18. DIE ROLLE DES NOTARSEs ist me<strong>in</strong>er Ansicht nach wichtig, die Rolle des Notars als die e<strong>in</strong>esProfessionisten und Rechtsausübenden im Zusammenhang mit eheähnlichenLebensgeme<strong>in</strong>schaften zu sehen.Es besteht ke<strong>in</strong> Zweifel darüber, dass <strong>der</strong> Notar <strong>der</strong> erste und direkteAnsprechpartner jener ist, die e<strong>in</strong>e Lebensgeme<strong>in</strong>schaft führen - er ist <strong>der</strong>wichtigste Rechtsberater im Bereich des Familienrechts und, wie ich h<strong>in</strong>zufügenmöchte, auch <strong>in</strong> jenem von familienähnlichen Formen des Zusammenlebens.Und dies nicht sosehr, weil er von <strong>der</strong> Tradition her <strong>der</strong> Hüter <strong>der</strong>Familiengeheimnisse ist, son<strong>der</strong>n vor allem weil DER NOTAR, <strong>der</strong> dieRechts<strong>in</strong>stitute, mit welchen die Lebensgeme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> Berührung kommenkann, kennt und tagtäglich anwendet (und hier beziehe ich mich auf dasFamilienrecht, das Erbrecht, das Schuldrecht, das Gesellschaftsrecht), <strong>in</strong> <strong>der</strong>Lage ist, se<strong>in</strong>en Klienten e<strong>in</strong> ziemlich vollständiges Bild <strong>der</strong> komplexenrechtlichen Lage zu bieten.Zudem gestattet es se<strong>in</strong>e Eigenschaft als Amtsperson - mit <strong>der</strong> damitverbundenen Unparteilichkeit - jene Akten, <strong>in</strong> denen die <strong>Vere<strong>in</strong>barungen</strong> <strong>der</strong>Lebenspartner enthalten s<strong>in</strong>d, mit öffentlichem Vertrauen zu bekleiden.Um diese Aufgabe erfüllen zu können, darf sich <strong>der</strong> Notar nicht daraufbeschränken, e<strong>in</strong>fach den Willen <strong>der</strong> Lebenspartner h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong>vertraglichen Regelung ihrer vermögensrechtlichen Verhältnisse zu erkunden,son<strong>der</strong>n er muss e<strong>in</strong>e ganze Reihe von Themenkreisen e<strong>in</strong>gehenduntersuchen, wie zum Beipiel:- Wie sieht die Position <strong>der</strong> Lebenspartner <strong>in</strong> Bezug auf e<strong>in</strong>e eventuellegescheiterte Ehe aus?- Wie sieht die Position <strong>der</strong> Lebenspartner <strong>in</strong> Bezug auf e<strong>in</strong>e eventuelleUmwandlung ihrer freien Verb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Ehe aus?- Haben die Partner geme<strong>in</strong>sam o<strong>der</strong> je<strong>der</strong> für sich K<strong>in</strong><strong>der</strong>?- Welche und wieviele zukünftige Erben und Pflichtteilberechtigte gibt es?- Wie hoch ist ihr <strong>der</strong>zeitiges Vermögen?- Welche wirtschaftlichen Vorhaben beabsichtigen sie während <strong>der</strong>Lebensgeme<strong>in</strong>schaft umzusetzen?- Wie beabsichtigen sie die Frage von während <strong>der</strong> Lebensgeme<strong>in</strong>schaftgetätigten Ankäufen zu regeln?- Wie beabsichtigen sie die Probleme zu lösen, die sich aus e<strong>in</strong>er eventuellenBeendigung <strong>der</strong> Lebensgeme<strong>in</strong>schaft ergeben würden?E<strong>in</strong> offenes, ehrliches Gespräch ohne Konditionierung seitens <strong>der</strong>Lebenspartner und zu e<strong>in</strong>em Zeitpunkt, <strong>in</strong> dem die freie Verb<strong>in</strong>dung <strong>in</strong>takt ist,gestattet es dem Notar, mit den Betreffenden die Folgen <strong>der</strong> verschiedenensich anbietenden Lösungen zu diskutieren und somit den Lebenspartnern e<strong>in</strong>ebewusste Wahl für jene Instrumente zu ermöglichen, die <strong>in</strong> ihrem konkreten Fallam geeignetsten s<strong>in</strong>d.
Die Position <strong>der</strong> Europäischen Notariats h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Problematikvermögensrechtlicher Verhältnisse <strong>in</strong> eheähnlichen Lebensgeme<strong>in</strong>schaften istim Großen und Ganzen e<strong>in</strong>heitlich, sowohl <strong>in</strong> Bezug auf die Notwendigkeit e<strong>in</strong>erRegelung als auch was die Trends des Phänomens betrifft.Das Notariat hat also davon Kenntnis genommen, dass die Zahl nichtehelicherLebensgeme<strong>in</strong>schaften im Wachsen ist und hat sich - ohne diese kritiklos zuakzeptieren o<strong>der</strong> gar, wie von manchen Seiten fälschlicherweise angenommen,sich für diese zu begeistern - bemüht, <strong>der</strong>en juristische Aspekte zu verstehenum dann die geeignetsten Instrumente auszuarbeiten, damit diese Form <strong>der</strong>Partnerschaft soweit wie möglich und im S<strong>in</strong>ne des Allgeme<strong>in</strong><strong>in</strong>teresses auf dengeschützten Pfad des Rechts geführt werden kann.Das Notariat hat demnach im Rahmen zahlreicher Kongresse, Studien undForschungsarbeiten e<strong>in</strong>en - wenngleich auf e<strong>in</strong>en gewissen Bereichbeschränkten - Beitrag zur Vertiefung dieses heiklen und vielschichtigenPhänomens geleistet; somit hat sich das Notariat dem Gesetzgeber <strong>der</strong>Mitgliedslän<strong>der</strong> und <strong>der</strong> juristischen Welt gegenüber zu diesem Themageäußert, so dass <strong>der</strong> Gesetzgeber, anhand <strong>der</strong> erfolgten Debatte dankumfassen<strong>der</strong>er Kenntnisse <strong>der</strong> Materie die entsprechenden Entscheidungentreffen kann.Da die verschiedenen <strong>der</strong>zeit bestehenden GesetzesvorhabenUnzulänglichkeiten, Eigenheiten und Wi<strong>der</strong>sprüche aufweisen, kann man nurhoffen, dass, <strong>in</strong> Anbetracht- <strong>der</strong> Aktualität des Problems,- <strong>der</strong> Vielzahl an Varianten, die nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>heitsschema gepresst werdenkönnen,- <strong>der</strong> massiven Wandlungen, denen Gebrauch und Sitten unterworfen s<strong>in</strong>d,- des Nichtbestehens e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen Standpunktes,- <strong>der</strong> bisher unausgereiften Debatte zum Themaaufgrund <strong>der</strong> Hast und Oberflächlichkeit des Gesetzgebers nicht letztlich e<strong>in</strong>Phänomen zum Erstarren gebracht wird, das sich eigentlich <strong>in</strong> ständigerEntwicklung bef<strong>in</strong>det, und für Probleme, die im Bereich <strong>der</strong> privatenBeziehungen liegen und weiterh<strong>in</strong> dort verbleiben sollten, ideologische undpolitische Lösungen zur Anwendung kommen.