Prüfingenieur 37 - Bundesvereinigung der Prüfingenieure für ...
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Abb. 2: Stand <strong>der</strong> Dyckerhoff´schen Firmen auf <strong>der</strong> Gewerbe-Ausstellung<br />
des Königreichs <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande und <strong>der</strong><br />
nie<strong>der</strong>ländischen Kolonien im Jahre 1879 in Arnheim [5]<br />
Aber auch <strong>für</strong> einfache Bauteile wie Mauern,<br />
Wände und insbeson<strong>der</strong>e Fundamente wurde zunehmend<br />
Beton verwendet. So kam z. B. schon bei <strong>der</strong><br />
Pfeilergründung <strong>der</strong> Dirschauer Weichselbrücke Beton<br />
zum Einsatz, und zwar sogar als Unterwasserbeton.<br />
Der wachsende Bedarf an Zement, <strong>der</strong><br />
zunächst recht teuer aus Großbritannien eingeführt<br />
werden musste, führte zur Gründung von Zementfabriken<br />
auch auf dem Kontinent, so in Deutschland zuerst<br />
in Züllchow bei Stettin durch den Chemiker Hermann<br />
Bleibtreu im Jahre 1853. Zahlreiche weitere<br />
Werksgründungen folgten, hierunter 1864 die <strong>der</strong><br />
Portland-Cement-Fabrik Dyckerhoff und Söhne in<br />
Amöneburg und 1868 die <strong>der</strong> Zementwerke in Heidelberg.<br />
Die geringe Zugfestigkeit des unbewehrten Betons<br />
bedeutete eine starke Einschränkung <strong>für</strong> die Einsatzmöglichkeiten<br />
dieses neuen Baustoffs. Seine hohe<br />
Druckfestigkeit ließ aber immerhin den Bau von<br />
Bogenbrücken zu. Engagierte Ingenieure und Unter-<br />
Abb. 3: Aquädukt aus unbewehrtem Beton von 1885 über<br />
die Murg bei Langenbrand (Kreis Rastatt) mit einer<br />
Spannweite von 40 m [6]<br />
STAHLBETONBAU<br />
19<br />
Der <strong>Prüfingenieur</strong> Oktober 2010<br />
nehmer errichteten damals eine Vielzahl solcher<br />
Brücken aus unbewehrtem Beton, und zwar nicht nur<br />
kleinere Durchlässe mit halbkreisförmiger Einwölbung,<br />
son<strong>der</strong>n auch Brücken mit flachen Bögen und<br />
teilweise respektablen Spannweiten (Abb. 3).<br />
Bekanntlich blieb es nicht auf Dauer beim<br />
Stampfbeton, wie <strong>der</strong> unbewehrte Beton genannt<br />
wurde, weil er recht steif angemacht und durch<br />
Stampfen verdichtet wurde. Schon bald kamen findige<br />
Köpfe auf die Idee, Betonteile, die sich häufig als<br />
recht zerbrechlich erwiesen, durch das Einbetten von<br />
Draht o<strong>der</strong> Eisenstäben bezüglich ihrer Haltbarkeit<br />
und Tragfähigkeit zu verbessern. Zu nennen sind<br />
Francois Coignet, Joseph Louis Lambot und Josef<br />
Monier in Frankreich, <strong>der</strong> Brite William Boutland<br />
Wilkingson und Thaddeus Hyatt in <strong>der</strong> USA [7]. Von<br />
diesen wurde Monier, wie sich zeigen sollte, bedeutsam<br />
<strong>für</strong> die Entwicklung in Deutschland. Zwar blieb<br />
ihm, <strong>der</strong> von Haus aus Gärtner war, wohl zeitlebens<br />
die Einsicht in das Grundprinzip <strong>der</strong> Eisenbeton-Verbundbauweise<br />
verwehrt, aber er betrieb einen systematischen<br />
Patentschutz und ein ausgesprochenes<br />
Marketing. So erhielt Monier auch bereits 1881 vom<br />
Kaiserlichen Patentamt in Berlin ein Deutsches<br />
Reichspatent zugesprochen, dies zu einer Zeit, als in<br />
Deutschland noch niemand daran gedacht hatte, Betonbauteile<br />
mit einer Bewehrung zu versehen.<br />
2 Die Firma Freytag und<br />
Heidschuch in<br />
Neustadt a. d. Haardt<br />
Am 7. August 1846 wurde in Lachen bei Neustadt<br />
a. d. Haardt, dem heutigen Neustadt a. d. Weinstraße,<br />
Conrad Freytag geboren, <strong>der</strong> eine zentrale<br />
Rolle bei <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Eisenbetonbauweise in<br />
Deutschland spielen sollte. Er entstammte einer alten<br />
pfälzischen Bauernfamilie, war also von Haus aus<br />
kein Baumensch. Seine Herkunft hatte ihm aber<br />
Fleiß, Zähigkeit und die Zielstrebigkeit mitgegeben,<br />
nicht nur um die fehlenden, aber nötigen Kenntnisse<br />
zu erwerben, son<strong>der</strong>n diese auch in schöpferischer,<br />
unternehmerischer Tätigkeit umzusetzen. „Nicht<br />
nachlassen zwingt“ war sein Wahlspruch, und sein<br />
Lebensweg sollte eine permanente Bestätigung dieses<br />
Leitsatzes werden.<br />
C. Freytag übersiedelte nach Neustadt und errichtete<br />
dort 1871 in <strong>der</strong> Thalstraße ein Wohn- und<br />
Geschäftshaus, in dem später <strong>für</strong> lange Jahre die<br />
Hauptverwaltung <strong>der</strong> Wayss & Freytag AG ansässig<br />
sein sollte. Bevor es aber soweit kam, musste noch eine<br />
Reihe von Entwicklungsschritten vollzogen wer-