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Ballade - Des Karneiders Pilgerfahrt.pdf

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<strong>Des</strong> <strong>Karneiders</strong> <strong>Pilgerfahrt</strong>Legende mit geschichtlichem Hintergrund:Pest der Jahre 1635-1637Lehre: Treue dem GelöbnisZur Zeit, da man die Ähren schneidetAm Kreuzweg unterm Schloss Karneid,Da schlurft zur Nacht ein dunkler MannMit seiner Sense durch den Tann.Es klappert sein Schritt wie leises Pochen,Er streckt aus dürren SchulterknochenDen langen Spindelhals herfürUnd glotzt und horcht durchs Nachtrevier.Von fernher stöhnt’s zwölf dumpfe Schläge,Da schlapft's und rasselt's im Gehege;Mit Besen und mit Rechen nahtEin fahles Weib vom FelsenpfadUnd spreizt die Beine und stelzt einherAls ob’s eine Riesenspinne wär.Sie kauert sich auf einen Stein:"Wie geht's und steht's, Gevatter Hein?“Da schnarrt’s ihm aus den Kiefern hohl:"Ei nun, es lohnt sich das Gewerbe!Schon haust im ganzen Land, wohlin jedem Nest das große Sterben.Und du? Hast wacker ausgekehrt?""Das hätt' mir schier zu lang gewährt.Hab alles nur zusammgerechtWie's eben ging so recht und schlecht!"Da schüttelt er das Beingerüst!"Schon recht, Frau Todin, auf den Mist!"Da tanzt sich jung die alte Pest."Bist auch da oben schon gewest,Da oben auf dem Schloss Karneid?""Bewahr’, das ist zu hoch und weit!"Er renkt zum Geh’n die Knochen einUnd achselt sich die Sense auf:"Jetzt mach dich wieder auf die Bein'!,


Wir haben Arbeit noch zu Hauf."Sie krallt zusammen ihr GerätUnd jedes klappert seinen PfadIns Tal hinab und spannt und spahtNach Halmen aus zur neuen Mahd.Da oben auf dem FelsenschlossDa lärmt und schwärmt ein Rittertross.Dort geht es so vergnüglich her,Als wär’ der Tod nur eine MärSo eben gut zum Kinder schrecken.Geputzte Frauen und stolze ReckenBehagen sich bei Trunk und SchmausUnd stürzen Humpen und Becher ausUnd singen und erzählenAus weinberauschten Kehlen.Da schwirren und da surren die GeigenMit Flöten um die Wett,Es tanzen den alten ReigenDie Würfel auf dem Brett,Gefällig wirft der KarneiderDen bart’gen Kopf zurück: ."Das leugnet mir ab kein Neider:Hier oben nistet das Glück!Die wohligen Glieder streckenUnd recken wir spät und früh,Indes sie da unten verreckenIn Herden wie ’s liebe Vieh.Und kehrt Frau Pest hier obenIm Geiernest nicht ein,So will ich mich verlobenZur Jungfrau nach Weißenstein.Was Arme hat und BeineRück alles mit mir aus!Zur Jungfrau von WeißensteinWallfahr’ ich mit Mann und Maus!Den Becher füll’ ich mir wiederMit rotem Traminer hier:Wer begleitet mich, ihr Brüder?Der stoße jetzt an mit mir!“Da strecken sie alle die HändeMit Humpen und Bechern aus,


Das Johlen, das hat kein Ende:„Wohlan, mit Mann und Maus!"Die Gläser klirren und klimpernNoch fort bis zur Morgenstund,Dann sinken die schläfernden Wimpern,Dann schließt sich der lallende Mund,Und als sich der Tag erhoben,Der Himmel und Erde weckt,Da liegen unten und obenViel’ Schläfer hingestreckt.Die einen auf weißem Linnen,Die andern im Bett der Not,Vom roten Traminer die einen,Die andern vom schwarzen Tod.Erst spät, als sich im HerbsteshauchDie Reben traumschwer verschlingen,Da hat der Todesengel auchGefaltet seine dunklen Schwingen.Das müde Menschenvolk erstandWie nasse Wiesen nach dem RegenUnd mählig regte sich's im Land,In Weingeländ und Jagdgehegen.Das aufgescheuchte Wild im TannHört des <strong>Karneiders</strong> Hifthorn blasen.Jetzt geht das große Sterben anFür Edelhirsch und Reh und Hasen!Er schmettert durch den ganzen GauUnd selbst am Weißensteine drübenHat er am Bildnis unsrer FrauGar manchen Hirsch vorbeigetrieben.Still am Altare wartet sie,Sie weiß es wohl, was er geschworen.„Hussah! Hussah! des Halali!“Das schwirrt und saust ihr um die Ohren.„Halt an ein Vaterunser langUnd knie nieder am Altare,Sonst schmettert deines Hornes Klangdes Meineids frevelnde Fanfare!“Verflucht, verflucht sei Lug und Trug!Schon saust er aus dem heil’gen Heine


Vergessen ist der PilgerzugZur Jungfrau auf dem Weißensteine.Der Winter kam, der Lenz verging,Das Jahr beschloss den alten RingUnd wieder ward es Erntezeit.Da stelzen nachts am Schloss KarneidMit Rechen und mit HippeZwei hurtige Gerippe.Sie klettern an den WändenMit Füßen und mit Händen."Hui, hui, wie sind die Mauern steil!""Gevatter, he, gut Ding braucht Weil!“Er kriecht voran, sie hintendrein.Sie glitzern und gleiten im MondenscheinUnd dehnen sich an den MauernUnd drehen den Hals und lauern."Gevatter Hein, wohin, wohin?""Zum Erker dort, Gevatterin!""Der Erker ist hoch, mir nach, mir nach,Dem Sims entlang zum Giebeldach!"Sie klettern und langen von Stein zu Stein,Sie schieben sich leise zum Fenster hineinUnd grinsen und schwinden alle zwei.Gott steh du drinnen den Schläfern bei!Und als die stille Nacht entflieht,Da kräht kein Hahn sein Morgenlied.Schon blitzen die Zinnen im Morgenstrahl.„He, Wächter, stoß ins Horn einmal!“Die rote Sonne steigt empor,Kein Burgvogt schließet auf das Tor.In Mittagsgluten der Himmel loht,Noch klirrt kein Fenster, noch dampft kein Schlot.„Herr Ritter, hast du so lang gewacht,Dass du den Tag verkehrst in Nacht?“Der Abend dämmert still heranUnd keiner steckt ein Lichtlein an,Kein Panzer rasselt im Rittersaal,Kein Becher klirrt und kein Goldpokal,Und an den Dachfirst ein und ausZieht weder Käuzlein noch Fledermaus.


Still, alles still bis Mitternacht.Da rasselt das Tor und der Balken krachtUnd aus dem Schlosshof rauscht im FlugEin dunkler, gespenstiger Reiterzug.Voran mit fahlem, bläulichen LeibAuf hagerem Ross ein blindes Weib.„Wohin so schnell, wohin, Frau Pest?Wohin Herr Ritter vom Geiernest?“Sein Aug’ ist leer und starr sein Arm,Das ist der Karneider mit seinem Schwarm.Und hinter ihm Schimmel und Falb und BraunMit Rittern und Recken, mit Kindern und FrauenUnd weiß, mit dem Chorhemd angetan,Der Burgkaplan mit der Kreuzesfahn.Und Koch und Mundschenk und Knecht und MagdUnd Knappen und Jäger in wilder JagdUnd ihnen zur Seite die Hunde und KatzenUnd ihnen zu Füßen die Mäuse und RatzenUnd ihnen zu Häupten die Eulen und Tauben,Die schimmerden Falken mit grauen Hauben.Das fliegt und das flattert in Saus und Braus,Das ist der Karneider mit Mann und Maus.Das rasselt und rauscht über Klippe und Kluft,Das schwängert wie Pesthauch die schwülige Luft,Das bleichet die Blumen im Waldesrevier,Das tötet im Fluge das Nachtgetier,Das rast herab in die schlafende Schlucht,Das wallt über Wolken in schwebender Flucht.Das stürmt über Sturzbach und Felsenblock,Das klettert und klimmt über Stein und StockDen Berg hinunter, den Berg hinauf,In wüstem Gewimmel der modernde Hauf.Und hohl aus den eisernen Kehlen ziehtEin altes, ein heiliges Pilgerlied.Die Ratten und Mäuse, die pfeifen drein,Die Rosse wiehern, die Eulen schrei’n,Und leuchten mit glühenden AugenhöhlenZum letzten Ritte den armen Seelen.Nur weiter - dort ragt aus dem TannengrauDas heil’ge Haus unsrer lieben Frau!


Sie stocken und starren und hemmen den Lauf,Da fliegen die Flügel des Kirchtores auf,Hoch flammen die Kerzen in loderndem Schein,Da springt in die Halle der Rudel hineinUnd drückt sich und drängt sich und stürzt aufs KnieUnd ächzet und krächzet: Ave Marie.Der bleiche Schlossherr steigt vom Pferd,Er neigt vor der Jungfrau das blanke SchwertUnd senkt den bartigen Kopf aufs Knie.Da zittert ein schwebendes Halali,Da klirrt's ihm noch einmal wie Becherklang,Wie Würfelklappern und Minngesang,Da rauscht’s ihm noch einmal wie Wogengebraus:„Zum Weißenstein mit Mann und Maus!“Er rafft sich empor und erfasst die FahnUnd hebt die Stirn und schreitet voranUnd winkt mit erhobenem Arm der ScharZum Pilgerzug um den Hochaltar.Es schleichen die Schatten und gleiten leisUnd folgen dem Herrn und wallen im Kreis.Da rollt’s in der Erde, da löschen die Flammen,Da brechen die modernden Pilger zusammen,Da öffnet der Boden ein klaffendes Grab,Da stürzen die Rosse und Reiter hinab.Verflucht und begraben ist Lug und Trug!Das ist des <strong>Karneiders</strong> Pilgerzug!Gräfin Wilhelmine von Wickenburg-Almàsy (1845-1890)

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