Prüfingenieur 37 - Bundesvereinigung der Prüfingenieure für ...
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STAHLBETONBAU<br />
Über die Wiege<br />
des Eisenbetonbaus<br />
in Deutschland<br />
Der Weg des Eisenbetons<br />
von Frankreich nach<br />
Deutschland führte über die Pfalz*<br />
Über 100 Millionen Kubikmeter Stahlbeton werden<br />
im Jahr in Deutschland verbaut. Stahlbeton<br />
ist damit <strong>der</strong> wichtigste Baustoff, <strong>der</strong> in Deutschland<br />
genutzt wird. In Deutschland begann <strong>der</strong> Siegeszug<br />
des „Eisenbetons“ vor etwa 125 Jahren,<br />
1884, als Conrad Freytag in Trier eine französische<br />
Erfindung sah: Betonbauteile, die mit einer<br />
eingelegten Verstärkung aus Eisenstäben und<br />
Drahtgewebe hergestellt worden waren. Es handelte<br />
sich um die Erfindung des Herrn Monier aus<br />
Paris. Freytag hatte wohl intuitiv eine Vorstellung<br />
von den Möglichkeiten, die in dieser neuen Bauweise<br />
steckten. Was danach passierte, erzählt <strong>der</strong><br />
folgende Beitrag.<br />
Prof. em. Dr.-Ing. Wieland Ramm<br />
studierte von 1957 bis 1964 das<br />
Bauingenieurwesen an <strong>der</strong> TH<br />
Darmstadt, war von 1964 bis<br />
1968 wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
von Prof. Dr.-Ing. E.h.<br />
Kurt Klöppel am dortigen Institut<br />
<strong>für</strong> Statik und Stahlbau, promovierte<br />
1969 zum Dr.-Ing. und<br />
war von 1971 bis 1980 leiten<strong>der</strong><br />
Angestellter in einem Ingenieurbüro<br />
und bei <strong>der</strong> Fa. Hochtief AG; von 1980 bis<br />
2002 war er Professor <strong>für</strong> Massivbau und Baukonstruktion<br />
an <strong>der</strong> Universität Kaiserslautern, von<br />
1985 bis 1996 Mitglied im Beirat und ab 1992 des<br />
Vorstandes <strong>der</strong> VDI-Gesellschaft Bautechnik; er ist<br />
Träger <strong>der</strong> Emil-Mörsch-Denkmünze des Deutschen<br />
Beton- und Bautechnikvereins<br />
17<br />
Der <strong>Prüfingenieur</strong> Oktober 2010<br />
1 Die Vorgeschichte<br />
Vor nur rund 125 Jahren fiel 1884 sozusagen<br />
<strong>der</strong> Startschuss <strong>für</strong> die Eisenbetonbauweise in<br />
Deutschland. Zu dieser Zeit hatte sich die Welt durch<br />
die fortgeschnittene industrielle Revolution bereits<br />
wesentlich verän<strong>der</strong>t. Eine bedeutende Komponente<br />
war die mengen- und qualitätsmäßige Steigerung <strong>der</strong><br />
Eisengewinnung. Schon Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
war von Henry Cort in Großbritannien das Puddelverfahren<br />
zur Erzeugung von zähem, schmiedbarem<br />
und vor allem auch zugfestem Eisen erfunden worden.<br />
Der beschwerliche Puddelprozess ließ sich nur<br />
begrenzt industrialisieren, aber bis 1860 hatte Henry<br />
Bessemer das Konverterverfahren zum Erblasen von<br />
Flusseisen in größerer Quantität entwickelt. Dieses<br />
Verfahren war bereits allgemein im Einsatz [2].<br />
Seit Beginn des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts hatte sich Eisen<br />
mehr und mehr als neuer Baustoff etabliert. Eine<br />
weitere Komponente war das Aufkommen <strong>der</strong> Eisenbahn,<br />
das gegen Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts zu einer<br />
epochalen, heute kaum mehr nachzuempfindenden<br />
Verbesserung des Landverkehrs geführt hatte. Der erste<br />
Personenzug fuhr in Deutschland bekanntlich<br />
zwischen Nürnberg und Fürth im Jahre 1835. Rund<br />
50 Jahre später existierte nach stürmischem Aufbau<br />
bereits ein dichtes Streckennetz. Personen und Güter<br />
konnten in großer Anzahl bzw. Menge über weite<br />
Entfernungen mit zuvor nicht vorstellbarer Geschwindigkeit<br />
sicher transportiert werden.<br />
Der Konstruktive Ingenieurbau, dessen Entwicklung<br />
um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
begonnen hatte, konnte bereits großartige Leistungen<br />
im Brückenbau, aber auch im Hochbau vorweisen<br />
und hatte einen beachtlichen Stand auf wissenschaftlicher<br />
Basis erreicht, <strong>der</strong> eng mit den gleichzeitig<br />
zu verzeichnenden Fortschritten des Eisenbaus<br />
verknüpft war. Letztere hatte drei Impulse zur Voraussetzung.<br />
Der erste Impuls ging vom neuen Bau-<br />
* Überarbeiteter und ergänzter Nachdruck des Beitrags „Nicht<br />
nachlassen zwingt“ aus [1]