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seitenbühne Nr. 23 - Staatsoper Hannover

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<strong>seitenbühne</strong> 03.04Das Journal der <strong>Staatsoper</strong> <strong>Hannover</strong>


OPER PROSZENIUMFASZINATION BÜHNEEigentlich bin ich per Zufall ans Theater gekommen. Als ich nach dem Abitur beim Arbeitsamtnach einem Studentenjob fragte, bot man mir einen Job bei den Städtischen Bühnen inOsnabrück an. Zwar hatte ich bis dato schon einige Theater als Zuschauer besucht – jedochnoch nie hinter die Kulissen geblickt. Als ich zum ersten Mal einen Fuß auf »die große Bühne«setzte, kam es mir vor, als würde ich eine fremde Welt betreten: Diese ganz eigene Atmosphäre,die von einem leeren Bühnenraum ausgeht, hatte mich sofort gefangen genommen.Ich stellte schnell fest, dass mir diese fremde Welt liegt. So entschloss ich mich dazu, nacheiner Ausbildung in einem handwerklichen Beruf meinen Theatermeister zu machen undanschließend das Studium zum Diplom-Ingenieur für Theater und Veranstaltungstechnik inBerlin zu absolvieren. Parallel dazu arbeitete ich weiterhin an verschiedenen Theatern. ImLaufe der Jahre habe ich dabei nahezu alle Sparten durchlaufen. Letztendlich kommt es mirgar nicht so sehr auf die Sparte an – schließlich hat jede ihren eigenen Charme – es istvielmehr das Gefühl, an der Entstehung einer Produktion mitzuwirken, konstruktive Lösungenund technische Finessen für Bühnenbilder im Team zu entwickeln: Nachdem einBühnenbildner seinen Bühnenbildentwurf vorgestellt hat, muss geprüft werden, ob diesertatsächlich realisiert werden kann. Hierzu müssen Kosten kalkuliert, ein technisches Konzeptentwickelt, statische Berechnungen durchgeführt, Konstruktionszeichnungen angefertigt,Materialen geprüft, Auf- und Abbauzeiten für die Vorstellungsdisposition abgeschätztwerden – um nur einige Vorgänge zu nennen, die vonstatten gehen, bis die Proben ca. siebenWochen vor der Premiere beginnen können. Dabei ist es unerlässlich, dass ›Kunst‹ und›Technik‹ sehr eng miteinander zusammenarbeiten. Es ist diese Zusammenarbeit aller beteiligtenGewerke, die den besonderen Reiz meiner Arbeit als Technischer Leiter ausmacht.Wenn sich der Vorhang am Ende eines Premierenabends zum Applaus wieder öffnet, giltdieser in meinen Augen nicht nur den Künstlern auf der Bühne, sondern auch den Mitarbeiternder Werkstätten, der Requisite, der Beleuchtung, der Maschine, des Tons und der Bühnentechnik– eben all denjenigen, die hinter den Kulissen an der Inszenierung mitgewirkt haben!Bühnenbild- und umbautechnisch gesehen, gehört die Inszenierung von My Fair Lady zuden aufwändigsten des hiesigen Repertoires. Mein ganz persönlicher Favorit aber ist nachwie vor die Inszenierung von Peter Grimes: Da stimmt einfach alles! Insbesondere das Zusammenspielvon bühnentechnischen Verwandlungen und Musik macht die Stärke dieserInszenierung aus: In dem Moment, wenn nach der Pause der große Kranhaken zu der vonden Streichern getragenen Melodie aus dem Bühnenhimmel herabschwebt und PeterGrimes’ Hütte quasi aus der Unterbühne hervorholt, bekomme ich jedes Mal eine Gänsehaut.Einer meiner liebsten Momente im Theateralltag sind die seltenen Augenblicke, in denenich zu üblichen Probenzeiten eine menschenleere Bühne betrete und so in den Genuss komme,dieser ganz eigenen Atmosphäre nachzuspüren, die mich schon vor fünfundzwanzigJahren und auch heute noch jedes Mal wieder aufs Neue gefangen nimmt.Ian HarrisonTechnischer Leiter der <strong>Staatsoper</strong> <strong>Hannover</strong>


PERNBALL 2011Impressionen unseres Fotografen Marek Kruszewski


Wir danken unseren Hauptsponsoren


04. 05 BALLETTBRIGITTE KNÖSSWIEN IST ANDERSZur Uraufführung des Balletts Stirb du, wennst kannst von Jörg MannesWien hat bei Touristen ein überaus positivesImage und rangiert in der Hitliste der beliebtestenKurzreiseziele weit oben. BlaueDonau, Strauß, Stephansdom, Mozart, Prater,Gloriette, Opernball, Sachertorte, Heuriger,Hans Moser, Fiaker, Freud, Walzer, Backhendl,Schubert, Mahler, Klimt, Hundertwasser,Hofreitschule und der Dritte Mannergeben eine Melange aus Klischee und Realität,die das unverwechselbare Image derStadt ausmachen. Dies zu betonen, warwohl die Absicht der österreichischen Fremdenverkehrswerbung,als sie Mitte der1980er Jahre die groß angelegte Kampagne»Wien ist anders« kreierte und im In- undAusland verbreitete. Auf einer Plakattafel ander Westautobahn in Niederösterreich bliebder Slogan bis weit über die Jahrtausendwendeerhalten – inzwischen arg verblasstund etwas zerschlissen.Ein Bild von einer StadtWien gehört zu den schönsten Städten derWelt, und das verdankt es vor allem seinerLage. Marco Polo-Reiseführer, 1998Ein Höhenzug schließt den engeren Stadtraumab, so dass die Hohlform einer Muschelentsteht, in der die Stadt eingebettet liegt.Die so wie eine Perle in der Muschel ruhendeStadt fand schon auf ihren ältesten,aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert stammendenDarstellungen das Wohlgefallen derMaler. Hugo Hassinger, 1946Gemalte Stadtansichten kamen im 18. Jahrhundertgroß in Mode. Die europaweit anerkanntenMeister dieser Veduten-Malerei warender Venetianer Antonio Canale und seinNeffe Bernardo Bellotto, die sich beide Canalettonannten. Ausgehend von der Theatermalereischufen sie mit Hilfe der Cameraobscura wirklichkeitsgetreue Bilder, die einegroße Strahlkraft besaßen und durch geschicktgesetzte Lichter eine besondere Wirkungerzielten. Um 1760 gab Kaiserin MariaTheresia bei Bellotto dreizehn Veduten vonWien in Auftrag. Ursprünglich waren dieserepräsentativen Ansichten für die Ausstattungeines Palastes bestimmt, heute hängensie in der Gemäldegalerie des KunsthistorischenMuseums.Für sein Bild Wien vom Belvedere aus gesehenwählte Bernardo Bellotto einen erhöhtenStandort. Über die streng gegliedertenGartenanlagen des Schlosses Belvedere imVordergrund lenkt er den Blick des Betrachtersauf die breit hingelagerte Stadt. Zweibarocke Kuppeln – der Karlskirche links undder Salesianerinnenkirche rechts – scheinendie Stadt einzurahmen, die von der Hügelkettemit Kahlen- und Leopoldsberg im Hintergrundabgeschlossen wird. Das Bildzentrummarkiert der gotische Stephansturm alschristlich-katholisches »Herz von Wien«.Das Gemälde feiert die planvolle Ausgewogenheit,die Synthese zwischen Stadt undLandschaft, Natur und Kultur als scheinbarorganisch gewachsen. Allerdings ist hiereine Bebauung festgehalten, die erst möglichgeworden war durch die großen Zerstörungenim Zusammenhang mit der Belagerungdurch die Türken im Jahr 1683. Bisheute gilt der »Canaletto-Blick« als die Stadtansichtvon Wien und ist schon im frühen19. Jahrhundert zum Signet geworden. Ihreharmonische Grundstimmung wird bis heuteimmer wieder als Referenz herangezogenund bildet die Basis für ein rückwärts gewandtesWien-Bild: Der Vorstellung voneinem ursprünglichen Zustand, in dem allesnoch in Ordnung war.Die nostalgische Verklärung Wiens setzte zuBeginn des 19. Jahrhunderts ein und orientiertesich zunächst am verwinkelten mittelalterlichenStadtbild. Bedingt durch denökonomischen und gesellschaftlichen Wandelder Gründerzeit fühlte sich vor allem dasKleinbürgertum verunsichert und in seinerExistenz bedroht. Der exzessiven Bautätigkeit,die in der zweiten Jahrhunderthälfteeinsetzte, fiel zusehends die biedermeierlicheSubstanz zum Opfer, was für vieleMenschen den Verlust alles Gewohnten bedeutete.Die Neu-Anlage der Ringstraßeschlug eine breite Schneise in die Stadt undgab mit ihrer Repräsentationsarchitektur imStil des Historismus Wien ein völlig neuesGesicht. In den Vorstädten entstandenMietskasernen, um die massiv anwachsendeBevölkerung unterzubringen. Auf dieser Basiswurde das Biedermeier zum Sehnsuchtsbildund zum Idyll eines vor-modernen, gemütlichenStadtlebens stilisiert.»Alt-Wien«, auch wenn es in dieser Form nieexistiert hat, lebt als Ideal bis heute – und eswirkt sogar prägend zurück auf das Lebender Wiener, die sich Neuem gegenüber lieberverschließen. Wenn es um städtebaulicheMaßnahmen geht, wird noch immerder »Canaletto-Blick« in die Diskussion gebracht,um zu beschreiben, was wünschensundschützenswert ist. Das hat dazu geführt,dass sich das moderne Wien überwiegendauf der anderen Seite des Flusses ausbreitet.Die Hochhäuser der Uno-City und die WohnundGeschäftstürme der Donaustadt bildeneine neue Skyline jenseits des historischenZentrums, das 2001 durch die UNESCO zumWeltkulturerbe erklärt wurde.Echte WienerMei Stolz is’, i bin halt a echt’s Weanakind,a Fiaker, wie man net alle Tag find’t,mei Bluat is so lüftig und leicht wie der Wind,ja, i bin halt: a echt’s Weanakind.Gustav Pick, 1885Die Sehnsucht danach, unverwechselbar zusein, spiegelt sich auch im Bewusstsein der


BALLETTBernardo Bellotto, Wien vom Belvedere aus gesehenStadt. Das »Urwienerische« steht für kulturelleIdentität und gesellschaftliche Ganzheit.Als eigentlicher Erfinder des Begriffskann Karl Lueger gelten, der von 1897 bis1910 Bürgermeister von Wien war und derdiesen – vermeintlichen – Wesenszug propagierte.Er wollte bei Kleinbürgern undMittelschicht ein Wir-Gefühl stiften in derAbsicht, die Massen politisch hinter sich undseine Christlichsoziale Partei zu bringen. Mitrhetorischem Geschick hetzte er gegen Gebildete,Wohlhabende und vor allem gegenJuden. Die Wirkung der Lueger-Kampagnewar nachhaltig und bereitete das Terrain fürdie Nationalsozialisten.Viele Wien-Klischees behaupten sich seitweit über hundert Jahren ungebrochen undwirken bis heute stilbildend. Die »WienerGemütlichkeit« ist nicht nur Ausdruck einerlässigen und beschaulichen Lebensart, sondernbirgt auch das Verharren im Althergebrachten.Wehmütig beschwören Walzerseligkeitund Wienerlied die »gute alte Zeit«herauf. Das Wiener Beisl, das Restaurant,das Kaffeehaus und der Heurige sind Bastioneneiner speziellen Lebensart, die sich auchin der Sprachfärbung manifestiert und alsverbindend erlebt wird. Frauen sind charmantund Männer galant. Das süße Mädel,der schrullige Hofrat und der Zahlkellnerhalten sich bis heute als »Wiener Typen« –und sind keine Erfindung der Österreich-Werbung.Man lebte gut, man lebte leicht und unbesorgtin jenem alten Wien, und die Deutschenim Norden sahen etwas ärgerlich undverächtlich auf uns Nachbarn an der Donauherab, die, statt »tüchtig« zu sein und straffeOrdnung zu halten, sich genießerisch lebenließen, gut aßen, sich an Festen und Theaternfreuten und dazu vortreffliche Musikmachten. »Leben und leben lassen« war derberühmte Wiener Grundsatz und er setztesich unwiderstehlich in allen Kreisen durch.Stefan Zweig, 1944Geprägt durch katholische Kirche, Absolutismusund Beamtentum haben sich Normenund Werte manifestiert, die der einzelnenicht umzustürzen wagt. Auch wenn mangewisse Regeln für sich zu umgehen weiß,hält man sie für die andern trotzdem hoch.Der äußere Schein und das innere Sein stehenoft in großem Widerspruch. Das Theaterist beliebt und wird nicht nur als Zuschauergenossen und ausgiebig diskutiert, sondernins Leben integriert und im Alltag zelebriert.Man spielt, und niemand kann sicher sein,woran er mit dem anderen ist. Es wird gescherztund viel geredet, ohne dass je etwasgenau gesagt wird, – das macht das Wesendes berühmten »Wiener Schmäh« aus.


06. 07 BALLETTChiara Olocco, Monica Caturegli, Jörg Mannes, Michèle SeydouxEnsembleDie geschmeidige Oberfläche hat jedochauch eine andere Seite, die sich in tiefemMisstrauen gegenüber allem Fremden undAndersartigen ausdrückt und die in wirklicherBösartigkeit zum Ausbruch kommen kann.Überwiegend werden Extreme – zumindestöffentlich und wenn man sich nicht in derMehrheit weiß – eher gemieden. Man ist immerunzufrieden und bringt das in ständigem»Granteln« zum Ausdruck – um es dabei aberdann auch meist bewenden zu lassen, ohneInitiative zu ergreifen. Für das Handeln sollendoch bitte andere zuständig sein.Diese Kehrseite dessen, was – positiv besetzt– als »Urwienerisch« in der kollektivenVorstellung existiert und gepflegt wird, istallerdings gleichermaßen Bestandteil desgemeinsamen Gedächtnisses und Gegenstandder wissenschaftlichen Betrachtungund künstlerischen Verarbeitung. Auchwenn es sich sehr wohl unter dem Slogan»Wien ist anders« subsumieren lässt, hat sichdie Österreich-Werbung dieses Themas bishernicht angenommen ...Die schöne LeichViele Wienerlieder besingen den Wein undden Tod und versichern, dass mit dem Ablebennichts schlechter, sondern alles vielbesser wird. Schließlich trifft man im Himmelja die wieder, mit denen man auf derErde gesungen und getrunken hat.In Wien gehören die Toten immer noch zuden Lebenden, die man gerne aufsucht – diezwölf Habsburger Kaiser und neunzehn Kaiserinnenund Königinnen in der Kapuzinergruftund auch die vielen anderen auf demZentralfriedhof. Das zweieinhalb MillionenQuadratmeter große Gelände am Rand derStadt beherbergt drei Millionen »Bewohner«– so der offizielle Sprachgebrauch –, daruntersind knapp tausend Prominente, die instädtischen Ehrengräbern beigesetzt sind.Das eigene Begräbnis ist die letzte Chancezum großen Auftritt, denn »die schöne Leich«mit musikalischer Begleitung durch die Vereinigungder Friedhofssänger und anschließendemLeichenschmaus ist ein wienerischesLebensziel.Stirb du, wennst kannstVor diesem Hintergrund wird klar, dass derTitel von Jörg Mannes’ Ballett keinesfallsprovokant gemeint ist. Er zitiert damit seineGroßmutter, die im Alter Klagen über ihreKrankheiten immer mit dem Satz »Aber stirbdu, wennst kannst« abschloss. Sie starbschließlich über hundertjährig.Als Wiener in Norddeutschland schaut derChoreograph auf seine Heimatstadt undschöpft nicht nur aus der Erinnerung. Ermisstraut dem schönen Schein, sein distanzierterBlick trifft auch das Heute unddas Morbide. Aus Brüchen und Widersprüchenentstehen eigenwillige Bilder und Typen,die an Franz Xaver Messerschmidts groteskeCharakterköpfe erinnern. Jörg Mannesspannt den musikalischen Bogen weit – vonWolfgang Amadeus Mozart über Franz Schubertund Gustav Mahler bis zu Anton Karrasund Hans Moser – zu einem ganz eigenenWiener Totentanz.STIRB DU, WENNST KANNST (UA)Ein Wiener Totentanz. Ballett von Jörg MannesMusik von Franz Schubert, Gustav Mahler, MauriceRavel, Wolfgang Amadeus Mozart und anderenMUSIKALISCHE LEITUNG Stefan Klingele/ToshiakiMurakami CHOREOGRAPHIE Jörg Mannes BÜHNE HermannFeuchter KOSTÜME Silke Fischer LICHT ClausAckenhausen DRAMATURGIE Brigitte KnößBallett der <strong>Staatsoper</strong> <strong>Hannover</strong>Niedersächsisches Staatsorchester <strong>Hannover</strong>MEZZOSOPRAN Julia Faylenbogen/Julie-Marie SundalPREMIERE 19. März 2011, 19.30 UhrDIE NÄCHSTEN VORSTELLUNGEN 22. März, 10. und 28.April 2011


BALLETTMITTWOCH, 13. APRIL18.00 Uhr Ausstellungseröffnung»Tanzstadt <strong>Hannover</strong> III – Da war’s um uns geschehen!«19.30 Uhr »Gefährliche Liebschaften« Ballett von Jörg MannesKARFREITAG, 22. APRIL19.30 Uhr Gastspiel: NEDERLANDS DANS THEATER IIChoreographien von Jiří Kylián und Alexander EkmanKARSAMSTAG, <strong>23</strong>. APRIL25. Internationaler Wettbewerb für Choreographen14.30 Uhr Vorrunde I20.00 Uhr Gastspiel: NEDERLANDS DANS THEATER IIChoreographien von Jiří Kylián und Alexander EkmanOSTERSONNTAG, 24. APRIL25. Internationaler Wettbewerb für Choreographen14.30 Uhr Vorrunde II19.00 Uhr FinaleOSTERMONTAG, 25. APRILBallett-Kindertag ab 11 UhrFilmabend im Opernhaus ab 19.30 UhrNederlands Dans Theater II Jiří Kylián – Foto: Daisy KomenGASTSPIEL: NEDERLANDS DANS THEATER II25. INTERNATIONALER WETTBEWERB FÜR CHOREOGRAPHENOSTER-TANZ-TAGE13.04.– 25.04.2011Mit freundlicher Unterstützung


Als Findelkind von Pflegeeltern fernab derZivilisation großgezogen, erfährt er erst alsheranwachsender Mann von seiner wahrenHerkunft und wird sich nach und nach auchseiner außergewöhnlichen Kräfte bewusst.Schließlich verlässt er das elterliche Heim,um große Taten zu vollbringen – und findetam Ende auch die Liebe einer Frau …Bei dem Helden, von dem hier die Rede ist,handelt es sich natürlich um niemand anderenals … SUPERMAN!Oder Herkules?! Oder Siegfried?! … Die Reiheließe sich beliebig fortsetzen, von derAntike bis in unsere Tage gleichen sich Heldensagenin vielen ihrer zentralen Grundmotive– und das sogar weit über den europäischenKulturraum hinaus, denn diemythischen Helden der Legenden, Märchen,Comics und Kinofilme sind ein tief im Unterbewusstseindes Menschen verwurzelterArchetypus.Strahlende HeldenDas Zedler-Lexikon von 1735 bezeichnet alsHeld, lat. Heros, jemanden, »der von Natur miteiner ansehnlichen Gestalt und ausnehmenderLeibesstärcke begabet, durch tapfereThaten Ruhm erlanget, und sich über den gemeinenStand derer Menschen erhoben«.Besondere, übermenschliche Kräfte besitzenin der Tat nahezu alle Superhelden: Herkuleserwürgt schon als Kind in der Wiege mitbloßen Händen eine ihn und seinen Bruderbedrohende Schlange, Achilles ist der stärksteKrieger im Heer der Griechen vor Troja,Samson zerreißt einen Löwen mit seinenbloßen Händen und erschlägt 1000 Philistermit dem Kieferknochen eines Esels, Siegfriedtötet einen Drachen und Supermankann fliegen, ist stark wie eine Lokomotiveund schneller als eine Pistolenkugel.Zum unbesiegbaren Helden gehört aber fastunabdingbar immer auch ein Rest an Verwundbarkeit,ein im wahrsten Sinne desWortes »wunder Punkt«: Bei Achilles ist esdie Ferse, die bis heute seinen Namen trägt,Samson verliert mit der Haarpracht auchseine übermenschlichen Kräfte, Siegfried istam Rücken verwundbar, und selbst Supermankann durch ein fiktives Mineral namensKryptonit außer Gefecht gesetzt werden.Schon in den Umständen seiner Geburt undseines Heranwachsens unterscheidet sichder Held von normalen Sterblichen. Bereitsim Säuglingsalter oder sogar noch davor ister Not und Verfolgung ausgesetzt, was nichtselten dazu führt, dass er – zumindest zeitweise– nicht von seiner leiblichen Mutteraufgezogen werden kann: Herakles wirdaus Angst vor Heras Zorn von der eigenenMutter ausgesetzt, jedoch von seiner HalbschwesterAthene unerkannt zu Hera selbstgebracht, die ihn aus Mitleid an die eigeneBrust legt. Superman wird noch als Babykurz vor der Zerstörung seines Heimatplanetenvom eigenen Vater allein in einer Raketedurchs All zur Erde geschickt, wo ihndas Ehepaar Kent findet und in einer Kleinstadtmit dem bezeichnenden Namen Smallvilleaufzieht. Siegfrieds Mutter Sieglindehingegen ist in Wagners Ausformulierungdes Mythos mit ihrem noch ungeborenenKind vor dem Zorn ihres Vaters Wotan geflohenund bringt Siegfried fernab jeglicherZivilisation, im Wald bei Mime, zur Welt.Böse Schurken»Bei Siegfrieds Geburt stirbt Sieglinde, wiesich’s gebührt«, schreibt C.G. Jung. »Die Pflegemutterist nun allerdings kein Weib, sondernein chthonischer [der Erde angehö-


ender] Gott, ein krüppelhafter Zwerg, derzu jenem Geschlecht gehört, das der Liebeentsagt. […] Mime wird aber zum FeindSiegfrieds und wünscht ihm den Tod durchFafner. Hier enthüllt sich die dynamischege Unbewusstheit und Unbezogenheit abscheulicheTaten. […] Er hält den früherenintellektuellen und moralischen Tiefstanddem höher entwickelten Individuum unterdie Augen, damit man nicht vergesse, wieNatur Mimes: Er ist ein männlicher Repräsentantder furchtbaren Mutter, die ihremSohn den giftigen Wurm in den Weg legt.«»Glauben sollst du, was ich dir sage: Ich bindir Vater und Mutter zugleich«, lässt Mime seinenZögling wissen. Mime übernimmt aberin Wagners Siegfried nicht nur beide Partsder für Heldensagen typischen Pflegeeltern,er ist darüber hinaus auch das Negativbildzu Siegfried, der ebenfalls zu klassischenHeldenmythen gehörende schurkische Widersacher,der Antiheld! Dient der Archetypusdes Helden als Projektionsfläche fürWünsche und Sehnsüchte und bedient sichdaher eines nicht nur mit übermenschlichenphysischen Kräften bedachten, sondernauch vom Scheitel bis zur Sohle ideal geformtenMenschenbildes, so erlangen seineüberragende Kraft und Schönheit erst durchdas Gegenbild eines an Feigheit und Hässlichkeitkaum zu übertreffenden Widersachersihre wahre Strahlkraft. Wagner selbstnennt seinen Siegfried den »von uns gewünschten,gewollten Menschen der Zukunft«,spricht vom »jugendlich schönenSiegfriedmenschen«, ja bezeichnet ihn garals den »schönsten meiner Lebensträume«.Seine Vorstellungen von Mimes äußererGestalt, zu finden in Der junge Siegfried,Wagners erster Textfassung des späterenSiegfried, beinhalten nicht einen einzigenpositiven Aspekt: »Er ist von kleiner gedrückterGestalt, etwas verwachsen undhinkend; sein Kopf ist über das Verhältnisgroß, sein Gesicht ist dunkelaschfarben undrunzlig, sein Auge klein und stechend, mitroten Rändern, sein grauer Bart lang undstruppig, sein Haupt ist kahl und von einerroten Mütze bedeckt.«Gut und Böse, hässlich und schönMime ist Batmans großem Widersacher, dem»Joker«, vergleichbar, dessen Gesicht zu einergrotesk verzerrten, unheimlichen Clowns-Maske erstarrt ist. Und in der Tat trägt Mimeauch Züge einer uns in den Mythen vergangenerJahrtausende immer wieder begegnendenarchetypischen Figur, die von PaulRadin, Karl Kerényi und C.G. Jung als»Schelm« oder »Trickster« bezeichnet wurde.Der »Trickster« ist eine ambivalente Figur, erverkörpert das Prinzip der Vereinigung vonGegensätzen, ist weder gut noch böse, er istlistenreich und zugleich ein Tölpel. »Er istebenso unter- wie übermenschlich, eingöttlich-tierisches Wesen, dessen durchgehendeund eindrucksvollste Eigenschaft dieUnbewusstheit ist. […] Obschon er nicht eigentlichboshaft ist, so begeht er doch infol-das Gestern aussah.« (C.G. Jung) Siegfriedund Mime, Batman und Joker, Held und Antiheld,Kämpfer und Schelm, Muskelprotzund Clown bedingen sich also in gewisserWeise gegenseitig, der Superheld definiertsich und seine Überlegenheit vor der Foliedes zurückgebliebenen Missratenen.»Viele von den Schelmen-Zügen wiederholensich in der Gestalt des mittelalterlichenGauklers und leben weiter bis aufden heutigen Tag im Hanswurst des Kasperle-Theatersund im Clown.« (Paul Radin)Und die Gegenüberstellung dieser beidenArchetypen vollzieht sich nicht allein in derFiktion des Theaters oder der Literatur: InZirkus- und Jahrmarkt-Veranstaltungen des19. Jahrhunderts wird der Superheld inForm des »strong man« oder des Trapezkünstlerssicherlich nicht ganz unbewusstdem missratenen, deformierten menschlichenKörper in Form von »Freak Shows«gegenübergestellt. »Tatsächlich wird dermenschliche Körper im Zirkus gerade wegenseiner Unabhängigkeit, seines Einfallsreichtumsund seiner Eigenständigkeit bewundert,wegen seiner Überlebensfähigkeitund seiner Überlegenheit über die Natur. Am


anderen Ende der Skala, der Idee von Nietzsches›Übermenschen‹ diametral entgegengesetzt,steigt man die Darwinsche Evolutionsleiterhinunter und landet beim Tier.« (HelenStoddart) Der Zirkus des 19. Jahrhundertsstellt den durchtrainierten, überlegenenKörper des Athleten dem deformierten, inferiorenKörper der »Missgeburt« schonungslosgegenüber. Es ist in diesem Zusammenhangüberaus bemerkenswert, dass die Kostümierungdes Superman (also des in wörtlicherÜbersetzung »Übermenschen«!) mit seinenüber einem eng anliegenden, einteiligenKörperanzug getragenen Shorts aus derklassischen Kleidung des Zirkusathleten, des»Manns aus Stahl« (so auch eine BezeichnungSupermans), hergeleitet zu sein scheint.Der bösartige Held und der gutherzigeSchurke»In Comics, Rockmusik, Zirkus-Shows undKarneval-Vorführungen wird der archetypischeAußenseiter nicht durch die Frau,den Homosexuellen, den Juden, die Rothautoder den Schwarzen repräsentiert […].Durch alle Jahrhunderte seit Menschengedenkenist es der seltsam geformte Körper,mit dem die Andersartigkeit verkörpertwird.« (Rosemarie Garland Thomson) Wagneraber hat seinen Mime mit Attributen ausder gesamten Palette von Außenseitern versehen:In seiner Musik und seiner Sprechweiseträgt Mime unverkennbar jüdischeZüge, in seiner stets auch von ihm selbstpropagierten Mutterrolle klingen homosexuelleFacetten an, sein Körper ist – wie wirbereits erfahren haben – deformiert, sogarmit einer dunkleren Hautfarbe stattet ihndarin, vorhandene Motive und Archetypenaus den unterschiedlichsten Mythen zwarzu verwenden, dem vorgegebenen Schemadabei aber eben gerade nicht zu folgen, sondernein ganz eigenes, ebenso widersprüchlicheswie modernes Drama zu gestalten.Wagner laut seiner ursprünglichen Regieanweisungaus. Wagner macht aus derTrickster-Figur des Mime einen vielschichtigenCharakter. In der Rezeptionsgeschichtegemeinhin auf den lächerlichen, bösartigenZwerg reduziert, scheint Mime inseiner allzu übertrieben gespielten (mütterlichen)Fürsorge doch auch immer wiedereine innere Verbundenheit mit seinem Pflegekinddurchblicken zu lassen. Der Tricksterist gut und böse zugleich. Und umgekehrt istauch Siegfried alles andere als ein makelloserHeld. Wohl gewinnt er am Ende desdritten Ring-Teils seine »Prinzessin« Brünhilde.Aber anders als Superman ist er nichtetwa ausgezogen, um die Welt zu retten,sondern um eigene, rein egoistische Motivezu verfolgen. Dabei ist ihm jede höhere Moralvollkommen fremd: Er tötet seine Gegnergewissenlos und ohne zu zögern. Dem vonihm niedergestreckten Pflegevater, dem einzigenMenschen, den er bis dahin in seinemLeben kennen gelernt hat, weint er keineeinzige Träne nach. Ob das der Stoff ist, ausdem Helden gemacht sind?Wagners Genie besteht nicht zuletzt auchOper von Richard WagnerZweiter Tag der Tetralogie Der Ring des Nibelungen Wolfgang Bozic Barrie Kosky Klaus Grünberg Klaus Bruns Ulrich LenzRobert Künzli Johannes Preißinger Béla Perencz Stefan Adam /Frank Schneiders Albert Pesendorfer Julie-Marie Sundal Brigitte Hahn Ania Vegry / Hinako Yoshikawa Sonntag, 10. April 2011, 11 Uhr Sonntag, 17. April 2011, 16 Uhr — Live imRadio auf NDR Kultur.Mit freundlicher Unterstützung vonHauptsponsor


Wie Doris Kraus die Bibliothek organisiert und noch viel mehrAuf der Rückseite ihrer Tür kleben unzähligekleine Zettel, die nur darauf warten, vorneangehängt zu werden: »Bin im Archiv«, »Gradeauf der Probe!« oder »Sofort wieder zurück«.Doris Kraus ist auf alles vorbereitet,sie hat den Überblick. Sie ist die multifunktionaleBibliothekarin, die sich neben Tausendenvon Notenblättern auch um Vertragsverhandlungenüber Urheberrechteund sogar den Transport aller Tasteninstrumentekümmert.Die Bibliothek an sich gleicht ein bisscheneinem U-Boot – viele Schränke hintereinanderlassen sich mit Hilfe großer Räder auseinandersteuern, und man meint es manchmalauch piepsen und surren zu hören.Zwischen den einzelnen Wänden verschwindetDoris Kraus wie der Wind undhat im Nu gefunden, was das Musikerherzbegehrt, denn es ist alles sorgfältigst archiviert– auch wenn es hier und dort etwasgemütlich-durcheinander aussehen mag,hat doch alles seinen festen Platz, und nichteinmal die kleinste Note kommt abhanden.Sogar uralte Partituren aus vorigen Jahrhundertensind noch vorhanden, so zum BeispielGötterdämmerung und Siegfried (1887)von Richard Wagner, zuletzt aus demSchrank geholt – mit dem Kommentar »Vorsicht,heilige Note!« – für GMD Wolfgang Boziczur Einarbeitung in die beiden noch fehlendenTeile der Ring-Produktion (Siegfriedkommt am 17. April, Götterdämmerung am12. Juni 2011 heraus). Herr Bozic würde dieseSchätze zwar am liebsten behalten, wirdsie aber schweren Herzens unversehrt wiederabliefern.Die ungewöhnlichste Aufgabe in DorisKraus’ weitem Arbeitsfeld ist allerdings dieständige Lokalisierung des Foyer-Flügels,der sich nach Lust und Laune an unterschiedlichenOrten aufhält, ob Marschner-Saal oder Laves-Foyer, sie findet ihn überall;die zeitaufwändigste Aufgabe ist wohl dieZusammenstellung der Orchesterausschnitte(oder, wie sie es liebevoll nennt, die »Logistikdes Notenherbeizauberns«) vor allem fürBallette: Sie setzt fein säuberlich, gewissermaßenNote für Note, zusammen, was derjeweilige Choreograph sich an Musik für seineaktuelle Produktion ausgesucht hat. Dahersind die Stücke, wie der Zuschauer siebei der Vorstellung am Ende zu hören bekommt,absolute Unikate, von der Bibliothekarinper Hand hergestellt. Zur Zeit arbeitetsie an dem Ballett Stirb du, wennst kannst(Uraufführung am 19. März 2011), für dassich Choreograph Jörg Mannes acht unterschiedlicheTeile aus Partituren von Ravel,Mahler, Schubert, Strauss und Mozart ausgesuchthat. »Das kann zeitlich manchmalganz schön knapp werden«, sagt Kraus nichtohne Stolz. »Für den Opernball oder mancheBallette kann das Endergebnis auch gut undgerne mal aus zwanzig Teilen bestehen!«.Dass sie daran etwas länger sitzt undmanchmal auch beinahe Nachtschichtenschieben muss, kann man sich da gut vorstellen.Trotzdem ist das Ballett Ein Sommernachtstraumihr favorisiertes Stück deraktuellen Spielzeit.Ansonsten kümmert sich Doris Kraus darum,dass die <strong>Staatsoper</strong> <strong>Hannover</strong> auch wirklichdas spielen darf, was sie gerne möchte. Sieführt Verhandlungen mit Rechteinhabern,die sich teilweise über mehrere Monate erstreckenkönnen. Bei manchen Stückenbeißt allerdings selbst die versierte Bibliothekarinauf Granit, wie etwa bei Liedernder Beatles, die man gerne auf dem Opernballmit dem 60er Jahre-Motto »All You NeedIs Love« Ende Februar gespielt hätte (dieComputerfirma Apple musste jahrelangeVerhandlungen mit Hinterbliebenen führen,bis sie endlich – seit November 2010 –Songs der Beatles online zum Verkauf anbietendurfte. So lange hatte Doris Krausleider nicht Zeit!). Auf die Frage, wieso mandie Musik nicht trotzdem einfach spielenkönnte, erwidert sie ernst, dass man in soeinem Falle mit hohen Bußgeldern und sogareiner Absage der betroffenen Veranstaltungrechnen könne.Die Lieblingsnote der Bibliothekarin, dieMusikwissenschaft und Gesang an der UniversitätWürzburg studiert hat, ist die Partiturabschriftvon Heinrich Marschners OperHans Heiling aus der Zeit vor 1921 – immerhinwar Marschner unter Ernst August von<strong>Hannover</strong> Musikdirektor dieser Stadt, zudemist sie seit ihrem sechzehnten Lebensjahrein großer Fan seiner Oper Der Vampyr. DaDoris Kraus nach ihrem Studium auch alsSängerin tätig war, sind ihr alle künstlerischenAbläufe bestens bekannt, und esschließt sich der Kreis, wenn sie noch heutebegeistert im Anschluss an ihre Arbeit imExtrachor der <strong>Staatsoper</strong> singt.


OPERschmettern zu dürfen: »Die Partie des Toniohat mir in meiner Sängerkarriere unglaublichviel Glück gebracht. Ich hatte sie beiallen Vorsingen dabei, und egal ob in Salzburgoder <strong>Hannover</strong>: Es war immer die ersteWahl des Zuhörer-Komitees, weil die Arienatürlich so viele technische Tücken hat,dass man damit die Qualität eines Sängerssehr gut testen kann. Aber obwohl ich sieunzählige Male gesungen habe, debütiereich mit dieser Partie jetzt erstmals öffentlich.«Ob es ihm nicht ein bisschen schwerfällt, sich als Koreaner ausgerechnet miteinem Tiroler zu identifizieren? »Ich entdeckein der Geschichte sehr viele Parallelenzu meiner eigenen Biographie. Einjunger Bauer aus Tirol, der in die Armee eintritt,um das zu bekommen, was er liebt,nämlich Marie, und ein junger Sänger ausKorea, der sich völlig ahnungslos in dendeutschen Opernbetrieb begibt, um das zumachen, was er liebt, nämlich singen – dasist gar nicht so weit voneinander entfernt«,lacht Park und ergänzt: »Ich hatte vor fünfzehnJahren, als ich nach Deutschland gekommenbin, überhaupt keine Ahnung vonden Lebensweisen und Strukturen hier. Aberegal, ich habe es einfach getan, so wie Tonio.Inzwischen ist Deutschland meinezweite Heimat und ich bin genauso zufriedenwie Tonio am Ende der Oper.«Selbstverständlich braucht man für La Filledu régiment nicht nur den richtigen Tonio,sondern auch die richtige Marie – und dafreut sich Sung-Keun Park sehr, dass er NicoleChevalier an seiner Seite hat, mit der erschon gemeinsam in Freiburg im Ensembleengagiert war. »Auch für mich ist die Partieein Debüt«, sagt Nicole Chevalier und istsehr gespannt darauf, wie sich die Rolle ineiner konzertanten Aufführung realisierenlässt. »Die Musik der Marie ist kein typischerBelcanto, es ist völlig anders als beispielsweisedie Lucia. Trotz der ausgeprägten Virtuositätgeht es viel stärker in Richtung Charakterrolle,ähnlich vielleicht wie Alice Fordin Falstaff. Dadurch, dass wir kein Bühnenbildund keine Regie haben, werde ich nochmehr über die Stimme ausdrücken müssenals sonst.« Und wie empfindet sie die Marie?Kann sie sich mit der quirligen Regimentstochteridentifizieren? »Persönlich fühle ichmich nicht so klein, frech und burschikoswie Marie – aber ich liebe den Charaktersehr. Es ist spannend, dass Marie sowohleine männliche als auch eine weibliche Seitehat. Und es ist faszinierend, wie Marie imLaufe des Stückes reifer wird: Wenn sie sichin Tonio verliebt und bereit ist, für ihn dieArmee, also gewissermaßen ihre Familie zuverlassen, wirkt sie plötzlich unglaublich erwachsenund bekommt eine ganz tiefe, lyrischeSeite, auch in der Musik.« Diese Entwicklungmöchte Nicole Chevalier auch überden Gesang vermitteln – und um das zu erleben,treten wir sicherlich alle gerne füreinen Abend lang in die Armee ein.LA FILLE DU RÉGIMENT(DIE REGIMENTSTOCHTER)Komische Oper von Gaetano DonizettiKonzertante AufführungMUSIKALISCHE LEITUNG Karen Kamensek MODERATIONSylvia Roth CHOR Dan RatiuMARIE Nicole Chevalier TONIO Sung-Keun Park LAMARQUISE DE BERKENFELD Julie-Marie Sundal SULPICEYoung KwonKONZERTANTE PREMIEREMittwoch, 27. April 2011, 19.30 UhrWEITERE VORSTELLUNGEN29. April, 17., 19. und 29. Mai 2011BRYN TERFELIN HANNOVERIn den Festlichen Opernabenden präsentiertdie <strong>Staatsoper</strong> Stars der internationalenOpernszene Seite an Seite mit Sängern ausdem Opernensemble in hauseigenen Inszenierungen– am 4. März war Bryn Terfel erstmalsin <strong>Hannover</strong> zu Gast! Er stand in derNeuinszenierung von Falstaff auf der Bühne.Bryn Terfel hat die Titelpartie von Verdis Alterswerkin der ganzen Welt gesungen, vonLos Angeles bis Wien, von New York bisSydney. Seine CD-Aufnahme unter ClaudioAbbado wurde mehrfach ausgezeichnet. DerFestliche Opernabend wurde zu einem großenErfolg – für Terfel, das Ensemble und den1. Kapellmeister Ivan Repušić. »Der walisischeBassbariton gilt als führender Interpretdieser Charakterrolle und zeigt im ausverkauftenOpernhaus, dass es für dieseEinschätzung viele Gründe gibt. Eine umwerfendeBühnenpräsenz und eine ebensokraft- wie prachtvolle Stimme. Obendrein istBryn Terfel nicht nur ein Star, sondern ebenauch ein famoser Teamplayer.«, freute sichRainer Wagner in der <strong>Hannover</strong>schen AllgemeinenZeitung. Henning Queren berichtetein der Neuen Presse über den großen Erfolgdes Abends: »Das Publikum feierte das gesamteEnsemble und natürlich den Star mitzehnminütigem Jubel und unzähligen Bravos.Auch in Wien bekommt man zur Zeit zumindestsängerisch keinen besseren Falstaff.«Mit freundlicherUnterstützung


Ein neues Musiktheater für Kinder ab 5 Jahren: Freunde! von Peter Androsch im Ballhof ZweiFischkind HARALDhat es satt: Natürlich kann man auchalleine spielen: Schöne-Bögen-springenoder Bläschen-steigen-lassen. Aber wieviel mehr Spaß hätte er, wenn nochandere Fischkinder da wären!Auch INGEist unzufrieden: Sie ist daseinzige Kind im Schweinestall.Die großen Schweine verstehensie nicht.Und PHILIPP?Das Vogelkind hat keine Lustmehr, alleine Rückenflug zu üben.Stattdessen will Philipp im Dreckwühlen wie ein Schwein oder imTeich schwimmen wie ein Fisch.Eines Tages treffen sich die drei, und sie werden Freunde: ein Fischkind, ein Schweinekind und ein Vogelkind.Aber: Können die überhaupt zusammen spielen? Oh ja, sie können, und wie!Als dritte Produktion der Jungen Oper gabdie <strong>Staatsoper</strong> ein Musiktheater für dieJüngsten bei dem österreichischen KomponistenPeter Androsch in Auftrag: Freunde!nach F.K. Waechters Bilderbuch Wir könnennoch viel zusammen machen. Erzählt wirddie Geschichte von drei Einzelkindern: Einkleiner Fisch, ein Schweine- und ein Vogelkindfinden sich zu einem ungleichen Triozusammen.Peter Androschs Musiktheater stellt sichauch musikalisch unter das Motto »Wir könnennoch viel zusammen machen.« Dennhier ist fast alles erlaubt, spielerisch wirbeltAndrosch unterschiedlichste Mittel durcheinander.Da wird geschmatzt und geblubbert,gepfiffen, gesprochen und gesungen.Das kleine Orchester mit Akkordeon, Kontrabass,Violine, Klarinette und Schlagzeugschafft zusätzlich atmosphärische Welten imWasser, in der Luft und im Dreck: »Ich versuche,musikalisch ganz unterschiedlicheTemperaturen und Zustände zu erzeugen –wie ich das auch für eine Erwachsenen-Musik tun würde. Bei Kindern spielt sichdas Ganze eben im Matsch oder im Wasserab – und das macht irrsinnig viel Spaß!«Freunde! ist ein ebenso sinnliches wie verspieltesMusiktheater, das zum Schluss dengesamten Ballhof Zwei auf den Kopf stelltund alle einlädt, miteinander zu spielen, zusingen, zu pfeifen, zu blubbern oder zuschmatzen. Denn: Wir können noch viel zusammenmachen!Peter Androsch ist einer der bekanntestenzeitgenössischen österreichischen Komponisten.Auftragswerke entstanden u.a. fürdas Landestheater Linz, Stadttheater Klagenfurt,Theater Phönix Linz, Ensemble WienerCollage, RSO Wien, Stuttgarter Kammerorchesteroder das Wiener Konzerthaus. ImJahr 2009 leitete Androsch das Musikprogrammder Europäischen KulturhauptstadtLinz, das v.a. mit den Projekten Hörstadt unddem dazugehörigen Akustikon europaweitfür Aufsehen sorgte und in den nächstenJahren zu einer Europäischen ForschungsundVermittlungsstelle zur nachhaltigen Entwicklungdes akustischen Raums ausgebautwerden soll.


Deine Freunde! zum AusmalenMusiktheater für Kinder ab 5 Jahren von Peter AndroschLibretto von Dorothea Hartmann nach F.K. Waechters Bilderbuch Wir könnennoch viel zusammen machen Toshiaki Murakami Tobias Ribitzki Pablo Mendizábal Elvira Freind Dorothea Hartmann Tiina Lönnmark NeeleKramerSeongsoo Ryu DeniseFischer Daniel EggertMusiker des Niedersächsischen Staatsorchesters <strong>Hannover</strong> 10. April 2011, 15 Uhr, Ballhof Zwei 12. und 28. April, 1., 9., 14., 24. und 29. Mai sowie10. Juni 2011.Wir freuen uns auf kleine und große Kunstwerke mit dem Titel »Wirkönnen noch viel zusammen machen«.Fisch Harald, Schweinchen Inge und Vogel Philipp entdecken dasLeben im Wasser, zu Lande und in der Luft. Was sie zusammen machen,könnt Ihr mit Wachsmalern, Bunt- oder Filzstiften, Pinsel undFarbe auf Papier festhalten und an <strong>Staatsoper</strong> <strong>Hannover</strong> . Stichwort»Freunde!« . Opernplatz 1 . 30159 <strong>Hannover</strong> schicken. Einsendeschlussist Donnerstag, der 7. April 2011. Mitmachen kannjeder zwischen 5 und 8 Jahren.Die eingesandten Bilder werden im Foyer des Ballhof Zwei ausgestellt.Unter allen Einsendungen verlosen wir Karten für eineFreunde!-Vorstellung im Ballhof Zwei.Mit freundlicher Unterstützung


16. 17 KINDERALLES ZIRKUS!»Das Kinderfest ist der Opernballfür kleine Leute« – so hat IntendantMichael Klügl die Bedeutung desKinderfestes für das Opernhaus beschrieben.Jahr für Jahr lockt es Kindermit ihren Eltern in den Laves-Bau. Am 13. Februar2011 wurden 2.400 große und kleineGäste in zwei Vorstellungen in die Welt desZirkus entführt: zunächst in der Bühnenaufführungdes Kinderzirkus »Giovanni!« aus <strong>Hannover</strong>,dann beim großen Fest in allen Foyers.Da wurde gebastelt, getanzt, Artistik trainiertund der Wahrsagerin gelauscht, Karussell gefahren,dem stärksten Mann der Welt ein Besuchabgestattet und auf den Lukas gehauen.Mit Hilfe aller Abteilungen des Hauses entstandso ein üppiges, unvergessliches Fest imOpernhaus, das mit der detailreichen Ausstattungvon Marie Fischer und unter der Produktionsleitungvon Cornelia Kesting-Then-Berghalle Besucher begeistert hat. Eigentlich gab esnur ein einziges Problem: Das Kinderfest warschon im November ausverkauft. Alle Interessentenfür das Kinderfest 2012 sollten sichschon im Herbst 2011 um Karten kümmern!Mit freundlicher Unterstützung


FOYEREVA BESSERT-NETTELBECKMISSION MUSIKTHEATER – DIE OPERNGUIDESSeit Beginn dieser Spielzeit haben es sich28 junge Menschen aus <strong>Hannover</strong> und Umgebungzum Ziel gemacht, als so genannteOpernguides auszuströmen, um das »Musiktheatervirus«zu verbreiten. UnterschiedlicheMotive haben die Jugendlichen dazu bewogen,sich als Opernguide zu melden: Einigesind schon früh über Elternhaus oder Schulean das Musiktheater herangeführt worden.Andere sind mehr oder weniger zufälligdurch Jugend-Projekte wie Rheingold — DerFilm, das Casting für die Beggar’s Operaoder die Teilnahme an den Kinder- und Jugendclubsder <strong>Staatsoper</strong> zum ersten Malmit Musiktheater in Berührung gekommen.Eines haben sie jedoch alle gemein: ihre Begeisterungfür das Genre!Ein Opernguide-Ausweis bietet ihnen dieMöglichkeit, allein oder mit Freunden zuSonderpreisen die Vorstellungen im Opernhausund der Jungen Oper zu besuchen. Beiregelmäßigen Treffen der Gruppe hinter denKulissen findet ein reger Meinungsaustauschzu den Inszenierungen statt. Beinahe jederhat eine oder mehrere Lieblingsopern. Oftsteht Mozarts Zauberflöte an erster Stelle,für viele – gleich nach Hänsel und Gretel –die erste Begegnung mit Oper.So war es eben dieses Stück, welches auchbei dem sechzehnjährigen Opernguide HaraldHein die Faszination für Musiktheatergeweckt hat. Seine Tante hat ihn mit demMusiktheatervirus angesteckt: »Meine Elternund Geschwister sind eigentlich keine ausgesprochenenOpernfans, aber meine Tante,die ist ein Opernfan mit Abo in Braunschweigund ist oft mit mir in die Oper gegangen.«Mozarts Musik hat ihn gleich für die Opereingenommen. Haralds Vorliebe für klassischeMusik spiegelt sich auch in seinenzahlreichen Hobbys wider: Er singt seitneun Jahren im Jugendchor der MusikschuleIsernhagen, spielt Geige und Klavier, ist Mitgliedim Jugendclub der <strong>Staatsoper</strong> undnimmt seit fünf Jahren Ballettunterricht. »Immerwenn ich im Fernsehen durchgezappthabe, bin ich bei Ballettaufführungen hängengeblieben. Das wollte ich auch können.So kam ich zum Ballettunterricht.« Nebendem Ballett geht Harald zur Tanzstunde, woer sich ein Jahr lang zusammen mit 87 weiterenDebütanten auf den Eröffnungstanzdes diesjährigen Opernballs vorbereitet hat.Aufgrund seiner vielen Hobbys – die ausnahmslosalle untrennbar mit Musik verbundensind – sind freie Abende meist rar gesät.Dennoch geht er so oft wie möglich insOpernhaus. Die Liebe zu den drei Orangenmochte er besonders: »Ich fand die Inszenierungsehr lustig und auch die Kostümewaren toll. Insgesamt ein packender Abend.«Im Moment ist allerdings Die Entführung ausdem Serail seine absolute Lieblingsoper, derenProbenprozess er an der <strong>Staatsoper</strong>während seines Praktikums im Orchesterbürointensiv verfolgen konnte. »Allerdingshabe ich Carmen noch nicht erlebt«, wirft ermit leuchtenden Augen ein. »Ich kenne bishernur ein paar Stücke daraus, aber die habenmir ausgesprochen gut gefallen, so dassich mir vorstellen kann, dass – wenn icherst die ganze Oper gesehen habe – Carmenmeine Lieblingsoper wird!«Ohnehin war das Praktikum im Orchesterbüroein ganz besonderes Erlebnis für Harald.Er schwärmt noch heute von den vielenProbenbesuchen. »Es war so spannend,weil man erst bei den Proben wirklich sieht,wie viel Arbeit dahinter steckt, eine Vorstellungauf die Bühne zu bringen, und dasseben nicht alles sofort so läuft, wie es imEndergebnis zu sehen ist.« Den Höhepunktseines Praktikums bildete der Abend, als erMy Fair Lady im Orchestergraben sitzend erlebendurfte. »Das war unglaublich faszinierend,so mitten drin zu sein!«Als eine der ersten Aktionen in seiner Funktionals Opernguide hat Harald seine Muttergebeten, ihn ins Sinfoniekonzert zu begleiten,da sie zuvor noch nie eines besuchthatte. Zufrieden schmunzelnd bekräftigt er:»Das war bestimmt nicht ihr letzter Besuchim Opernhaus, denn es hat ihr sehr gut gefallen!«Augenscheinlich hat er sie bereitsmit dem »Musiktheatervirus« infiziert.


18. 19 KONZERTANNA VOGTREISE IN DEN OSTENIm 7. Sinfoniekonzert widmet sich das Niedersächsische Staatsorchester Werken großer russischer KomponistenRomantische Musik aus Russland wird heute,aus einer zeitlichen Entfernung von fast 150Jahren, gerne mit gleichermaßen vereinfachendenund nichtssagenden Klischees wiedem »virtuosen Klangrausch« oder dem»Ausdruck der tiefgründigen russischen Seele«belegt. Die Frage danach, was «russischeMusik« überhaupt ist, sorgte jedoch in derzweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorallem in St. Petersburg für künstlerischeKämpfe, die von ihrer Bedeutung her denKonflikten zwischen den »Neudeutschen«und den »Konservativen« in Deutschlanddurchaus vergleichbar waren. Auch in Russlanddiskutierte man über die Formen derabsoluten Musik und der Programmmusik,die Streitpunkte gingen jedoch weit darüberhinaus. Russland war Mitte des 19. Jahrhundertsauf der Suche nach einer »nationalrussischen«Musiksprache, die es in dieserForm bis dahin nicht gegeben hatte. Mitwelchen Mitteln man allerdings die Etablierungeiner Nationalmusik erreichen solle,darüber gab es gespaltene Meinungen: Wie»westlich« durfte russische Musik sein, welcheBedeutung sollte die akademische Ausbildungspielen, welche die Intuition, das»Genie«?Lautstark meldete sich in den 60er Jahrendes 19. Jahrhunderts eine Gruppe von Komponistenin St. Petersburg zu Wort, die vonMili Balakirew angeführt wurde und ihrenmusiktheoretischen Mentor im MusikkritikerWladimir Stassow fand. Stassow selbstprägte den – eigentlich nicht ganz glücklichen– Namen der Gruppe, »Das mächtigeHäuflein«, in einer Konzertkritik von 1867.Diese »Gruppe der Fünf«, wie sie auch genanntewurde, verband einige der vielversprechendstenKomponisten Russlands: ModestMussorgsky, Alexander Borodin, NikolaiRimski-Korsakow und Cesar Cui, die sichunter der Leitung des charismatischen,wenngleich auch etwas despotischen MiliBalakirew für eine nationalrussische Musiknach dem Vorbild Michail Glinkas starkmachten. Die Werke sollten – ohne Einflüsseaus dem Westen – alleine dem Genius undder Phantasie der Komponisten entspringenund dabei »typisch russische« Themen undVolksmusikelemente verarbeiten. Eine akademischeAusbildung der Komponistenempfand Balakirew dafür als schädlich, daman sich an den Konservatorien unweigerlichden ausländischen Einflüssen öffne unddie Phantasie beschränke. Die Gründung desPetersburger Konservatoriums durch den andersgesinnten Artur Rubinstein im Jahr 1861und das Engagement von internationalenLehrkräften wurde vom Kreis um Balakirewdementsprechend als Affront aufgefasst.Anerkennung fand die Gruppe erst in denspäten 1870er Jahren, als Rimski-Korsakowund Borodin mit großem Erfolg eigene Werkeaufführten. Beide waren auf dem Gebiet derKomposition Autodidakten und übten zunächstandere Berufe aus: Während Borodinsein Leben lang als Chemiker arbeitete unddarin durchaus bedeutend war, gehörteRimski-Korsakow viele Jahre dem Militär an,musste sogar die »Gruppe der Fünf« für einedreijährige Weltumsegelung verlassen, umseinen Abschluss als Marinekadett zu erhalten.Später jedoch avancierte er zum vielversprechendstenKomponisten des »MächtigenHäufleins«, distanzierte sich aber vonden Idealen seines Mentors Balakirew, umsich selbst musiktheoretisch weiterzubilden,denn er litt sehr unter seinem »Dilettantismus«,wie er zugab. Schließlich wurde ersogar zum Professor an das PetersburgerKonservatorium berufen. Wie Rubinstein,Tschaikowsky und Rachmaninow war Rimski-Korsakowdem Westen gegenüber nichtverschlossen und konnte mit Hilfe seinerKenntnisse der Satztechnik und Instrumentationbald zu einem der bekanntesten KomponistenRusslands aufsteigen. Zu seinenwichtigsten Werken gehört das viersätzigesinfonische Werk Scheherazade, das er1888 beendete, und in dem er auf meisterhafteArt die typisch russische Vorliebe fürdas »Orientalische« mit moderner Satztechnikund farbenfroher Instrumentation verband.In Scheherazade vertonte er, ganz inder Tradition der Programmmusik, eine literarischeVorlage: die jahrhundertealtenMärchen aus 1001 Nacht. Mit charakteristischenmusikalischen Motiven kennzeichneteer darin den tyrannischen SultanSchahriar und die Wesirstochter Scheherazade,die dem Sultan jede Nacht eine anderephantastische Geschichte erzählt, am spannendstenPunkt jedoch abbricht, um sich ihrLeben zu bewahren. Nachdem seine Frauden Sultan betrogen hatte, schwor diesernämlich, seine zukünftigen Bräute nach derHochzeitsnacht zu töten. Diesem blutigenTreiben macht die kluge Scheherazade mitihren Geschichten ein Ende, da der neugierigeSultan den Fortgang der Märchen unbedingtwissen will. Nach 1001 Nächtenschließlich sieht er ein, dass er mit seinemRachefeldzug töricht gewesen war, gibt diesenauf und nimmt Scheherazade offiziell zurFrau. Diese Erzählung liegt Rimski-Korsakowssinfonischer Suite zu Grunde. Die ursprünglichenTitel der einzelnen Sätze (DasMeer und Sindbads Schiff, Die Geschichtevom Prinzen Kalender, Der junge Prinz unddie junge Prinzessin, Feier in Bagdad, DasMeer, Das Schiff zerschellt an einer Klippeunter einem bronzenen Reiter) zog Rimski-Korsakow jedoch bald wieder zurück, umdem Zuhörer stattdessen die Möglichkeit zugeben, sich ganz unvoreingenommen aufdie musikimmanenten Ausdrücke einzulassen.Um die wiederkehrenden Motive vonScheherazade und dem Sultan gruppieren


KONZERTWeiter und weiter entfernt sie sich. Das russischeLied und die orientalische Weise verschmelzenzu einer gemeinsamen Harmonie,deren Klänge sich nach und nach in der Ferneverlieren.« In ihrem Aufbau ist die Kompositionsehr schlicht gehalten, sie bestichtjedoch vor allem durch ihre wiederholten,einprägsamen Melodielinien und ihren melancholischenGrundton, der durch die Verwendungvon ungewohnten Instrumentenkopplungenund Rhythmen »fremde« Weltenanklingen lässt. So wurde die Steppenskizzebald zu Borodins am häufigsten gespieltenund vor allem auch im Ausland bekanntestenWerk. Er widmete die Komposition FranzLiszt, dessen programmatische Werke erüberaus bewunderte. Das »Mächtige Häuflein«drohte zu dieser Zeit bereits zu zerbrechen,die gemeinsamen Ideale und Feindbilderder Gruppe waren zu weit auseinandergedriftet– für die Entwicklung und Förderungder russischen Musik im 19. Jahrhundertist die Rolle diese Gruppe trotz allemkaum zu überschätzen.Nikolai Rimski-Korsakow, gemalt von Valentin Serow (1898)sich verschiedenste emotionale Elementeaus der arabischen Erzählung – Ausdrückeetwa der Freude, der Sehnsucht, der Melancholieund der Trauer. So können die Geschichtenmit Hilfe der Musik immer wiederneu in der Phantasie des Zuhörers entstehen,wie Rimski-Korsakow erklärte: »Indemdiese Motive und Themen jedes Mal in verschiedenenFarben, Formen und Stimmungenerscheinen, entsprechen sie immerverschiedenen Vorstellungen, Handlungenund Bildern.«Ein expliziteres Programm unterlegte Rimski-KorsakowsFreund und Kollege, AlexanderBorodin, seinem nur wenige Jahre zuvorentstandenen, kurzen Werk Eine Steppenskizzeaus Mittelasien: »In der einförmigenSteppe Mittelasiens erklingen die bisherfremden Töne eines friedlichen russischenLiedes. Aus der Ferne vernimmt man denHufschlag von Pferden und Kamelen undden eigentümlichen Klang einer orientalischenWeise. Eine einheimische Karawanenähert sich, die unter dem Schutz russischerSoldaten sicher und sorglos ihren weitenWeg durch die unermessliche Wüste zieht.7. SINFONIEKONZERTALEXANDER BORODINEine Steppenskizze aus Mittelasien (1880)SERGEI RACHMANINOWKonzert für Klavier und Orchester <strong>Nr</strong>. 1 fis-Mollop. 1 (1892/1917)NIKOLAI RIMSKI-KORSAKOWScheherazade op. 35 (1888)SOLIST Nikolai Tokarev (Klavier)DIRIGENT Michael SanderlingSonntag, 6. März 2011, 17.00 UhrMontag, 7. März 2011, 19.30 UhrKurzeinführung jeweils 30 Minuten vor demKonzert


20 FUNDUSOPERNRÄTSELIn der New York Times als »der heißesteKomponist unserer Zeit« beschrieben, verbindetdieser Künstler in seinen Werkenviele verschiedene kulturelle Stile und musikalischeTraditionen miteinander, von lateinamerikanischemFlamenco und Rumbaüber Madrigale aus der Renaissance unditalienische Arien bis hin zu Zwischenspielenmit arabischer Gitarre und Rezitativen,die sich dem klassischen griechischen Theateranzunähern versuchen. Anstatt dieseunterschiedlichen Traditionen nur als Zitatein seine Werke zu integrieren (wie es oft beider Begegnung von Klassischer und Volksmusikder Fall ist), sind sie das eigentlicheHerz seiner Musik, in der U- und E-Musiktatsächlich eine enge Verbindung eingehen.Diese besondere Symbiose zeigt sich bereitsin seiner ersten Oper, die 2007 gleich zweiGrammy Awards gewann: als »Beste zeitgenössischeklassische Komposition« und»Beste Opernaufnahme«. Die Oper erzählt dieGeschichte eines berühmten spanischenDichters durch die Augen einer Schauspielerin,die es sich zur Aufgabe macht, den Geistseiner Werke auch nach dem gewaltsamenTod des Dichters zu bewahren. Wie dieSchauspielerin versucht auch der Komponist,den Dichter als einen realen, durch Liebeinspirierten Menschen zu zeigen, anstattihn auf den Sockel einer politischen Legendezu heben.Unsere Frage Wer ist der Komponist undwie heißt seine preisgekrönte Oper? IhreLösung schicken Sie bis zum 04.04.2011per Postkarte an die Staats oper <strong>Hannover</strong> .Presse- und Öffentlichkeits arbeit . Opernplatz1 . 30159 <strong>Hannover</strong>. Oder per Email anpresse-oper@staatstheater-hannover.de.Vergessen Sie nicht Ihren Absender!Unter allen richtigen Einsendungen verlosenwir 5x2 Karten für die konzertante Pre miereLa Fille du régiment am 27.04.2011.Die Lösung des letzten – zugegebenschweren – Opernrätsels in der <strong>seitenbühne</strong>01/02.2011 war die Oper Guercœur vonAlbéric Magnard.»AUS EINEMTOTENHAUS« –DAS BUCHKOREANER IN HANNOVERZum zweiten Mal waren im Januar an der Neu in diesem Jahr war hingegen die Unterbringungbei Gasteltern aus <strong>Hannover</strong>, was<strong>Staatsoper</strong> <strong>Hannover</strong> zehn Gesangstudentender Yonsei-Universität aus Seoul (Südkorea) sich als Bereicherung für alle Beteiligten erwies.Trotz sprachlicher Hindernisse warzu Gast, um drei Wochen lang den Betrieban einem deutschen Opernhaus mitzuerlebensowie musikalischen und szenischen so intensiv, dass der Abschied am Flughafender gedankliche und emotionale AustauschUnterricht von Ensemblemitgliedern zu erhalten.Wie 2010 wurde am Ende aus den wurde. Aber schon in knapp zehn Monaten<strong>Hannover</strong> schließlich überaus tränenreichzehn Studenten einer ausgewählt, der in der gibt es ja wieder die Möglichkeit, zehn Studentenaus dem »Land der Morgenstille« beikommenden Spielzeit das Ensemble derJungen Oper für ein Jahr bereichern wird. sich aufzunehmen!Pünktlich zur Wiederaufnahme von Janáčeksletzter Oper Aus einem Totenhaus am 18.Februar ist ein von <strong>Staatsoper</strong> und Musikhochschuleherausgegebener Band mit wissenschaftlichenBeiträgen erschienen, Ergebniseines gemeinsamen Symposiumsanlässlich der Premiere im Jahr 2009. DasBuch ist im Werhahn-Verlag <strong>Hannover</strong> erschienenund zum Preis von 19,80 € imOpernshop und über den Buchhandel erhältlich.Die mit dem Deutschen TheaterpreisDER FAUST 2009 ausgezeichnete Inszenierungvon Barrie Kosky ist noch einletztes Mal zu sehen: am 11. März 2011.IMPRESSUM HERAUSGEBER Niedersächsische Staatstheater <strong>Hannover</strong> GmbH, <strong>Staatsoper</strong> <strong>Hannover</strong>, Opernplatz 1, 30159 <strong>Hannover</strong> INTENDANT Dr. Michael Klügl REDAK-TION Dramaturgie, Öffentlichkeitsarbeit GESTALTUNG María José Aquilanti, Birgit Schmidt DRUCK Steppat Druck FOTOS Eva Bessert-Nettelbeck (1, 17), Swantje Gostomzyk/Mihaela Iclodean (16), Thomas M. Jauk (Titel), Daisy Komen (7), Marek Kruszewski (2/3), Rikarda Plenz (11), Andrea Seifert (13) und Gert Weigelt (6) TITELBILD Falstaff,Stefan Adam (Falstaff).


<strong>seitenbühne</strong> . März / April 2011

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