zu erhöhen! Die Antwort auf die ausgeprägte Pluralität unserer Gesellschaft, dieVerschiedenartigkeit unserer Kinder und die Vielfalt der Herausforderungen in einer sichglobalisierenden Welt kann nicht die Einebnung und Gleichschaltung verschiedenerBildungspläne und -gänge sein.Wenn dem Kultusministerium so sehr an der sozialen Gerechtigkeit gelegen ist, so sollten sichdie Verantwortlichen fragen, warum ihre erste maßgebende Entscheidung nach Übernahmeder Regierungsgeschäfte ausgerechnet in einer Maßnahme bestand, die nachweislich denZusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg noch verstärkt, nämlich derWegfall der Verbindlichkeit bei der Grundschulempfehlung.Wenn es erklärtes Ziel der Reform ist, die Abst<strong>im</strong>mungen zwischen den Schularten zuverbessern, so könnte die Kultusministerin die von ihr verfügte He<strong>im</strong>lichtuerei zum Schadender Kinder sofort beenden. Dadurch, dass den weiterführenden Schulen aufgrund einerseltsamen Stigmatisierungsunterstellung die Grundschulempfehlung vorenthalten wird, werdenbewusst frühzeitig einsetzende Fördermaßnahmen verhindert.Ein weiteres erklärtes Ziel der Landesregierung besteht darin, "Bildungsgänge, die zumStudium berechtigen" künftig stärker darauf auszurichten, "die Schülerinnen und Schüler aufdie Anforderungen der Hochschulen vorzubereiten". Genau deshalb braucht das <strong>Gymnasium</strong>aber einen eigenen Bildungsplan, denn dies ist ab Klasse 5 <strong>im</strong> Rahmen eines klar definierten,begabungsgerechten und abschlussorientierten Bildungsganges seine originäre Aufgabe. Fürdie Gemeinschaftsschule wurde hingegen eine "durchgängige berufliche Orientierung"gesetzlich verankert. Ganz abgesehen davon, dass angesichts dieser klaren Profilierung ineiner Gemeinschaftsschule keine gymnasiale Bildung und damit das Rüstzeug für einHochschulstudium vermittelt werden kann (die für die ersten drei Lernjahre vorliegendeStundentafel zeigt dies auch), bildet ein Einheitsbildungsplan für die beiden genanntenSchularten einen klar zu Tage tretenden Widerspruch. Er ist dem übereifrigen Bemühen derVerantwortlichen geschuldet, Differenzierung durch Gleichmacherei zu ersetzen, die vermittelsdes Siegels "soziale Gerechtigkeit" mit positiver Konnotation kundenfreundlich daherkommt, inWirklichkeit aber das Gegenteil ist.Die Vermittlung von Werten wie Gerechtigkeit, Fairness und Toleranz, Umweltbildung und diepolitische Bildung sollen erklärtermaßen stärker betont werden. Wir fragen uns, an welchenStellen der bisherigen Bildungspläne diesen Werten keine oder eine zu geringe Bedeutungeingeräumt wurde. Wir empfehlen in diesem Zusammenhang die Lektüre der Leitbilder unsererSchulen, die vor etwa 10 Jahren entwickelt wurden und von deren Existenz man vielleicht nichtüberall weiß.Die Mittlere Reife ist am G8 inhaltlich nach Klasse 9, in den anderen Schularten derSekundarstufe I am Ende der Klasse 10 erreicht. Wie es möglich sein soll - und wenn ja, zuwelchem Preis - eine inhaltliche Gleichschaltung dieser Schularten durch einenEinheitsbildungsplan zu erlangen, konnte noch nicht auch nur ansatzweise erläutert werden."Sind die Alleinstellungsmerkmale des <strong>Gymnasium</strong>s den grün-roten Bildungspolitikern einelitärer Dorn <strong>im</strong> Auge?", fragt Bernd Saur, der Vorsitzende des PhV BW.Bezüglich des avisierten Zeitplans fordert der PhV BW eine mindestens einjährige Phase derLehrerfortbildung, damit nicht wieder (wie schon 2003/4) ein grundlegend reformierterBildungsplan ohne Lehrerfortbildung in Kraft tritt und damit in der Anfangsphase zum Scheiternverurteilt ist. Welche Validität einer einjährigen Erprobung an beispielsweise nur zweiGymnasien des Landes zukommen soll, bleibt dahin gestellt. Erprobung, Evaluierungderselben, Korrekturen und die Phase der Lehrerfortbildung müssen gründlich erfolgen,sodass der vorgeschlagene Zeitplan von vornherein unrealistisch erscheint. DerPhilologenverband BW geht daher davon aus, dass ein sorgfältig ausgearbeiteter neuerBildungsplan nicht vor dem Schuljahr 2016/17 in Kraft treten kann.Um zum Wohle unserer Kinder und ihrer Zukunftsperspektiven so viel <strong>Gymnasium</strong> wie nurmöglich zu erhalten, n<strong>im</strong>mt der PhV BW die Einladung zur Mitarbeit <strong>im</strong> Beirat zurLenkungsgruppe an." Dessen ungeachtet fordern wir mit Nachdruck die Erarbeitung einesschulartspezifischen Bildungsplans für unsere Gymnasien!", so Bernd Saur abschließend.14
An den Gymnasien des Landes Baden-Württemberg werden über 300.000 Schülerinnen undSchüler unterrichtet. Der Philologenverband Baden-Württemberg e.V. (PhV BW) vertritt rund8.000 <strong>im</strong> Verband organisierte Lehrerinnen und Lehrer an den 446 öffentlichen und privatenGymnasien des Landes.Im gymnasialen Bereich hat der Philologenverband BW sowohl <strong>im</strong> Hauptpersonalrat be<strong>im</strong>Kultusministerium als auch in allen vier Bezirkspersonalräten bei den Regierungspräsidien dieMehrheit und setzt sich dort für die Interessen der rund 27.000 Lehrkräfte an den Gymnasiendes Landes ein.Baden-Württemberg „Anschlag auf das <strong>Gymnasium</strong>“23.10.<strong>2012</strong> · Die FDP will mit einer Unterschriftensammlung gegen die geplante Schulreform inBaden-Württemberg vorgehen. Auch Gymnasialdirektoren wehren sich: Ein gemeinsamerBildungsplan führe zur Auflösung der Schularten, heißt es in einer Erklärung.Angeblich soll das Kultusministerium in Baden-Württemberg ein „Abschulungsverbot“ planen,wie es bereits in Hamburg gilt.In Baden-Württemberg wächst die Kritik an denvon der grün-roten Regierung geplantenBildungsreformen. Die oppositionelle FDP drohtdamit, gegen die Schulreform eineUnterschriftensammlung zu machen. DieVereinigung der Gymnasialdirektoren kritisiert dasVorgehen von Kultusministerin GabrieleWarminski-Leitheußer (SPD) bei der Entwicklungeines gemeinsamen Bildungsplans für alleSchularten scharf. Die Ministerin plane, den gymnasialen Bildungsplan nur als „Aufsetzer“ aufeinen Gemeinschaftsschulplan. Damit werde die Zukunftsfähigkeit der Gymnasien gefährdet.„Es wird dabei nicht einmal verschwiegen, dass eine teilweise Auflösung der Schularten durchdie Erstellung dieses neuen Bildungsplans durchaus beabsichtigt ist“, heißt es in einerErklärung der Gymnasialdirektoren-Vereinigung. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-UlrichRülke sieht ebenfalls die Zukunft der Gymnasien gefährdet: „Es gibt keineGrundschulempfehlung mehr, es soll einen gemeinsamen Bildungsplan geben, und es ist einAbschulungsverbot geplant, das heißt, aus den Gymnasien wird eine Gemeinschaftsschule,egal welches Schild an der Tür klebt.“ Geplant sei ein „Anschlag auf die Gymnasien“.Nach Darstellung der FDP soll Frank Mentrup, der Staatssekretär <strong>im</strong> Kultusministerium ist undals Kandidat für die Oberbürgermeisterwahlen in Karlsruhe kandidiert, auf einer Versammlungvon Schulleitern angedeutet haben, dass es auch in Baden-Württemberg bald ein„Abschulungsverbot“ geben könnte. In Hamburg können die Gymnasien schwache Schülernicht mehr auf die Stadtteilschulen schicken, was sich nach Auffassung von Bildungspolitikernnegativ auf das Bildungsniveau auswirken kann. Rülke und der bildungspolitische Sprecher derFDP-Landtagsfraktion T<strong>im</strong>m Kern halten es für rechtlich bedenklich, für alle Schularten einengemeinsamen Bildungsplan zu entwickeln.Ein Sprecher des Kultusministeriums sagte, der neue Bildungsplan werde „die Besonderheitender einzelnen Schularten“ abbilden und enthalte „unterschiedliche Niveaubeschreibungen“sowie „schulartspezifische Fächer“ wie Latein oder Griechisch. Dass ein „Abschulungsverbot“geplant sei, dementierte der Ministeriumssprecher nicht ausdrücklich - Staatssekretär Mentruphabe sich hierzu nicht geäußert. Quelle: F.A.Z.15