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seitenbühne Nr. 23 - Staatsoper Hannover

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Wie Doris Kraus die Bibliothek organisiert und noch viel mehrAuf der Rückseite ihrer Tür kleben unzähligekleine Zettel, die nur darauf warten, vorneangehängt zu werden: »Bin im Archiv«, »Gradeauf der Probe!« oder »Sofort wieder zurück«.Doris Kraus ist auf alles vorbereitet,sie hat den Überblick. Sie ist die multifunktionaleBibliothekarin, die sich neben Tausendenvon Notenblättern auch um Vertragsverhandlungenüber Urheberrechteund sogar den Transport aller Tasteninstrumentekümmert.Die Bibliothek an sich gleicht ein bisscheneinem U-Boot – viele Schränke hintereinanderlassen sich mit Hilfe großer Räder auseinandersteuern, und man meint es manchmalauch piepsen und surren zu hören.Zwischen den einzelnen Wänden verschwindetDoris Kraus wie der Wind undhat im Nu gefunden, was das Musikerherzbegehrt, denn es ist alles sorgfältigst archiviert– auch wenn es hier und dort etwasgemütlich-durcheinander aussehen mag,hat doch alles seinen festen Platz, und nichteinmal die kleinste Note kommt abhanden.Sogar uralte Partituren aus vorigen Jahrhundertensind noch vorhanden, so zum BeispielGötterdämmerung und Siegfried (1887)von Richard Wagner, zuletzt aus demSchrank geholt – mit dem Kommentar »Vorsicht,heilige Note!« – für GMD Wolfgang Boziczur Einarbeitung in die beiden noch fehlendenTeile der Ring-Produktion (Siegfriedkommt am 17. April, Götterdämmerung am12. Juni 2011 heraus). Herr Bozic würde dieseSchätze zwar am liebsten behalten, wirdsie aber schweren Herzens unversehrt wiederabliefern.Die ungewöhnlichste Aufgabe in DorisKraus’ weitem Arbeitsfeld ist allerdings dieständige Lokalisierung des Foyer-Flügels,der sich nach Lust und Laune an unterschiedlichenOrten aufhält, ob Marschner-Saal oder Laves-Foyer, sie findet ihn überall;die zeitaufwändigste Aufgabe ist wohl dieZusammenstellung der Orchesterausschnitte(oder, wie sie es liebevoll nennt, die »Logistikdes Notenherbeizauberns«) vor allem fürBallette: Sie setzt fein säuberlich, gewissermaßenNote für Note, zusammen, was derjeweilige Choreograph sich an Musik für seineaktuelle Produktion ausgesucht hat. Dahersind die Stücke, wie der Zuschauer siebei der Vorstellung am Ende zu hören bekommt,absolute Unikate, von der Bibliothekarinper Hand hergestellt. Zur Zeit arbeitetsie an dem Ballett Stirb du, wennst kannst(Uraufführung am 19. März 2011), für dassich Choreograph Jörg Mannes acht unterschiedlicheTeile aus Partituren von Ravel,Mahler, Schubert, Strauss und Mozart ausgesuchthat. »Das kann zeitlich manchmalganz schön knapp werden«, sagt Kraus nichtohne Stolz. »Für den Opernball oder mancheBallette kann das Endergebnis auch gut undgerne mal aus zwanzig Teilen bestehen!«.Dass sie daran etwas länger sitzt undmanchmal auch beinahe Nachtschichtenschieben muss, kann man sich da gut vorstellen.Trotzdem ist das Ballett Ein Sommernachtstraumihr favorisiertes Stück deraktuellen Spielzeit.Ansonsten kümmert sich Doris Kraus darum,dass die <strong>Staatsoper</strong> <strong>Hannover</strong> auch wirklichdas spielen darf, was sie gerne möchte. Sieführt Verhandlungen mit Rechteinhabern,die sich teilweise über mehrere Monate erstreckenkönnen. Bei manchen Stückenbeißt allerdings selbst die versierte Bibliothekarinauf Granit, wie etwa bei Liedernder Beatles, die man gerne auf dem Opernballmit dem 60er Jahre-Motto »All You NeedIs Love« Ende Februar gespielt hätte (dieComputerfirma Apple musste jahrelangeVerhandlungen mit Hinterbliebenen führen,bis sie endlich – seit November 2010 –Songs der Beatles online zum Verkauf anbietendurfte. So lange hatte Doris Krausleider nicht Zeit!). Auf die Frage, wieso mandie Musik nicht trotzdem einfach spielenkönnte, erwidert sie ernst, dass man in soeinem Falle mit hohen Bußgeldern und sogareiner Absage der betroffenen Veranstaltungrechnen könne.Die Lieblingsnote der Bibliothekarin, dieMusikwissenschaft und Gesang an der UniversitätWürzburg studiert hat, ist die Partiturabschriftvon Heinrich Marschners OperHans Heiling aus der Zeit vor 1921 – immerhinwar Marschner unter Ernst August von<strong>Hannover</strong> Musikdirektor dieser Stadt, zudemist sie seit ihrem sechzehnten Lebensjahrein großer Fan seiner Oper Der Vampyr. DaDoris Kraus nach ihrem Studium auch alsSängerin tätig war, sind ihr alle künstlerischenAbläufe bestens bekannt, und esschließt sich der Kreis, wenn sie noch heutebegeistert im Anschluss an ihre Arbeit imExtrachor der <strong>Staatsoper</strong> singt.

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