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seitenbühne Nr. 23 - Staatsoper Hannover

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04. 05 BALLETTBRIGITTE KNÖSSWIEN IST ANDERSZur Uraufführung des Balletts Stirb du, wennst kannst von Jörg MannesWien hat bei Touristen ein überaus positivesImage und rangiert in der Hitliste der beliebtestenKurzreiseziele weit oben. BlaueDonau, Strauß, Stephansdom, Mozart, Prater,Gloriette, Opernball, Sachertorte, Heuriger,Hans Moser, Fiaker, Freud, Walzer, Backhendl,Schubert, Mahler, Klimt, Hundertwasser,Hofreitschule und der Dritte Mannergeben eine Melange aus Klischee und Realität,die das unverwechselbare Image derStadt ausmachen. Dies zu betonen, warwohl die Absicht der österreichischen Fremdenverkehrswerbung,als sie Mitte der1980er Jahre die groß angelegte Kampagne»Wien ist anders« kreierte und im In- undAusland verbreitete. Auf einer Plakattafel ander Westautobahn in Niederösterreich bliebder Slogan bis weit über die Jahrtausendwendeerhalten – inzwischen arg verblasstund etwas zerschlissen.Ein Bild von einer StadtWien gehört zu den schönsten Städten derWelt, und das verdankt es vor allem seinerLage. Marco Polo-Reiseführer, 1998Ein Höhenzug schließt den engeren Stadtraumab, so dass die Hohlform einer Muschelentsteht, in der die Stadt eingebettet liegt.Die so wie eine Perle in der Muschel ruhendeStadt fand schon auf ihren ältesten,aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert stammendenDarstellungen das Wohlgefallen derMaler. Hugo Hassinger, 1946Gemalte Stadtansichten kamen im 18. Jahrhundertgroß in Mode. Die europaweit anerkanntenMeister dieser Veduten-Malerei warender Venetianer Antonio Canale und seinNeffe Bernardo Bellotto, die sich beide Canalettonannten. Ausgehend von der Theatermalereischufen sie mit Hilfe der Cameraobscura wirklichkeitsgetreue Bilder, die einegroße Strahlkraft besaßen und durch geschicktgesetzte Lichter eine besondere Wirkungerzielten. Um 1760 gab Kaiserin MariaTheresia bei Bellotto dreizehn Veduten vonWien in Auftrag. Ursprünglich waren dieserepräsentativen Ansichten für die Ausstattungeines Palastes bestimmt, heute hängensie in der Gemäldegalerie des KunsthistorischenMuseums.Für sein Bild Wien vom Belvedere aus gesehenwählte Bernardo Bellotto einen erhöhtenStandort. Über die streng gegliedertenGartenanlagen des Schlosses Belvedere imVordergrund lenkt er den Blick des Betrachtersauf die breit hingelagerte Stadt. Zweibarocke Kuppeln – der Karlskirche links undder Salesianerinnenkirche rechts – scheinendie Stadt einzurahmen, die von der Hügelkettemit Kahlen- und Leopoldsberg im Hintergrundabgeschlossen wird. Das Bildzentrummarkiert der gotische Stephansturm alschristlich-katholisches »Herz von Wien«.Das Gemälde feiert die planvolle Ausgewogenheit,die Synthese zwischen Stadt undLandschaft, Natur und Kultur als scheinbarorganisch gewachsen. Allerdings ist hiereine Bebauung festgehalten, die erst möglichgeworden war durch die großen Zerstörungenim Zusammenhang mit der Belagerungdurch die Türken im Jahr 1683. Bisheute gilt der »Canaletto-Blick« als die Stadtansichtvon Wien und ist schon im frühen19. Jahrhundert zum Signet geworden. Ihreharmonische Grundstimmung wird bis heuteimmer wieder als Referenz herangezogenund bildet die Basis für ein rückwärts gewandtesWien-Bild: Der Vorstellung voneinem ursprünglichen Zustand, in dem allesnoch in Ordnung war.Die nostalgische Verklärung Wiens setzte zuBeginn des 19. Jahrhunderts ein und orientiertesich zunächst am verwinkelten mittelalterlichenStadtbild. Bedingt durch denökonomischen und gesellschaftlichen Wandelder Gründerzeit fühlte sich vor allem dasKleinbürgertum verunsichert und in seinerExistenz bedroht. Der exzessiven Bautätigkeit,die in der zweiten Jahrhunderthälfteeinsetzte, fiel zusehends die biedermeierlicheSubstanz zum Opfer, was für vieleMenschen den Verlust alles Gewohnten bedeutete.Die Neu-Anlage der Ringstraßeschlug eine breite Schneise in die Stadt undgab mit ihrer Repräsentationsarchitektur imStil des Historismus Wien ein völlig neuesGesicht. In den Vorstädten entstandenMietskasernen, um die massiv anwachsendeBevölkerung unterzubringen. Auf dieser Basiswurde das Biedermeier zum Sehnsuchtsbildund zum Idyll eines vor-modernen, gemütlichenStadtlebens stilisiert.»Alt-Wien«, auch wenn es in dieser Form nieexistiert hat, lebt als Ideal bis heute – und eswirkt sogar prägend zurück auf das Lebender Wiener, die sich Neuem gegenüber lieberverschließen. Wenn es um städtebaulicheMaßnahmen geht, wird noch immerder »Canaletto-Blick« in die Diskussion gebracht,um zu beschreiben, was wünschensundschützenswert ist. Das hat dazu geführt,dass sich das moderne Wien überwiegendauf der anderen Seite des Flusses ausbreitet.Die Hochhäuser der Uno-City und die WohnundGeschäftstürme der Donaustadt bildeneine neue Skyline jenseits des historischenZentrums, das 2001 durch die UNESCO zumWeltkulturerbe erklärt wurde.Echte WienerMei Stolz is’, i bin halt a echt’s Weanakind,a Fiaker, wie man net alle Tag find’t,mei Bluat is so lüftig und leicht wie der Wind,ja, i bin halt: a echt’s Weanakind.Gustav Pick, 1885Die Sehnsucht danach, unverwechselbar zusein, spiegelt sich auch im Bewusstsein der

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