Diagnostik bei Myalgien - Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke ...
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<strong>Diagnostik</strong> <strong>bei</strong> <strong>Myalgien</strong><br />
Bundeseinheitliche Konsensuspapiere der Neuromuskulären<br />
Zentren im Auftrag der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Muskelkranke</strong><br />
e. V. (DGM)<br />
C. Berghoff 1 , A. Bayas 2 , R. Gold 3 , C. Sommer 2 , D. Pongratz 4 und D. Heuss 1<br />
1<br />
Neurologische Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg<br />
Schwabachanlage 6<br />
91054 Erlangen<br />
Corinna.berghoff@t-online.de<br />
Dieter.heuss@neuro.imed.uni-erlangen.de<br />
2 Neurologische Klinik der Universität Würzburg<br />
Josef-Schneider-Str. 11<br />
97080 Würzburg<br />
Bayas_A@klinik.uni-wuerzburg.de<br />
Sommer@mail.uni-wuerzburg.de<br />
3 Institut <strong>für</strong> MS-Forschung<br />
Bereich Humanmedizin der Universität Göttingen und Gemeinnützige Hertie-Stiftung<br />
Waldweg 33<br />
37073 Göttingen<br />
R.gold@med.uni-goettingen.de<br />
4 Friedrich-Baur-Institut<br />
Ziemssenstr. 1a<br />
80336 München<br />
Dieter.pongratz@med.uni-muenchen.de<br />
Korrespondenz:<br />
Prof. Dr. D. Heuss<br />
Neurologische Klinik der Universität Erlangen-Nürnberg<br />
Schwabachanlage 6<br />
91054 Erlangen<br />
Tel. 09131-8533001<br />
Dieter.heuss@neuro.imed.uni-erlangen.de
Zusammenfassung<br />
Lokalisierte oder generalisierte Schmerzen der Skelettmuskulatur sind häufige Leit- oder<br />
Begleitsymptome von Erkrankungen aus verschiedenen medizinischen Fachdisziplinen.<br />
Die ätiologische Abklärung von <strong>Myalgien</strong> erfolgt anhand des Beschwerdebildes, des<br />
klinischen Untersuchungsbefundes und ggf. weiterführender Untersuchungen.<br />
Die vorliegende Ar<strong>bei</strong>t stellt alle derzeitigen diagnostischen Möglichkeiten vor sowie einen<br />
Algorithmus <strong>für</strong> die zielgerichtete <strong>Diagnostik</strong> <strong>bei</strong> <strong>Myalgien</strong>.<br />
Schlüsselwörter<br />
Myalgie, Muskelschmerz, <strong>Diagnostik</strong><br />
Myalgias - diagnostics<br />
Consensus statement of the German Centers for Neuromuscular<br />
Disease<br />
Summary<br />
Localized or generalized muscle pain is a common symptom associated with a variety of<br />
neurological and other diseases. The etiologic differentiation of myalgias is based on history<br />
and clinical findings and may include further diagnostic investigations.<br />
Here we present current diagnostic possibilities including an algorithm for an efficient<br />
approach to the differential diagnosis of myalgias.<br />
Keywords<br />
Myalgia, muscle pain, diagnostic investigation
<strong>Myalgien</strong><br />
Ätiologie und Pathophysiologie<br />
<strong>Myalgien</strong> bezeichnen im Bereich der Muskulatur lokalisierte Schmerzen. Hier<strong>bei</strong> ist zwischen<br />
den <strong>Myalgien</strong> im engeren Sinne (in der Tiefe lokalisierte Schmerzen) und den Schmerzen im<br />
Bereich der Sehnenansätze und der Muskel-Sehnen-Übergänge zu unterscheiden, wo<strong>bei</strong><br />
zuletzt genannte charakteristisch <strong>für</strong> muskuloskeletale Schmerzsyndrome sind [1]. Lokal im<br />
Muskel entstehende <strong>Myalgien</strong> werden überwiegend über unmyelinisierte, langsam leitende<br />
Gruppe IV- (C-) Fasern und in geringerem Ausmaß über dünne, myelinisierte Gruppe III-<br />
Fasern geleitet. Das Muskelparenchym ist nicht mit Schmerzfasern versorgt, so dass<br />
Muskelschmerzen vielmehr Ausdruck eines (Mit-)Befalls umgebender mesenchymaler<br />
Strukturen sind. <strong>Myalgien</strong> können als ein unspezifisches Symptom <strong>bei</strong> einer Vielzahl<br />
neurologischer Erkrankungen auftreten, z.B. <strong>bei</strong> Myopathien, <strong>bei</strong> endokrinen, entzündlichen<br />
bzw. rheumatischen Systemerkrankungen, <strong>bei</strong> Ischämien und Traumata. Bei der Fibromyalgie<br />
und dem myofaszialen Schmerzsyndrom als häufigsten Ursachen lokaler <strong>Myalgien</strong> [2] sind<br />
<strong>Myalgien</strong> das Leitsymptom. <strong>Myalgien</strong> treten auch als Medikamentennebenwirkung oder<br />
Toxin-induziert, wie z.B. <strong>bei</strong>m Toxic Oil Syndrom oder chronischem Alkoholismus, auf [3]<br />
[2, 4]. Muskelschmerzen können zudem <strong>bei</strong> einer Vielzahl anderer, primär nicht im Muskel<br />
lokalisierten Erkrankungen auftreten. Hierzu gehören Erkrankungen, die mit Spastik oder<br />
Rigor einhergehen, sowie das Stiff-Person-Syndrom. Auch Schmerzen <strong>bei</strong> Gelenk- bzw.<br />
Skeletterkrankungen werden vom Patienten gelegentlich in die Muskulatur lokalisiert.<br />
Projizierte Muskelschmerzen finden sich <strong>bei</strong> neurogenen Ursachen wie den Radikulopathien<br />
sowie als übertragener Schmerz <strong>bei</strong> Erkrankungen innerer Organe [5].<br />
Differentialdiagnostisch muß <strong>bei</strong> <strong>Myalgien</strong> auch an psychiatrische Erkrankungen wie eine<br />
somatisierte Depression gedacht werden.<br />
<strong>Myalgien</strong> sind somit nicht krankheitsspezifisch, auch innerhalb einzelner Erkrankungen, wie<br />
z. B. <strong>bei</strong> der Polymyositis, ist ihr Auftreten variabel.<br />
Entsprechend der großen Vielzahl an möglichen zugrunde liegenden Erkrankungen kommen<br />
pathophysiologisch unterschiedliche Entstehungsmechanismen <strong>für</strong> <strong>Myalgien</strong> in Betracht.<br />
Neurobiologische Grundlagen des Muskelschmerzes wurden in einer Übersicht von Mense<br />
[6] ausführlich beschrieben. Lokale Muskelschmerzen, die durch Nozizeptoren im Muskel<br />
selbst ausgelöst werden, bewirken spinale und supraspinale Veränderungen mit funktioneller<br />
Reorganisation. Zu den endogenen Substanzen, die muskuläre Nozizeptoren aktivieren
können, gehören Bradykinin und Serotonin [7] [8] [9]. Als weitere Ursachen <strong>für</strong><br />
Muskelschmerzen kommen darüber hinaus eine Gewebeazidose [10] sowie<br />
Entzündungsmediatoren wie Prostaglandin E2 und Leukotrien B4 [11] oder<br />
proinflammatorische Zytokine [12] in Betracht. Die Ursache der Schmerzen <strong>bei</strong> Fibromyalgie<br />
wie auch die Pathogenese des Syndroms als Ganzes ist noch unklar, wo<strong>bei</strong> es einige Hinweise<br />
auf veränderte Spiegel von algogenen Substanzen gibt [13]. Bei Patienten mit Fibromyalgie<br />
konnte im Vergleich zu Kontrollpersonen u.a. eine Erhöhung der Substanz P im Liquor<br />
cerebrospinalis nachgewiesen werden [14] [15]. Von verschiedenen Autoren wurden<br />
Veränderungen im Zytokingleichgewicht beobachtet [16] [17] [18] [19].<br />
Als ursächlich <strong>für</strong> den Übergang vom akuten in einen chronischen Schmerz werden<br />
neuroplastische Veränderungen in den afferenten Systemen sowie Störungen des<br />
deszendierenden antinozizeptiven und schmerzfördernden Systems diskutiert [6].<br />
Mechanismen medikamentöser und toxischer Myopathien, die teilweise mit <strong>Myalgien</strong><br />
assoziiert sind, wurden kürzlich in einer Übersicht von Sieb und Gillessen [4] beschrieben. So<br />
kommt es <strong>bei</strong>spielsweise unter Zidovudin zu mitochondrialen Veränderungen, unter<br />
Interferon-alpha sowie D-Penicillamin zu entzündlichen Myopathien und unter Cyclosporin<br />
zu Vakuolen-Bildung und Nekrosen.<br />
Ein auch jedem Gesunden bekannter Muskelschmerz ist der Muskelkater. Dieser entsteht<br />
durch muskuläre Überlastungen, wo<strong>bei</strong> hier v.a. exzentrische Kontraktionen, die dadurch<br />
entstehen, dass der Muskel während der Kontraktion gedehnt wird, von Bedeutung sind.<br />
Histologisch ließen sich mechanisch bedingte Läsionen an den Z-Scheiben und<br />
Desminfilamenten nachweisen (Übersicht in [6]).
<strong>Diagnostik</strong> <strong>bei</strong> <strong>Myalgien</strong><br />
Die diagnostischen Schritte <strong>bei</strong> der Suche nach der Ursache von Muskelschmerzen sollten in<br />
der Regel in einer bestimmten Reihenfolge erfolgen, um einerseits wichtige Informationen<br />
nicht zu übersehen, andererseits, um unnötige invasive oder kostenintensive Untersuchungen<br />
zu vermeiden. Zur <strong>Diagnostik</strong> gehören eine gezielte Anamneseerhebung, die körperliche<br />
Untersuchung, laborchemische Analysen, elektrophysiologische Untersuchungen,<br />
bildgebende Verfahren, ggf. eine molekulargenetische Untersuchung sowie eine<br />
Muskelbiopsie [20]. Der in Abb.1 gezeigte Algorithmus soll da<strong>bei</strong> behilflich sein, die Ursache<br />
von <strong>Myalgien</strong> einzugrenzen, um diagnostische Maßnahmen in einer sinnvollen Reihenfolge<br />
sowie, auch unter Aspekten der Wirtschaftlichkeit, möglichst rational einzusetzen. Aufgrund<br />
der ätiologischen Vielschichtigkeit von <strong>Myalgien</strong> kann das skizzierte Eingrenzen bzw.<br />
Ausschließen von Differenzialdiagnosen nur als allgemein gehaltener Vorschlag betrachtet<br />
werden, der im Einzelfall je nach klinischer Situation modifiziert werden muß.<br />
Anamnese und klinischer Befund<br />
1. Lokalisation<br />
Wie <strong>bei</strong> anderen Erkrankungen mit dem Leitsymptom Schmerz sollte eine standardisierte<br />
Schmerzanamnese erhoben werden. Dazu gehören Fragen nach der Lokalisation<br />
(anatomisch), Verteilung (fokal oder generalisiert), Ausstrahlung, sowie nach oberflächlicher<br />
oder tiefer Schmerzempfindung. Ein Ganzkörperschema, in das die Patienten ihre<br />
schmerzhaften Areale einzeichnen können, hilft, fokale von generalisierten Störungen zu<br />
differenzieren und die Lokalisation zu präzisieren.<br />
Lokalisierte Muskelschmerzen mit Druckschmerzhaftigkeit eines Muskels oder einer<br />
Gliedmaße finden sich <strong>bei</strong> fokalen Myositiden. Gelenkerkrankungen werden oft in der<br />
benachbarten Muskulatur empfunden, hier kann es durch Fehlbelastungen auch zu<br />
pseudoradikulären Schmerzen kommen. Ossär bedingte Muskelschmerzen, z.B. <strong>bei</strong><br />
entzündlichen Knochenerkrankungen, Knochenmetastasen oder degenerativen<br />
Skeletterkrankungen werden als tief im Muskel sitzend empfunden und sind oft während der<br />
Nacht verstärkt.<br />
Zumeist proximale <strong>Myalgien</strong>, oft in Form eines überstarken Muskelkaters in der Tiefe der<br />
grossen Extremitätenmuskeln mit und ohne begleitende Muskelschwäche finden sich <strong>bei</strong><br />
autoimmun-entzündlichen Myopathien, insbesondere der Dermatomyositis, aber auch <strong>bei</strong> der<br />
Polymyositis. Ausgeprägte, überwiegend proximale Schmerzen finden sich <strong>bei</strong> Polymyalgia
heumatica. Infektiöse Myopathien, z.B. durch Viren (Coxsackie-B) oder Borrelien<br />
hervorgerufen, verursachen generalisierte oder multifokale, teils sehr schwere <strong>Myalgien</strong>.<br />
Generalisierte Muskelschmerzen können als Leit- oder Begleitsymptomatik psychischer<br />
Erkrankungen wie Depressionen auftreten: so scheint chronischer Stress verbunden mit Angst<br />
und Depressivität die Schmerzperzeption zu beeinflussen [21]. In diesem Zusammenhang<br />
wurde die Fibromyalgie als besondere Entität mit multifokalen oder generalisierten<br />
Muskel(sehnen)schmerzen mit schmerzhaften sogenannten Tenderpoints (s.u.) ohne<br />
Nachweis neurologischer Defizite, elektromyographischer Auffälligkeiten oder CK-Erhöhung<br />
beschrieben.<br />
2. Schmerzcharakter<br />
Die Patienten sollten gebeten werden, den Schmerzcharakter in ihren eigenen Worten zu<br />
schildern. Zusätzlich kann man Deskriptoren vorgeben, wie ‚muskelkaterartig’, ‚krampfartig’,<br />
‚brennend’ etc. Bei speziellen Fragestellungen kann die deutsche Version des McGill Pain<br />
Questionnaire benutzt werden, um den Schmerzcharakter genau zu bestimmen und zu<br />
quantifizieren und um affektive Komponenten zu identifizieren [22] [23].<br />
Muskelkrämpfe treten häufig <strong>bei</strong> den metabolischen Myopathien auf, selten auch <strong>bei</strong><br />
Mitochondriopathien; krampfartige Schmerzen sind <strong>bei</strong> Dystrophinopathien beschrieben.<br />
Ziehende oder einschießende Schmerzen werden häufig von Patienten mit proximaler<br />
myotoner Myopathie (DM2/PROMM) beschrieben [24]. Muskelkater-ähnliche Schmerzen<br />
sind typisch <strong>für</strong> die autoimmun-entzündlichen Myopathien.<br />
3. Häufigkeit und Zeitverlauf der Schmerzen<br />
Die Patienten sollten befragt werden, ob es sich um Dauerschmerzen oder intermittierende<br />
Schmerzen handelt, wie häufig die Schmerzen auftreten und wie lange die jeweilige Dauer<br />
der Schmerzen oder Schmerzverstärkung ist. Obwohl es sich <strong>bei</strong> den meisten Myopathien um<br />
chronische Erkrankungen handelt, treten die Schmerzen häufig intermittierend auf. Patienten<br />
mit Fibromyalgie berichten meist einen Dauerschmerz mit intermittierenden<br />
Schmerzexazerbationen.<br />
4. Schmerzprovokation und schmerzverstärkende Faktoren<br />
Wichtige Hinweise zur Ätiologie ergeben sich aus der Unterscheidung, ob die Schmerzen<br />
bereits in Ruhe auftreten oder belastungsabhängig sind.<br />
Unter Belastung oder kurz danach auftretende <strong>Myalgien</strong>, welche sich in Ruhe schnell bessern,<br />
können auf einen Phosphorylase-Mangel oder seltenere metabolische Myopathien hinweisen.
Oft berichten die Patienten ein sog. „second wind“-Phänomen mit Besserung der Schmerzen<br />
im weiteren Verlauf der Belastung bzw. nach einer kurzen Ruhepause. Diese Besserung<br />
beruht auf der Umschaltung des Muskels von der Glykogenverwertung auf die Verbrennung<br />
freier Fettsäuren. Patienten mit einem Carnitin-Palmitoyl-Transferasemangel berichten über<br />
Muskelkrämpfe und –steifheit, welche bis zu Rhabdomyolysen führen können. Die<br />
Muskelkrämpfe treten meist mehrere Stunden nach längerer körperlicher Anstrengung auf,<br />
oder auch nach Fasten (hierdurch wird die Bereitstellung von Glykogen und Glukose<br />
gehemmt). Weitere Auslöser sind fette Speisen, Kälte, Stress, Schlafmangel, Infekte und<br />
bestimmte Medikamente (z.B. Ibuprofen). Seltener werden von diesen Patienten<br />
Muskelschmerzen beklagt. Spontan auftretende Muskelkrämpfe oder längeranhaltende<br />
(tagelang) muskelkaterartige Schmerzen nach motorischer Belastung werden von Patienten<br />
mit neurogenen Muskelerkrankungen (z.B. Polyneuropathie, spinale Muskelatrophie,<br />
amyotrophe Lateralsklerose) berichtet, wie auch von Patienten mit Muskeldystrophien.<br />
5. Begleitsymptomatik und klinische Befunde<br />
Begleitende (neurologische) Symptome wie Muskelschwäche oder Muskelkrämpfe, aber auch<br />
Bewegungsstörungen sollten erfragt und in der klinischen Untersuchung überprüft werden.<br />
Ein wichtiger Untersuchungsschritt ist die Palpation auf Druckschmerz, der <strong>bei</strong> bestimmten<br />
Myopathien am Muskelbauch vorkommen kann, <strong>bei</strong>m myofaszialen Schmerzsyndrom an den<br />
Triggerpunkten und <strong>bei</strong> der Fibromyalgie an den Tenderpoints (s.u.). Die Palpation kann<br />
durch geübte Untersucher manuell durchgeführt werden, man kann sich auch eines geeichten<br />
Algometers bedienen.<br />
Muskeltonuserhöhungen wie Spastik und Rigor können zu Spannungsgefühl und Schmerzen<br />
im Bereich der betroffenen Extremitäten führen, hier können z.B. Schmerzen in Schulter und<br />
Oberarm auf eine beginnende Parkinson-Erkrankung hinweisen. Dystonien sind oftmals sehr<br />
schmerzhaft, können aufgrund der Tonuserhöhung und des veränderten Bewegungsmusters<br />
zumeist jedoch zugeordnet werden. Im frühen Stadium können allerdings <strong>Myalgien</strong> das<br />
einzige Symptom sein und dystone Veränderungen erst im weiteren Verlauf auftreten.<br />
Rheumatologische/immunologische Vorerkrankungen geben wichtige Hinweise auf eine<br />
mögliche Systemüberschreitung mit interstitieller Myositis z.B. <strong>bei</strong> Kollagenosen sowie der<br />
rheumatoiden Arthritis.<br />
Spezifische Hauterscheinungen sind charakteristisch <strong>für</strong> die Dermatomyositis: im akuten<br />
Stadium findet sich das heliotropfarbene Erythem an Augenlidern, Wangen und im vorderen<br />
Halsdreieck, welches sich auch auf weitere Körperabschnitte ausbreiten kann. Weitere
Hautveränderungen sind Kollodiumflecke über den Knöcheln (Gottron-Zeichen), erweiterte<br />
Kapillaren im Nagelfalzbereich (Keinig-Zeichen), De- und Hyperpigmentierungen, subkutane<br />
Kalzifikationen.<br />
Laborchemische Untersuchungen<br />
Als Grunddiagnostik empfiehlt sich die Bestimmung von Differentialblutbild, Blutsenkung<br />
(BKS/BSG) und CRP als Hinweise auf Infekte. BKS und CRP sind oft auch in akuten Stadien<br />
<strong>bei</strong> autoimmun-entzündlichen Myositiden erhöht. Die Bestimmung von Leberenzymen als<br />
Hinweis auf chronischen Alkoholismus, weiterhin von Elektrolyten und insbesondere von<br />
Kreatinkinase (CK) sollte erfolgen, ggf. auch von Myoglobin, Aldolase und LDH. Bei<br />
anamnestischem oder klinischem Verdacht sollte entsprechend eine erweiterte <strong>Diagnostik</strong><br />
durchgeführt werden: Rheumaserologie und immunologische Untersuchungen,<br />
Schilddrüsenparameter, Porphyrine, serologische Untersuchungen (auf Bakterien, Viren,<br />
Parasiten), Liquorpunktion, ischämischer Ar<strong>bei</strong>tsversuch.<br />
Die Bestimmung des CK-Wertes (Isoenzym CK-MM) ist der wichtigste laborchemische<br />
Hinweis auf eine Muskelerkrankung. Deutlich erhöhte Werte finden sich <strong>bei</strong> akuten<br />
Myositiden (Polymyositis und Dermatomyositis, aber auch <strong>bei</strong> infektiösen Myositiden) – teils<br />
bis zum 50fachen der Norm - und <strong>bei</strong> Muskeldystrophien. In Einzelfällen von Poly- oder<br />
Dermatomyositis finden sich jedoch auch normale CK-Werte. Bei Glykogenosen,<br />
insbesondere Typ V, finden sich stark erhöhte CK-Werte <strong>bei</strong> drohender Rhabdomyolyse, es<br />
können aber auch normale oder nur gering erhöhte Werte gemessen werden. Auch <strong>bei</strong><br />
Denervierungsprozessen (Polyneuropathie, Motoneuronerkrankung) können CK-Erhöhungen<br />
auftreten. Umgekehrt finden sich auch <strong>bei</strong> Gesunden nach schwerer Muskelar<strong>bei</strong>t (z.B.<br />
Bauar<strong>bei</strong>ter, Bodybuilder oder Hochleistungssportler), nach intramuskulären Injektionen und<br />
nach Alkoholkonsum deutlich erhöhte CK-Werte nicht selten bis zum 10-fachen der<br />
Normobergrenze. Vor Bestimmung des CK-Wertes sollten daher übermässige Muskelar<strong>bei</strong>t<br />
und i.m.-Injektionen <strong>für</strong> mindestens 2 Wochen vermieden werden. Durch atypische<br />
Isoenzyme (sog. Makro-CK) kann fälschlich ein erhöhter CK-Wert gemessen werden. Hier<strong>bei</strong><br />
handelt es sich um CK-Immunglobulin-Komplexe, welche fast immer mit CK-BB gebildet<br />
werden. Träger ist IgG, die Bindung erfolgt an F(ab)2. Das Vorliegen einer Makro-CK kann<br />
dann angenommen werden, wenn die CK-MB- Fraktion über 15% über der Gesamt-CK-<br />
Aktivität liegt [25]. Der sichere Nachweis wird durch eine Elektrophorese der CK geführt.<br />
Allerdings ist der Nachweis einer gleichzeitigen Erhöhung von Myoglobin bereits ein
Argument <strong>für</strong> eine Muskelfaserschädigung als Ursache der CK-Erhöhung. Eine Makro-CK ist<br />
wahrscheinlich ohne Krankheitswert und findet sich meist <strong>bei</strong> älteren Patienten, häufiger <strong>bei</strong><br />
Frauen in einem Prozentsatz von 0,3% aller erhöhten CK-Fälle [26].<br />
<strong>Myalgien</strong>, die auf einen gestörten Elektrolythaushalt (erniedrigtes Kalium, Calcium,<br />
Magnesium, Natrium oder erhöhtes Natrium) zurückzuführen sind, können sich als<br />
Muskelkrämpfe oder –versteifungen bemerkbar machen, können aber auch bereits in Ruhe<br />
vorhanden sein.<br />
Liquordiagnostische oder serologische Aufälligkeiten <strong>bei</strong> Fibromyalgie sind zwar wiederholt<br />
beschrieben worden (s.o.), haben jedoch noch nicht Eingang in die klinische <strong>Diagnostik</strong><br />
gefunden.<br />
Als Screeningverfahren zum Nachweis einer Störung des Kohlehydrat- oder<br />
Purinstoffwechsels eignet sich der ischämische Ar<strong>bei</strong>tsversuch, <strong>bei</strong> dem unter ischämischen<br />
Bedingungen Muskelar<strong>bei</strong>t durchgeführt wird und in definierten Zeitabständen die<br />
Metaboliten Ammoniak und Laktat im Serum gemessen werden (s. Tab. 1). Im Normalfall<br />
zeigt sich ein deutlicher Laktat- und Ammoniak-Anstieg, wodurch jedoch eine metabolische<br />
Myopathie nicht ausgeschlossen ist. Ein deutlicher Anstieg von Ammoniak <strong>bei</strong><br />
ungenügendem Laktat-Anstieg ergibt den Verdacht auf eine Störung im<br />
Kohlehydratmetabolismus, ein deutlicher Anstieg von Laktat <strong>bei</strong> ungenügendem Ammoniak-<br />
Anstieg den Verdacht auf einen Myoadenylatdeaminase-Mangel (s. Tab. 1). Anstelle des weit<br />
verbreiteten ischämischen Belastungstests wird, u.a. um das Risiko einer Ischämieassoziierten<br />
Rhabdomyolyse [27] [28] zu verhindern, in einigen spezialisierten Zentren der<br />
apparative nichtischämische Ar<strong>bei</strong>tsversuch durchgeführt, der eine vom Untersucher<br />
weitgehend unabhängige und <strong>für</strong> den Patienten gut tolerierbare Untersuchung mit einer<br />
ähnlichen Aussagewertigkeit darstellt. Hier<strong>bei</strong> wird mittels eines Faustschluss-Dynamometers<br />
eine vorher individuell definierte isometrische Ar<strong>bei</strong>t verrichtet und danach werden in<br />
definierten Abständen wie <strong>bei</strong>m ischämischen Test Serumspiegel von Laktat und Ammoniak<br />
durch Abnahme aus der V. mediana cubiti gemessen. Die Daten werden mittels spezifischer<br />
Software analysiert [29] [30].<br />
Tabelle 1<br />
Ischämischer Ar<strong>bei</strong>tsversuch (nach Heuss 1998 [31])<br />
• Ausgangswerte 1 und 2 (alle Werte jeweils von Laktat und Ammoniak<br />
abnehmen)<br />
• Blutstauung am Oberarm (20mmHg über systolischem RR) und 1 bis 3
Minuten ischämisch belasten (alle 2 Sekunden kräftiger Faustschluss)<br />
• Wert 3 sofort nach Beendigung der Belastung abnehmen, anschliessend<br />
Stauung lösen<br />
• Nach 1 Minuten Wert 4, nach 5 Min. Wert 5, nach 10 Min. Wert 6<br />
abnehmen<br />
X [%] = 0,1 * ∆ NH3[µmol] / ∆ Laktat [mmol]<br />
∆ = Maximalwert nach ischämischer Ar<strong>bei</strong>t minus Durchschnittswert vor Belastung<br />
0,7% ≤ X ≤ 5,0% normal<br />
X > 5,0% V.a. Störung im Kohlehydratstoffwechsel<br />
X < 0,7% V.a. Myoadenylatdeaminasemangel<br />
[ungenügender Anstieg von Laktat ( < 4,5mval/l) und Ammoniak (< 0,7% des<br />
Laktatanstiegs): Testbedingungen nicht optimal, Ergebnis nicht verwertbar]<br />
Elektromyographie (EMG)<br />
Die EMG-Untersuchung kann differentialdiagnostisch relevante Hinweise auf eine myotone<br />
Erkrankung, eine entzündliche oder degenerative Myopathie, oder auch eine neurogene<br />
Schädigung liefern. Sie darf in ihrer Bedeutung jedoch nicht überschätzt werden, da <strong>für</strong> eine<br />
Myopathie spezifische Befunde nicht existieren. Darüber hinaus ist es möglich, dass gerade<br />
<strong>bei</strong> Muskelerkrankungen mit fokalem Verteilungsmuster auch normale EMG-Befunde (in<br />
nicht betroffenen Muskelabschnitten) erhoben werden können.<br />
Ein sog. myopathisches Muster ist charakterisiert durch kurze Dauer, niedrige Amplitude und<br />
polyphasische Konfiguration der Muskelaktionspotentiale. Bei entzündlichen<br />
Muskelerkrankungen findet sich - korrelierend zur entzündlichen Aktivität - vermehrte<br />
pathologische Spontanaktivität in Form von Fibrillationen, positiven scharfen Wellen oder<br />
komplex repetitiven Entladungen. Diese Veränderungen können auch <strong>bei</strong> anderen aktiven<br />
myopathischen Prozessen auftreten und sind daher nicht spezifisch <strong>für</strong> eine Myositis [32].<br />
Myotone Entladungen sind charakteristisch <strong>für</strong> myotone Myopathien (DM1/Dystrophica<br />
myotonica Curschmann-Steinert, DM2/PROMM). Hier<strong>bei</strong> handelt es sich um hochfrequente,<br />
bis zu mehreren Sekunden andauernde amplituden- sowie frequenzmodulierte Entladungen<br />
(sog. „Sturzkampfbombergeräusch“).<br />
Bei den metabolischen Myopathien können myopathische Veränderungen auftreten, ein<br />
normales EMG schliesst eine solche Myopathie allerdings nicht aus. Bei Muskelkontrakturen
- wie <strong>bei</strong> der Glykogenose Typ V (McArdle) sowie der malignen Hyperthermie - sind keine<br />
Aktionspotentiale ableitbar (sog. „stille Kontraktur“).<br />
Beim Postpolio-Syndrom belegen elektromyographische und neurographische<br />
Untersuchungen die neurogene Schädigung.<br />
Bildgebung<br />
Lässt sich im Rahmen der Muskelfunktionsprüfung und elektrophysiologischer<br />
Untersuchungen der Muskeln oftmals nur indirekt auf die tatsächlichen Krankheitsvorgänge<br />
im Muskel rückschliessen, und ermöglicht die Muskelbiopsie immer nur Einblick in einen<br />
Ausschnitt des Muskels, so können bildgebende Verfahren wie Muskelsonographie,<br />
Computertomographie (CT) oder Magnetresonanz-Tomographie (MRT) die <strong>Diagnostik</strong> <strong>bei</strong><br />
<strong>Myalgien</strong> sinnvoll ergänzen. Sie ermöglichen eine (schmerzfreie) Darstellung des gesamten<br />
Muskels, insbesondere Atrophien oder Hypertrophien lassen sich im Seitenvergleich gut<br />
quantifizieren. Ausserdem können Veränderungen des Mesenchyms (z.B. Lipomatose, Ödem,<br />
Fibrose) in der MRT gut erfasst werden [33] [34]. Allerdings ist bisher eine entsprechend<br />
hohe diagnostische Sensitivität dieser Verfahren noch nicht nachgewiesen [35].<br />
Sinnvoll ist der Einsatz der Bildgebung zur Festlegung einer repräsentativen Biopsiestelle z.B.<br />
in stark atrophen Muskeln oder <strong>bei</strong> Verdacht auf eine Myositis [36]. Aufgrund der<br />
interindividuellen Variationsbreite der Normwerte sollte die Sonographie durch einen<br />
erfahrenen Myosonologen durchgeführt werden. Limitierungen ergeben sich <strong>bei</strong> sehr grossen<br />
oder in der Tiefe gelegenen Muskeln, insbesondere <strong>bei</strong> adipösen Patienten [34]. Hier sind<br />
Computer- oder Kernspintomographie zu bevorzugen. Vorteile der CT sind die rasche<br />
Durchführbarkeit, der sensitivere Nachweis subkutaner oder faszialer Kalzifikationen, <strong>bei</strong><br />
jedoch erhöhter Strahlenbelastung. Die MRT ist das Verfahren der Wahl <strong>bei</strong> Verdacht auf<br />
entzündliche Myopathien [35], sie kann aber <strong>bei</strong> bestimmten Patienten nicht durchgeführt<br />
werden (z.B. Herzschrittmacher, unruhige Patienten).
Muskelbiopsie – Indikation <strong>bei</strong> <strong>Myalgien</strong><br />
Eine Muskelbiopsie, die in der Regel nur <strong>bei</strong>m Vorliegen einer ausreichenden Evidenz <strong>für</strong> das<br />
Bestehen einer Myopathie indiziert ist, stellt den invasivsten Schritt dar und steht daher<br />
üblicherweise am Ende der diagnostischen Schritte. Eine solche Evidenz ist gegeben, wenn<br />
extramuskuläre Ursachen <strong>für</strong> <strong>Myalgien</strong> ausgeschlossen bzw. unwahrscheinlich sind oder<br />
wenn positive Hinweise auf eine Myopathie vorliegen. Hier<strong>bei</strong> muß jedoch berücksichtigt<br />
werden, dass <strong>bei</strong>spielsweise <strong>bei</strong> entzündlichen Systemerkrankungen wie den Vaskulitiden<br />
Schädigungen des peripheren Nervensystems (PNS) und der Muskulatur nebeneinander<br />
bestehen können.<br />
Hinweisend auf eine Myopathie und somit Anlass <strong>für</strong> eine Biopsie können die Anamnese mit<br />
Angabe von <strong>bei</strong>spielsweise diagnostisch richtungsweisenden Muskelschmerzen, auch der<br />
klinische Befund mit Paresen oder mit Hauterscheinungen wie <strong>bei</strong> der Dermatomyositis und<br />
wiederholte Erhöhungen der Creatinkinase bzw. Rhabdomyolysen sein.<br />
Differenzialdiagnostisch muss bedacht werden, dass es auch im Rahmen von<br />
Denervierungsprozessen (z. B. Motoneuronerkrankungen) zu einer deutlichen CK-Erhöhung<br />
kommen kann. Darüberhinaus können pathologische Belastungstests (s.o.) und mit einer<br />
Myopathie vereinbare EMG-Veränderungen sowie eine pathologische bildgebende<br />
<strong>Diagnostik</strong> die Verdachtsdiagnose einer Myopathie stärken. Auf eine Muskelbiopsie sollte<br />
verzichtet werden, wenn die Diagnose einer Myopathie anderweitig gestellt werden kann. Zur<br />
Diagnosestellung einiger Myopathien, die mit <strong>Myalgien</strong> assoziiert sein können, stehen in der<br />
alltäglichen Routine - zumindest <strong>für</strong> einen Teil der Fälle - molekulargenetische<br />
Untersuchungen zur Verfügung. Hierzu gehören die Dystrophinopathien (DMD, BMD), <strong>bei</strong><br />
denen eine Haut-Stanzbiopsie oder Blut untersucht werden kann [37] [38] [39] sowie die<br />
okulopharyngeale Muskeldystrophie (Expansion eines Minirepeats (GCG)n auf Chromosom<br />
14q). Eine molekulargenetische <strong>Diagnostik</strong> ist auch <strong>bei</strong> den multisystemischen myotonen<br />
Myopathien, der myotonen Dystrophie Typ 1 (DM1) und DM2/PROMM möglich. Die<br />
molekulargenetische <strong>Diagnostik</strong> hinsichtlich DM1 ist weit verbreitet, während sie <strong>bei</strong> der<br />
DM2/PROMM bislang nur in spezialisierten Zentren angeboten wird.<br />
Bei negativem Befund in der molekulargenetischen <strong>Diagnostik</strong> sowie in primär unklaren<br />
Fällen sollte eine Muskelbiopsie in einem entsprechend spezialisierten und hier<strong>für</strong><br />
ausgewiesenen Zentrum erfolgen. Eine obligate Indikation zur Muskelbiopsie besteht <strong>bei</strong><br />
Verdacht auf das Vorliegen nicht anders zu diagnostizierender Myopathien wie z.B. den
Myositiden. Der Biopsieort richtet sich nach dem klinischen Verteilungstyp, wo<strong>bei</strong> prinzipiell<br />
die Biopsie <strong>bei</strong> einem akuten bzw. subakuten Krankheitsverlauf aus einem möglichst deutlich<br />
betroffenen Muskel erfolgen sollte. Bei chronischen Myopathien mit langem<br />
Krankheitsverlauf sollte ein nicht zu stark betroffener Muskel biopsiert werden. Zur<br />
Eingrenzung des Biopsieortes können apparative Untersuchungen (Bildgebung, EMG) helfen,<br />
wo<strong>bei</strong> eine EMG-Untersuchung des zu biopsierenden Muskels vermieden werden sollte [20].<br />
Bei kombinierter Nerv-Muskel-Biopsie (z. B. <strong>bei</strong> Verdacht auf Vaskulitis) kann auch ein nah<br />
dem Nerv gelegener Muskel, z. B. M. peroneus tertius, biopsiert werden, um einen<br />
zusätzlichen Hautschnitt zu vermeiden. Bei Erwachsenen ist generell eine offene Biopsie zu<br />
bevorzugen, um ausreichend sowie gut untersuchbares Gewebe zu gewinnen. Voraussetzung<br />
<strong>für</strong> aussagekräftige Untersuchungen ist eine sachgerechte Aufar<strong>bei</strong>tung des Biopsats, die in<br />
den Muskelzentren der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong> <strong>Muskelkranke</strong> e. V. (DGM, Freiburg)<br />
gewährleistet ist. Vom entnommenen Muskel sollten verschiedene Präparationen angefertigt<br />
werden, um unterschiedliche Untersuchungen zu ermöglichen (Tab.2). In einer Studie von<br />
Mills und Edwards [40] wurden 103 Patienten mit <strong>Myalgien</strong> mittels Nadel biopsiert.<br />
Histologische oder histochemische Veränderungen wurden <strong>bei</strong> nahezu 50% der Biopsien<br />
festgestellt. Von diesen konnte <strong>bei</strong> etwa zwei Drittel bioptisch eine Diagnose gestellt werden,<br />
die übrigen Fälle zeigten nur unspezifische Veränderungen. Einige Fälle konnten durch die<br />
zusätzliche Untersuchung mitochondrialer Enzyme diagnostiziert werden. Die Autoren kamen<br />
zu dem Ergebnis, dass von den in ihrer Studie eingesetzten Untersuchungsmethoden (u.a. CK-<br />
Messung, Elektromyographie) die Muskelbiopsie der sensitivste Indikator einer organischen<br />
Erkrankung <strong>bei</strong> hoher Spezifität war (siehe Tab.3). Anzumerken ist, dass <strong>bei</strong> Erwachsenen die<br />
offene Biopsie vorteilhafter ist, da so optimal ausgerichtetes Gewebe sowie auch<br />
ausreichendes Material <strong>für</strong> evtl. erforderliche biochemische Zusatzdiagnostik gewonnen<br />
werden kann. Bei Kindern bevorzugen viele Untersucher die Durchführung einer Stanzbiopsie<br />
mit einer Biopsienadel.<br />
Tabelle 2<br />
Aufbereitung von Muskelbiopsien (nach Bayas und Gold, 2003 [20])<br />
Fixierung Aufbereitung Verwendung<br />
unfixiertes Gewebe<br />
Schockgefrieren des<br />
(aufgeblockten) Muskels in<br />
Isopentan (vorgekühlt in flüssigem<br />
Stickstoff), anschließend <strong>bei</strong> - 80 °C<br />
Kryokonservierung<br />
histologische Verfahren<br />
→ u. a. HE-, PAS-, modifizierte Trichrom-<br />
Färbung<br />
enzymhistochemische Verfahren
Fixierung mit<br />
gepuffertem<br />
Glutaraldehyd<br />
Fixierung mit<br />
Formalin<br />
(fakultativ <strong>bei</strong><br />
ausreichendem<br />
Gewebe)<br />
Plastikeinbettung<br />
Einbettung in Paraffin<br />
→ u. a. NADH-Tetrazolium Reduktase,<br />
alkalische Phosphatase<br />
immunmorphologische Verfahren<br />
→ u. a. Dystrophinimmunfärbungen<br />
biochemische Untersuchungen<br />
→ z. B. Westernblot<br />
DNA-Analyse<br />
Semidünnschnitte<br />
Elektronenmikroskopie<br />
Verdacht auf Amyloidose<br />
Vaskulitis (auch an unfixiertem Gewebe<br />
möglich)<br />
DNA-Analyse erschwert<br />
Tabelle 3<br />
Sensitivität und Spezifität von Untersuchungen <strong>bei</strong> Myalgie-Patienten [40]<br />
Sensitivität Spezifität<br />
Muskelbiopsie 0,81 0,75<br />
CK 0,59 0,81<br />
Muskelkraft 0,56 0,48<br />
BKS 0,31 0,93<br />
EMG 0,59 0,81<br />
Ischämie-Test 0,53 0,54<br />
Legende zur Abbildung 1<br />
Abb.1:<br />
Vorschlag <strong>für</strong> einen Algorthmus zur <strong>Diagnostik</strong> <strong>bei</strong> <strong>Myalgien</strong>
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