diesoziale Isolation.Häufigbricht derKontakt zurNachbarschaftoder zuFreunden ab.gemeinsam geplant, das im Sommer1998 beginnen konnte.In der Bacau (208 000 Einwohner)und der Provinz Neamt, am Ostrandder Karpaten, leben über 700 HIVinfizierteoder aidskranke Kinder,mehr als in ganz Deutschland, wo500 bis 600 Kinder unter 13 Jahrenvon HIV/Aids betroffen sind.Die HIV-Infektion der rumänischenKinder liegt oft Jahre zurück undwird meist zufällig entdeckt: Diezwei- bis 18-jährigen Kinder undJugendlichen wurden in den meistenFällen (78,8 Prozent) währendeiner Krankenhausbehandlungdurch verunreinigte medizinischeInstrumente oder bei Blutübertragungeninfiziert. Die meisten Kinderkommen aus armen Verhältnissen.Durch die Erkrankung der Kindergeraten die Familien oft unterdie Armutsgrenze und in die sozialeIsolation. Häufig bricht der Kontaktzur Nachbarschaft oder zuFreunden ab. Viele Familien sindnicht in der Lage, die notwendigeErnährung der Kinder mit ausreichendObst und Fleisch zu sichern.Jeder hat ein Recht auf Versorgung.„Wir müssen die Kinder und Familiennicht nur medizinisch und psychosozialstärken, sondern auchgemeinsam mit ihnen <strong>für</strong> ihr Rechtauf ausreichende medizinische,psychosoziale und materielle Versorgungkämpfen“, sagt MihaelaVatavoiu. Deshalb unterstütztARAS auch Elterngruppen, die ihreRechte von der regionalen Regierungund vom rumänischen Staateinfordern. Mihaela Vatavoiu weiter:„Die Versorgung mit Medikamentenist zur Zeit so schlecht,dass einige Kinder ihre geradebegonnene Therapie abbrechenmussten. Deshalb vermitteln wirvom Projekt aus Gespräche mit denVerantwortlichen in den Ministerienund informieren die Presse überdiesen Missstand.“Betreuung undFortbildung direkt vor OrtDas Modellprojekt setzt an zweiPunkten an: Eine Beratungsstellewurde eingerichtet und bekanntgemacht. Sozialarbeiter, Psychologenund Ärzte wurden aus- undfortgebildet und die Gründung vonSelbsthilfegruppen der Eltern wirdunterstützt. Mit dieser Strategiewollen die Initiatoren da<strong>für</strong> sorgen,dass nach dem Ende des Modellprojektessowohl Know-how alsauch Institutionen zurückbleiben,die den Betroffenen weiter helfenkönnen und mit ihnen <strong>für</strong> ihreRechte eintreten.Ein guter StartDie bisherige <strong>Arbeit</strong> gibt Anlass zurHoffnung: Von den 700 HIV-krankenoder aids-infizierten Kindernwurden bisher 410 durch dasModellprojekt erreicht. Über 319Hausbesuche und über 1400 Einzelberatungenwurden bis jetztdurchgeführt.Begonnen wurde mit der Schulungvon 13 rumänischen Projektmitarbeitern,die als Psychologen oderSozialarbeiter <strong>für</strong> die Familien tätigsind. Über 130 Ärzte aus der Regionnahmen an zwei weiterenWorkshops teil, auch 25 ehrenamtlicheMitarbeiter wurden fortgebildet.„Das große Interesse bei denÄrzten erstaunt uns nicht, dennviele wissen nichts über HIV undAids“, sagt Mihaela Vatavoiu.Therapiegruppen <strong>für</strong> Kinder,Jugendliche und Eltern findenregelmäßig statt. Bisher konnten89 Gruppentherapie-Sitzungenund 528 Einzeltherapie-Sitzungendurchgeführt werden.Für die Weiterarbeitwerden Spenden benötigtDie <strong>für</strong> Fundraising verantwortlicherumänische Projektmitarbeiterinstellte im Dezember 1999 dasErgebnis der lokalen Fundraisingaktivitätenvor: 81 Millionen Lei inSach- und Geldspenden. Das entsprichtetwa 10 000,00 DM – <strong>für</strong>rumänische Verhältnisse sehr vielund ein Beweis da<strong>für</strong>, dass auch ineinem armen Land wie RumänienSpenden gesammelt werden können.Das Projekt sucht Spender, umdie <strong>Arbeit</strong> von vier Sozialabeiterinnenund einer Psychologin ab April2000 <strong>für</strong> ein weiteres Jahr zufinanzieren. Rund 15 000,00 DMwerden benötigt, um die Gehälterzu zahlen; in Rumänien liegt dasGehalt einer Sozialarbeiterin beiumgerechnet 250,00 DM imMonat. Weitere praktische Informationsmaterialienüber Ernährung,die Pflege und rechtliche Fragen<strong>für</strong> die Eltern und die Informationsarbeitin den Dörfern müssengedruckt werden.Das OWIDas Bonner Ost-West-Institut <strong>für</strong>Sozialmanagement e.V. hat sichwährend des Umbruchs in Osteuropagegründet. Gemeinsam mit denPartnern vor Ort werden Konzepteentwickelt und realisiert. Damit dieProjekte auch nach dem erstenAnlauf selbständig weiterarbeitenkönnen, legt das OWI besonderenWert auf die Ausbildung in Praxisund Theorie der Sozialarbeit.Ein weiterer S<strong>chwerpunkt</strong> ist dieBeratung von Institutionen imGesundheits- und Sozialbereich beider Planung von Maßnahmen undProgrammen sowie die wissenschaftlicheBegleitung und Evaluationvon neuen Projekten.Kontakt: Ost-West-Institut <strong>für</strong>Sozialmanagement e.V. (OWI),Wolfgang Schur, KüdinghovenerStr. 67, 53227 Bonn, Tel. 02 28/46 40 20, Fax 02 28/47 78 79, E-Mail: 101506.1356@Compuserve.com34„ForumSOZIAL“ 4/2000