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Gähnende Lehre

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Titel<strong>Lehre</strong>? Zweimal PolemikWie ein Schluck Wasser in derKurve hing die Dozentin morgensum halb neun auf ihrem Stuhl.Vor ihr die übliche Latte macchiato imlila Becher amerikanischen Ausmaßesfür irgendwas um die drei Euro ausder Kaffeebude ihrer Wahl. Im Grundewar der Kaffee jedoch teurer gewesen,bedenkt man die versteckten Kosten.Sie hatte zusätzlich mit einer anderenWährung gelöhnt, deren Wert ein Dozentgerne einmal unterschätzt: mitstudentischer Zeit, kam sie mit dem Becherin der Hand doch regelmäßig zuspät. Wir warteten und sie ließ auf sichwarten. Das gute Beispiel – mit dem sieeigentlich vorangehen sollte – tapsteschlaftrunken hinterher und verkündeteWoche für Woche weit nach viertel, dasheutige Thema sei nicht unbedingt ihrSteckenpferd. Kaffeeschlürfend fröntesie der Selbstdemontage und Vertreibungunserer Motivation.Eines Morgens kam es dannnoch dicker.Selbstdemontage und PsychoterrorSie, die noch zu kürende Doktorin,unterbrach eine durchschnittlich referierendeGruppe und machte auf inhaltlicheUnstimmigkeiten aufmerksam,die im Grunde, so sagt es zumindest dasLehrbuch, ordentlich stimmig waren.Getuschel schwappte durch den Raum,das Wort Steckenpferd fiel mehrmals,und die betroffene Gruppe rechtfertigteihre Inhalte. Das gebellte Widerwortder Dozentin: „Ich habe kein Problemdamit, Sie hier sofort rundzumachen!“Einige Momente der Stille folgten, danneskalierte die Situation: Das Referat wurdeabgebrochen, Stimmen erhoben sichund am Ende schallte das Verbalduelldurch alle Flure. Sieger gab es nicht.Die beschriebene Situation ist ein Sonderfall,klar. Es ist nicht an der Tagesordnung,dass Dozenten so aus der Rollefallen, das Schreien beginnen und ihrenStudenten ganz unverhohlen mit psychischerGewalt drohen. Denn nichtsanderes ist es, wenn Dozenten ihrenStudenten so einheizen. Vielleicht umdie eigene Unwissenheit zu kaschieren,vielleicht, weil der eine Kaffee an diesemMorgen nicht ausreichte. Darüber,welche Auswirkungen solch ein Verhaltenauf schwächere studentische Gemüterhaben kann, lässt sich nur spekulieren.Die Folgen für ein Seminarsind hingegen einfach zu umreißen:Sie sind tödlich. Konformitätmacht sich breit, dasBildungsideal verkümmert.Das wirklichSchlimme daran: Als Dozent kann mansich selbstredend ein Benehmen wieeine offene Hose leisten – passiert janichts, trotz verbalen und anderen Aussetzernsitzt man letztlich am längerenHebel. Ganz egal, ob der Student dieMotivation fürs Seminar oder gleich fürsganze Fach verliert.Aber auch schon weniger harsche Fällekönnen die Seminarsituation einesganzen Semesters prägen. Was ist mitdem Dozenten, der schon lustlos aufschlägt,der jedes Referat für eigeneMonologe unterbricht? Oder mit derLehrkraft, die schon in der ersten Sitzungfestlegt, dass man sich nur allezwei Wochen treffen müsse, da ja nichtgenügend Referenten für alle Sitzungenvorhanden seien? Die in jeder Sitzungmit ihren Latein- und Griechischkenntnissenprahlt? Oder mit jener, die keinekonkreten Forderungen aufstellt, aberalles verlangt? Und mit den Fremdwortlawinen,die sie lostreten, um alleSeminarteilnehmer darunter zu begraben?Mit offenem und unterschwelligemMobbing durch die Lehrkraft, die Schleimerpreist und ausschließlich referierenlässt? Was ist mit der längst überfälligenFrage: Habt ihr sie noch alle?Es gibt tausend Wege, ein Seminar lahmzulegen– und die meisten Dozentenfinden sie mit schlafwandlerischer Sicherheit.Dass es auch anders geht,stellen leider zu wenige unter Beweis.Denen, die es schaffen, gebührt Dank.Sie lassen mühselige Dinge einfachererscheinen: das Aufstehen kurz nachsieben, das Durcharbeiten von 100 SeitenLektüre im Wochenrhythmus oderdas Verfassen von Essays zusätzlich zurSeminararbeit. Keine Verbalduelle, keinRundmachen. Nur eine ganz entspannteArbeitsatmosphäre.Christian FleigeFOTO: MAXIMILIAN GERTLER7

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