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KDA-Themenheft_BBB-2015_150519_ok_Web

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HINTERGRUND<br />

krank wurden, mussten die anderen ihre<br />

Arbeit mit übernehmen. Das hielten die auch<br />

nicht lange aus und wurden ebenfalls krank<br />

und so weiter– bis gar nichts mehr ging.<br />

Wissen Unternehmen denn nicht, dass sie<br />

ihre Mitarbeitenden überfordern?<br />

GERLMAIER: Schlimmer noch: Sie tun das zum<br />

Teil systematisch. Ein Betriebsarzt hat berichtet,<br />

er melde jedes Jahr den Kranken stand,<br />

damit das in der Personalplanung berücksichtigt<br />

werden könne. Die Vorgabe der Unterneh mensleitung<br />

sei aber, dass die Quote keinesfalls<br />

über drei Prozent liegen dürfe. Tat sächlich liegt<br />

sie aber bei über acht Pro zent. Die Fak ten<br />

werden also systematisch ignoriert. Wenn eine<br />

Person acht Stunden unter Zeit druck arbeitet,<br />

führt das zu einer Bean spru chung, als hätte<br />

sie doppelt so lange normal gearbeitet.<br />

Man sieht daran, wie absurd viele Maßnah men<br />

zum betrieblichen Gesundheitsmanagement<br />

sind. Das eigentliche Problem ist die permanente<br />

Überlastung. Das gilt unabhängig von<br />

der Branche.<br />

Offenbar betrifft das nicht nur börsennotierte<br />

Unternehmen?<br />

GERLMAIER: Leider ja. Wir beobachten, dass<br />

auch andere Unternehmen und Institutionen<br />

immer stärker Steuerungsinstrumente kapitalmarktgetriebener<br />

Unternehmen kopieren.<br />

Überraschenderweise sogar in der Kirche. Das<br />

heißt, die unternehmerischen Strategien sind<br />

einer gesundheitsorientierten Personalpolitik<br />

zum Teil völlig entgegengesetzt.<br />

Viele Unternehmen machen aber den<br />

Beschäftigten doch Angebote zur Gesundheitsförderung?<br />

GERLMAIER: Sie informieren die Beschäftigten<br />

über Blutdruck, Cholesterinspiegel,<br />

Ernäh rung, Entspannung und das Neueste:<br />

Selbst-Achtsamkeit! Leider kann man nicht<br />

alle Pro bleme der Welt einfach wegatmen!<br />

Über raschend viele Beschäftigte in unserer<br />

Unter suchung wussten, wie man gesund lebt.<br />

Sie fühlen sich zu Recht nicht ernst genommen<br />

bei solchen Schulungsangeboten.<br />

Wenn sie dann aber nicht hingehen, heißt es:<br />

Wer krank wird, ist selbst schuld.<br />

Typische Belastungsfaktoren sind neben zu<br />

wenig Personal oftmals Probleme mit der IT,<br />

Arbeitsunterbrechungen oder schlechte<br />

Arbeitsorganisation. Es geht also um Fragen<br />

der Arbeitsgestaltung, nicht um verhaltenspräventive<br />

Maßnahmen. Viele Unternehmen<br />

haben an erstem aber wenig Interesse.<br />

Stattdes sen stellen sie den Leuten gesunde<br />

Äpfel hin …<br />

Was ist mit den zahlreichen Konzepten zur<br />

Gesundheitsförderung?<br />

GERLMAIER: Das Problem ist, dass sie oft<br />

keine empirische Grundlage haben. Außerdem<br />

werden meist nur solche Untersuchungen veröffentlicht,<br />

die ein positives Ergebnis zeigen.<br />

Wir haben Vorher-Nachher-Befragungen gemacht.<br />

Sie zeigen, dass die üblichen betrieblichen<br />

Maßnahmen zu gesunder Ernährung,<br />

Entspannungsübungen und dergleichen keinerlei<br />

dauerhaften Effekt haben. Den Menschen<br />

geht es nachher nicht besser als vorher.<br />

So etwas wird aber normalerweise nicht<br />

veröffentlicht. Verhaltensbezogene Maßnah men<br />

wirken in dem Moment, wo man sie macht.<br />

Die Effekte verflüchtigen sich aber nach<br />

sechs Monaten, wenn sich die Arbeitsbedingungen<br />

nicht ändern.<br />

32 THEMENHEFT: DER ARBEIT EIN GESUNDES MASS GEBEN<br />

JESUS SIRACH 14, 16: SCHENKE UND LASS DICH BESCHENKEN, UND GÖNNE DIR, WAS DIR ZUSTEHT. +++

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