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Heimatwelt 43 - Gemeinde Weimar

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Wie für die Schweinsberger Juden, hatte auch<br />

für die jüdische Bevölkerung im Eigen die<br />

Rechtsformel des Judeneids bei gerichtlichen<br />

Auseinandersetzungen Gültigkeit. Schon 1874<br />

brachte der nicht nur in der Schweinsberger<br />

Geschichte, sondern auch in den Dörfern des<br />

alten Gerichts Reizberg, in denen die Schenken<br />

Inhaber der Patronatsrechte waren, bestens<br />

bewanderte Schweinsberger Pfarrer Carl Sippell<br />

einen sprachlich leicht geglätteten Abdruck der<br />

Judeneidformel in einer Johann Georg Estor zum<br />

100. Todestag gewidmeten Gedenkschrift. Estor,<br />

der juristisch ebenso wie rechtshistorisch und<br />

kulturgeschichtlich gebildete Gelehrte und<br />

Kanzler der Universität in Marburg, war 1699 in<br />

Schweinsberg geboren; doch schon zwischen<br />

1573 und 1644 waren Angehörige der Familie<br />

Hester/Esther als Schenkische Bauschreiber in<br />

Schweinsberg ansässig. Hierin muss dann auch<br />

das Motiv Sippells gesehen werden, die<br />

Judeneidformel in die Estorsche Gedenkschrift<br />

aufzunehmen – in der Absicht, die Beziehungen<br />

von Estors Vorfahren zur Rechtspflege in<br />

Schweinsberg anzudeuten und aufzuzeigen, „mit<br />

welchem Ernst und in welchem Geist diese<br />

Rechtspflege damals gehandhabt wurde“. Sippell<br />

Schweinsberg. Radierung von Otto Ubbelohde, 1921<br />

29<br />

hat damit die Formeln des Judeneids durchaus<br />

positiv gewertet, was erkennen lässt, dass er<br />

einen gewissen Überblick über die spätmittelalterliche<br />

Entwicklung der Eidesformeln und die<br />

humanistischen und römischrechtlichen Einflüsse<br />

in der frühen Neuzeit besessen haben<br />

muss.<br />

Doch schauen wir uns die Eidesformeln<br />

genauer an. Als Einleitung steht die von einem<br />

Christen gesprochene Aufforderung, das<br />

Gesetzbuch, auf das der Eid geschworen werden<br />

soll, als wahre, d.h. dem jüdischen Glauben<br />

gemäße Schrift anzuerkennen: Jud, ich beschwer<br />

dich bei dem einigen, allmächtigen Gott, daß du<br />

wahrhaftig sagest vnd bezeugest, daß dieß das<br />

Gesetzbuch, darauf ein Jud einen Eid bei<br />

höchster Wahrheit schweren könne, sei. Das<br />

Auflegen der Hand hatte zunächst nach<br />

jüdischem Recht auf die Thora zu erfolgen und<br />

hätte daher in der Synagoge geschehen müssen.<br />

Da wir keine Hinweise darauf finden, dass außer<br />

der Schrift ein weiterer Gegenstand, etwa das<br />

große Tallith, also der nach jüdischem Brauch<br />

zum Gebet angelegte Mantel, berührt werden<br />

musste, worin die dem Eid zugewiesene<br />

besondere Form der Gottesverehrung zum

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