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Psychosoziale Beratung im Auftrag der DGM an den

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Konsensuspapier <strong>der</strong> bayerischen Muskelzentren<br />

„<strong>Psychosoziale</strong> <strong>Beratung</strong> <strong>im</strong> <strong>Auftrag</strong> <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für<br />

Muskelkr<strong>an</strong>ke e.V. <strong>an</strong> <strong>den</strong> bayerischen Neuromuskulären Zentren“<br />

(St<strong>an</strong>d 4/2002)<br />

Angelika Eiler, Sozialberatung <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> am Neuromuskulären Zentrum Würzburg,<br />

Sus<strong>an</strong>ne Werkmeister, Sozialberatung <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> am Neuromuskulären Zentrum Erl<strong>an</strong>gen,<br />

Albertine Deuter, Sozialberatung <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> am Neuromuskulären Zentrum München<br />

Erschienen: Nervenheilkunde 2002; 21: 320-5<br />

Inhalt<br />

1. Einleitung<br />

2. <strong>Auftrag</strong>, Ziele und Rahmenbedingungen<br />

2.1. Grundsätze<br />

2.2. Zielgruppe<br />

2.3. Ziele <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Beratung</strong><br />

2.4. Überweisungskontext<br />

2.5. Rahmenbedingungen<br />

3. Arbeitsformen <strong>der</strong> Pychosozialen <strong>Beratung</strong><br />

3.1. Prinzipien <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Beratung</strong><br />

3.2. <strong>Beratung</strong> und Begleitung<br />

3.3. Themen <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

3.4. Informations- und Begegnungsver<strong>an</strong>staltungen<br />

3.5. Initiierung und Begleitung von Selbsthilfegruppen<br />

3.6. Anleitung und Begleitung Ehrenamtlicher<br />

3.7. Öffentlichkeitsarbeit<br />

3.8. Fortbildungen für Fachkräfte <strong>an</strong><strong>der</strong>er Institutionen<br />

4. Grenzen <strong>der</strong> <strong>Psychosoziale</strong>n <strong>Beratung</strong>


Zusammenfassung:<br />

Seit 1996 wird die ambul<strong>an</strong>te medizinische Diagnostik und Beh<strong>an</strong>dlung <strong>an</strong> drei<br />

Neuromuskulären Zentren in Bayern durch das Angebot psychosozialer <strong>Beratung</strong> ergänzt, die<br />

Patienten mit neuromuskulären Erkr<strong>an</strong>kungen und ihre Angehörigen in Anspruch nehmen<br />

können. Träger <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong>sstellen ist die Deutsche Gesellschaft für Muskelkr<strong>an</strong>ke -<br />

L<strong>an</strong>desverb<strong>an</strong>d Bayern e.V..<br />

Sozialarbeiterinnen unterstützen die Ratsuchen<strong>den</strong> bei <strong>der</strong> Kr<strong>an</strong>kheitsverarbeitung, bei <strong>der</strong><br />

Vermittlung konkreter Hilfen zur Alltagsbewältigung und in sozialrechtlichen Fragen. Dabei<br />

ermöglicht die Konzeption eine kontinuierliche Begleitung vom Zeitpunkt <strong>der</strong><br />

Diagnosestellung <strong>an</strong> bis hin zur Trauerbegleitung Hinterbliebener.<br />

Patienten, die in ihrer Mobilität stark eingeschränkt sind, können zu Hause aufgesucht<br />

wer<strong>den</strong>.<br />

Das <strong>Beratung</strong>s<strong>an</strong>gebot wird ergänzt durch die Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen, die<br />

Org<strong>an</strong>isation von Ver<strong>an</strong>staltungen und Workshops zu unterschiedlichen Themen sowie die<br />

Begleitung ehrenamtlicher Mitarbeiter <strong>der</strong> <strong>DGM</strong>.<br />

Im vorliegen<strong>den</strong> Konsensuspapier wer<strong>den</strong> St<strong>an</strong>dards zur psychosozialen <strong>Beratung</strong> <strong>an</strong><br />

Bayerischen Neuromuskulären Zentren dokumentiert.<br />

Schlüsselwörter: Neuromuskuläre Erkr<strong>an</strong>kungen, psychosoziale <strong>Beratung</strong>, St<strong>an</strong>dards,<br />

Konsensuspapier<br />

Summary:<br />

Since 1996 three Bavari<strong>an</strong> Neuromuscular Centres are offering psychosocial counselling in<br />

addition to outpatient medical diagnostics <strong>an</strong>d treatment for patients with neuromuscular<br />

disor<strong>der</strong>s.<br />

The counselling centres are org<strong>an</strong>ized by the Deutsche Gesellschaft für Muskelkr<strong>an</strong>ke –<br />

L<strong>an</strong>desverb<strong>an</strong>d Bayern e.V.-.<br />

Social workers support clients in affairs of disease m<strong>an</strong>agement, they advise how to org<strong>an</strong>ize<br />

daily life <strong>an</strong>d help in affairs of social law.<br />

The conception allows a continual counselling from the first t<strong>im</strong>e patients are informed about<br />

their diagnosis up to the support of family members who have to h<strong>an</strong>dle with grief reactions.<br />

Patients with reduced mobility are offered visits at home.<br />

Additionally self-help-groups are supported, meetings <strong>an</strong>d workshops are org<strong>an</strong>ized to inform<br />

about special topics <strong>an</strong>d volunteers of the <strong>DGM</strong> are trained.<br />

The following consensus statement shows st<strong>an</strong>dards of psychosocial counselling on<br />

Neuromuscular Centres in Bavaria.<br />

Keywords: Neuromuscular disor<strong>der</strong>s, psychosocial counselling, st<strong>an</strong>dards, consensus<br />

statement<br />

2


Im Laufe <strong>der</strong> verg<strong>an</strong>genen Jahre wur<strong>den</strong> von Ver<strong>an</strong>twortlichen <strong>der</strong> neuromuskulären Zentren<br />

in Bayern Konsensuspapiere zu unterschiedlichen Fragestellungen erarbeitet, die darauf ausgerichtet<br />

sind, hinsichtlich des diagnostischen und therapeutischen Vorgehens St<strong>an</strong>dards zu<br />

setzen.<br />

Erstmals liegt nun eine Übersicht über „<strong>Psychosoziale</strong> <strong>Beratung</strong> <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft<br />

für Muskelkr<strong>an</strong>ke <strong>an</strong> neuromuskulären Zentren in Bayern“ (PSB) vor. Dabei h<strong>an</strong>delt es sich<br />

um ein grundlegendes Konsensuspapier. Längerfristig könnte es sinnvoll sein, dies um<br />

Arbeiten zu best<strong>im</strong>mten Themenschwerpunkten zu ergänzen (z.B. PSB <strong>im</strong> Zusammenh<strong>an</strong>g<br />

mit He<strong>im</strong>beatmung, PSB in Familien mit muskelkr<strong>an</strong>ken Kin<strong>der</strong>n, PSB in <strong>der</strong> Begleitung von<br />

Angehörigen).<br />

Dieses Konsensuspapier hat zum Ziel, psychosoziale <strong>Beratung</strong> <strong>an</strong> neuromuskulären Zentren<br />

nach außen tr<strong>an</strong>sparent zu machen, ihre Einbindung in die interdisziplinäre Arbeit zu för<strong>der</strong>n<br />

und stellt gleichzeitig eine wichtige Arbeitsgrundlage für die Sozialarbeiterinnen <strong>der</strong> <strong>DGM</strong><br />

dar.<br />

1. Einleitung<br />

Die Sozialberatungsstellen <strong>an</strong> <strong>den</strong> neuromuskulären Zentren in Erl<strong>an</strong>gen, München und<br />

Würzburg wur<strong>den</strong> <strong>im</strong> Dezember 1995 eingerichtet. Die fin<strong>an</strong>zielle För<strong>der</strong>ung durch das<br />

bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit<br />

sowie durch die bayerischen Bezirke ermöglichte es, ein direktes und unmittelbares<br />

Hilfe<strong>an</strong>gebot für alle Muskelkr<strong>an</strong>ken und ihre Angehörigen innerhalb und außerhalb <strong>der</strong><br />

Klinikbereiche zu etablieren.<br />

Die psychosoziale <strong>Beratung</strong> (PSB) <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für Muskelkr<strong>an</strong>ke (<strong>DGM</strong>) -<br />

LV Bayern - ist räumlich <strong>den</strong> neuromuskulären Zentren (NMZ) <strong>an</strong>geglie<strong>der</strong>t. Dadurch<br />

wer<strong>den</strong> für Ratsuchende kurze Wege geschaffen und psychosoziale <strong>Beratung</strong> k<strong>an</strong>n parallel<br />

zur medizinischen Diagnostik eingeleitet wer<strong>den</strong>. PSB findet <strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong> ambul<strong>an</strong>ten<br />

Vorstellung von Patienten <strong>an</strong> <strong>den</strong> neuromuskulären Zentren, <strong>im</strong> Rahmen von Ver<strong>an</strong>staltungen<br />

<strong>der</strong> <strong>DGM</strong>, aber auch wohnortnah, z.B. in <strong>der</strong> häuslichen Umgebung <strong>der</strong> Betroffenen statt.<br />

2. <strong>Auftrag</strong>, Ziele und Rahmenbedingungen<br />

2.1. Grundsätze<br />

Die psychosoziale <strong>Beratung</strong> <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für Muskelkr<strong>an</strong>ke e.V. <strong>an</strong><br />

neuromuskulären Zentren orientiert sich <strong>an</strong> <strong>den</strong> Grundsätzen <strong>der</strong> <strong>DGM</strong>. Ziel dieser<br />

Selbsthilfeorg<strong>an</strong>isation ist die För<strong>der</strong>ung einer aktiven Bewältigung von Kr<strong>an</strong>kheit und<br />

Behin<strong>der</strong>ung sowie die Unterstützung <strong>der</strong> Betroffenen bei einer selbstbest<strong>im</strong>mten<br />

Lebensführung.<br />

Die <strong>DGM</strong> för<strong>der</strong>t <strong>den</strong> Informations- und Erfahrungsaustausch unter Gleichbetroffenen,<br />

unterstützt die wechselseitige Hilfeleistung <strong>im</strong> Alltag sowie die Bereitschaft zum Engagement<br />

von Betroffenen für Betroffene, auch <strong>im</strong> Rahmen einer längerfristigen ehrenamtlichen<br />

Mitarbeit. Die <strong>DGM</strong> bietet Informationen zu sozialen und sozialrechtlichen Fragen, för<strong>der</strong>t<br />

die Ausein<strong>an</strong><strong>der</strong>setzung mit <strong>den</strong> Lebensbedingungen behin<strong>der</strong>ter Menschen und engagiert<br />

sich in sozial- und gesundheitspolitischen Bereichen.<br />

Die Wurzeln des <strong>Beratung</strong>s<strong>an</strong>gebotes <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> liegen in <strong>der</strong> Ehrenamtlichkeit. Steigende<br />

Mitglie<strong>der</strong>zahlen und die zunehmende Komplexität <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong>sinhalte zeigten jedoch die<br />

Notwendigkeit von professioneller Unterstützung auf. Das Leben mit einer chronisch<br />

fortschreiten<strong>den</strong> Kr<strong>an</strong>kheit bzw. Behin<strong>der</strong>ung erfor<strong>der</strong>t Kontinuität bzgl. <strong>Beratung</strong> und<br />

Begleitung und Verlässlichkeit hinsichtlich <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong>squalität.<br />

3


Seit 1983 ergänzt das Angebot von psychosozialer <strong>Beratung</strong> durch Fachkräfte das Engagement<br />

<strong>der</strong> ehrenamtlich tätigen Kontaktpersonen. Eine ausschließlich hauptamtliche <strong>Beratung</strong><br />

aller Mitglie<strong>der</strong> ist innerhalb einer Selbsthilfeorg<strong>an</strong>isation jedoch we<strong>der</strong> wünschenswert noch<br />

fin<strong>an</strong>zierbar. Vor diesem Hintergrund wird auch die Arbeit <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Beratung</strong> vom<br />

Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ geleitet. Das heißt unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em, dass best<strong>im</strong>mte Aufgaben<br />

von Ehrenamtlichen unter Anleitung von Hauptamtlichen übernommen wer<strong>den</strong>.<br />

2.2. Zielgruppe<br />

Die psychosoziale <strong>Beratung</strong> <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> in Bayern steht Menschen mit neuromuskulären<br />

Erkr<strong>an</strong>kungen und <strong>der</strong>en Angehörigen zur Verfügung, soweit sie <strong>im</strong> Einzugsgebiet <strong>der</strong><br />

neuromuskulären Zentren leben o<strong>der</strong> <strong>an</strong> diesen medizinisch betreut wer<strong>den</strong>. Sie ist<br />

unabhängig vom Alter <strong>der</strong> erkr<strong>an</strong>kten Person und von einer Mitgliedschaft in <strong>der</strong> Deutschen<br />

Gesellschaft für Muskelkr<strong>an</strong>ke.<br />

Darüber hinaus begleiten Sozialarbeiterinnen die in <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> ehrenamtlich Tätigen und<br />

stehen Ärzten, Therapeuten, Mitarbeitern <strong>an</strong><strong>der</strong>er Fachdienste sowie weiteren Interessierten<br />

als Ansprechpartnerinnen zur Verfügung.<br />

2.3. Ziele <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Beratung</strong><br />

Neuromuskuläre Erkr<strong>an</strong>kungen führen zu körperlicher Behin<strong>der</strong>ung und sind häufig mit <strong>der</strong><br />

Abhängigkeit von technischer o<strong>der</strong> personeller Hilfe verbun<strong>den</strong>. Auch innerhalb dieses<br />

Rahmens ist jedoch eine selbstbest<strong>im</strong>mte Lebensführung und die Integration in die soziale<br />

Gemeinschaft möglich. Die Grundlagen selbstbest<strong>im</strong>mter Lebensführung auf Seiten <strong>der</strong><br />

Betroffenen und ihrer Angehörigen sind<br />

• eine weitgehende emotionale Stabilität<br />

• die Übernahme von Ver<strong>an</strong>twortung für die eigenen Bel<strong>an</strong>ge<br />

• die realistische Einschätzung <strong>der</strong> eigenen Perspektiven und Möglichkeiten<br />

• die Fähigkeit, das Zusammenleben mit Angehörigen, Freun<strong>den</strong> und professionellen<br />

Helfern zu regeln<br />

• die Fähigkeit, Ressourcen zu entdecken und zu nutzen<br />

• die Fähigkeit und Bereitschaft, in krisenhaften Situationen Unterstützung zu suchen und in<br />

Anspruch zu nehmen.<br />

Ziel <strong>der</strong> psychosozialen <strong>Beratung</strong> ist es, Ratsuchende auf dem Weg (zu) einer<br />

selbstbest<strong>im</strong>mten Lebensführung zu begleiten. Hierfür bedient sie sich unterschiedlicher<br />

Instrumente, z.B. <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong> und Begleitung, <strong>der</strong> Begleitung von Selbsthilfegruppen, <strong>der</strong><br />

Org<strong>an</strong>isation und Durchführung von Informations- und Begegnungsver<strong>an</strong>staltungen, <strong>der</strong><br />

Anleitung und Begleitung von ehrenamtlichen Mitarbeitern usw. (siehe 3.).<br />

2.4. Überweisungskontext<br />

Neuromuskuläre Erkr<strong>an</strong>kungen beeinträchtigen Patienten zunächst körperlich. Darüber hinaus<br />

sind l<strong>an</strong>gfristig nahezu alle Lebensbereiche <strong>der</strong> Erkr<strong>an</strong>kten und ihrer Angehörigen vom<br />

Kr<strong>an</strong>kheitsgeschehen betroffen. Deshalb muss psychosoziale <strong>Beratung</strong> und Begleitung neben<br />

medizinischer Diagnostik und Therapie zum St<strong>an</strong>dard eines neuromuskulären Zentrums<br />

gehören.<br />

4


Die psychosoziale <strong>Beratung</strong> <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> <strong>an</strong> neuromuskulären Zentren steht grundsätzlich allen<br />

Patienten mit neuromuskulären Erkr<strong>an</strong>kungen und ihren Angehörigen <strong>im</strong> Einzugsgebiet des<br />

jeweiligen NMZ zur Verfügung.<br />

Der Kontakt zwischen Ratsuchen<strong>den</strong> und <strong>Psychosoziale</strong>r <strong>Beratung</strong> kommt z.B.<br />

• durch Vermittlung von Ärzten und <strong>an</strong><strong>der</strong>en Berufsgruppen am neuromuskulären Zentrum<br />

• durch Vermittlung von nie<strong>der</strong>gelassenen Ärzten (Hausärzte, Neurologen) und Therapeuten<br />

(z.B. Ergotherapeuten, Physiotherapeuten)<br />

• über <strong>den</strong> Kontakt mit <strong>der</strong> Geschäftsstelle <strong>der</strong> <strong>DGM</strong><br />

• durch die Vermittlung von ehrenamtlichen Mitarbeitern <strong>der</strong> <strong>DGM</strong><br />

• durch die Vermittlung von sozialen Diensten<br />

• über Medieninformationen und Beipackzettel von Medikamenten<br />

zust<strong>an</strong>de.<br />

Generell sollten alle neuromuskulär Erkr<strong>an</strong>kten (unabhängig von <strong>der</strong> Schwere des<br />

Kr<strong>an</strong>kheitsbildes und <strong>der</strong> jeweiligen klinischen Symptomatik) vom beh<strong>an</strong>deln<strong>den</strong> Arzt auf<br />

das Angebot aufmerksam gemacht wer<strong>den</strong>. Nach <strong>der</strong> erstmaligen Diagnosestellung einer<br />

neuromuskulären Erkr<strong>an</strong>kung ist das Angebot einer psychosozialen <strong>Beratung</strong> jedoch<br />

grundsätzlich notwendig.<br />

Unmittelbar nach <strong>der</strong> Diagnosestellung fällt es Patienten oft schwer, Kontakt zu einer<br />

unbek<strong>an</strong>nten <strong>Beratung</strong>sstelle aufzunehmen. Die Konfrontation mit dem Thema<br />

„Behin<strong>der</strong>ung“ (z.B. Be<strong>an</strong>tragung eines „Schwerbehin<strong>der</strong>tenausweises“) und <strong>der</strong> Hinweis auf<br />

eine Selbsthilfeorg<strong>an</strong>isation (einen Verein, <strong>der</strong> möglicherweise Mitglie<strong>der</strong> werben möchte)<br />

lösen nicht selten Abwehr aus. Deshalb ist die Art und Weise <strong>der</strong> Vorinformation durch <strong>den</strong><br />

Arzt über die PSB von großer Bedeutung. Hier soll es vor allem darum gehen,<br />

Schwellenängste zu nehmen und ein erstes Kennenlernen zu ermöglichen.<br />

Ein Erstgespräch <strong>der</strong> PSB beinhaltet<br />

• das Erheben einer psychosozialen Anamnese<br />

• die Vorstellung des <strong>Beratung</strong>s<strong>an</strong>gebotes - bei Bedarf erste <strong>Beratung</strong> zu ausgewählten<br />

Fragestellungen sowie<br />

• die Vorstellung <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> als Selbsthilfeorg<strong>an</strong>isation und ihrer Angebote bzw. das<br />

Angebot einer Kontaktvermittlung zu Gleichbetroffenen.<br />

Zur Vermittlung des Kontaktes wird folgendes Vorgehen für sinnvoll erachtet:<br />

1. Der Arzt teilt dem Patienten mit, dass er eine Vorstellung bei <strong>der</strong> PSB für sinnvoll hält<br />

und empfiehlt ihm, Kontakt aufzunehmen.<br />

2. Der Arzt informiert die Sozialarbeiterin nach Rücksprache mit dem Patienten.<br />

Wie<strong>der</strong>holungskontakte kommen auf Wunsch <strong>der</strong> Ratsuchen<strong>den</strong> zust<strong>an</strong>de (Anfrage in<br />

Problemsituationen) o<strong>der</strong> sind durch Initiative <strong>der</strong> PSB möglich (siehe „Begleitung“).<br />

Grundsätzlich ist psychosoziale <strong>Beratung</strong> als lebensbegleitende <strong>Beratung</strong> konzipiert. Sie k<strong>an</strong>n<br />

vom Erstkontakt mit Patienten und/o<strong>der</strong> Angehörigen bis hin zur Trauerbegleitung<br />

Hinterbliebener reichen.<br />

Beson<strong>der</strong>e Bedeutung kommt <strong>der</strong> Mitteilung <strong>der</strong> Diagnose <strong>an</strong> <strong>den</strong> Patienten zu.<br />

Nach Möglichkeit sollte <strong>im</strong> Verlauf des Aufklärungsprozesses ein Gespräch stattfin<strong>den</strong>, das<br />

Arzt und Sozialarbeiterin gemeinsam mit dem Patienten und seinen Angehörigen führen.<br />

Inhalt des gemeinsamen Gespräches sollten<br />

5


- die Benennung <strong>der</strong> Diagnose<br />

- die Erklärung des Kr<strong>an</strong>kheitsgeschehens und seiner Auswirkungen<br />

- das Benennen von Unterstützungssystemen (medizinische, therapeutische Angebote,<br />

psychosoziale <strong>Beratung</strong>, Kontakte zu Gleichbetroffenen, Folgegespräche)<br />

sein. Ein telefonischer/persönlicher Wie<strong>der</strong>holungskontakt des Patienten / Angehörigen mit<br />

<strong>der</strong> Sozialarbeiterin sollte individuell vereinbart wer<strong>den</strong>.<br />

Vorteile eines gemeinsamen Gesprächs von Arzt und Sozialarbeiterin mit Patienten/<br />

Angehörigen:<br />

• Patienten und Angehörige erleben PSB als selbstverständliche Ergänzung <strong>der</strong><br />

medizinischen <strong>Beratung</strong>. Die Schwelle für Wie<strong>der</strong>holungskontakte wird deutlich<br />

gesenkt.<br />

• Die Sozialarbeiterin weiß darüber Bescheid, welche Informationen dem<br />

Patienten/Angehörigen mitgeteilt wur<strong>den</strong>. Sie k<strong>an</strong>n dazu beitragen, das Verständnis<br />

dieser Information zu sichern (gegebenenfalls Fragen stellvertretend für Patienten und<br />

Angehörige stellen) und <strong>den</strong> Patienten/Angehörigen bei <strong>der</strong> Informationsverarbeitung<br />

bzw. bei <strong>der</strong> Org<strong>an</strong>isation weiterer Hilfen unterstützen.<br />

• Die Kooperation zweier Berater unterschiedlicher Disziplinen schafft eine erweiterte<br />

Wahrnehmung für Fragen, Anliegen und Interaktionen von Patienten und<br />

Angehörigen.<br />

• Das gemeinsame Gespräch mit dem Patienten stellt eine wichtige Grundlage für einen<br />

Dialog zwischen Arzt und Sozialarbeiterin dar. Dieser ermöglicht die gemeinsame<br />

Reflexion, eine gegenseitige Entlastung und die Erarbeitung eines Hilfepl<strong>an</strong>s für die<br />

Ratsuchen<strong>den</strong>.<br />

2.5. Rahmenbedingungen<br />

Die wesentlichen Rahmenbedingungen für die psychosoziale <strong>Beratung</strong> <strong>an</strong> neuromuskulären<br />

Zentren in Bayern sind in <strong>den</strong> Stellenbeschreibungen für die Sozialberatung, in Verträgen<br />

zwischen <strong>den</strong> neuromuskulären Zentren und <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> - L<strong>an</strong>desverb<strong>an</strong>d Bayern e.V. - und in<br />

<strong>der</strong> Geschäftsordnung <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> - LV Bayern e.V. - geregelt.<br />

Im übrigen sind sie durch die strukturellen Bedingungen <strong>der</strong> einzelnen NMZ und die<br />

Unterschiedlichkeit <strong>der</strong> Einzugsgebiete geprägt.<br />

Die örtliche Zuständigkeit <strong>der</strong> drei bayerischen Sozialberatungsstellen verteilt sich wie folgt:<br />

PSB am Neuromuskulären Zentrum München: Regierungsbezirke Oberbayern, Nie<strong>der</strong>bayern<br />

und Schwaben<br />

PSB am Neuromuskulären Zentrum Erl<strong>an</strong>gen: Regierungsbezirke Mittelfr<strong>an</strong>ken und<br />

Oberpfalz<br />

PSB am Neuromuskulären Zentrum Würzburg: Regierungsbezirke Unterfr<strong>an</strong>ken und Ober-<br />

Fr<strong>an</strong>ken.<br />

Die Mitarbeiterinnen <strong>der</strong> PSB sind eigenver<strong>an</strong>twortlich und unabhängig für ihr Fachgebiet<br />

tätig. In <strong>der</strong> Erfüllung ihrer Aufgaben kooperieren sie eng mit <strong>an</strong><strong>der</strong>en Berufsgruppen (z.B.<br />

Ärzten, Ergotherapeuten, Physiotherapeuten etc.) innerhalb und außerhalb <strong>der</strong> NMZ. Die<br />

regelmäßig wie<strong>der</strong>kehren<strong>den</strong> Abläufe hinsichtlich <strong>der</strong> interdisziplinären Betreuung von<br />

Patienten <strong>an</strong> NMZ sind in verbindlichen Strukturen (dazu gehören z.B. Teambesprechungen)<br />

geregelt. Darüber hinaus sind die Mitarbeiterinnen <strong>der</strong> PSB in die Arbeit des<br />

L<strong>an</strong>desverb<strong>an</strong>des <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> (dieser ist Anstellungsträger) und des Bundesverb<strong>an</strong>des (hier liegt<br />

u.a. die Fachaufsicht) eingebun<strong>den</strong>.<br />

6


In Erfüllung ihrer Aufgaben bauen die Mitarbeiterinnen <strong>der</strong> PSB ein Multiplikatorennetz auf.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e arbeiten sie mit sozialen Diensten (Sozialdiensten von Kliniken und<br />

Einrichtungen, <strong>Beratung</strong>sstellen, ambul<strong>an</strong>ten Diensten, Wohlfahrtsverbän<strong>den</strong>, <strong>an</strong><strong>der</strong>en<br />

Selbsthilfeorg<strong>an</strong>isationen), Ärzten und Therapeuten, Behör<strong>den</strong> und Kostenträgern (z.B.<br />

Kr<strong>an</strong>kenkassen, Pflegekassen, Hauptfürsorgestellen, Sozialhilfeträgern, Versorgungsämtern )<br />

zusammen.<br />

3. Arbeitsformen <strong>der</strong> <strong>Psychosoziale</strong>n <strong>Beratung</strong><br />

3.1. Prinzipien <strong>der</strong> <strong>Psychosoziale</strong>n <strong>Beratung</strong><br />

<strong>Psychosoziale</strong> <strong>Beratung</strong> will eine Basis schaffen, auf <strong>der</strong> Ratsuchende selbst entschei<strong>den</strong> und<br />

tätig wer<strong>den</strong> können. Stellvertretendes H<strong>an</strong>deln durch die Sozialarbeiterin ist nur dort <strong>an</strong>ge<br />

bracht, wo Eigeninitiative nicht möglich ist, d.h. die Arbeit <strong>der</strong> PSB ist vom Grundsatz her<br />

aktivierend, nicht versorgend. Sie ermutigt Ratsuchende und mutet es ihnen zu, eigene Bel<strong>an</strong><br />

ge soweit als möglich selbst zu regeln.<br />

<strong>Beratung</strong> setzt ein<br />

• wenn <strong>der</strong> Ratsuchende eine Frage, ein Problem o<strong>der</strong> Anliegen formuliert,<br />

• wenn <strong>im</strong> Kontakt mit ihm eine akute o<strong>der</strong> drohende Krisensituation offenkundig wird<br />

• wenn professionelle Helfer Grund zur Annahme haben, dass spezielle Sachinformationen<br />

die Voraussetzung dafür bil<strong>den</strong>, dass Ratsuchende ihre Bel<strong>an</strong>ge wahrnehmen können.<br />

<strong>Beratung</strong> findet telefonisch, schriftlich o<strong>der</strong> persönlich - <strong>im</strong> Bereich des jeweiligen neuro<br />

muskulären Zentrums, <strong>im</strong> Rahmen von Hausbesuchen, <strong>im</strong> Rahmen von Ver<strong>an</strong>staltungen <strong>der</strong><br />

Deutschen Gesellschaft für Muskelkr<strong>an</strong>ke o<strong>der</strong> während Selbsthilfegruppentreffen statt.<br />

In Folge von <strong>Beratung</strong>skontakten o<strong>der</strong> unabhängig von diesen ist Begleitung von Patienten<br />

und/o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Angehörigen durch die Sozialarbeiterin möglich. Grundlage dieser Begleitung<br />

ist in erster Linie eine längerfristig <strong>an</strong>gelegte persönliche Beziehung zwischen Ratsuchen<strong>den</strong><br />

und <strong>der</strong> Mitarbeiterin <strong>der</strong> PSB. In <strong>der</strong> Begleitung geht es unter <strong>an</strong><strong>der</strong>em darum, psychische<br />

Entlastung <strong>der</strong> Ratsuchen<strong>den</strong> zu ermöglichen, sie zu ermutigen bzw. zu motivieren, ihre Inte-<br />

ressen zu vertreten, positive Erfahrungen zu ermöglichen und die In<strong>an</strong>spruchnahme von Bera-<br />

tung zu erleichtern.<br />

3.3. Themen <strong>der</strong> <strong>Beratung</strong><br />

<strong>Beratung</strong>s- und Begleitgespräche <strong>der</strong> PSB beziehen die physische und psychische Befindlich-<br />

keit <strong>der</strong> Ratsuchen<strong>den</strong>, soziale/interaktionelle Zusammenhänge <strong>der</strong> betroffenen Familien so-<br />

wie rechtlich-org<strong>an</strong>isatorische Fragestellungen ein. Sie orientieren sich in ihrem Verlauf <strong>an</strong><br />

Fragen <strong>der</strong> Ratsuchen<strong>den</strong> und <strong>der</strong>en aktueller Lebenssituation. Sachliche Fragestellungen<br />

wer<strong>den</strong> häufig zum Anlass für die Kontaktaufnahme mit <strong>der</strong> PSB genommen, <strong>im</strong> Verlauf <strong>der</strong><br />

<strong>Beratung</strong>/ Begleitung gewinnen meist persönliche Themen <strong>an</strong> Bedeutung.<br />

Kaum ein Thema k<strong>an</strong>n <strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong> PSB endgültig bearbeitet und vollständig abgeschlos<br />

sen wer<strong>den</strong>. In <strong>der</strong> Regel ist ein Wie<strong>der</strong>aufgreifen von Themen <strong>im</strong> Kr<strong>an</strong>kheitsverlauf<br />

erfor<strong>der</strong>lich, da aufgrund <strong>der</strong> Progredienz <strong>der</strong> Erkr<strong>an</strong>kungen fortlaufend<br />

Anpassungsleistungen notwendig wer<strong>den</strong>.<br />

Die nachfolgende Übersicht stellt einen Versuch dar, das Themenspektrum zu erfassen, in<br />

dem PSB tätig wird. Dies schließt die Kooperation mit <strong>an</strong><strong>der</strong>en Fachdiensten bzw. bei Bedarf<br />

die Vermittlung <strong>der</strong> Ratsuchen<strong>den</strong> zu <strong>an</strong><strong>der</strong>en Institutionen ein.<br />

7


(1) Verarbeiten von Diagnose und Kr<strong>an</strong>kheitsgeschehen<br />

(2) Auswirkung <strong>der</strong> Erkr<strong>an</strong>kung und ihrer Folgen (z.B. Pflegebedürftigkeit) auf das soziale<br />

Umfeld<br />

(3) Neuorientierung <strong>im</strong> persönlichen und sozialen Bereich<br />

(4) Sexualität und Kin<strong>der</strong>wunsch<br />

(5) Einglie<strong>der</strong>ung in Kin<strong>der</strong>garten, Schule und Beruf<br />

.<br />

(6) Org<strong>an</strong>isation des Wohnens<br />

(7) ökonomische Situation<br />

(8) Mobilität<br />

(9) Urlaub und Freizeit<br />

(10) Pflege und Assistenz<br />

(11) Entlastungs<strong>an</strong>gebote für pflegende Angehörige<br />

(12) sozialrechtliche Fragen<br />

(13) Rehabilitation<br />

(14) Hilfsmittel<br />

(15) Hinweis auf Stellen, die Information o<strong>der</strong> Unterstützung bieten - Hilfe be<strong>im</strong> Aufbau<br />

eines Betreuungsnetzes<br />

(16) Herstellen von Kontakt zu Gleichbetroffenen<br />

3.4. Informations- und Begegnungsver<strong>an</strong>staltungen<br />

Informations- und Begegnungsver<strong>an</strong>staltungen beinhalten die Möglichkeit, innerhalb eines<br />

kurzen Zeitraums Informationen <strong>an</strong> einen größeren Personenkreis weiterzugeben, ein<br />

niedrigschwelliges <strong>Beratung</strong>s<strong>an</strong>gebot zu schaffen und Kontakte zwischen gleichartig o<strong>der</strong><br />

ähnlich Betroffenen herzustellen. Die Begegnung mit Gleichbetroffenen ermöglicht unter<br />

Umstän<strong>den</strong> eine erste Solidarisierung, schafft Zug<strong>an</strong>g zu einem großen Wissens- und Erfah<br />

rungspool und ist damit ein erster Schritt hin zur Selbsthilfe.<br />

Das Angebot von Informations- und Begegnungsver<strong>an</strong>staltungen orientiert sich am Bedarf,<br />

<strong>der</strong> sich <strong>im</strong> Rahmen von <strong>Beratung</strong>sgesprächen zeigt, <strong>der</strong> bei Selbsthilfegruppentreffen laut<br />

wird o<strong>der</strong> aufgrund von regionalen Entwicklungen sinnvoll erscheint. Informations- und Be-<br />

gegnungsver<strong>an</strong>staltungen können zielgruppenorientiert (z.B. ALS-Gesprächskreise) o<strong>der</strong> the-<br />

menzentriert ausgerichtet sein (z.B. Ver<strong>an</strong>staltung zum Thema "Pflege und Assistenz <strong>im</strong><br />

häuslichen Bereich").<br />

8


Mitarbeiterinnen <strong>der</strong> PSB übernehmen Pl<strong>an</strong>ung, Org<strong>an</strong>isation und Mo<strong>der</strong>ation von Ver<strong>an</strong>staltungen,<br />

gestalten inhaltliche Angebote (z.B. in Form von Vorträgen o<strong>der</strong> durch die Leitung<br />

von Gesprächskreisen) und bieten Einzelgespräche am R<strong>an</strong>de von Patiententreffen <strong>an</strong>.<br />

Die Sozialberaterinnen orientieren sich generell <strong>an</strong> <strong>der</strong> Nachfrage durch Patienten und Ange-<br />

hörige, gestalten Angebote aber auch auf <strong>der</strong> Grundlage ihrer unterschiedlichen beruflichen<br />

Qualifikationen. Sie arbeiten dabei mit Kolleginnen und Kollegen innerhalb <strong>der</strong> <strong>DGM</strong>,<br />

mit<br />

Mitarbeitern <strong>der</strong> neuromuskulären Zentren, mit Ehrenamtlichen aus Bundes und L<strong>an</strong>desverb<strong>an</strong>d<br />

<strong>der</strong> <strong>DGM</strong> sowie <strong>an</strong><strong>der</strong>en Institutionen zusammen.<br />

3.5.<br />

Initiierung von und/o<strong>der</strong> Begleitung von Selbsthilfegruppen<br />

<strong>Psychosoziale</strong> <strong>Beratung</strong> in einer Selbsthilfeorg<strong>an</strong>isation sieht Ratsuchende<br />

nicht allein als<br />

hilfebedürftige Personen. Menschen mit neuromuskulären Erkr<strong>an</strong>kungen und ihre Angehöri<br />

gen benötigen zwar regelmäßig o<strong>der</strong> gelegentlich Unterstützung durch <strong>an</strong><strong>der</strong>e, bleiben<br />

jedoch<br />

kompetent dafür, eigene Bel<strong>an</strong>ge zu regeln und ihr Leben zu gestalten. Im Laufe ihres Lebens<br />

mit einer chronisch fortschreiten<strong>den</strong> neuromuskulären Erkr<strong>an</strong>kung sammeln viele Betroffene<br />

ein reichhaltiges Erfahrungswissen, das für <strong>an</strong><strong>der</strong>e in einer ähnlichen Lage - ebenso wie für<br />

Mitarbeiterinnen <strong>der</strong> PSB - von unschätzbarem Wert ist. In diesem Sinn ist es Ziel <strong>der</strong> PSB<br />

<strong>den</strong> Kontakt zwischen gleichartig o<strong>der</strong> ähnlich Betroffenen herzustellen.<br />

Auf Wunsch <strong>der</strong> Ratsuchen<strong>den</strong> können individuelle Kontakte zu <strong>an</strong><strong>der</strong>en Patienten/Familien<br />

hergestellt wer<strong>den</strong>.<br />

D<strong>an</strong>eben wer<strong>den</strong> alle Ratsuchen<strong>den</strong> auf die Möglichkeit hingewiesen, <strong>an</strong><br />

Selbsthilfegruppentreffen teilzunehmen o<strong>der</strong> - falls es ein entsprechendes Angebot in Wohnortnähe<br />

o<strong>der</strong> Ratsuchen<strong>den</strong> nicht gibt - selbst am Aufbau einer Gruppe mitzuwirken.<br />

Der Charakter von Selbsthilfegruppen variiert in Abhängigkeit von <strong>der</strong> Zusammensetzung<br />

des<br />

Teilnehmerkreises und <strong>den</strong> Rahmenbedingungen <strong>der</strong> Gruppentreffen. Dementsprechend fin<strong>den</strong><br />

sie unter <strong>den</strong> Begriffen „Selbsthilfegruppe für Muskelkr<strong>an</strong>ke“, Gesprächskreis, „Muskelstammtisch“<br />

o<strong>der</strong> „Kontaktgruppe“ statt. Themen, Aufgaben und Ziele wer<strong>den</strong> ebenso wie<br />

Arbeitsformen dem Gruppenprozess <strong>an</strong>gepasst.<br />

Die <strong>DGM</strong>-Sozialarbeiterinnen arbeiten eng mit <strong>den</strong> Selbsthilfegruppen<br />

für Muskelkr<strong>an</strong>ke<br />

zusammen.<br />

Nach ihrer Erfahrung suchen Teilnehmer von SHG seltener als <strong>an</strong><strong>der</strong>e die PSB<br />

auf, gegebenenfalls mit klarer definierten Fragen. Sie nutzen in erster Linie <strong>den</strong> Wissenspool<br />

<strong>der</strong> Gruppe o<strong>der</strong> suchen das Gespräch mit <strong>der</strong> PSB <strong>im</strong> unverbindlichen Rahmen eines<br />

Gruppentreffens. An<strong>der</strong>erseits sind sie auch diejenigen, die am ehesten bereit sind,<br />

Gleichbetroffene zu unterstützen und sich innerhalb <strong>der</strong> Selbsthilfeorg<strong>an</strong>isation ehrenamtlich<br />

zu engagieren.<br />

3.6. Anleitung und<br />

Begleitung Ehrenamtlicher<br />

Der<br />

größte Teil aller Ehrenamtlichen, die sich für die <strong>DGM</strong> engagieren, sind direkt o<strong>der</strong> indi-<br />

rekt<br />

(als Angehörige) von einer neuromuskulären Erkr<strong>an</strong>kung betroffen. Positive Erfahrungen<br />

mit PSB und/o<strong>der</strong> Selbsthilfegruppen führen häufig zur Solidarisierung mit<br />

<strong>der</strong> Selbsthilfeor-<br />

g<strong>an</strong>isation und zur Mitgliedschaft in <strong>der</strong> <strong>DGM</strong>. Gleichzeitig wer<strong>den</strong> durch eigene Erfahrun<br />

gen und <strong>im</strong> Kontakt zu Gleichbetroffenen spezielle Kompetenzen erworben. Es kommt<br />

zur<br />

Rollenverschiebung ( Ratsuchende wer<strong>den</strong> nach und nach zu Beraten<strong>den</strong>) und damit zur Übernahme<br />

von Aufgaben und Funktionen.<br />

Anleitung und Begleitung von Ehrenamtlichen durch die PSB beinhaltet:<br />

• Motivation zur Übernahme von Aufgaben<br />

• Unterstützung bei <strong>der</strong> Entscheidung für o<strong>der</strong> gegen ehrenamtliches Engagement<br />

• Bereitstellen von Informationen zu unterschiedlichen Fragestellungen<br />

9


• Informationstr<strong>an</strong>sfer zu vereinsspezifischen Fragen<br />

• Unterstützung bei <strong>der</strong> Reflexion <strong>der</strong> ehrenamtlichen Arbeit<br />

• Fortbildung <strong>der</strong> ehrenamtlichen Mitarbeiter<br />

• praktische Unterstützung bei <strong>der</strong> Übernahme von Aufgaben (z.B. am Informationsst<strong>an</strong>d,<br />

bei <strong>der</strong> Org<strong>an</strong>isation von Ver<strong>an</strong>staltungen, be<strong>im</strong><br />

Erstellen von Materialien)<br />

3.7.<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Eine<br />

wichtige Aufgabe <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für Muskelkr<strong>an</strong>ke e.V. besteht darin, die<br />

Öffentlichkeit über Muskelkr<strong>an</strong>kheiten<br />

zu informieren, auf die Beson<strong>der</strong>heiten <strong>im</strong> Leben von<br />

Familien mit einem neuromuskulär Erkr<strong>an</strong>kten aufmerksam zu machen, und sich für die Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Lebenssituationen von Betroffenen einzusetzen.<br />

Weitere Aufgaben <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> bestehen in <strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong> Forschung (Erforschung von<br />

Kr<strong>an</strong>kheitsursachen und Beh<strong>an</strong>dlungsmöglichkeiten) sowie in <strong>der</strong> psychosozialen<br />

<strong>Beratung</strong><br />

<strong>der</strong> Betroffenen. Gerade die bei<strong>den</strong> letztgen<strong>an</strong>nten Aufgaben sind ohne fin<strong>an</strong>zielle Mittel<br />

nicht zu erfüllen. Diese müssen größtenteils als Spen<strong>den</strong> eingeworben wer<strong>den</strong> (Auch ca. 10%<br />

<strong>der</strong> Personalkosten für Mitarbeiter/innen <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> <strong>an</strong> NMZ wer<strong>den</strong> aus Eigenmitteln des<br />

Vereins, d.h. aus Spen<strong>den</strong> fin<strong>an</strong>ziert.). Somit gehören auch Öffentlichkeitsarbeit und Spen<strong>den</strong>werbung<br />

zum gemeinsamen Aufgabenbereich von <strong>Psychosoziale</strong>r <strong>Beratung</strong> und Ehren-<br />

amtlichen.<br />

Die Aktivitäten <strong>der</strong><br />

PSB <strong>im</strong> Bereich Öffentlichkeitsarbeit sind eng in die Arbeit <strong>der</strong> <strong>DGM</strong>, <strong>der</strong><br />

regionalen<br />

Selbsthilfegruppen, sowie <strong>der</strong> neuromuskulären Zentren eingebun<strong>den</strong>. Ohne eine<br />

Beteiligung von Selbstbetroffenen ist eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit <strong>der</strong> PSB nicht möglich.<br />

3.8.<br />

Fortbildungen für Fachkräfte <strong>an</strong><strong>der</strong>er Institutionen<br />

Wie<br />

schon eing<strong>an</strong>gs erwähnt, ist es für die <strong>DGM</strong> als Selbsthilfeorg<strong>an</strong>isation nicht möglich,<br />

Patienten mit neuromuskulären Erkr<strong>an</strong>kungen und ihre Angehörigen<br />

in allen Lebensbereichen<br />

umfassend professionell zu beraten und begleiten. Sie ist deshalb auf eine gute Zusammenar-<br />

beit mit Mitarbeitern <strong>an</strong><strong>der</strong>er Fachdienste <strong>an</strong>gewiesen. Erklärtes Ziel <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> ist, die Kollegen<br />

<strong>der</strong> betreffen<strong>den</strong> Institutionen und Multiplikatoren über Muskelkr<strong>an</strong>kheiten zu informieren<br />

und das spezifische Erfahrungswissen über ein Leben mit neuromuskulären Erkr<strong>an</strong>kungen<br />

weiterzugeben.<br />

4.<br />

Grenzen <strong>der</strong> <strong>Psychosoziale</strong>n <strong>Beratung</strong><br />

• <strong>Psychosoziale</strong> <strong>Beratung</strong> k<strong>an</strong>n keine Therapie (Psychotherapie, Paar- o<strong>der</strong> Familientherapie)<br />

ersetzen.<br />

• Mitarbeiterinnen <strong>der</strong> PSB ersetzen keine Bezugspersonen.<br />

• Vielfach stoßen Ratsuchende und Beraterin gemeinsam <strong>an</strong> die Grenzen <strong>der</strong> rechtlichen,<br />

sozialen und politischen Bedingungen.<br />

• Mitarbeiterinnen <strong>der</strong> PSB wer<strong>den</strong> auf Anfrage und <strong>im</strong> <strong>Auftrag</strong> <strong>der</strong> Ratsuchen<strong>den</strong> tätig.<br />

Dabei wer<strong>den</strong> sie nicht in jedem Fall <strong>den</strong><br />

Erwartungen <strong>der</strong> Überweisen<strong>den</strong> gerecht. Ebensowenig<br />

können sie allen Wünschen und Hoffnungen von Ratsuchen<strong>den</strong> (z.B. nach stell-<br />

vertretendem H<strong>an</strong>deln) entsprechen.<br />

• Weitere Grenzen für die <strong>Beratung</strong>s- und H<strong>an</strong>dlungsmöglichkeiten <strong>der</strong> PSB fin<strong>den</strong> sich in<br />

<strong>den</strong> institutionellen Bedingungen <strong>der</strong> <strong>DGM</strong> sowie <strong>der</strong> neuromuskulären Zentren. Diese haben<br />

z.B. Einfluss auf <strong>den</strong> Zeitpunkt des Erstkontaktes zwischen Ratsuchen<strong>den</strong> und Mitar-<br />

10


•<br />

beiterinnen <strong>der</strong> PSB, auf das <strong>Beratung</strong>ssetting und ähnliches mehr.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e jedoch wer<strong>den</strong> <strong>der</strong> PSB durch die personellen Kapazitäten Grenzen gesetzt.<br />

Alle Mitarbeiterinnen <strong>der</strong> PSB haben eine vergleichbare Grundqualifikation (Berufsabschluss<br />

als Dipl. Sozialpädagoge (FH)), sie unterschei<strong>den</strong> sich jedoch<br />

hinsichtlich ihrer<br />

persönlichen und beruflichen Entwicklung. Entsprechend ihren Fähigkeiten und Neigungen<br />

haben alle Kolleginnen weitere Qualifikationen erworben und setzen diese in ihren Tätigkeitsfel<strong>der</strong>n<br />

ein. Diese individuelle Spezialisierung k<strong>an</strong>n unterschiedliche Her<strong>an</strong>gehensweisen<br />

<strong>an</strong> best<strong>im</strong>mte Aufgabenstellungen bedingen bzw. die Wahl von unterschiedli-<br />

chen inhaltlichen Schwerpunkten <strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong> Tätigkeit zur Folge haben.<br />

Eine<br />

kurze Anmerkung zum Schluss:<br />

Im Interesse <strong>der</strong> Leserinnen und Leser wurde <strong>im</strong> Text darauf verzichtet, jeweils die männliche<br />

und<br />

weibliche Bezeichnung einer Personengruppe <strong>an</strong>zuführen. Die Begriffe „Patienten“,<br />

„Therapeuten“ und <strong>an</strong><strong>der</strong>e <strong>im</strong> Text erwähnte<br />

Bezeichnungen schließen selbstverständlich die<br />

weiblichen Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> entsprechen<strong>den</strong> Personenkreise ein.<br />

Da die wenigen Stellen <strong>der</strong> <strong>Psychosoziale</strong>n <strong>Beratung</strong> <strong>an</strong> <strong>den</strong> Neuromuskulären Zentren in<br />

Bayern jedoch ausschließlich von Frauen besetzt sind, haben die Verfasserinnen sich erlaubt,<br />

hier auch die weiblichen Formen <strong>der</strong> Begriffe zu verwen<strong>den</strong>.<br />

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