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Lichterfelde / Lankwitz / Steglitz - KiezMagazin.

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Foto: Jörg Becker<br />

Stadtpark ohne Stadt<br />

Beinahe jeder <strong>Steglitz</strong>er hat irgendwie Kontakt mit<br />

dem Stadtpark in <strong>Steglitz</strong>, sei es als Benutzer der<br />

Spielplätze, der Minigolfbahn, der Jugendverkehrsschule,<br />

die es hier seit 1957 gibt, sei es als Zuhörer<br />

bei Musikveranstaltungen oder als Radfahrer bzw.<br />

Fußgänger beim Durchqueren der Anlage.<br />

Doch kaum einer kennt die Geschichte dieser<br />

Grünanlage, die im Berliner Südwesten nur hier<br />

den Namen Stadtpark führt, obwohl <strong>Steglitz</strong> nie<br />

Stadt war, es jedoch vor 1920 gern werden wollte.<br />

Man weiß nichts von einer Einweihung. Am 30. Juni<br />

1912 gab es allein die Eröffnung des Stadtpark-Restaurants.<br />

Der Landschaftsgarten wurde von 1906 bis 1914<br />

von den Gartenbauarchitekten Fritz Zahn und Rudolf<br />

Korte geschaffen, die Gestaltung des Rosengartens<br />

kam 1917 durch Georg Kuphaldt hinzu. Die ca.<br />

14 Hektar große Anlage entstand aus alten <strong>Steglitz</strong>er<br />

Gutsgärten und Privatgrundstücken der Familien<br />

Veit, Jordan, Altmann und Schultze. Ursprünglich<br />

war es ein Teil eines sumpfigen Auenwaldes, Birkbusch<br />

genannt. Schon bald nach 1800 ist auf einer<br />

Karte von <strong>Steglitz</strong> und seinem Rittergut nördlich<br />

des Birkbusches eine Schäferei verzeichnet, an der<br />

Stelle, wo sich seit 1880 die Wirtschaftsgebäude der<br />

Familie Schultze („Graupenschulze“) befanden, die<br />

heute vom Grünflächenamt genutzt werden.<br />

Nach dem Tod des <strong>Steglitz</strong>er Gutsbesitzers und<br />

Staatskanzlers Carl Friedrich von Beyme (1765 -<br />

1838) hatte seine Tochter 1841 das Rittergut an den<br />

KIEZ.Geschichte<br />

Domänenfiskus verkauft, der es parzellierte und als<br />

Bauland veräußerte. Ein Teil davon, das „Vorwerk<br />

Schäferei Birkbusch“, ging 1870 mit 75 Hektar an<br />

den Lederfabrikanten Perkuhn, der das Land teilte<br />

und weiterverkaufte. Neue Besitzer wurden der<br />

Bankier Altmann, der den nordöstlichen Teil zur<br />

Sedanstraße hin erwarb, und der Geheime Legationsrat<br />

Jordan westlich davon, der seinen Anteil mit<br />

der Villa 1892 an den Kommerzienrat Eduard Veit<br />

verkaufte, und der Kaufmann Louis Schultze. Dieser<br />

war ein Berliner Gewürzhändler in der Dresdener<br />

Straße und ließ sich 1880 ein hübsches Herrenhaus<br />

bauen, das seine Witwe 1905 mit dem Grundstück<br />

an die Gemeinde <strong>Steglitz</strong> veräußerte. Dies war neben<br />

dem Kauf des Altmann-Besitzes die Grundlage<br />

zur Entstehung des Parkes.<br />

Im ersten Verwaltungsbericht der Landgemeinde<br />

<strong>Steglitz</strong> vom 1. Januar 1875 bis 31. Dezember<br />

1909 heißt es: „Mit dem Jahre 1906 begann <strong>Steglitz</strong><br />

dem Beispiel der übrigen Vororte zu folgen und<br />

in der Vermehrung und Erweiterung der gärtnerischen<br />

Anlagen mit seiner baulichen Entwicklung<br />

Schritt zu halten. Der Ankauf des Geländes an der<br />

Sedan- und Beymestraße zu einem Park, die durch<br />

Aufschließung größerer Baugelände durch die Terraingesellschaften<br />

sich ergebenen Plätze ließen für<br />

die nächsten Jahre eine größere Anzahl von Entwürfen<br />

und Neuanlagen erwarten. Mit der Ausarbeitung<br />

derselben und der Oberleitung der Ausführung<br />

wurde der Königliche Garteninspektor Zahn beauftragt.<br />

Derselbe begann seine Tätigkeit am 1. Januar<br />

1906. Schon im Laufe diese Monats wurde die Aus-<br />

führung von drei kleineren Anlagen beschlossen<br />

und im Frühjahr in Angriff genommen.“<br />

Weiter wird ausgeführt: „Auf mehrere Jahre erstreckte<br />

sich die noch heute nicht völlig abgeschlossene<br />

Arbeit in dem Park auf dem Altmannschen<br />

Gelände, dem Stadtpark. Der Ankauf des Geländes<br />

war erfolgt, um hier eine zur Erholung der Bevölkerung<br />

bestimmte Anlage zu schaffen, um den Bewohnern<br />

der Miethäuser einen Ersatz zu geben für<br />

den fehlenden Garten, um der großen Kinderschar<br />

Gelegenheit für Aufenthalt und Spiel im Freien zu<br />

bieten. Ein Volkspark im wahrsten Sinne des Wortes<br />

sollte es werden im Gegensatz zu einer Parkanlage,<br />

die nur der Zierde dient, die nur das Gehen auf den<br />

Wegen, das Sitzen auf den Bänken erlaubt, die durch<br />

ihren reichen Blumenschmuck und sammetartigen<br />

Rasen der Salon der Stadt, ein Prunkstück, ist, nur<br />

zum Ansehen bestimmt, nicht zum Benutzen. Und<br />

gerade hier ist das Hauptgewicht gelegt. Spielplätze<br />

mit Sand für die Kleinen wurden an drei Stellen angelegt,<br />

ferner der Rasen zum Spiel und zum Lagern<br />

frei gegeben, und in den Gruppen wie unter den Birken<br />

zahlreiche Bänke aufgestellt.“<br />

Den Stadtpark teilt die Hauptallee, die ehemalige<br />

Brückenstraße, in eine nördliche und eine südliche<br />

Hälfte. Die ursprünglichen Rüstern sind auf<br />

dieser Mittelachse 1927 nach einer Pilzübertragung<br />

des Ulmensplintkäfers durch Weiden- bzw. Silberahorn<br />

ersetzt worden. Das sumpfige Gelände war<br />

ursprünglich mit Erlen und Weiden bewachsen.<br />

Die Hauptallee führt auf einen Springbrunnen zu,<br />

der 1957 durch den <strong>Steglitz</strong>er Bürgermeister Dr.<br />

Fritz-David von Hansemann in Betrieb gesetzt wurde.<br />

Unweit davon steht seit dem 18. Mai 1990 der<br />

neue Musikpavillon, in dem regelmäßig „Musik im<br />

Freien“ stattfindet. Der Vorgängerbau von 1958 genügte<br />

nicht mehr den Ansprüchen. Bis zum Zweiten<br />

Weltkrieg befand sich hier in der heute noch existierenden<br />

Vertiefung eine 150 m 2 große Planschwiese,<br />

in der sich die <strong>Steglitz</strong>er Kinder im Sommer erfrischen<br />

und belustigen konnten.<br />

Nur durch einen Parkweg getrennt hat der Gartenbauarchitekt<br />

Georg Kuphalt 1917 den Rosengarten<br />

gestaltet. Die Figur „Das erwachende Mädchen“<br />

oder „Kniende“ ist ein Werk des Bildhauers Josef<br />

Limburg; es wurde 1959 aufgestellt. Bis zum Zweiten<br />

Weltkrieg stand einige Meter dahinter vor dem<br />

KIEZ.Geschichte<br />

Wasserbecken „Der Vogelsteller“ von Hermann<br />

Möller. Eine Bacchusfigur von 1880 des Künstlers<br />

Richard Ohmann, 1956 aufgestellt, befindet sich<br />

ein wenig versteckt in der Nähe des kleinen Teiches.<br />

Vom Rosengarten aus in Richtung Hermesweg sucht<br />

man vergeblich nach dem alten Stadtpark-Restaurant.<br />

Dieses Gebäude wurde 1880 von der Familie<br />

Schultze erbaut, nach dem Verkauf dann 1912 als Restaurant<br />

eingeweiht, im Krieg zerstört und ein Stück<br />

südlich davon 1950 durch einen Neubau ersetzt. Das<br />

ehemalige Etablissement bot mehr als 1.000 Gästen<br />

Platz, allein in den Innenräumen konnten 300 Personen<br />

bewirtet werden. Im Gartenteil zum Wasser<br />

hin spielten sowohl donnerstags wie auch sonntags<br />

Militärkapellen auf, am Sonnabend gab es gelegentlich<br />

ein Feuerwerk.<br />

1950 entstand in der äußersten südwestlichen<br />

Ecke zur Erinnerung an den <strong>Steglitz</strong>er Gartenbaudirektor<br />

die „Walter-Schmidt-Anlage“, die mit der<br />

Steinplastik „Begegnung“, 1959 von Hilde Leest<br />

geschaffen, für ältere Mitbürger gedacht war. 1939<br />

wurde der Stadtpark um die Goebenwiese jenseits<br />

der Sedanstraße erweitert. Hier steht ein Findling<br />

mit der Inschrift: „Wandervogel – Ursprung der Jugendbewegung<br />

– <strong>Steglitz</strong> um 1900“ und erinnert an<br />

seine Gründung 1901 im <strong>Steglitz</strong>er Ratskeller durch<br />

Karl Fischer.<br />

Der <strong>Steglitz</strong>er Stadtpark hat auch nach bald 100<br />

Jahren nichts von seiner Attraktivität verloren, das<br />

Rondell um den Springbrunnen mit den vielen Bänken<br />

wird sehr gut angenommen, Familien schätzen<br />

es, dass die Wiesenflächen von Anfang an als Liegewiesen<br />

genutzt werden dürfen, Spaziergänger erfreuen<br />

sich an der Verbindung in Richtung Teltowkanal<br />

und Bäkepark.<br />

Wolfgang Holtz<br />

Zum 100. Gründungsjubiläum des Stadtparks<br />

am 30. Juni 2012 soll zu diesem Thema von<br />

Wolfgang Holtz und Christian Simon ein Buch<br />

erscheinen.<br />

Abb. Seite 49 von links erste Reihe: Villa Veit, Stadtpark<br />

<strong>Steglitz</strong>, zweite Reihe von oben: Ölgemälde „Stadtpark<br />

<strong>Steglitz</strong>“ Privatbesitz Wolfgang Holtz, Vogelsteller im Rosengarten,<br />

zweite Reihe von unten: Stadtparkrestaurant<br />

und Kinderspielplatz, unterste Reihe: Am Rehgarten und<br />

Partie am Stadtpark, Abb. Seite 50: Planschwiese<br />

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