05.12.2012 Aufrufe

Download - Die Genossenschafft

Download - Die Genossenschafft

Download - Die Genossenschafft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

12 PROZUKUNFT 1.2006<br />

Wir sind dabei gewesen!<br />

Oder: Über die Tücken der Live-Konzerte<br />

Das ist die Nachricht des Monats:<br />

Beim „Tokio Hotel“-Konzert in der<br />

Thüringen halle mussten sich die Sanis um<br />

unglaub liche 228 Fans kümmern, die im<br />

Gedränge einfach umgekippt waren. Für<br />

uns ein Grund, um zu fragen:<br />

Ist das eigentlich noch gesund? Oder<br />

besser: Wie überlebe ich die nächste<br />

Boygroup-Tournee?<br />

Live-Konzerte haben ihre ganz eigene<br />

Atmosphäre. Fragst du einen Musiker,<br />

ob er lieber eine neue Platte im Studio<br />

machen oder in irgendeiner Provinzstadt<br />

auf der Bühne herumspringen will, dann<br />

wählt er mit großer Wahrscheinlichkeit<br />

die zweite Variante. Ist ja auch toll, sich<br />

von einer wogenden Menge anhimmeln<br />

zu lassen. Und für die Leute unten steht<br />

die Alternative, auf dem heimischen Sofa<br />

die neuesten CDs durchzuhören, ja nicht<br />

wirklich zur Debatte.<br />

Also Konzert. Leider gibt’s das nicht jede<br />

Woche, deshalb beginnt das Problem<br />

schon beim Kartenkauf. Horrende Preise<br />

nehmen keine Rücksicht auf klamme<br />

Kassen – und wer Pech hat, muss etliche<br />

Stunden warten, bevor er seine 50 Euro<br />

löhnen darf. Und wenn das erledigt ist,<br />

heißt es wieder: warten. Oft monatelang.<br />

Während das bezahlte Geld auf dem<br />

Konto der Konzertveranstalter Zinsen<br />

abwirft.<br />

Und dann heißt es: Der Tag ist da. Schon<br />

die Vorstellung, es könnte so weit sein,<br />

macht nervös. Morgens steht man zitternd<br />

auf – und den Rest gibt einem die<br />

Clique, die sich zehn Stunden vor dem<br />

Einlass schon trifft und so zippelig ist,<br />

dass sie lieber gleich vor der Konzerthalle<br />

campiert, statt einen beruhigenden<br />

Waldspaziergang zu machen. Naja, das<br />

wäre ja auch öde. So hat man wenigstens<br />

die Chance, ein paar Hilfstechniker<br />

zu treffen, die die Stars schon einmal<br />

von weitem grüßen durften. Oder man<br />

hat wahnsinniges Glück und kann seine<br />

Idole auf dem Weg zur Arbeit beobachten.<br />

Manchmal ist der Anblick mit<br />

zerfranster Jeans und Schlabber-T-Shirt<br />

allerdings wenig anheimelnd. Aber egal.<br />

Irgendwann tut sich was. Einlass. <strong>Die</strong><br />

Halle ist gähnend leer, aber die Hardcore-Fans<br />

stürmen hinein und besetzen<br />

die besten Plätze. Ganz vorn natürlich,<br />

direkt bei der Security. <strong>Die</strong> stöhnt schon<br />

mal prophylaktisch über die frühe<br />

Ekstase des Publikums und murmelt:<br />

„Das kann ja heiter werden!“ Wird es ja<br />

auch, das ist so sicher wie das Amen in<br />

der Kirche.<br />

Im Grunde heißt es jetzt wieder: warten.<br />

Zum vierten Mal schon. Aber was tut<br />

man nicht alles für sein Idol. Ja, man<br />

macht sogar die Geschäftemacher<br />

reicher, die es umschwärmen wie Motten<br />

das Licht – und kauft ein megacooles<br />

Original-T-Shirt und eine völlig überteuerte<br />

Cola. Ist ja schließlich DAS Konzert<br />

des Jahres. Da darf man nicht knausern.<br />

Zwischendurch spielt dann noch die<br />

Vorband. <strong>Die</strong> mühen sich redlich und<br />

werden höflich beklatscht. Es ist wie<br />

beim Pianisten in der Kneipe: Wirklich<br />

vermissen würde das alles keiner.<br />

Schließlich kommt der Hauptgig ja noch,<br />

sei es nun das Essen oder die Boygroup.<br />

Ja, und dann kommt sie – und alles<br />

wird anders. <strong>Die</strong> Halle kocht, Plüschtiere<br />

fliegen, Mädchen kreischen. Und<br />

fallen reihenweise um. Weil sie die Cola<br />

nicht vertragen haben. Weil ihr Idol das<br />

T-Shirt ausgezogen hat. Weil drei Meter<br />

vor der Bühne die Luft zum Schneiden<br />

ist. Oder weil man einfach viel zu lange<br />

auf diesen Augenblick gewartet hat. <strong>Die</strong><br />

Security jedenfalls schimpft. Muskulöse<br />

Männer ziehen die schwächelnden Fans<br />

aus der wogenden Masse und schaffen<br />

sie zu den Sanis, die hinter der Bühne<br />

ein ganzes Lazarett eingerichtet haben.<br />

Und die Frage stellen: „Hast du denn<br />

genug getrunken?“ Und da fällt einem<br />

dann ein, dass man doch auf die überteuerte<br />

Cola verzichtet hat. Schwächeanfall<br />

durch Austrocknung. Mist, den Rest<br />

vom Konzert nicht mehr erlebt.<br />

Aber wir können sagen:<br />

Wir sind dabei gewesen. Und wie!

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!