Heimatwelt 43 - Gemeinde Weimar
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nun da in der Tschechei. Jeder versuchte sich<br />
abzusetzen. Ich bin mit meinem Gaul Tag und<br />
Nacht in Richtung Westen geritten. Es sickerte<br />
die Nachricht durch, wer mit einer Waffe<br />
angetroffen wird, der wird sogleich erschossen.<br />
Darauf hin habe ich meine Pistole und meinen<br />
Revolver weggeworfen. Bei Portograd ? haben<br />
mich und andere deutsche Soldaten die Russen<br />
gefangen genommen. In einer Gärtnerei mussten<br />
wir mit 10 Gefangenen arbeiten.<br />
Ich sah zwei Tschechische Polizisten mit<br />
zwei Weibern die Straße herkommen. Auf<br />
einmal tauchten zwei russische Offiziere auf und<br />
nahmen sich der Tschechischen Weiber an.<br />
Diese schrieen so laut, dass man es in der ganzen<br />
Straße hören konnte. Was mit den Frauen<br />
geworden ist, kann ich nicht sagen. Der Gärtner,<br />
ein Tscheche, habe gesagt:, „Den Hund haben<br />
wir fortgejagt und den Wolf haben wir<br />
bekommen“. Wir bekamen nichts zu essen,<br />
hatten also furchtbaren Hunger. Ich erwischte in<br />
den Behausungen der Gärtnerei eine Glucke mit<br />
Eiern. Ohne zu überlegen habe ich mir Eier<br />
geschnappt und sie verzehrt Dass hier kleine<br />
Küken kurz vor dem Schlüpfen standen, merkte<br />
ich erst beim Schlucken. Der Hunger war zu<br />
groß.<br />
Hans Schneider: Wie ging es weiter?<br />
Herr Eidam: Von hieraus wurden wir in ein<br />
Lager bei Auschwitz gebracht. Nach ca. drei<br />
Wochen ging es weiter nach Sibirien. Mit<br />
jeweils 90 Gefangenen staken wir in einem<br />
russischen Waggon. Durch ein Ofenrohr in dem<br />
Wagen konnte die Notdurft nach außen<br />
verrichtet werden. Es war ein großer Zug, der<br />
von zwei Lokomotiven, eine vorne und eine<br />
hinten, gezogen wurde. Der Zug fuhr nicht<br />
schnell, die Lokomotiven wurden mit Holz<br />
geheizt. Plötzlich fielen Schüsse, es krachte an<br />
allen Seiten. „Was war geschehen?“ fragten wir<br />
uns. Zwei Waggons waren nur mit Polen belegt.<br />
Diese hatten Fußbodenbretter aus den Wagen<br />
gehebelt, waren bei dem langsamen Fahren nach<br />
unten ausgestiegen und in den angrenzenden<br />
Wald geflüchtet. Wie viele dort zu Tode<br />
gekommen sind kann ich nicht sagen.<br />
Mit 1.720 Gefangenen kamen wir in einem<br />
Gefangenlager in Sibirien fast am Polarkreis an.<br />
Es ist nicht bekannt, wie hoch die Zahl derer<br />
war, die auf der dreiwöchigen Fahrt gestorben<br />
sind. Nein, sie sind nicht gestorben, sondern sie<br />
17<br />
sind verreckt wie das Vieh. Die Toten hat man<br />
einfach aus dem Zug geworfen.<br />
Zug in Richtung Sibirien. Gezeichnet nach<br />
Abbildungen russischer Lokomotiven<br />
Im Wald und in einem Kohlebergwerk mussten<br />
wir arbeiten. Nach ca. eineinhalb Jahren lebten<br />
von den 1.720 Gefangenen noch 56 Männerchen.<br />
Als nur noch diese wenigen übrig waren, wurden<br />
wir zusammen mit anderen Gefangenen, die von<br />
sonst wo herkamen, zusammen ca. 4.000<br />
Menschen, nach Süden in die Nähe vom<br />
Baikalsee verlegt. Auch hier hieß es wieder<br />
schaffen in einem 180 Meter tiefen Bergwerk.<br />
Eines Tages waren Wasser-pumpen defekt. Einer<br />
kam zu mir und sagt: „Heiner, du bist doch<br />
Schlosser und kennst dich aus mit diesem<br />
Werk.“ Ich wollte erst nicht danach sehen. Ich<br />
habe mich dann doch gemeldet und die Pumpen<br />
repariert. Es waren deutsche Pumpen, die ich<br />
von meinem Beruf her kannte. Die Russen hatten<br />
keine Ahnung. Nun sollte ich weitere dieser<br />
Geräte in Ordnung bringen. Dieses habe ich<br />
wegen dem kleinen Lohn abgelehnt. Darauf hin<br />
sollte ich eingesperrt werden. Aber dadurch<br />
waren die Pumpen nicht wieder hergestellt. Man<br />
hat das eingesehen, und ich bekam einen<br />
höheren Lohn und habe nun meine Arbeit<br />
fortgesetzt.<br />
Eines Tages mussten wir Gefangenen<br />
antreten. Ich musste hervortreten und mich im<br />
Bürolager melden. Dort saß ein Russe, der mich<br />
auf russisch nach meiner Familie und nach<br />
anderen Dingen meiner Heimat fragte. Ich<br />
konnte ihn verstehen. Auf einmal zog er aus<br />
seiner Schublade einen Brief mit einem Bild<br />
meiner Frau und den Kindern. Wie mir da zu