Winfried Wolpert Der „kleine Unterschied“ - in der Kinderzeichnung
Winfried Wolpert Der „kleine Unterschied“ - in der Kinderzeichnung
Winfried Wolpert Der „kleine Unterschied“ - in der Kinderzeichnung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
1. Das Interesse an <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>zeichnung im Allgeme<strong>in</strong>en, ihre Verwertung und ihre<br />
Bedeutung für die Erwachsenenwelt<br />
1.1. Geschichtliche Entwicklung und Forschungs<strong>in</strong>teresse<br />
Zur Jahrhun<strong>der</strong>twende begann man sich mehr und mehr für die zeichnerischen Produktionen<br />
von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu <strong>in</strong>teressieren.* Die Ausgangspunkte waren je nach<br />
wissenschaftlicher Diszipl<strong>in</strong> und Persönlichkeit des Forschers recht verschieden.<br />
Doch e<strong>in</strong> Aspekt war und ist den Laien und Fachleuten bei <strong>der</strong> Beschäftigung mit <strong>der</strong><br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>zeichnung oft geme<strong>in</strong>sam: das Interesse an <strong>der</strong> Denkweise und Erlebniswelt<br />
des K<strong>in</strong>des. K<strong>in</strong>dliche Bildnerei wird allgeme<strong>in</strong> als e<strong>in</strong>e Ausdrucksform angesehen,<br />
die dem aufmerksamen und geschulten Betrachter Informationen liefert, u.a. über<br />
den Bezug des K<strong>in</strong>des zu se<strong>in</strong>er Umwelt. So hat die Zeichnung e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>en<br />
Stellenwert im Bereich <strong>der</strong> psychologischen Diagnostik erhalten. Hier wird die<br />
zeichnerische Produktion neben <strong>der</strong> Traumanalyse, dem Spiel, <strong>der</strong> freien Assoziation<br />
etc. <strong>in</strong>zwischen als <strong>in</strong>terpretierbare Sprache <strong>der</strong> Psyche weith<strong>in</strong> anerkannt, wobei<br />
auch hier das Unbewußte und damit zusammenhängende Symbolisierungen e<strong>in</strong>e gewichtige<br />
Rolle spielen. Zahlreiche psychologische Tests wurden zur Messung<br />
persönlicher Merkmalsausprägungen entwickelt, mit umfangreichen Kriterienkatalogen<br />
und Interpretationshilfen. Voraussetzung hierzu waren jahrzehntelange Forschungen<br />
zu den gewöhnlichen Zügen und Entwicklungsstadien k<strong>in</strong>dlicher Bildnerei.<br />
Erst auf Grundlage <strong>der</strong> Kenntnis allgeme<strong>in</strong>er Strukturen, Fertigkeiten, Phänomene<br />
läßt sich das Individuelle o<strong>der</strong> Gruppenspezifische beurteilen. Und diese Abweichungen<br />
vom Üblichen, vom Erwarteten s<strong>in</strong>d es, die sowohl den Laien als auch den<br />
Experten <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>em Maße <strong>in</strong>teressieren o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>e gewisse Aufmerksamkeit<br />
erwecken. Je nach Anschauungsweise neigt <strong>der</strong> Betrachter zu e<strong>in</strong>er Verknüpfung<br />
von zeichnerischen Auffälligkeiten mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen<br />
des K<strong>in</strong>des.<br />
* Schon 1885 stellte Jarnes SULLY charakteristische Merkmale ausgewählter K<strong>in</strong><strong>der</strong>zeichnungen<br />
heraus und verglich sie mit künstlerischen Produktionen von E<strong>in</strong>geborenen. Siegfried LEVIN-<br />
STEIN und Georg KERSCHENSTEINER bee<strong>in</strong>druckten gegen 1905 mit großen Tafelwerken und<br />
mit e<strong>in</strong>er Sammlung und Analyse von mehreren Hun<strong>der</strong>ttausend Zeichnungen. Bereits 1909 fanden<br />
psychologische Aspekte Berücksichtigung (STERN 1909), wobei E<strong>in</strong>zel- und Längsschnittuntersuchungen<br />
<strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund rückten.