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medium gas | 2010.2 - VNG Verbundnetz Gas AG

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<strong>medium</strong> <strong>gas</strong><br />

<strong>2010.2</strong><br />

Das Magazin für die Kunden und Partner der <strong>VNG</strong>-Gruppe | 19. Jahrgang | 2. Ausgabe | Juli/August 2010<br />

Schwerpunkt: Eine Stadt voll Energie<br />

Im Fokus<br />

Energie der Zukunft –<br />

Quo vadis, Kommune?<br />

Seite 28<br />

Stadt der Zukunft<br />

Masdar City – die umweltfreundlichste<br />

Stadt der Welt<br />

Seite 38<br />

Erd<strong>gas</strong>technologie<br />

Kommunen und <strong>VNG</strong> arbeiten gemeinsam<br />

an Energiekonzepten für die Zukunft<br />

Seite 42


2<br />

Inhalt<br />

AKTuEll<br />

4 <strong>VNG</strong> wächst kräftig<br />

6 Aktuelle Nachrichten<br />

aus der Energiewirtschaft<br />

und Energiepolitik<br />

MARKT<br />

10 Stadtwerke Aschersleben<br />

„Natur findet Stadt“<br />

Stadtwerke sind Hauptsponsor<br />

der Landesgartenschau.<br />

16 Transportlogistik<br />

Regelenergie sorgt für<br />

Ausgleich im Netz<br />

Dagmar Krauße erklärt die<br />

neue Regelenergieplattform<br />

von GASPOOL.<br />

18 24-h-Rennen<br />

Die Hölle ist grün<br />

Scirocco gewinnt auf Nürburgring<br />

– angetrieben von Erd<strong>gas</strong><br />

und Bioerd<strong>gas</strong>.<br />

20 Interview<br />

Bioerd<strong>gas</strong> ist der „hidden champion“<br />

Im Gespräch mit Dr. Timm Kehler<br />

Impressum<br />

Markt<br />

Aktuell<br />

Schwerpunkt<br />

21 Aus der Praxis<br />

Aktuelle Feldtests mit<br />

Erd<strong>gas</strong>techniken<br />

Branche testet neue Techniken.<br />

22 Erd<strong>gas</strong>-Brennwerttechnik<br />

belegt erneut Spitzenplatz im<br />

deutschen Heizungsmarkt<br />

22 Erd<strong>gas</strong>-E-Klasse feiert Premiere<br />

22 Neuer Partner für Kraftpaket.plus<br />

23 Großer Erfolg für Brennwert.plus<br />

23 Neues Mikro-BHKW vorgestellt<br />

23 <strong>VNG</strong> bietet Schulung zur<br />

Gesetzesnovellierung<br />

24 Mit dem Rad durchs Münsterland<br />

– kein Reisebericht!<br />

25 Veranstaltungen im nächsten Quartal<br />

SCHWERpuNKT:<br />

EINE STADT Voll ENERGIE<br />

28 Im Fokus<br />

Energie der Zukunft –<br />

Quo vadis, Kommune?<br />

So gestalten acht deutsche<br />

Kommunen schon heute ihre<br />

Energieversorgung der Zukunft.<br />

Unser Titelmotiv:<br />

Leipzig ist eine Stadt voll Energie – hier spiegelt<br />

sich die sächsische Metropole im GuD-Kraftwerk<br />

der Stadtwerke Leipzig. Foto: Dirk Brzoska<br />

38 Stadt der Zukunft<br />

Masdar City – die umweltfreundlichste<br />

Stadt der Welt<br />

In der Wüste von Abu Dhabi<br />

entsteht ein Silicon Valley für<br />

erneuerbare Energien.<br />

41 Illustration<br />

42 Erd<strong>gas</strong>technologie<br />

Kommunen und <strong>VNG</strong> arbeiten<br />

gemeinsam an Energiekonzepten<br />

für die Zukunft<br />

Jüngstes Projekt ist die Markteinführung<br />

eines neuen<br />

Micro-BHKWs der Firma Kirsch.<br />

uMSCHAu<br />

44 Im Porträt<br />

Markscheider – Vermesser unter Tage<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> stellt den <strong>VNG</strong>-Markscheider<br />

Stefan Kalch und seine Arbeit vor.<br />

47 Ein Wort aus: Warschau<br />

Ansturm auf Shale-<strong>Gas</strong> in polen<br />

Neue <strong>Gas</strong>vorkommen könnten die<br />

Energieunabhängigkeit des Landes<br />

sichern.<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> Das Magazin für die Kunden und Partner der <strong>VNG</strong>-Gruppe | <strong>VNG</strong> – <strong>Verbundnetz</strong> <strong>Gas</strong> Aktiengesellschaft | Braunstraße 7 | 04347 Leipzig | Postfach 24 12 63<br />

04332 Leipzig | Tel. 0341 443-0 | Fax 0341 443-2057 | www.vng.de | Redaktion Unternehmenskommunikation | Verantwortliche Redakteurin Mandy Nickel<br />

Tel. 0341 443-2045 | mandy.nickel@vng.de | Redaktionsbeirat Helge Andrä, Tino Falley, Mike Diekmann, Christian Dubiel, Bernhard Kaltefleiter, Siegbert Ketelhut,<br />

Kerstin Kietzke, Dr. Stephan Krein, Heinz Möller, Birgit Reiss, Winfried Becker, Olaf Schneider, Jan Schuster, Lydia Schuster, Susann Surma Redaktionsschluss<br />

für diese Ausgabe 30.06.2010 | für die nächste Ausgabe 14.09.2010 | Auflage 4 200 | Gestaltung, Herstellung Militzer & Kollegen GmbH | Reproduktion und Druck<br />

Scan Color Leipzig GmbH | Fotos wenn nicht anders angegeben <strong>VNG</strong> | Foto Titelseite Dirk Brzoska.<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


48 Weltwirtschaft<br />

Vom umgang mit Rohstoffen<br />

Das Angebot an Mineralen und<br />

Metallen wird langsam knapp –<br />

ein ressourcenschonender Umgang<br />

mit ihnen ist daher wichtig.<br />

54 Nachgefragt<br />

Ein Fall für Charlotte<br />

Honigbiene Charlotte – das Maskottchen<br />

der <strong>VNG</strong> Norge – beantwortet<br />

Ihre Fragen zum E&P-Geschäft.<br />

56 Technik I<br />

per Anhalter durch die pipeline<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> war bei der Molchung<br />

einer eigentlich nicht-molchbaren<br />

Leitung dabei.<br />

58 Technik II<br />

10 Dinge, an denen Sie einen<br />

Inspektionsmolch ganz sicher<br />

erkennen können<br />

Eine nicht ganz ernstgemeinte<br />

Einführung in die Molchtechnik.<br />

FEATuRE<br />

umschau<br />

Feature<br />

60 10 Gründe, die sächsische Landeshauptstadt<br />

Dresden zu besuchen<br />

62 Die Narrative Figuration im Werk<br />

von Heinz Knoke<br />

66 Knoke-Ausstellung bei <strong>Gas</strong>unie<br />

Deutschland – Kunst im Zeichen<br />

des Pelikans<br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

es wird die wohl größte Weltausstellung aller<br />

Zeiten – mit erwarteten 70 Millionen Besuchern.<br />

Das Thema der Expo 2010 in Shanghai ist noch<br />

bis zum 31. Oktober 2010: „Better City, Better<br />

Life“. Eine bessere Stadt, in der es sich besser<br />

leben lässt – als Entwurf für die Zukunft. Nach-<br />

haltigkeit ist eines der zentralen Themen. Das<br />

gilt nicht nur für die Megametropolen, sondern<br />

auch im kleineren Maßstab für andere Städte<br />

und Kommunen.<br />

Ihr Bernhard Kaltefleiter<br />

Bernhard Kaltefleiter,<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

3<br />

Leiter Unternehmenskommunikation<br />

Auch in der Kommunalpolitik wird Nachhaltigkeit mehr und mehr zum zentralen<br />

Leitbild. Dabei geht es nicht nur um Schonung der Ressourcen und Klimaschutz,<br />

sondern auch um handfeste ökonomische Interessen. Wer Energie spart, schont<br />

eben auch den kommunalen Haushalt. Immerhin sind auch Städte und Gemein-<br />

den große Energieverbraucher. Darüber hinaus schafft das Engagement für die<br />

Umwelt auch Arbeitsplätze. Rund 2 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland<br />

in diesem Bereich – allein 280 000 im Bereich der erneuerbaren Energien.<br />

Eine Stadt voll Energie ist der Schwerpunkt des aktuellen <strong>medium</strong> <strong>gas</strong>. Nach<br />

Meinung vieler ist die Energienutzung der Zukunft ein zentrales Thema für<br />

Kommunen. Dreh- und Angelpunkt sind aus dieser Perspektive alle Fragen im<br />

Zusammenhang mit einer nachhaltigen kommunalen Energiepolitik. Deshalb<br />

sollten die Schlüsselposition der Städte und Gemeinden und ihre Potenziale<br />

durch die EU, den Bund und die Länder noch stärker unterstützt werden. Der<br />

Städte- und Gemeindebund erklärte dazu: „Die ökologische Infrastruktur wird<br />

die Qualität und das Profil einer Kommune und einer Region zunehmend prägen.<br />

Kommunen und ihre Stadtwerke sind hierbei zentrale Akteure.“<br />

Die Kommunen haben aufgrund ihrer Aufgaben ein hohes Interesse an einer<br />

sicheren, nachhaltigen und bezahlbaren Versorgung ihrer Bürger mit Energie.<br />

Für <strong>VNG</strong> gilt das gleiche Prinzip, deshalb arbeiten wir mit unseren kommunalen<br />

Partnern stets verlässlich und eng zusammen. Uns eint dabei ein Ziel: die<br />

sichere Energieversorgung auch in der Zukunft. Dazu bieten wir individuelle<br />

Lieferkonzepte und Beratung bei der kommunalen Versorgung, gemeinsame<br />

Projekte bei erneuerbaren Energien, gemeinsame Feldtests für neue Erd-<br />

<strong>gas</strong>technologien. Und es geht dabei auch immer um enge Partnerschaft und<br />

gegenseitige Unterstützung.<br />

Was auch immer die Weltausstellung in Shanghai zum Thema Nachhaltigkeit<br />

bringen mag … „Better City, Better Life“ – gemeinsam mit den Kommunen setzen<br />

wir dieses Expo-Motto schon heute um.


4 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Bilanz 2009<br />

<strong>VNG</strong> wächst kräftig<br />

v. l.: Michael Ludwig (Vorstand <strong>Gas</strong>beschaffung), Klaus-<br />

Dieter Barbknecht (Vorstand Kaufmännisches/Personal),<br />

Prof. e. h. Dr.-Ing. Klaus-Ewald Holst (Vorstandsvorsitzender)<br />

und Uwe Barthel (Vorstand <strong>Gas</strong>verkauf/Technik).<br />

2009 hat <strong>VNG</strong> zwei neue Rekordmarken bei Gewinn und Absatz aufgestellt.<br />

Das verkündete der drittgrößte deutsche Erd<strong>gas</strong>importeur anlässlich seiner<br />

Bilanzpressekonferenz.<br />

Nach Aussagen von Vorstandschef Prof. e. h.<br />

Dr.-Ing. Klaus-Ewald Holst erzielte <strong>VNG</strong> einen<br />

Überschuss von 169,9 Mio. Euro. Das entspricht<br />

einer Steigerung von mehr als 20 Prozent gegen-<br />

über 2008. Der Absatz erhöhte sich im zwölften<br />

Jahr in Folge auf jetzt 183 Mrd. Kilowattstunden.<br />

Das sind 6,8 Prozent mehr als im vorletzten Ge-<br />

schäftsjahr. Dr. Holst betonte die Bedeutung<br />

dieser Zahlen, denn <strong>VNG</strong> wächst kräftig trotz eines<br />

Bedarfsrückgangs bei europäischem Erd<strong>gas</strong> und<br />

trotz steigenden Wettbewerbs.<br />

Auslandsmärkte legen deutlich zu<br />

Einen deutlichen Bedeutungszuwachs verzeichne-<br />

ten 2009 die Vertriebsbüros im Westen Deutsch-<br />

lands. Auch die Geschäfte im Ausland sind zu<br />

Prof. e. h. Dr.-Ing. Klaus-Ewald Holst zur Vertriebsstrategie: „Bestandteil<br />

unseres Vertriebskonzeptes ist die Nähe zu unseren Kunden.<br />

Ich meine damit nicht nur die räumliche Nähe, sondern auch die<br />

mentale Seite, also das Verständnis, was unsere Kunden treibt.<br />

Wir können sie so besser als Partner bei den täglichen Fragen der<br />

Erd<strong>gas</strong>anwendung unterstützen. Wir verstehen so auch besser,<br />

welche Konzepte für die jeweilige Region am besten passen. Nur so<br />

können maßgeschneiderte Lösungen überhaupt entstehen.“<br />

einer zusätzlichen<br />

Säule für das Un-<br />

ternehmengewor- den. Der Anteil des<br />

Auslandsgeschäfts<br />

hat das erste Mal in<br />

der Geschichte von<br />

<strong>VNG</strong> die Schwelle<br />

von zehn Prozent überschritten und erreichte<br />

2009 11 Prozent (2008 neun Prozent). Dazu haben<br />

insbesondere die Aktivitäten auf dem polnischen<br />

und auf dem italienischen Markt beigetragen. Die<br />

Foto: Dirk Brzoska<br />

Chancen auf den Spot- und Terminmärkten wurden<br />

ebenfalls genutzt, der Kurzfristhandel steht mitt-<br />

lerweile für 12 Prozent des <strong>VNG</strong>-Absatzes.<br />

Diversifizierung des Erd<strong>gas</strong>bezugs<br />

Auch für den Einkauf von Erd<strong>gas</strong> hat sich <strong>VNG</strong><br />

stärker auf den Spot- und Terminmärkten enga-<br />

giert. Im Geschäftsjahr 2009 hat sich ihr Anteil<br />

an der <strong>Gas</strong>beschaffung auf 22 Prozent verdoppelt<br />

und liegt auf etwa gleicher Höhe wie das Erd<strong>gas</strong><br />

aus norwegischen Quellen oder von inländischen<br />

Anbietern. Wichtigster Lieferant bleibt Russland<br />

mit einem Anteil von 35 Prozent. „Auf den Be-<br />

schaffungsmärkten herrschte 2009 eine überaus<br />

große Dynamik, die wir genutzt haben“, erklärt<br />

Dr. Holst und ergänzt: „Es ist die große Kunst,<br />

die Beschaffung von Erd<strong>gas</strong> und den Verkauf<br />

von Erd<strong>gas</strong> miteinander in Einklang zu bringen.<br />

Nur wenn es uns gelingt, zu guten Konditionen<br />

die richtigen Mengen zum richtigen Zeitpunkt<br />

einzukaufen, können wir unseren Kunden in Verbindung<br />

mit unseren Dienstleistungsangeboten<br />

konkurrenzfähige Konditionen bieten.“<br />

Großer Schritt zur Eigenproduktion<br />

Bei den Bemühungen, auch eigene Quellen zu<br />

erschließen, ist <strong>VNG</strong> 2009 einen großen Schritt<br />

vorangekommen. Seit 2006 ist <strong>VNG</strong> in Norwegen<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


Uwe Barthel zur Absatzentwicklung:<br />

„Wir haben im angestammten<br />

Marktgebiet der<br />

ONTRAS in den letzten Jahren<br />

wettbewerbsbedingt rund ein<br />

Viertel unseres Absatzes verloren.<br />

Alle unsere Stammkunden<br />

konnten wir aber halten.<br />

Zum Teil stellen unsere Kunden<br />

ihr Einkaufsportfolio breiter<br />

auf. Dies ist eine im Wettbewerb<br />

übliche Entwicklung.<br />

Starken Absatzzuwachs haben wir dagegen in unseren west-<br />

und süddeutschen Regionen und im Auslandsgeschäft erzielt. In<br />

den kommenden Jahren wird es unsere wichtigste Aufgabe sein,<br />

Kunden und potenziellen Kunden auch weiterhin als verlässlicher<br />

Partner zur Seite zu stehen und ihnen vielfältige Möglichkeiten<br />

einer innovativen, bedarfsgerechten und wettbewerbsorientierten<br />

<strong>Gas</strong>beschaffung zu bieten.“<br />

mit einer eigenen Tochtergesellschaft aktiv, im<br />

vergangenen Jahr wurde die Endeavour Energy<br />

Norge AS übernommen und mit der existierenden<br />

<strong>VNG</strong> Norge AS verschmolzen. Darüber hält <strong>VNG</strong><br />

aktuell Anteile an 25 Lizenzen auf dem norwe-<br />

gischen Kontinentalschelf, darunter an zwei bereits<br />

produzierenden Feldern.<br />

Bioerd<strong>gas</strong> ergänzt portfolio<br />

Vorangetrieben wurden auch die Aktivitäten zum<br />

Vertrieb von Bioerd<strong>gas</strong>. Es wird ausschließlich aus<br />

nachwachsenden Rohstoffen und biologischen<br />

Abfällen gewonnen und kann damit zu einer noch<br />

nachhaltigeren Energieversorgung in Deutschland<br />

beitragen. Dr. Holst sieht aber noch Hemmnisse:<br />

„Leider beeinträchtigen die derzeitigen gesetzlichen<br />

Regelungen, beispielsweise im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz<br />

oder die <strong>Gas</strong>netzzugangsverordnung<br />

die Wettbewerbsfähigkeit<br />

von Bioerd<strong>gas</strong> erheblich.“ Hier müssten noch die<br />

geeigneten Anreize gesetzt werden.<br />

Michael Ludwig zur Steigerung<br />

der Handelsmengen auf<br />

den Spot- und Terminmärkten:<br />

„Bei einem steigenden Absatz<br />

und niedrigen Preisen auf den<br />

Spot- und Terminmärkten war<br />

es für <strong>VNG</strong> notwendig, sich<br />

Erd<strong>gas</strong> an den europäischen<br />

Handelspunkten zu beschaffen.<br />

Ab dem Zeitpunkt, zu dem<br />

die Öl- und <strong>Gas</strong>preise wieder<br />

enger zusammen laufen oder<br />

die Liquidität an den Handelspunkten nachlässt, kann sich der<br />

Anteil des an den Spot- und Terminmärkten beschafften <strong>Gas</strong>es<br />

im Portfolio der <strong>VNG</strong> aber auch wieder verringern.“<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Mitarbeiterzahl wächst – Aktionäre profitieren<br />

von unternehmenserfolg<br />

Das Wachstum der <strong>VNG</strong> <strong>AG</strong> schlägt sich in steigenden<br />

Mitarbeiterzahlen nieder. Die Belegschaft<br />

in der <strong>AG</strong> legte per 31.12.2009 um zehn Prozent<br />

auf 697 Beschäftigte zu. Auch die Aktionäre werden<br />

nach Beschluss der Hauptversammlung vom<br />

18. Mai 2010 angemessen beteiligt. Die Ausschüttung<br />

für 2009 beläuft sich auf 105 Millionen Euro.<br />

Die Steigerung um 9,4 Prozent liegt somit unter<br />

dem Gewinnzuwachs und sichert dem Unternehmen<br />

ausreichendes Kapital für Zukunftsinvestitionen.<br />

Für die zehn kommunalen Aktionäre, die<br />

25,79 Prozent an <strong>VNG</strong> halten, ist die Ausschüttung<br />

der Dividende gleichzeitig eine wichtige Stütze<br />

in der aktuellen schwierigen Haushaltssituation<br />

vieler Städte und Gemeinden.<br />

positiver Ausblick<br />

„Wir haben uns 2009 nicht nur dem Wettbewerb<br />

gestellt, wir konnten ihn auch für unsere Kunden<br />

durch günstige Angebote und für unser Unternehmen<br />

durch neue Absatz- und Beschaffungswege<br />

nutzen“, so lautete das positive Fazit von<br />

Dr. Holst.<br />

Auch in Zukunft sieht er daher ein erhebliches<br />

Marktpotenzial für Erd<strong>gas</strong> und für <strong>VNG</strong>: „Trotz der<br />

großen Pläne bei<br />

den erneuerbaren Klaus-Dieter Barbknecht zum Ausblick auf 2010: „Ob es <strong>VNG</strong> auch<br />

2010 gelingt, ein neues Rekordergebnis aufzustellen, hängt sehr<br />

Energien wird Erd-<br />

stark von Marktsituationen ab. Die Voraussage heute wäre daher<br />

<strong>gas</strong> weiter unver- ein wenig vermessen. Wir bemühen uns natürlich, das Beste auch<br />

zichtbar für die in 2010 zu geben.“<br />

Energiesicherheit<br />

bleiben. Es muss seinen Platz als Wunschenergie<br />

Nr. 1 zurückgewinnen. Und dazu müssen wir uns<br />

und unser Angebot an die Kunden immer weiterentwickeln<br />

und die unbestreitbaren energetischen,<br />

ökonomischen und ökologischen Vorzüge unseres<br />

Produkts immer wieder deutlich machen.“ Holst<br />

sieht gerade <strong>VNG</strong> mit dem Engagement in der zukunftsträchtigen<br />

dezentralen Energieversorgung<br />

durch Mini- und Mikro-Blockheizkraftwerke oder<br />

im jungen Markt für Bioerd<strong>gas</strong> gut gerüstet.<br />

Alle Informationen zur Bilanzpressekonferenz 2010 finden Sie im Internet von <strong>VNG</strong><br />

(Bereich presse/Mediathek). Dort können Sie auch den aktuellen Geschäftsbericht<br />

herunterladen oder bestellen.<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

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6 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

<strong>VNG</strong> und ONTRAS als familienbewusstes<br />

Unternehmen gewürdigt<br />

<strong>VNG</strong> und ONTRAS sind familienbewusste Unternehmen. Das hat<br />

die berufundfamilie gGmbH, eine Initiative der Gemeinnützigen<br />

Hertie-Stiftung, mit dem Zertifikat zum „audit berufundfamilie“<br />

bestätigt. Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder und<br />

Peter Hintze, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium,<br />

überreichten gemeinsam die Urkunde in Berlin.<br />

Das Qualitätssiegel „audit berufundfamilie“ würdigt die familienbewusste<br />

Personalpolitik des Leipziger Arbeitgebers<br />

und ist gleichzeitig auf deren kontinuierliche Verbesserung<br />

ausgerichtet. Für die Zertifizierung, die bereits 2009 erfolgte<br />

und nun offiziell bestätigt wurde, wurden alle Maßnahmen<br />

aufgenommen, die schon heute den Beschäftigten jeden Tag<br />

dabei helfen, die Ansprüche von Beruf und Familie erfolgreich<br />

miteinander zu vereinbaren. <strong>VNG</strong> bietet zum Beispiel flexible<br />

Arbeitszeitregelungen und fördert die Gesundheit der Mitarbeiter<br />

durch ein umfangreiches betriebliches Programm. Im Rahmen<br />

des Verfahrens wurden aber auch Bedürfnisse der <strong>VNG</strong>-Mitarbeiter<br />

erfasst, bei denen noch mehr Unterstützung möglich wäre.<br />

„Die familiären Interessen beeinflussen die Karriereplanung<br />

immer selbstverständlicher“, erklärt Klaus-Dieter Barbknecht,<br />

Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara<br />

Ludwig, Uwe Barthel – <strong>VNG</strong>-Vorstand<br />

<strong>Gas</strong>verkauf/Technik und Superintendent<br />

a. D. Christoph Magirius. Foto: <strong>VNG</strong>/Rolf Seyboldt<br />

projekte<br />

Mauerfälle auf Tour in Chemnitz und München<br />

Nach dem Start der Bildungstour<br />

„Mauerfälle“ im März auf der Leipziger<br />

<strong>VNG</strong>-Vorstand Kaufmännisches/Personal. „Es ist Teil unserer<br />

Unternehmenskultur, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

ein ausgewogenes Verhältnis von Berufs- und Privatleben<br />

zu ermöglichen. Das ist die Basis für Leistungsfähigkeit und<br />

Engagement“, so Barbknecht weiter.<br />

<strong>VNG</strong> und ONTRAS erhielten das begehrte Zertifikat; v. l.: Peter Hintze (Parlamentarischer<br />

Staatssekretär), Ute Herold (Leiterin Führungskräfte & Grundsätze bei<br />

<strong>VNG</strong>), Ralph Bahke (Geschäftsführer der ONTRAS – <strong>VNG</strong> <strong>Gas</strong>transport GmbH)<br />

und Dr. Kristina Schröder (Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und<br />

Jugend). Foto: berufundfamilie gGmbH<br />

Buchmesse machte die Ausstellung<br />

vom 12. bis 25. Mai im Industriemuseum<br />

in Chemnitz und vom 7. bis<br />

12. Juni im Olympia-Einkaufszentrum<br />

München halt.<br />

Die Chemnitzer Oberbürgermeisterin<br />

Barbara Ludwig und Uwe Barthel,<br />

<strong>VNG</strong>-Vorstand <strong>Gas</strong>verkauf/Technik,<br />

eröffnen mit dem Chemnitzer Ehren- Der Leipziger Pfarrer Stephan Bickhardt unterzeichnet das Mauerbürger<br />

und Superintendenten a. D.<br />

Christoph Magirius die <strong>VNG</strong>-Ausstelsegment.<br />

Foto: <strong>VNG</strong>/Dirk Brzoska<br />

lung „Mauerfälle“. Nach der Enthüllung des Mauersegments hatte Christoph Magirius, der<br />

1989 Mitinitiator der „Runden Tische“ war, dieses Kunstwerk signiert.<br />

In München eröffnete Stadträtin Dr. Ingrid Anker die <strong>VNG</strong>-Ausstellung – gemeinsam mit dem<br />

Leipziger Pfarrer Stephan Bickhardt, der als Vertreter der Bürgerrechtsbewegung in der DDR u. a.<br />

Mitbegründer von „Demokratie Jetzt“ war. Er signierte das Mauersegment im Anschluss.<br />

Alle Informationen zum projekt finden Sie auch unter: www.mauerfaelle.de<br />

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Erd<strong>gas</strong>speicher<br />

<strong>VNG</strong> und Gazprom<br />

kooperieren bei<br />

Speichersicherheit<br />

<strong>VNG</strong> und die Russische Gazprom haben zwei<br />

Kooperationsvereinbarungen unterschrieben,<br />

die die Zusammenarbeit bei der Sicherung von<br />

Untergrund<strong>gas</strong>speichern weiter festigt. Die bei-<br />

den langjährigen Partner unterstreichen damit<br />

ihre gemeinsamen Forschungsanstrengungen.<br />

„Die Bedeutung von Erd<strong>gas</strong>speichern wächst in<br />

Europa seit Jahren. Die Speicher werden auch in<br />

Zukunft eine wichtige Rolle<br />

spielen, um zum einen die<br />

Versorgungssicherheit zu<br />

gewährleisten und um zum<br />

anderen den Akteuren an<br />

den wichtigen Spot- und<br />

Terminmärkten zu ermög-<br />

lichen, Mengen- und Preis-<br />

schwankungen effektiv zu<br />

nutzen“, betonte Prof. e. h.<br />

Dr.-Ing. Klaus-Ewald Holst,<br />

Vorstandsvorsitzender<br />

von <strong>VNG</strong>, anlässlich der<br />

Internationalen Speicher-<br />

Prof. e. h. Dr.-Ing. Klaus-Ewald Holst,<br />

Vorstandsvorsitzender von <strong>VNG</strong>, be-<br />

tonte auf der Konferenz die Bedeutung<br />

von Untergrund<strong>gas</strong>speichern und<br />

verwies auf die gute Zusammenarbeit<br />

mit den russischen Partnern.<br />

fachkonferenz in Leipzig. Gemeinsam mit der<br />

Gazprom-Tochter VNIIGAZ arbeitet <strong>VNG</strong> künftig<br />

an einer energiesparenden Ejektoranlage für<br />

den UGS Bernburg. Dadurch soll die notwen-<br />

dige Verdichterleistung reduziert und der Ener-<br />

gieaufwand bei der Einspeisung von Erd<strong>gas</strong> in<br />

den Untergrundspeicher verringert werden. Eine<br />

weitere Forschungskooperation wurde mit der<br />

Gazpromenergodiagnostika vereinbart. Beide<br />

Unternehmen entwickeln Verfahren für Messungen<br />

untergrund<strong>gas</strong>speicher von <strong>VNG</strong><br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Beschließen die weitere technische Kooperation: Sergey Vlasov, Generaldirektor der OOO Gaz-<br />

promenergodiagnostika (li., sitzend) und Dr. Volker Busack, Direktor Betrieb/Technologie<br />

(re., sitzend). Dahinter: Klaus-Dieter Barbknecht (Vorstand <strong>VNG</strong>, li.) und Оleg Е. Aksjutin<br />

(Vorstand Gazprom).<br />

О. Е. Aksjutin, Mitglied des Vorstandes der OAO Gaz-<br />

prom und Leiter des Departements für Transport,<br />

Speicherung und <strong>Gas</strong>anwendung: „Die Wichtigkeit<br />

der Untergrundspeicher wächst von Jahr zu Jahr und<br />

hat längst internationale Bedeutung. Umso wichtiger<br />

ist es, die Sicherheit der technischen Anlagen für die<br />

Speicherung von Erd<strong>gas</strong> zu gewährleisten.“<br />

in Untergrundspeichern und konzentrierten sich<br />

dabei auf eine verbesserte Zustandsbewertung<br />

von Sondeninstallationen unter <strong>Gas</strong>. Auf diesem<br />

Gebiet arbeiten <strong>VNG</strong> und die Gazprom-Tochter<br />

schon länger zusammen. Insgesamt kooperieren<br />

<strong>VNG</strong> und die OAO Gazprom bereits seit mehr als<br />

zehn Jahren gemeinsam auf den Gebieten der<br />

<strong>Gas</strong>speicherung, dem <strong>Gas</strong>transport und dem<br />

Einsatz energieeffizienter Anlagen sowie der Op-<br />

timierung bestehender Betriebsprozesse.<br />

<strong>VNG</strong> zählt zu den deutschen Speicherpionieren und den<br />

führenden nationalen Speicherbetreibern. Als drittgrößter<br />

Speicherbetreiber Deutschlands betreibt <strong>VNG</strong> derzeit vier<br />

Speicher: in Bernburg und Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt),<br />

Kirchheilingen (Thüringen) und in Buchholz (Brandenburg).<br />

Zusammen können sie rund 2,6 Milliarden Kubikmeter <strong>Gas</strong><br />

aufnehmen. Diese Menge reicht aus, um etwa eine Million<br />

Einfamilienhäuser ein Jahr lang zu versorgen.<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

7<br />

Die Rolle der Untergrundspei-<br />

cherung in Russland wird nicht<br />

nur durch den Bedarf der Ab-<br />

nehmer in Russland definiert,<br />

sondern auch durch die Siche-<br />

rung der Exporte nach Europa.<br />

Wird an kalten Wintertagen<br />

die Versorgung des Landes<br />

mit bis zu 35 % durch die Spei-<br />

cher unterstützt, so kann der<br />

Gesamt<strong>gas</strong>export mit 25 %<br />

abgedeckt werden.<br />

Hier: Sergei Alexandrowitsch<br />

Khan, Stellv. Leiter des Departements<br />

für Transport, Speicherung<br />

und <strong>Gas</strong>anwendung und<br />

Leiter des Bereiches UGS der<br />

OAO Gazprom


8 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Initiative „Erd<strong>gas</strong> pro Umwelt“ fordert stärkere<br />

Berücksichtigung erd<strong>gas</strong>gestützter Heizsysteme<br />

Bernhard Funk<br />

Die Initiative Erd<strong>gas</strong> pro Umwelt (IEU) setzt sich für<br />

die konsequente Nutzung von Heiztechnologien<br />

ein, die bereits heute gute Ergebnisse hinsichtlich<br />

CO 2-Einsparung und Energieeffizienz erzielen.<br />

„Mit der Erd<strong>gas</strong>-Brennwerttechnik steht uns eine<br />

solche Technologie zur Verfügung. Günstiger als<br />

mit Erd<strong>gas</strong> können Verbraucher CO 2 nicht ein-<br />

dena startet bundesweites Bio<strong>gas</strong>-Register<br />

Die Deutsche Energie-Agentur (dena) entwickelt derzeit zusammen mit<br />

14 führenden Unternehmen der Bio<strong>gas</strong>- und Energiebranche eine bundesweite<br />

internetbasierte Plattform zur Führung des Herkunfts- und Eigenschaftsnach-<br />

weises von Bio<strong>gas</strong>. Dieses so genannte „Bio<strong>gas</strong>register Deutschland“ soll<br />

ab Mitte 2010 die Nachweisführung für Bio<strong>gas</strong> im Erd<strong>gas</strong>netz vereinfachen<br />

und vereinheitlichen. Mit Hilfe des Bio<strong>gas</strong>registers dokumentieren Produ-<br />

zenten, Händler und Verbraucher, welche Art von Bio<strong>gas</strong> sie herstellen,<br />

handeln oder verwenden.<br />

Die BALANCE <strong>VNG</strong> Bioenergie GmbH, eine 100%ige Tochter von <strong>VNG</strong>, hat<br />

sich maßgeblich am Aufbau des Bio<strong>gas</strong>-Registers beteiligt.<br />

Deutschland baut Erd<strong>gas</strong>speicherung aus<br />

sparen. Zudem ist Erd<strong>gas</strong> ideal mit Solarthermie<br />

und Bioerd<strong>gas</strong> kombinierbar“, sagt Bernhard<br />

Funk, Sprecher der Initiative Erd<strong>gas</strong> pro Umwelt.<br />

Es fehle jedoch der nötige politische Nachdruck,<br />

die am Markt verfügbaren Technologien und klima-<br />

schonenden Energieträger effizient zu nutzen,<br />

kritisiert die IEU.<br />

www.ieu.de<br />

Neue Versorgungswege und Vorsorgestrategien sorgen dafür,<br />

dass die Erd<strong>gas</strong>speicherkapazität in Deutschland erheblich aus-<br />

geweitet wird. In den nächsten Jahren werde sich die Kapazität<br />

von 21 auf 37 Mrd. Kubikmeter erhöhen, teilte das Landesamt<br />

für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) mit. Dies bedeute<br />

Investitionen in Milliardenhöhe. Knapp drei Viertel des neuen<br />

Speichervolumens seien in Niedersachsen geplant. Mit dem<br />

Ausbau wolle die Industrie flexibel auf neue Marktentwicklungen<br />

reagieren können, die sich aus dem wachsenden Angebot an<br />

russischem Erd<strong>gas</strong> ergeben.<br />

Im Rahmen ihrer Bilanzpressekonferenz gab auch <strong>VNG</strong> bekannt,<br />

in den Ausbau der Speicher zu investieren. Am Standort Bad<br />

Lauchstädt wurde bereits 2009 mit dem schrittweisen Ausbau<br />

der Speicherkapazität um ca. 260 Mio. m³ Arbeits<strong>gas</strong>volumen<br />

begonnen. Zudem beteiligt sich <strong>VNG</strong> am Ausbau der Untergrund-<br />

<strong>gas</strong>speicher in Etzel und Jemgum.<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


500 Städte verpflichten sich, CO 2 -Ausstoß<br />

um mehr als 20 Prozent zu senken<br />

Mehr als 500 europäische Bürgermeister haben sich<br />

bei einem Bürgermeisterkonvent dazu verpflichtet,<br />

ihre CO 2-Emissionen bis zum Jahr 2020 um mehr<br />

als 20 Prozent zu verringern. Dem Konvent gehören<br />

auch die Oberhäupter von 37 deutschen Städten<br />

an. Mit der Unterzeichnung verpflichten sie sich,<br />

Energie zu sparen, erneuerbare Energien zu fördern<br />

und ihre Bürger hierfür zu sensibilisieren.<br />

Energiekommissar Günther Oettinger erklärte<br />

anlässlich des Konvents: „Städte und Regionen<br />

zeigen, dass die Begrenzung der Folgen des Klima-<br />

wandels eine der besten Strategien zur Konjunk-<br />

turbelebung ist.“<br />

Der Konvent der Bürgermeister ist eine Initiative<br />

der EU-Kommission, die sowohl vom Europäischen<br />

Parlament als auch vom Ausschuss der Regionen<br />

unterstützt wird.<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Energiewirtschaft steht mit 1200 Investitionszuschuss-<br />

Programmen bereit<br />

Am 7. Juli 2010 stimmte der Haushaltsausschuss<br />

des Bundestages einem Entsperrungsantrag für<br />

das Marktanreizprogramm (MAP) zu. Damit sind<br />

die Mittel wieder freigegeben, und das Bundesamt<br />

für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) kann<br />

seit 12. Juli 2010 entsprechende Förderanträge<br />

bearbeiten. Das MAP soll auch in den nächsten<br />

Jahren fortgeführt werden. Die Mittel-Entsperrung<br />

gilt allerdings nicht für das Mini-KWK-Impulspro-<br />

gramm. Das Förderprogramm bleibt damit weiterhin<br />

ausgesetzt. Die deutsche Energiebranche fördert<br />

dagegen auch weiterhin moderne und umwelt-<br />

schonende Wärme-Technologien. So bieten die<br />

Energieversorger nach Angaben des Bundesver-<br />

bandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)<br />

derzeit fast 1200 Investitionszuschuss-Programme<br />

in diesem Bereich an. „Unsere Botschaft an die<br />

Verbraucher lautet: Investitionen lohnen sich noch<br />

immer“, sagte Hildegard Müller, Vorsitzende der<br />

BDEW-Hauptgeschäftsführung.<br />

<strong>VNG</strong> fördert den Einbau von Miniblockheizkraftwerken wie den ecopower der Firma Vaillant.<br />

<strong>VNG</strong> hat mit den programmen Brennwert.plus und Kraftpaket.plus bereits vor Jahren<br />

zwei eigene Marktanreizprogramme aufgelegt. Informationen dazu finden Sie unter:<br />

www.verbundnetzplus.de/kraftpaketplus und www.verbundnetzplus.de/brennwertplus<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

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10 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Stadtwerke Aschersleben GmbH und die 3. landesgartenschau in Sachsen-Anhalt<br />

„Natur findet Stadt“<br />

Ziel der Frühjahrsvisite ist Aschersleben, die älteste Stadt Sachsen-Anhalts, und vom 24. April bis 10. oktober Austragungsort<br />

der 3. landesgartenschau. Den Besucher erwartet eine charmante kleine Stadt, die stolz auf ihre Geschichte ist und die mit<br />

etlichen touristischen Höhepunkten lockt. Aschersleben liegt im Harzvorland zwischen dem ostharz und der Magdeburger<br />

Börde. Beide Regionen bieten Naturfreunden und Geschichtsinteressierten mannigfache und interessante Ziele. Die reizvolle<br />

landschaft mit den Flusstälern der Bode, Selke und Eine laden zu Wanderungen und Radtouren ein.<br />

Von Helmut Rosan, freier Redakteur<br />

landesgartenschau im Duett<br />

von Erholung und Bildung<br />

Aschersleben hat in diese blühende Präsentation<br />

fast 40 Millionen Euro investiert und eng mit<br />

den Projekten der Internationalen Bauausstellung<br />

„IBA Stadtumbau 2010“ verbunden. Zu den<br />

Hauptsponsoren der Schau gehören die hiesigen<br />

Stadtwerke.<br />

50 000 Tulpen, die allein am Eingang Nord blühen,<br />

machen aus Aschersleben nicht gleich ein blumiges<br />

Amsterdam, sehenswert ist es aber allemal. Hier<br />

im Boden finden sich seit kurzem eine halbe Million<br />

Blumenzwiebeln, 60 000 neue Stauden und<br />

300 Bäume machen die Stadt sichtlich attraktiver<br />

und die bisherige touristische Schattenseite im<br />

Vergleich zu Quedlinburg und Wernigerode erheblich<br />

kleiner.<br />

Mitten in der Stadt wurden historische Anlagen<br />

neu hergerichtet. Durch ihre Verbindung mit modernem<br />

Stadtumbau entsteht für die Besucher<br />

ein beeindruckendes Gesamtbild. So wird die<br />

Landesgartenschau unter dem schönen und sinnigen<br />

Leitgedanken „Natur findet Stadt“ auf vier<br />

miteinander vernetzten Teilflächen, die jeweils<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


unter einem speziellen Motto stehen, im Stadt-<br />

zentrum erlebbar: Herrenbreite („Erleben“), Be-<br />

stehornpark („Erlernen“), Stadtpark („Erinnern“)<br />

und Eine-Terrassen („Erholen“).<br />

Der im Jahr 1599 in Aschersleben geborene Univer-<br />

salgelehrte Adam Olearius, der auch als Schriftstel-<br />

ler und Diplomat tätig war, ist mit seinem Wirken<br />

und vielen Forschungsreisen der inspirierende<br />

Pate der Landesgartenschau. Der geniale Kopf<br />

des 16. Jahrhunderts steht für die geschichtliche<br />

Ausstrahlung der Stadt und zugleich für deren<br />

Aufbruch zum Bildungsstandort. Im Stadtmuseum<br />

gibt es eine Sonderausstellung über Olearius’<br />

Wirken.<br />

Speziell für die Schau wurde ein Adam-Olearius-<br />

Weg entwickelt. An Erzähl- und Gartenstationen<br />

erfahren die Besucher Geschichten und Geschichte.<br />

Der Entdeckungspfad erstreckt sich über das<br />

gesamte Gartenschaugelände und bezieht auch<br />

den Promenadenring entlang der historischen<br />

Stadtbefestigungsanlage mit ein.<br />

Die historischen Flächen der Herrenbreite und des<br />

Stadtparks blieben mit ihren gewachsenen Wegebeziehungen<br />

erhalten, typische Baumreihen und<br />

Parkfelder ebenso. Auf der Herrenbreite wich der<br />

alte Springbrunnen einem modernen Fontänenfeld.<br />

Anknüpfend an die Reisen des Adam Olearius<br />

gibt es thematische Spielfelder: Schiffbruch bei<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Natur genießen inmitten der Stadt. Rechts: Detail der Hallenschau im Bestehornpark. Fotos: Christian Schneider<br />

Derben, Querung des Elbrus, Persische Karawanserei<br />

und Wolgawälder.<br />

Auf dem Gelände des Bestehornparks entstanden<br />

so genannte Hörfelder. Zu hören sind Olearius-Geschichten<br />

und Anekdoten aus der Welt des Wissens.<br />

Im Erdgeschoss des modernen Neubaus finden die<br />

Hallenschauen statt. Der Bestehornpark ist auch<br />

das Zentrum der <strong>Gas</strong>tronomie und vielfältiger Veranstaltungen.<br />

Unter dem Motto „Erinnern“ wurden im Stadtpark die<br />

historischen Wege wieder hergestellt. Im Zentrum<br />

des Parks ist eine nach Sternkreiszeichen geordnete<br />

„Pflanzenbibliothek“ für Gartenblumen und Stauden<br />

zu finden, in deren Mitte der sogenannte Aschersleber<br />

Globus steht. Es handelt sich um eine künstlerische<br />

Konstruktion, die an den von Olearius entwickelten<br />

Gottorfer Globus erinnert. Die Fläche am kleinen Fluss<br />

Eine dient der Erholung. Dort lädt ein Weg zum Flanieren<br />

ein und auf bequemen Sitz- und Liegemöbeln<br />

können sich die Besucher entspannen.<br />

Die 170 Tage Gartenschau beinhalten des Weiteren<br />

ein immenses Programm mit etwa 1 000 Veranstaltungen.<br />

Zu den Höhepunkten zählen neben dem<br />

großen Eröffnungsfest am 24. April acht Festivals<br />

sowie Kunst- und Lichtinstallationen. Ab dem 29. Mai<br />

gibt es beispielsweise eine Ausstellung des weltweit<br />

bekannten Leipziger Malers Neo Rauch, der in<br />

Aschersleben aufwuchs.<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

11


12 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Fortsetzung von Seite 11<br />

„Natur findet Stadt“<br />

Der Geschäftsführer der<br />

Stadtwerke Aschersleben<br />

GmbH, Peter Heister.<br />

Zu den absoluten Programm-Höhepunkten gehörte<br />

vom 14. bis 16. Mai die Präsentation von<br />

Erd<strong>gas</strong>fahrzeugen am gemeinsamen Stand der<br />

Stadtwerke und einiger Partner, darunter MITGAS<br />

und <strong>VNG</strong>, gewiss nicht. Einiges Interesse war<br />

dennoch sicher, denn es waren Testfahrten mit<br />

verschiedenen neuen Modellen möglich.<br />

Womit wir bei einem der Hauptsponsoren der<br />

Gartenschau wären: Die Stadtwerke Aschersleben<br />

GmbH (SWA).<br />

Sichere Versorgung im Vierer-pack<br />

Der Firmensitz der SWA befindet sich etwas<br />

am Rande des Stadtzentrums in einem optisch<br />

reizvoll und zweckmäßig umgestalteten alten<br />

Fabrikgebäude in der Magdeburger Straße 26.<br />

Das Unternehmen versorgt die Stadt seit vielen<br />

Jahren sicher mit Strom, Erd<strong>gas</strong>, Trinkwasser und<br />

Fernwärme und erbringt eine ganze Reihe von<br />

Dienstleistungen.<br />

Geschäftsführer Peter Heister erklärt dazu: „Wir<br />

sind immer persönlich vor Ort, suchen gemeinsam<br />

mit unseren Kunden Lösungen, wenn irgendwo<br />

die Säge klemmt und nehmen uns den Belangen<br />

SWA-Daten im Überblick<br />

Erd<strong>gas</strong><br />

Absatz: 107 018 MWh<br />

Netzlänge: 152 km<br />

Anschlüsse: 3 129<br />

Strom<br />

Absatz: 59 628 MWh<br />

Netzlänge: 335 km<br />

Anschlüsse: 5 691<br />

Fernwärme<br />

Absatz: 53 797 MWh<br />

Netzlänge: 133 km<br />

Verbrauchsstellen: 679<br />

Trinkwasser<br />

Absatz: 993 000 m³<br />

Netzlänge: 20 km<br />

Anschlüsse: 4 407<br />

SWA-Firmensitz in der Magdeburger Straße 26.<br />

unserer Kunden mit hoher Fachkompetenz an.<br />

Unsere Kundschaft dankt uns dieses seit Jahren<br />

mit Treue und Akzeptanz.<br />

Unsere erfahrenen und fleißigen Mitarbeiter sind<br />

motiviert und gut qualifiziert. Sie kennen ihr Geschäft.<br />

Damit haben wir ein gutes Potenzial, um<br />

auch in der Zukunft leistungsfähig zu sein. Die<br />

Stadtwerke Aschersleben verstehen sich als Teil<br />

der Gemeinschaft Aschersleben und Umgebung.“<br />

Peter Heister, der aus Chemnitz kommende, studierte<br />

Diplom-Betriebswirt, gehört von Anbeginn<br />

zur Stammbelegschaft und leitet das Unternehmen<br />

seit drei Jahren.<br />

Gemeinsam mit Brigitte Priepke, der Prokuristin,<br />

verweist Heister mit berechtigtem Stolz auf die<br />

Leistungen der 64 Mitarbeiter und zwei Auszubildenden.<br />

So wurde im vergangenen Jahr ein<br />

Gesamtumsatz von 30 100 T € erwirtschaftet.<br />

Die SWA werden von der MITGAS Mitteldeutsche<br />

<strong>Gas</strong>versorgung GmbH mit Erd<strong>gas</strong> versorgt, an der<br />

<strong>VNG</strong> mit 24,60 Prozent beteiligt ist.<br />

Seit 1990 können die Stadtwerke auf moderne<br />

Technik zugreifen. Zunächst wurden die alten<br />

Kohleheizwerke außer Betrieb genommen und<br />

neue Kessel zur Befeuerung mit Heizöl aufgestellt.<br />

Gleichzeitig wurde der Bau eines neuen Fernheiz-<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


netzes zur Versorgung der Innenstadt begonnen.<br />

Das neue Fernwärmenetz trug dazu bei, die An-<br />

zahl kleiner Feuerstätten und damit auch den<br />

Schadstoffausstoß in der Innenstadt und in den<br />

Wohngebieten zu verringern. Heutzutage werden<br />

Staub und Schwefeldioxid praktisch nicht mehr<br />

freigesetzt. Lediglich rund 4 t Stickoxide werden<br />

noch pro Jahr ausgestoßen.<br />

Beide Maßnahmen waren aber nur ein Anfang. Die<br />

SWA arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung<br />

der Umweltfreundlichkeit und der Wirtschaftlichkeit<br />

ihrer Anlagen.<br />

Im Jahr 1998 wurde ein Blockheizkraftwerk in der<br />

Mehringer Straße errichtet. Auch damit tragen die<br />

SWA zur Minderung des Treibhauseffektes durch<br />

rationelle Energienutzung bei. Nicht zuletzt ist<br />

auch die Eigenproduktion des Stromes ein Grund<br />

für den günstigen Strompreis in Aschersleben.<br />

Die Stadtwerke wollen auch weiterhin ökologisch<br />

wertvolle Fernwärme zu attraktiven Preisen anbieten.<br />

Deshalb wurden rund 1,9 Millionen Euro in ein<br />

neues Blockheizkraftwerk am Standort Güstener<br />

Straße investiert, das am 21. April feierlich übergeben<br />

wurde (in Betrieb genommen zum 1. Januar<br />

2010). Der Eigenanteil der Stromerzeugung steigt<br />

mit dem weiteren BHKW auf ca. 35 % an.<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Neben dem wirtschaftlichen hat auch das gesellschaftliche<br />

Engagement der SWA für die Stadt und<br />

die Region einen hohen Stellenwert. Außer der<br />

großzügigen Unterstützung der Gartenschau erfreuen<br />

sich verschiedene Schulen und Sportvereine<br />

(u. a. Handball, Fußball und Basketball), der Zoo,<br />

das Park- und Lichterfest sowie das Gildefest der<br />

Kaufmannsgilde der Förderung durch die SWA.<br />

Aus der Stadtgeschichte<br />

Im Jahre 753 wird die Stadt erstmals urkundlich<br />

erwähnt. Im 11. Jahrhundert fiel Aschersleben an<br />

die Askanier mit Albrecht dem Bären an der Spitze.<br />

Die Stadt wurde im 12. Jahrhundert Mittelpunkt<br />

der Grafschaft und übernahm die Funktion des<br />

Verwaltungs- und Gerichtsortes. Albrecht der Bär<br />

ging durch die Eroberung der Nordmark und der<br />

Mark Brandenburg in die deutsche Geschichte ein.<br />

Er gilt als Begründer des Hauses Anhalt.<br />

1266 erhielt Aschersleben von Heinrich II. das<br />

Stadtrecht. Im 14. und 15. Jahrhundert wurde die<br />

eindrucksvolle Stadtbefestigungsanlage erbaut.<br />

Große Teile sind bis heute erhalten und entlang<br />

eines grünen Promenadenrings zu besichtigen. Die<br />

Stadtmauer hatte eine Gesamtlänge von 2,1 Kilometern.<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

13<br />

SWA-Mitarbeiter Jörg Schwarzer im Gespräch mit Besuchern der Landesgartenschau am<br />

gemeinsamen Stand der Stadtwerke und ihrer Partner.


14 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Fortsetzung von Seite 13<br />

„Natur findet Stadt“<br />

In der Zeit der Raubritter verbündete sich Aschers-<br />

leben 1326 vor allem aus Handelsinteressen<br />

mit Halberstadt und Quedlinburg in einem Drei-<br />

städtebund. Dieser Bund bestand 150 Jahre.<br />

Reformation und Bauernkrieg bestimmten das<br />

16. Jahrhundert. Thomas Müntzer, der Führer des<br />

Bauernaufstandes, soll 1512/13 an der hiesigen<br />

Lateinschule gewirkt haben.<br />

Der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) ging auch an<br />

Aschersleben nicht spurlos vorüber. Plünderungen<br />

und Zerstörungen waren an der Tagesordnung. Im<br />

18. Jahrhundert bestimmten die drei schlesischen<br />

Kriege, insbesondere der Siebenjährige Krieg, das<br />

Leben der Ascherslebener. In der zweiten Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts begann sich die Stadt in<br />

einem rasanten Tempo zu wandeln. Am Rande<br />

Überall in der Stadt dominiert die<br />

Landesgartenschau.<br />

der Stadt entstanden schnell wachsende Indus-<br />

trieunternehmen.<br />

Während der DDR-Zeit prägten vor allem der Werk-<br />

zeug- und Baumaschinenbau, die Verpackungs-<br />

mittelindustrie, der Rohrleitungsbau, der Bau von<br />

Förderanlagen und die Gewürzverarbeitung das<br />

Gesicht der Stadt.<br />

Die ersten Jahre nach der gesellschaftlichen Wende<br />

waren auch hier vom Zusammenbruch der großen<br />

Betriebe und Arbeitslosigkeit geprägt. Die Stadt<br />

begann sich baulich zu verändern. Häuser und<br />

Straßen wurden saniert und das hässliche Fas-<br />

sadengrau verschwand. Im Jahr 2002 gab sich<br />

Aschersleben ein Leitbild, das seither die Ent-<br />

wicklung bestimmt. Auf den Gebieten Wirtschaft,<br />

Bildung und Stadtumbau leistet die Stadt immer<br />

mehr, was sich in einer wachsenden Lebensqualität<br />

der knapp 30 000 Einwohner widerspiegelt.<br />

Aschersleben ist heute das Zentrum der modernen<br />

Vliesstoffproduktion in Sachsen-Anhalt. Traditi-<br />

onsunternehmen sind auf Wachstumskurs und die<br />

noch junge, internationale Textilindustrie entwi-<br />

ckelt sich kräftig. Amerikanische, italienische und<br />

englische Firmen der technischen Textilindustrie<br />

haben sich im Gewerbegebiet „Güstener Straße“<br />

konzentriert. Kurze Wege und gemeinsame Ent-<br />

wicklungen der ansässigen Firmen machen den<br />

Standort attraktiv. Logistiker und Drucker haben<br />

sich auf die großen Vliesstoffhersteller ausgerichtet<br />

und wachsen mit ihnen.<br />

An den Industrie- und Gewerbestandorten der<br />

Stadt wurden bisher rund 232 Mio. Euro in Ge-<br />

bäude, Maschinen und Anlagen investiert. Ein<br />

Großteil des Kapitals stammt aus dem europä-<br />

ischen Ausland und aus Nordamerika. Der hohe<br />

Grad der Internationalisierung zeigt sich in der<br />

hohen Exportquote des verarbeitenden Gewerbes<br />

von zirka 39 Prozent. Die hergestellten Produkte<br />

werden nach Großbritannien, Frankreich, die<br />

Benelux-Staaten, Österreich, Osteuropa und die<br />

USA exportiert.<br />

Stadtimpressionen einer Symbiose<br />

von Alt und Jung<br />

Mutige Ideen der Stadtplanung zeichnen die Mo-<br />

dellstadt der Internationalen Bauausstellung 2010<br />

aus. Die Stadtentwicklung hat die Aufgabe, die<br />

Erhaltung der historischen Bausubstanz mit den<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


klaren Vorgaben des modernen Stadtumbaus zu<br />

verbinden. Ziel ist es, die Stadt ganzheitlich zu<br />

entwickeln und dabei den historisch gewachsenen<br />

Strukturen genauso Rechnung zu tragen wie den<br />

wirtschaftlichen, sozialen und demographischen<br />

Prozessen des neuen Jahrtausends. Das gelingt<br />

augenscheinlich auf beispielhafte Weise.<br />

Bauliche Veränderungen gehen Hand in Hand mit<br />

inhaltlichen Zielsetzungen. Die drei Säulen des<br />

Leitbildes Wirtschaft, Bildung und Stadtumbau<br />

lassen sich immer stärker am Stadtbild ablesen:<br />

die Berufsschule im ehemaligen Fabrikgebäude,<br />

Grundschulen in sanierten Gründerzeitvillen,<br />

Graffitigalerien statt Baulücken, Firmensitze und<br />

Wohnungen in sanierter innerstädtischer Bausubstanz<br />

und moderne Industrieanlagen am<br />

Rande der Stadt. Praktizierte Werterhaltung und<br />

Wertschaffung.<br />

Die Altstadt lädt ein zum Flanieren. Das Wahrzeichen<br />

der Stadt, die 500 Jahre alte St.-Stephani-<br />

Kurzchronik<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Kirche, hat ihre Türen geöffnet. Am Markt dominiert<br />

das Rathaus mit seinen Giebeln und Türmen aus<br />

drei Jahrhunderten. Das ebenfalls hier gelegene<br />

Museum bietet außer Stadtgeschichte den Tempel<br />

einer Freimaurerloge, Handfeuerwaffen und<br />

etliche wechselnde Ausstellungen. Ein besonders<br />

originelles Museum ist das Kriminalpanoptikum<br />

im ehemaligen Gefängnis.<br />

Als Kultur-Treffpunkt inmitten der Altstadt lockt<br />

der Graue Hof, der älteste Profanbau. Hier sorgt<br />

der Kunst- und Kulturverein regelmäßig für eine<br />

beinahe großstädtische Atmosphäre: Ausstellungen,<br />

Konzerte, Programm-Kino und Trommlernacht<br />

ziehen Gäste aus nah und fern an. Neben<br />

der prächtig präsentierten Flora bietet auch die<br />

Fauna Sehenswertes, insbesondere der Zoo auf<br />

der Alten Burg, wo übrigens die einzigen sechs<br />

weißen Tiger im Osten Deutschlands leben. Er<br />

beherbergt überdies über 100 weitere Tierarten,<br />

darunter prächtige Sibirische Tiger.<br />

Das Rathaus von Aschersleben am Marktplatz. Daneben: Sorgfältig restaurierte Häuser in der Innenstadt.<br />

1899: Versorgung der Stadt mit elektrischer Energie durch die Ascherslebener Maschinenbau- und Aktiengesellschaft | 1911: Erwerb des elektrischen Leitungs-<br />

netzes durch die Stadt | 1927–1929: Umstellung des elektrischen Gleichstromnetzes auf Drehstromversorgung | 1950/51: Ausgliederung des Elt-Werkes aus<br />

dem „Kommunalwirtschaftsunternehmen der Stadt Aschersleben“ und Eingliederung in die „VVB Energiebezirk West“. | 1990: Herauslösung der Fernwärme-<br />

versorgungsanlagen aus dem Bestand des VEB Gebäudewirtschaft und Fortführung der Fernwärmeversorgung als Eigenbetrieb der Stadt | 1991: Gründung<br />

der Stadtwerke Aschersleben Fernwärme GmbH | 1996: Verschmelzung der Stadtwerke Aschersleben Fernwärme GmbH und der Stadtwerke Aschersleben<br />

GmbH | 1997: Übernahme der Stromversorgung von der Mitteldeutschen Energieversorgung Aktiengesellschaft. Beteiligung der ME<strong>AG</strong> (heute enviaM) mit 35 %<br />

an der Stadtwerke Aschersleben GmbH | 1998: Übernahme der <strong>Gas</strong>versorgung von der Mitteldeutschen <strong>Gas</strong>versorgung GmbH | 2003: Eröffnung eines Service-<br />

Centers in der Breiten Straße 10 in Aschersleben | 2004: Einführung eines Geografischen Informationssystems (GIS) und neuer Abrechnungssoftware für die<br />

Energielieferungen (Navision/Neutrasoft erp.) | 2006: Gründung der Stadtwerke Aschersleben Netz GmbH als 100%ige Tochter-Gesellschaft der Stadtwerke<br />

Aschersleben GmbH | 2007: Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung „Elektronische Datenaustauschprozesse“ zwischen den Stadtwerken Aschersleben und<br />

Staßfurt | 2008: Inbetriebnahme des Erd<strong>gas</strong>netzes im Ortsteil Winningen | 2010: Inbetriebnahme eines neuen Blockheizkraftwerkes in der Güstener Straße.<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

15


16 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Transportlogistik<br />

Regelenergie sorgt für<br />

Ausgleich im Netz<br />

GASpool benötigt externe Regelenergie, um physische Differenzen<br />

zwischen Ein- und Ausspeisung ausgleichen zu können. Dafür betreibt<br />

das unternehmen eine eigene Regelenergieplattform.<br />

Von Dagmar Krauße, Presse GASPOOL<br />

Verlagertes Risiko: Einer für Alle<br />

Eine der wichtigsten Funktionen des Unterneh-<br />

mens GASPOOL ist das Regelenergiemanagement,<br />

insbesondere der Ein- und Verkauf von externer<br />

Regelenergie. Als Regelenergie bezeichnet man die<br />

physischen <strong>Gas</strong>mengen, die GASPOOL täglich zum<br />

Regeln und Steuern der Netze sowie zum Ausglei-<br />

chen des Saldos aller Bilanzkreisabweichungen<br />

im Marktgebiet benötigt. Reicht dazu die interne<br />

Regelenergie aus dem Netzpuffer und eigenen<br />

Speichern nicht aus, beschafft bzw. veräußert<br />

GASPOOL diese Mengen auf dem <strong>Gas</strong>markt als<br />

externe Regelenergie. In dieser Funktion wird<br />

GASPOOL zum <strong>Gas</strong>händler.<br />

Ursprünglich war der tägliche Ausgleich von <strong>Gas</strong>-<br />

mengen innerhalb eines Bilanzkreises die Aufgabe<br />

des Bilanzkreisverantwortlichen (<strong>Gas</strong>händler,<br />

Dienstleister). Durch GABi <strong>Gas</strong> wurden jedoch die<br />

individuellen Risiken Einzelner nach dem Motto<br />

„Einer für Alle“ auf den jeweiligen Bilanzkreis-<br />

netzbetreiber übertragen.<br />

Das Repo: Innovative online-lösung<br />

Für den Handel mit Regelenergie hat GASPOOL ein<br />

Online-Regelenergieportal (RePo) gewählt. „Mit<br />

dieser Plattform können wir flexibel, schnell und<br />

transparent auf den Bedarf an Regelenergie für<br />

das GASPOOL-Marktgebiet reagieren – Ausschreibungen<br />

gehören der Vergangenheit an“, erläutert<br />

GASPOOL-Geschäftsführer Dr. Ulf Kreienbrock.<br />

Es stehen zwei Produkte zur Auswahl. Das Produkt<br />

„Flexibility“ funktioniert nach dem Prinzip<br />

„Parken und Leihen“ und bietet zwei Varianten.<br />

„Flexibility 1“ („Parken und Leihen“): Das <strong>Gas</strong><br />

wird an Entry- oder Exit-Punkten eines der marktgebietsaufspannenden<br />

Netze – z. B. ONTRAS –<br />

bereitgestellt. „Flexibilität 2“ (entweder nur<br />

„Parken“ oder nur „Leihen“): Das <strong>Gas</strong> wird entweder<br />

an einem physischen Netzpunkt oder aber<br />

am GASPOOL-Hub bereitgestellt. Das Produkt<br />

„Commodity“ bietet die Alternativen „Commodity<br />

1“ (einen Tag im Voraus, „Day-ahead“) und<br />

„Commodity 2“ (langfristig, „Long term“). Beide<br />

werden an einem physischen Netzpunkt oder<br />

dem GASPOOL-Hub erfüllt. Beide Produkte ermöglichen<br />

das Angebot von Losen mit 30 MW<br />

Stundenleistung. Beim Preis (= Arbeitspreis)<br />

können Anbieter zwischen einem Festpreis oder<br />

Auf- bzw. Abschlägen auf einen Spotmarktpreis<br />

(„Commodity 2“) wählen.<br />

EEX erweitert Möglichkeiten<br />

GASPOOL nutzt auch eine zweite Möglichkeit für<br />

den Regelenergiehandel: Seit Mitte Mai ist der<br />

Marktgebietsverantwortliche als Börsenteilnehmer<br />

an der European Energy Exchange <strong>AG</strong> (EEX) für den<br />

GASPOOL ist ein Tochterunternehmen der ONTRAS sowie der Fern<strong>gas</strong>netzbetreiber DONG Energy Pipelines , <strong>Gas</strong>unie Deutschland<br />

und Win<strong>gas</strong> Transport mit Sitz in Berlin. Seit 1. Oktober 2009 ist dieses Unternehmen als Marktgebietsverantwortlicher<br />

zuständig für das Bilanzkreis- und Regelenergiemanagement des Marktgebiets GASPOOL. Dieses umfasst neben den Netzen<br />

der Anteilseigner auch das Netz der StatoilHydro Deutschland . GASPOOL betreibt auch den virtuellen Handelspunkt GASPOOL<br />

Hub. ONTRAS übernimmt im Rahmen dieser Marktgebietskooperation bestimmte Aufgaben als Dienstleister im Auftrag von GAS-<br />

POOL. Geschäftsführer sind Ingrid Peters (<strong>Gas</strong>unie), Ludger Hümbs (Win<strong>gas</strong> Transport) und Dr. Ulf Kreienbrock (ONTRAS).<br />

www.<strong>gas</strong>pool.de<br />

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Foto: aboutpixel.de/Markus Pöhlmann<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Flexible Quelle für Regelenergie: GASPOOL handelt jetzt auch an der Leipziger Energiebörse EEX. Foto: <strong>Gas</strong>pool<br />

Handel am Spotmarkt für Erd<strong>gas</strong> zugelassen. Der<br />

Handel an der EEX bietet GASPOOL neue Bezugs-<br />

quellen und mehr Flexibilität bei der Beschaffung<br />

von Regelenergie. Für eine intensive Vernetzung<br />

mit dem europäischen Markt bietet die EEX als<br />

Börsenplattform mit knapp 70 registrierten Teil-<br />

nehmern beste Voraussetzungen.<br />

Regelenergie gesucht<br />

Die Regelenergiesituation bei GASPOOL war im<br />

letzten Winter angespannt – übrigens gilt das<br />

Regelenergie<br />

Als Regelenergie bezeichnet<br />

man die physischen <strong>Gas</strong>men-<br />

gen, die ein Netzbetreiber<br />

täglich zum Regeln und<br />

Steuern der Netze sowie zum<br />

Ausgleichen des Saldos aller<br />

Bilanzkreisabweichungen im<br />

Marktgebiet benötigt. Reicht dazu die interne Regelener-<br />

gie aus dem Netzpuffer und eigenen Speichern nicht aus,<br />

müssen die Netzbetreiber diese Mengen auf dem <strong>Gas</strong>markt<br />

als externe Regelenergie beschaffen.<br />

auch für andere Marktgebiete. Da das Marktgebiet<br />

permanent unterdeckt war, musste GASPOOL<br />

für externe Regelenergie von Oktober 2009 bis<br />

Ende Januar 2010 erhebliche Millionenbeträge<br />

aufwenden. Durch GABi <strong>Gas</strong> kommt es aber zu<br />

zeitverzögerten Abrechnungen gegenüber den<br />

Bilanzkreisverantwortlichen, festgelegte Auf- bzw.<br />

Abschläge auf die Marktpreise finden Anwendung.<br />

Dadurch muss GASPOOL den Regelenergieein-<br />

kauf faktisch vorfinanzieren. Die Gründe für die<br />

permanente Unterdeckung liegen im komplexen<br />

Zusammenspiel verschiedenster Faktoren, die<br />

Regelungen von GABi <strong>Gas</strong> sind der wesentliche<br />

Auslöser hierfür.<br />

Nach Diskussion mit Marktgebietsverantwortlichen<br />

und Netzbetreibern hat die Bundesnetzagentur<br />

erste Maßnahmen für einen optimierten Einkauf<br />

von Regelenergie getroffen. Ein Schritt in die rich-<br />

tige Richtung: „Die reibungslose Regelenergiebe-<br />

schaffung ist und bleibt Voraussetzung für ein auf<br />

Dauer funktionierendes GASPOOL-Marktgebiet“,<br />

betont Kreienbrock.<br />

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18 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

24-h-Rennen<br />

Die Hölle ist grün<br />

Von Alexander Wirp, <strong>VNG</strong><br />

In diesem Jahr bewiesen vor 220 000 Fans drei<br />

mit Bioerd<strong>gas</strong> betankte und gut 330 PS starke VW<br />

Scirocco, dass auch dieser Kraftstoff bei einem<br />

der härtesten Rennen auf einer der schwierigsten<br />

Rennstrecken der Welt Siegerlorbeeren ernten<br />

kann. Waren es im vergangenen Jahr noch drei<br />

benzingetriebene und zwei mit Erd<strong>gas</strong> betankte<br />

Sciroccos, die von VW ins Rennen geschickt wurden,<br />

vertraute man dieses Jahr voll und ganz auf<br />

Bioerd<strong>gas</strong>. Das freute auch die Flora und Fauna<br />

am Ring: – 80 % CO2. Sprint statt Marathon<br />

Schon im Vorfeld des Rennens hatten die Bioerd<strong>gas</strong>-Sciroccos<br />

für Furore gesorgt. Bei Testfahrten<br />

hatten sie mit 8:47 Minuten den Rundenrekord für<br />

frontgetriebene Fahrzeuge pulverisiert. Entsprechend<br />

gut gerüstet ging es ins Qualifikationstraining<br />

für den Marathon zweimal rund um die Uhr.<br />

Während ganz vorne die Audi R8 LMS-Flotte mit<br />

Der dreimalige Formel-1-Weltmeister Jackie<br />

Stewart bezeichnete schon 1968 die Nürburgring-Nordschleife<br />

auf Grund ihrer anspruchsvollen<br />

Streckenführung sowie der angrenzenden<br />

Flora als „Grüne Hölle“. Beim 38. ADAC-Zurich-<br />

24-h-Rennen zeigten drei Volkswagen Scirocco<br />

GT24-CNG und die erd<strong>gas</strong> mobil GmbH eindrucksvoll,<br />

wie mit Bioerd<strong>gas</strong> die „Hölle grün“ wird.<br />

VW Scirocco GT24-CNG mit BioErd<strong>gas</strong> unterwegs in der „Grünen Hölle“. Fotos: Volkswagen Motorsport<br />

den Porsche 911 GT 3 R und den BMW M3 GT2<br />

um die Pole Position rangelten, erfuhren sich die<br />

Bioerd<strong>gas</strong>-Coupés eine gute Ausgangsposition für<br />

das Rennen. Wie im Vorjahr war auch die diesjährige<br />

Ausgabe des 24-h-Rennens ein mit Spannung<br />

geladenes Knallbonbon, bei dem 200 Autos an den<br />

Start gingen. 10 Führungswechsel in den ersten<br />

13 Stunden sprechen für sich. Dass es sich bei<br />

diesem Rennen schon lange nicht mehr um einen<br />

Marathon statt vielmehr um ein Sprintrennen handelt,<br />

wurde allen Beteiligten nach 21 Rennstunden<br />

klar. Der bis dato führende Hybrid-Porsche 911<br />

GT 3 R, der neben einem Ottomotor zwei jeweils<br />

60 Kilowatt starke Elektromotoren besitzt, rollte<br />

mit technischem Defekt an die Box. Nach der<br />

13-minütigen Reparaturpause lag der zweitplatzierte<br />

BMW M3 GT2 nur noch zwei Minuten hinter<br />

dem Porsche – und das nach 21 Rennstunden! Das<br />

endgültige Aus für den Hybrid-Porsche kam schließlich<br />

nach einem weiteren technischen Defekt kurz<br />

vor Rennende. Da in der Nacht gegen halb elf Uhr<br />

bereits die Siegambitionen des Vorjahressiegers,<br />

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Einmal voll tanken, bitte! Mit ca. 300 bar<br />

Druck wird das Bioerd<strong>gas</strong> der erd<strong>gas</strong> mobil<br />

GmbH in den Scirocco gepumpt.<br />

Boxenstopp: Einmal neue Reifen, bitte!<br />

der Manthey-Equipe und ihres Porsches, bei einem<br />

spektakulären Unfall bei Tempo 220 km/h an der<br />

Leitplanke zerschellten, war der Weg nun frei zum<br />

Gesamtsieg des BMW M3 GT2.<br />

Statt Emissionen bleibt die Konkurrenz zurück<br />

Mit 100 Prozent Zuverlässigkeit und 80 Prozent<br />

weniger Emissionen erreichten die Bioerd<strong>gas</strong>-<br />

Sciroccos nach 24 Stunden das Ziel. Dabei wurden<br />

lediglich die planmäßigen Boxenstopps genutzt,<br />

um die Tanks wieder mit dem durch die erd<strong>gas</strong><br />

mobil GmbH bereitgestellten Bioerd<strong>gas</strong> zu befül-<br />

len. Neben der schnellsten Rennrunde mit 9:04<br />

Minuten für frontgetriebene Fahrzeuge stand ein<br />

Dreifachsieg für die mit Bioerd<strong>gas</strong> befeuerten<br />

Sciroccos in der Klasse für alternative Antriebe<br />

in den Ergebnislisten. Damit nicht genug. Start-<br />

nummer 117, pilotiert von Rennamazone Vanina<br />

Ickx (Belgien), Nasser Al-Attiyah (Katar), Dieter<br />

Depping (Deutschland) und Klaus Niedzwiedz<br />

(Deutschland), fuhr sogar einen beeindruckenden<br />

16. Gesamtrang heraus.<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Nicht nur die Autos, auch die Fans gaben Voll<strong>gas</strong> und brannten ein Feuerwerk ab.<br />

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19<br />

So sehen Sieger aus: Dieter Depping, Nasser Al-Attiyah, VW-Motorsport-Direktor Kris Nissen,<br />

Vanina Ickx, Klaus Niedzwiedz (v. l. n. r.).


Foto: erd<strong>gas</strong> mobil<br />

20 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Dr. Timm Kehler<br />

Interview<br />

Bioerd<strong>gas</strong> ist der „hidden champion“<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> sprach anlässlich des 24-h-Rennens mit Dr. Timm Kehler,<br />

Geschäftsführer der erd<strong>gas</strong> mobil GmbH in Berlin.<br />

Herr Dr. Kehler, ein Dreifachsieg in der<br />

Klasse für alternative Antriebe sowie<br />

Gesamtrang 16 für den mit Bioerd<strong>gas</strong><br />

betankten VW Scirocco GT24-CNG<br />

beim 24-h-Rennen auf dem Nürburg-<br />

ring. Wie fällt die Bilanz aus Sicht der<br />

erd<strong>gas</strong> mobil GmbH aus?<br />

Ganz klar: Bioerd<strong>gas</strong> ist der Kraft-<br />

stoff für Sieger. Das beweisen die<br />

Ergebnisse. Die Erd<strong>gas</strong>-Scirocco haben<br />

nicht nur alle anderen alternativen Antriebe hinter sich<br />

gelassen, sondern auch eine große Zahl an herkömmlich<br />

angetriebenen Fahrzeugen. Die hervorragenden Platzie-<br />

rungen spiegeln auch den hohen technischen Standard<br />

des Erd<strong>gas</strong>antriebs wieder. Im Gegensatz zu den anderen<br />

alternativen Antrieben gab es keine technischen Probleme;<br />

die Rennwagen liefen reibungslos und holten so den<br />

Dreifachsieg. Und eines sollten wir nicht vergessen: Dank<br />

Bioerd<strong>gas</strong> bleibt die „Grüne Hölle“ wirklich grün.<br />

Minus 80 prozent Co2 prangte in großen lettern auf den<br />

Sciroccos. Welches potenzial sehen Sie im Kraftstoff<br />

Bioerd<strong>gas</strong> bzw. Erd<strong>gas</strong> im Automobilsektor?<br />

Bioerd<strong>gas</strong> ist der „hidden champion“ unter den Kraftstoffen.<br />

Er steht für eine serienreife Technik, geringe Tankkosten<br />

und sehr niedrigen Schadstoffausstoß. Angesichts der<br />

Klimaziele der Bundesregierung ist ein größerer Marktanteil<br />

nicht nur wünschenswert, sondern ein Muss.<br />

Wir arbeiten derzeit an einer verbindlichen Roadmap, um<br />

Erd<strong>gas</strong> und Bioerd<strong>gas</strong> als Kraftstoff weiter nach vorne zu<br />

bringen. Auch durch den Kraftstoffquotenhandel an der<br />

Tankstelle wird Bioerd<strong>gas</strong> attraktiver. Mineralölkonzerne<br />

sind zur Beimischung von Biokraftstoffen verpflichtet. Wer<br />

eine Erd<strong>gas</strong>tankstelle betreibt und Bioerd<strong>gas</strong> beimischt,<br />

kann „Bio-Quoten“ anbieten. Wir gehen von einer starken<br />

Nachfrage aus, die für Erd<strong>gas</strong>tankstellenbetreiber eine<br />

interessante Erlösquelle bietet.<br />

Ihr unternehmen richtet seit diesem Jahr gemeinsam mit<br />

Volkswagen den Scirocco R-Cup aus. Welche Erwartungen<br />

knüpfen Sie an dieses Engagement?<br />

130 Oktan und saubere Turbomotoren sind die Zukunft<br />

der Mobilität. erd<strong>gas</strong> mobil und Volkswagen Motorsport<br />

zeigen mit dem Markenpokal, wie viel Power in Erd<strong>gas</strong><br />

und Bioerd<strong>gas</strong> steckt. Es ist weltweit einmalig, dass Motorsport<br />

mit einem klimaschonendem Antrieb verbunden<br />

ist. Unser Motto lautet: „Race on Sunday, buy on Monday.“<br />

Erd<strong>gas</strong>fahrzeuge sind im Hier und Jetzt angekommen und<br />

verbinden Fahrspaß mit Sparspaß.<br />

Welche neuen Entwicklungen gibt es im Bereich der<br />

Infrastruktur für Erd<strong>gas</strong>tankstellen bzw. dem Erd<strong>gas</strong>fahrzeug-Angebot?<br />

Hier tut sich aktuell sehr viel. Dazu hat auch die Fusion<br />

von der erd<strong>gas</strong> mobil GmbH in Berlin mit der erd<strong>gas</strong> mobil<br />

GmbH & Co. KG in Essen beigetragen. Ganz oben auf unserer<br />

Prioritätenliste steht der aktive Ausbau der Infrastruktur<br />

und die Beratung der Energieversorger bei der Errichtung<br />

von Tankstellen. Der Fokus liegt auf autobahnnahen<br />

Tankstellen und qualitativ hochwertigen Standorten.<br />

Daneben ist sicherlich auch das Fahrzeugangebot ein<br />

wichtiges Thema. Auch hier geht es voran. Erstmals hat<br />

sich mit Volkswagen ein Hersteller entschlossen, sein neu<br />

aufgelegtes Volumenmodell Touran schon zum Start mit<br />

einem Erd<strong>gas</strong>-Turbomotor anzubieten. Mercedes zieht<br />

ebenfalls nach und bietet die neue E-Klasse voraussichtlich<br />

ab Herbst mit Erd<strong>gas</strong>antrieb an.<br />

Welche Rolle nimmt die erd<strong>gas</strong> mobil GmbH in diesem<br />

prozess ein?<br />

Wir geben dem Thema Erd<strong>gas</strong> und Bioerd<strong>gas</strong> als Kraftstoff<br />

neuen Schwung. Neben dem Infrastrukturausbau haben<br />

wir die Themen Marktentwicklung und Markenaufbau auf<br />

unserer Agenda. Durch unseren Sitz in Berlin haben wir viele<br />

Möglichkeiten. Wir nutzen zum Beispiel die Nähe zur Politik,<br />

um das Thema wieder auf die politische Agenda zu bringen.<br />

Wir beraten und unterstützen außerdem die Tankstellenbetreiber<br />

in ganz Deutschland und verstehen uns als<br />

Sprachrohr der <strong>Gas</strong>wirtschaft gegenüber Automobilherstellern,<br />

Politik und Öffentlichkeit.<br />

Herr Dr. Kehler, vielen Dank für das Gespräch.<br />

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<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Aus der praxis<br />

Aktuelle Feldtests mit Erd<strong>gas</strong>techniken<br />

Derzeit laufen bundesweit eine Vielzahl an Feldtests an, die sich mit der Erprobung neuer Erd<strong>gas</strong>technologien im Ein- und Zwei-<br />

familienhaus befassen. Im Mittelpunkt der Tests stehen u. a. micro-KWK-Anlagen und Brennstoffzellen zahlreicher Hersteller.<br />

Gemeinsam mit ihren Kunden unterstützt <strong>VNG</strong> die Feldtests und die anschließende Markteinführung fertiger Seriengeräte.<br />

Ein neues Mikro-BHKW<br />

für uckro<br />

Ein Mikro-Blockheizkraftwerk der Firma<br />

Vaillant ist jüngst in einem Einfamilienhaus<br />

in Uckro (Brandenburg) in den<br />

Feldtest gegangen. Zusammen mit dem<br />

Hersteller, den Stadt- und Überlandwerken<br />

Luckau-Lübbenau und einem<br />

örtlichen Installateur hat <strong>VNG</strong> die neue<br />

Erd<strong>gas</strong>technologie eingebaut. Das Gerät<br />

mit 2,8 kW thermischer und 1,0 kW<br />

elektrischer Leistung wird besonders<br />

viele Betriebsstunden leisten, um das<br />

320 m2 große Haus zu beheizen und<br />

gleichzeitig Strom zu erzeugen. Dieser<br />

Strom wird sowohl für die Eigenversorgung<br />

verwendet als auch ins örtliche<br />

Stromnetz eingespeist. Bei höherem<br />

Wärmebedarf liefert ein Zusatzheizgerät,<br />

ein hocheffizientes Brennwertwandgerät<br />

der Firma Vaillant, die erforderliche<br />

Wärme.<br />

Stirlingmotor wird in<br />

Bad Arolsen erprobt<br />

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21<br />

Feldtest mit der ersten Brennstoffzelle<br />

in Weißenfels<br />

In Bad Arolsen, Hessen, befindet sich<br />

eine Mikro-KWK-Anlage der Firma Viessmann<br />

im Feldtest. Die Anlage soll ein<br />

Einfamilienhaus mit 210 m2 Im Rahmen des Praxistests „Callux“<br />

errichtete <strong>VNG</strong> im April 2010 eine Brennstoffzelle<br />

im Versorgungsgebiet der<br />

Wohnfläche Stadtwerke Weißenfels. Das Gerät ist<br />

beheizen und gleichzeitig Strom erzeu- eine kleine, dezentrale Kraft-Wärmegen.<br />

Projektpartner in der ehemaligen Kopplungs-(KWK-)Anlage, die sowohl<br />

Residenzstadt sind <strong>VNG</strong> und die Energie Strom als auch Wärme verbrauchsnah<br />

Waldeck-Frankenberg GmbH (EWF). umweltfreundlich erzeugt. Dieser Feldtest<br />

erfolgt gemeinsam mit dem Anlagenhersteller<br />

Hexis GmbH aus Konstanz, den<br />

Stadtwerken Weißenfels und <strong>VNG</strong>.<br />

Die in Weißenfels eingesetzte kleine<br />

Brennstoffzellen-KWK-Anlage erzeugt<br />

aus Erd<strong>gas</strong> 1 kW elektrische Energie mit<br />

einem Wirkungsgrad von ca. 30 %. Die<br />

dabei frei werdende Wärme von etwa 2 kW<br />

dient der Raumheizung und der Bereitung<br />

von warmem Brauchwasser. Ein Zusatz-<br />

Hermann Wagener (Bauleiter/Veltum GmbH), brenner mit<br />

Arno Puy (Architekt/Architekturbüro Müntinga & 20 kW Heiz-<br />

Puy BDA), Eva Müntinga (Architekt/Architekturbüro<br />

Müntinga & Puy BDA), Ute Scholz (Operatives<br />

Marketing/<strong>VNG</strong>) und André Plättner (Technololeistungunterstützt<br />

die<br />

gie Center/<strong>VNG</strong>) besprechen den Feldtest in Bad Brennstoff-<br />

Arolsen. Fotos: EWF zelle im Bedarfsfall.<br />

Die<br />

Die Viessmann Mikro-KWK-Anlage ist Brennstoff-<br />

eine Kombination aus einem Freikolben zelle nutzt<br />

Stirlingmotor und einem hocheffizienten den Brenn-<br />

<strong>Gas</strong>-Brennwertgerät. Mit den Leistungsstoff Erd<strong>gas</strong><br />

daten des Stirlings (1 kW el und 6 kWth ) zu mehr als<br />

wird die Grundlast des Wärmebedarfs<br />

abgedeckt. Bei höherem Wärmebedarf<br />

liefert das integrierte <strong>Gas</strong>-Brennwertgerät<br />

zusätzlich bis zu 18 kWth .<br />

Ziel des Feldtests ist, die Komponenten<br />

und Geräte im Alltagsbetrieb zu erproben<br />

und die dabei gewonnenen Erkenntnisse<br />

90 % aus.<br />

zur Weiterentwicklung zu nutzen. Foto: Hexis


22 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Studie<br />

Erd<strong>gas</strong>-Brennwerttechnik belegt erneut<br />

Spitzenplatz im deutschen Heizungsmarkt<br />

Die Erd<strong>gas</strong>-Brennwerttechnik gehört zu den Gewinnern im deut-<br />

schen Wärmemarkt. Das geht aus den Marktdaten für das Jahr<br />

2009 hervor, die der Bundesindustrieverband Deutschland Haus-,<br />

Energie- und Umwelttechnik e. V. (BDH) im Frühjahr vorstellte.<br />

Den Daten zufolge sind die Absatzzahlen für Erd<strong>gas</strong>-Brennwert-<br />

AMI 2010<br />

Erd<strong>gas</strong>-E-Klasse feiert Premiere<br />

Auf der AMI Leipzig feierte die Limousine der E-Klasse mit<br />

bivalentem Erd<strong>gas</strong>antrieb Premiere. Den E 200 NGT (Natural<br />

<strong>Gas</strong> Technology) gibt es bereits seit Frühjahr 2004, ab Herbst<br />

2010 ist der neue Wagen mit bivalentem Benzin-Erd<strong>gas</strong>-Antrieb<br />

und 184 PS wieder verfügbar.<br />

heizungen 2009 gegenüber dem Vorjahr um sieben Prozent<br />

gestiegen. Der gesamte Heizungsmarkt verzeichnete hingegen<br />

lediglich ein Plus von drei Prozent. Mit einem Anteil von mehr<br />

als 50 Prozent hat die Erd<strong>gas</strong>-Brennwerttechnik im Vergleich<br />

der Wärmeerzeuger ihren Spitzenplatz weiter ausgebaut.<br />

<strong>Verbundnetz</strong> plus I<br />

Neuer Partner für Kraftpaket.plus<br />

Der Gemeinschaftsstand „Erd<strong>gas</strong>fahrzeuge“ präsentiert sich in diesem Jahr mit<br />

einem neuen Standkonzept und neuem Branchenlogo „ERDGAS – Natürlich mobil“.<br />

<strong>VNG</strong> hat mit der Firma SenerTec einen weiteren Partner für ihr Programm Kraftpaket.plus ins Boot geholt. Das<br />

Unternehmen aus Schweinfurt produziert das Mini-Blockheizkraftwerk „Dachs“. Neben SenerTec ist auch die<br />

Geraer Vaillant-Tochter Powerplus Technology (PPT) Mitglied der Initiative.<br />

www.verbundnetzplus.de/kraftpaketplus<br />

Fotos: Christian Schneider<br />

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<strong>Verbundnetz</strong> plus II<br />

Großer Erfolg für Brennwert.plus<br />

Hannover Messe<br />

Neues Mikro-BHKW vorgestellt<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Mehr als 1815 neue Brennwertkessel mit elf Marktpartnern in Ostdeutsch-<br />

land installiert – das ist die stolze Zahl, die <strong>VNG</strong> im April für ihr Markt-<br />

anreizprogramm bekannt gegeben hat. Erst im Frühjahr 2009 startete<br />

<strong>VNG</strong> die Aktion gemeinsam mit teilnehmenden Energieversorgern und<br />

Installationsbetrieben. Bei dem Programm werden Endkunden für vier Jahre<br />

mit einem jährlichen Zuschuss in Höhe von 90 € für die Heizungswartung<br />

belohnt, wenn sie eine Erd<strong>gas</strong>-Brennwertheizung neu installieren, auf dieses<br />

Heizungssystem umstellen oder eine vorhandene Anlage erneuern.<br />

Ihr Ansprechpartner: Sandro pautz I Telefon: 0341 443-2370 I E-Mail: sandro.pautz@vng.de I www.verbundnetzplus.de/brennwertplus<br />

Auf der Hannover Messe feierte das von <strong>VNG</strong> entwickelte<br />

und von Kirsch HomeEnergy (Trier) produzierte microBHKW<br />

HomeEnergy L 4.12 Weltpremiere. Die Anlage macht KWK-<br />

Technologie auch für Ein- und Zweifamilienhäuser wirtschaft-<br />

lich interessant. Kirsch plant nach einer Feldtestphase mit<br />

seriengefertigten Geräten in 2010, die Markteinführung ab<br />

März 2011. Ab diesem Zeitpunkt wird auch Kirsch die am<br />

Kraftpaket.plus beteiligten Unternehmen verstärken.<br />

Durch eine dezentrale Energieversorgung mit KWK ist es<br />

möglich, bis zu 40 Prozent an Primärenergie und bis zu<br />

60 Prozent der CO2-Emissionen gegenüber der konventionellen<br />

getrennten Erzeugung von Strom und Wärme<br />

einzusparen. Die KWK-Technologien sind außerdem ohne<br />

jede Umrüstung dafür geeignet, Bioerd<strong>gas</strong> zu nutzen und<br />

die CO2-Bilanz damit noch weiter zu verbessern.<br />

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23<br />

Die leistungsdaten des microBHKW<br />

HomeEnergy l 4.12<br />

• 5–12 kW thermische Leistung<br />

• 2–4 kW elektrische Leistung<br />

• Gesamtwirkungsgrad: 95 %<br />

• Wirkungsgrad thermisch: 70 %<br />

• Wirkungsgrad elektrisch: 25 %<br />

• Variante: Erd<strong>gas</strong><br />

• Gewicht: ca. 200 kg<br />

• Schallpegel in 1 m Abstand: max 55 dB(A)<br />

• Maße (h x b x t): 1 270 x 675 x 790 mm<br />

• Ab<strong>gas</strong>werte: ½ TH Luft<br />

ERDGAS.training<br />

<strong>VNG</strong> bietet Schulung zur Gesetzesnovellierung<br />

Unter dem Titel „Anwendung und Umwelt“ findet am<br />

31. August 2010 in Perleberg die nächste Veranstaltung<br />

der Schulungsreihe ERDGAS.training statt. Im Mittelpunkt<br />

stehen aktuelle politische Vorgaben, unter anderem<br />

aus dem Erneuerbare Energiengesetz, dem Erneuerbare<br />

Ihre Ansprechpartnerin: ulrike otto I Telefon: 0341 443-2832 I E-Mail: ulrike.otto@vng.de<br />

Energien Wärmegesetz sowie neue Gesetze und neue<br />

Regelungen zu KWK.<br />

Außerdem macht Sie der Kurs fit für die Beratung zur<br />

Energieträgerauswahl und gibt einen Ausblick auf den<br />

Modernisierungsmarkt.


24 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Marketingaktion<br />

Mit dem Rad durchs Münsterland –<br />

kein Reisebericht!<br />

Im Frühjahr 2009 wurde eine gemeinsame Aktion von <strong>VNG</strong> und den Stadtwerken Greven begonnen,<br />

um inaktive Hausanschlüsse wieder zu aktivieren. Durchaus mit Erfolg, deshalb startet die Aktion<br />

auch dieses Jahr wieder.<br />

Ab März 2009 hatten die Stadtwerke Greven<br />

rund 750 Grundstückseigentümer mit inaktiven<br />

Erd<strong>gas</strong>hausanschlüssen angeschrieben und den<br />

persönlichen Besuch eines externen Energieberaters<br />

angekündigt. Im verstreuten Netzgebiet<br />

der Stadtwerke Greven – die Region liegt in der<br />

ländlichen Umgebung des Münsterlandes – erwies<br />

sich diese Aktion als logistische Meisterleistung.<br />

Energieberater Sven Ahrendt aus Berlin löste das<br />

Problem auf sehr unkonventionelle Art und Weise:<br />

So wie es im Münsterländer Raum üblich ist, nutzte<br />

er für die täglichen Besuche ein Fahrrad.<br />

Im Rahmen der Kundengespräche erstellte er eine<br />

überschlägige Wärmebedarfsberechnung und nahm<br />

die aktuellen Objektdaten der Heizungsanlagen<br />

auf. Im Mittelpunkt der Beratungsgespräche ging<br />

es darum, welche Vorteile die Erd<strong>gas</strong>anwendung<br />

bietet, wie man seine Anlage auf Erd<strong>gas</strong> umstellen<br />

oder eine neue Anlage installieren könne.<br />

Im Dialog mit dem Endverbraucher<br />

Erfolg ist nur möglich, wenn potenzielle Kunden Qualität erkennen können und dem Unternehmen<br />

Vertrauen entgegenbringen. Mit persönlichen Verkaufsgesprächen unterstützt <strong>VNG</strong><br />

ihre Kunden umfassend bei der Gewinnung von Haushaltskunden und Kleinverbrauchern<br />

für das Produkt „Erd<strong>gas</strong>“.<br />

Ihr Ansprechpartner: Klaus-Dieter Grumm<br />

Telefon: 0341 443-2903 I E-Mail: klaus-dieter.grumm@vng.de<br />

Sven Ahrendt hat sein Fahrrad bereits<br />

wieder flottgemacht – die nächste Aktion<br />

startete in diesem Frühjahr.<br />

„Wir können die Hausbesitzer, mit denen wir im<br />

Laufe des vergangenen Jahres gesprochen haben,<br />

in drei Gruppen unterteilen“, erklärt Sven Ahrendt.<br />

Das seien zum einen die potenziellen Kunden, die<br />

sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten<br />

drei Jahren für eine Aktivierung ihres aktuell nicht<br />

genutzten Hausanschlusses entscheiden werden.<br />

Hinzu kommen jene Grundstücksbesitzer, die<br />

dem Energieträger Erd<strong>gas</strong> zwar positiv gegenüber<br />

stehen, sich aber aus verschiedensten Gründen<br />

nicht in den nächsten drei Jahren zur Aktivierung<br />

des Hausanschlusses entschließen würden. Dieser<br />

Gruppe wird der Vertrieb der Stadtwerke Greven<br />

in den kommenden Jahren große Aufmerksamkeit<br />

schenken und sie regelmäßig über das Produkt<br />

Erd<strong>gas</strong> informieren. Schließlich traf Sven Ahrendt<br />

auch auf jene Grevener, für die die Nutzung des<br />

Hausanschlusses für Erd<strong>gas</strong> nicht infrage kommt.<br />

Darüber, ob und inwiefern sie zukünftig kommunikativ<br />

angesprochen werden, ist derzeit noch offen.<br />

Dass die Aktion in Greven durchaus von Erfolg<br />

gekrönt war, davon ist Sven Ahrendt überzeugt:<br />

„Innerhalb des Aktionszeitraumes haben die Stadtwerke<br />

Greven 29 Hausanschlüsse in Betrieb genommen.“<br />

Das mag auch der Grund sein, warum Sven<br />

Ahrendt sein Fahrrad zum Frühlingsbeginn wieder<br />

flottgemacht hat – und seit einigen Wochen bei<br />

Wind und Wetter im Münsterland unterwegs ist.<br />

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Vertrieb.Consult<br />

Vertrieb.Consult ist spezialisiert auf Verkaufsförde-<br />

rung und Absatzsteigerung von Energieprodukten.<br />

Diese thematische und branchenspezifische Fokus-<br />

sierung ist die Garantie, dass wir bestens mit Ihren<br />

Herausforderungen vertraut sind und Sie optimal<br />

bei der Fortführung Ihrer unternehmerischen<br />

Erfolgsgeschichte unterstützen können.<br />

Nächste Veranstaltungen von Vertrieb.Consult:<br />

18. September 2010: „Industriekunden“<br />

28. oktober 2010: „Die Wohnungswirtschaft“<br />

www.vertrieb-consult.de<br />

24. bis 27. August 2010<br />

oNS 2010 – offshore Northern Seas<br />

Stavanger, Norwegen<br />

www.ons.no<br />

31. August 2010<br />

ERDGAS.training:<br />

„Anwendung & umwelt“<br />

Perleberg<br />

www.verbundnetzplus.de<br />

01. bis 30. September 2010<br />

Tagung „Energie und Rohstoffe 2010“<br />

Technische Universität Clausthal<br />

www.energie-und-rohstoffe.org<br />

02. September 2010<br />

13. Energietag Rheinland-pfalz<br />

Fachhochschule Bingen<br />

03. bis 05. September 2010<br />

Tag der Sachsen<br />

Oelsnitz<br />

www.tds.sachsen.de<br />

6. bis 7. September 2010<br />

5. Deutscher Energiekongress –<br />

Energie im Wettbewerb<br />

München<br />

www.deutscher-energiekongress.de<br />

14. bis 15. September 2010<br />

5. ICG-Branchentreffen<br />

Berlin<br />

www.innovation-congress.de<br />

15. September 2010<br />

ERDGAS.training: „Erd<strong>gas</strong>verkauf II“<br />

Leipzig, <strong>VNG</strong><br />

www.verbundnetzplus.de<br />

16. bis 17. September 2010<br />

4. EuRoFoRuM-Konferenz<br />

„Wärmemarkt aktuell“<br />

Köln<br />

www.euroforum.de<br />

18. September 2010<br />

Vertrieb.Consult „Industriekunden“<br />

Leipzig<br />

www.vertrieb-consult.de<br />

29. bis 30. September 2010<br />

7. Deutscher Regulierungskongress,<br />

EuRoFoRuM-Konferenz<br />

Berlin<br />

www.regulierungskongress.de<br />

26. bis 27. oktober 2010<br />

6. ICG Branchentreffen Netze<br />

Berlin<br />

28. oktober 2010<br />

Vertrieb.Consult<br />

„Die Wohnungswirtschaft“<br />

Leipzig<br />

www.vertrieb-consult.de<br />

04. November 2010<br />

Absolventenmesse leipzig<br />

Leipzig<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Veranstaltungen im nächsten Quartal<br />

Die gat 2010 findet vom 30. November bis 1. Dezember<br />

in Stuttgart statt.<br />

Die Messe ist die wichtigste Veranstaltung der<br />

Erd<strong>gas</strong>branche in Deutschland. Sie bildet jedes<br />

Jahr ein erstklassiges Forum zum brancheninternen<br />

Austausch über alle technik- und innovationsbezogenen<br />

Themen.<br />

<strong>VNG</strong> auf der gat 2010:<br />

Messe Stuttgart | Halle 4<br />

Stand 4C51<br />

www.gat-dvgw.de<br />

04. bis 05. November 2010<br />

Kommunikationstreffen der<br />

pR- und Marketingverantwortlichen<br />

der <strong>VNG</strong>-Kunden<br />

Leipzig<br />

www.vng.de<br />

05. bis 06. November 2010<br />

Azubi- und Studententage<br />

Leipzig<br />

14. bis 16. November 2010<br />

Erd<strong>gas</strong> Marketing Treff<br />

Leipzig<br />

23. bis 24. November 2010<br />

11. ICG-Stadtwerkekongress<br />

Multitalent Stadtwerk<br />

München<br />

25. November 2010<br />

Vertrieb.Consult<br />

„Interaktives Intensivtraining“<br />

Leipzig<br />

www.vertrieb-consult.de<br />

30. November bis 01. Dezember 2010<br />

gat 2010 – <strong>Gas</strong>fachliche<br />

Aussprachetagung Stuttgart<br />

www.gat-dvgw.de<br />

30. November bis 02. Dezember 2010<br />

7. oldenburger <strong>Gas</strong>tage<br />

Oldenburg<br />

www.oldenburger-<strong>gas</strong>tage.de<br />

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26 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Eine Stadt voll Energie<br />

Wie kann oder muss die Energieversorgung von morgen aussehen, welchen<br />

Einfluss darauf haben die Städte und Gemeinden in Deutschland, mit<br />

welchen Energiekonzepten positionieren sich Stadtwerke und<br />

Regionalversorger in ihrer Region? Diese und<br />

weitere Fragen beantwortet der Schwerpunktteil<br />

in dieser Ausgabe.<br />

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32 33 34


<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

27<br />

Leipzig präsentiert sich energiegeladen. In der<br />

sächsischen Metropole haben eine Vielzahl an<br />

Energieunternehmen ihren Sitz. Im Cluster<br />

Energie- und Umwelttechnik haben<br />

sie sogar ihre Innovationskraft<br />

gebündelt.<br />

Foto: Dirk Brzoska<br />

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28 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Im Fokus<br />

Energie der Zukunft – Quo vadis, Kommune?<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> hat sich in acht deutschen Kommunen umgesehen – und dabei interessante<br />

Ideen, innovative Konzepte und Modellprojekte gefunden, wie Kommunen mit lokalen<br />

Energieversorgern als Bündnispartner ihre energetische Zukunft gestalten.<br />

Von Mandy Nickel, Redaktion<br />

Schon heute lebt die Hälfte der Bevölkerung in<br />

Städten – Tendenz steigend. Sie verbrauchen den<br />

größten Teil der Energie, sorgen zudem für einen<br />

nicht unerheblichen Ausstoß an Treibhaus<strong>gas</strong>en.<br />

Die energetische Entwicklung von Städten ist<br />

daher ein zentrales Thema der Zukunft. Sicher<br />

sollte sie sein, wirtschaftlich und umweltgerecht –<br />

so wie es die deutsche Bundesregierung in ihrer<br />

Energiepolitik festschreibt.<br />

Den Kommunen und ihren Stadtwerken kommt<br />

damit ein wichtiger energiepolitischer Auftrag zu:<br />

Sie müssen die Energieversorgung von morgen so<br />

nachhaltig wie möglich gestalten. Schlagworte wie<br />

„Ausbau erneuerbarer Energien“, „Energieeffizienz<br />

und Energieeinsparung“, „Bildung, Qualifizierung,<br />

Forschung und Entwicklung“ oder „Klimaschutz<br />

und Energie“ spielen ebenso eine Rolle wie Energieerschließung<br />

im Ausland und der Aufbau eigener<br />

Netzinfrastrukturen.<br />

Natürlich ist die Ausgangssituation unterschiedlich<br />

in großen und kleinen Städten. Es gibt nicht das<br />

eine Rezept für alle Städte. Nicht jede Kommune<br />

wird sich wie die Stadtwerke Aalen für eine<br />

Nahwärmeversorgung entscheiden oder eigene<br />

Energieforschungseinrichtungen wie in Dres-<br />

Beispiele für Institutionen und Bündnisse im kommunalen Klimaschutz<br />

den oder Leipzig etablieren können. Christian<br />

Schramm, Präsident des Deutschen Städte- und<br />

Gemeindebundes (DStGB) und Oberbürgermeister<br />

der Stadt Bautzen fasste es in einem Interview<br />

einmal so zusammen: „Die größten Potenziale<br />

im unmittelbaren Einflussbereich der Kommunen<br />

bestehen bei der Steigerung der Energieeffizienz<br />

von Gebäuden, insbesondere durch energetische<br />

Sanierung, durch eine größere Energieeinsparung<br />

bei der Außen- und Innenbeleuchtung sowie durch<br />

die verstärkte Nutzung von erneuerbaren Energien.“<br />

Auch der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung<br />

und der Übergang von der zentralen Versorgung<br />

zu dezentralen Energieversorgungssystemen<br />

dürfte für viele Kommunen ein nicht unerhebliches<br />

Handlungsfeld sein.<br />

Keine Stadt in Deutschland kommt heute mehr<br />

umhin, sich mit nachhaltigen Energiekonzepten<br />

zu beschäftigen. Kommunen sind gleichzeitig<br />

Verbraucher, Vorbild, Planer und Versorger für<br />

Energie. Sie müssen ihren Bürgern eine sichere<br />

und auch bezahlbare Energieversorgung anbieten,<br />

gleichzeitig der globalen Herausforderung des<br />

Klimaschutzes gerecht werden. Jede Stadt wird<br />

dabei ihr eigenes individuelles Profil entwickeln<br />

müssen – je nach Größe, Lage und Infrastruktur.<br />

Die optimale ist die individuelle Lösung.<br />

Klima-Bündnis der europäischen Städte: Das Klima-Bündnis der europäischen Städte mit indigenen Völkern der Regenwälder/Alianza del Clima e. V. ist<br />

Europas größtes Städtenetzwerk zum Klimaschutz und hat sich den Erhalt des globalen Klimas als Ziel gesetzt. I www.klimabuendnis.org<br />

Kommunale Umwelt-Aktion U.A.N.: Die U.A.N. ist ein kommunaler Umweltverband in Deutschland, der Kommunen, kommunalen Verbänden und kommunalen<br />

Unternehmen bei der Lösung örtlicher Umweltaufgaben hilft. I www.umweltaktion.de<br />

European Energy Award: Der European Energy Award ® ist das Qualitätsmanagementsystem und Zertifizierungsverfahren, mit dem die Klimaschutzaktivitäten<br />

der Kommune erfasst, bewertet, geplant, gesteuert und regelmäßig überprüft werden. I www.european-energy-award.de<br />

Europäisches Netzwerk „Gesunde Städte“ der WHO: Ihm gehören heute etwa 1200 Städte und Gemeinden mit insgesamt mehr als 49 Mio. Einwohnern an.<br />

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RHEINLAND-<br />

PFALZ<br />

NORDRHEIN-<br />

WESTFALEN<br />

SAARLAND<br />

Energietechnologie<br />

Energieeinsparung<br />

SCHLESWIG-<br />

HOLSTEIN<br />

Hamburg<br />

BREMEN<br />

NIEDERSACHSEN<br />

HESSEN<br />

Aalen<br />

BADEN-<br />

WÜRTTEMBERG<br />

ostholstein<br />

Sicherheit<br />

Kraft-Wärme-Kopplung<br />

Bioerd<strong>gas</strong><br />

THÜRINGEN<br />

SACHSEN-<br />

ANHALT<br />

Wirtschaftlichkeit<br />

Erfurt<br />

BAYERN<br />

Upstream<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

MECKLENBURG-<br />

VORPOMMERN<br />

München<br />

Umweltverträglichkeit<br />

BRANDENBURG<br />

lEIpZIG<br />

SACHSEN<br />

dezentrale Versorgung<br />

Berlin<br />

Energieeffizienz<br />

Dresden<br />

Acht Kommunen in Deutschland –<br />

acht unterschiedliche Energie-<br />

konzepte für die Zukunft. Wie<br />

diese Konzepte aussehen, lesen<br />

Sie auf den kommenden Seiten.<br />

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Foto: Katja Bruns, © Ostsee-Holstein-Tourismus e.V.<br />

30 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Bioerd<strong>gas</strong> für Ostholstein<br />

www.kreis-oh.de | www.zvo.com<br />

Einer ZfK-Studie von Januar 2010 zufolge bietet<br />

nur jeder sechste Energieversorger in Deutsch-<br />

land nachhaltig produziertes Erd<strong>gas</strong> an. Was im<br />

Strombereich schon lange zum Geschäftsmo-<br />

dell gehört, ist in der Erd<strong>gas</strong>branche damit noch<br />

nicht flächendeckend verbreitet. Allerdings – so<br />

schreibt es das kommunale Blatt – beziehen nicht<br />

alle Versorger auch tatsächlich Bioerd<strong>gas</strong>. Viel-<br />

mehr „neutralisierten“ sie herkömmliches Erd<strong>gas</strong><br />

durch den Kauf von CO 2-Minderungszertifikaten<br />

in Schwellenländern.<br />

Ganz im Norden von Deutschland, in Ostholstein<br />

zwischen Kieler Bucht und der Lübecker Bucht,<br />

setzt man nicht auf solche Zertifikate, sondern<br />

auf wirklich nachhaltige Bioerd<strong>gas</strong>produkte. Be-<br />

kannt ist die Region vor allem durch die Gemeinde<br />

Timmendorfer Strand. Tourismus ist der wichtigste<br />

Wirtschaftsfaktor, damit ist für Ostholstein die<br />

Sicherung der natürlichen Ressourcen ein wichtiger<br />

politischer Eckpfeiler.<br />

Seit September 2009 bietet die ZVO Energie GmbH<br />

ihren Kunden zwei Bioerd<strong>gas</strong>-Produkte an. Mit<br />

„ZVO Bio 10“ kann Erd<strong>gas</strong> mit einem 10-prozen-<br />

tigen Bioerd<strong>gas</strong>anteil erworben werden. Dieser<br />

ostholstein<br />

205 000 Einwohner<br />

Dominanter Wirtschaftsfaktor sind der<br />

Tourismus und die Gesundheitswirtschaft.<br />

Wichtigster Versorger der Region ist der<br />

Zweckverband Ostholstein (ZVO).<br />

Die ZVO GmbH übernimmt Dienstleistungen in<br />

den Bereichen <strong>Gas</strong>, Wärme und Wasser sowie<br />

Abfall- und Wertstoffwirtschaft.<br />

Vertrag kann wahlweise über 12 oder 24 Monate<br />

geschlossen werden. Das Produkt „ZVO Thermo“<br />

hat die gleichen Eigenschaften wie „ZVO Bio 10“,<br />

mit dem Unterschied, dass die Vertragslaufzeit<br />

über 24 Monate geht. Als Bonus erhalten die Kun-<br />

den eine Thermografieauswertung ihres Hauses.<br />

„Wir unterstützen mit dem Einsatz von Bioerd<strong>gas</strong><br />

Eigentümer von neuen Gebäuden, die nach dem<br />

geltenden Recht seit dem 1. Januar 2009 erneuer-<br />

bare Energien für ihre Wärmeversorgung einsetzen<br />

müssen“, beschreibt ZVO-Geschäftsführer Mathias<br />

Annighöfer das Produkt des Zweckverbandes.<br />

Das Bioerd<strong>gas</strong> kommt übrigens aus der NAWARO-<br />

Anlage in Güstrow, Lieferant ist <strong>VNG</strong>.<br />

Wenn man der ZfK-Studie Glauben schenken<br />

darf, dann wird sich der Anteil an Bioerd<strong>gas</strong><br />

in den kommenden Jahren rapide ändern. Von<br />

einer Verdoppelung der Angebote ist die Rede.<br />

Die aktuellen Beimischungsquoten von 10 Pro-<br />

zent könnten dann sogar vereinzelt auf 30 und<br />

100 Prozent steigen.<br />

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Foto: aboutpixel.de/canjac<br />

Grüne Energie für Hamburg<br />

Die Bedeutung von erneuerbaren Energien wächst<br />

seit einigen Jahren stetig an. Laut der Arbeits-<br />

gruppe Erneuerbare Energien Statistik wurden<br />

im Jahr 2009 in Deutschland mehr als 10 Prozent<br />

des gesamten Verbrauchs an Wärme, Strom und<br />

Kraftstoffen durch erneuerbare Energien bereit-<br />

gestellt. Viele Kommunen und Stadtwerke bauen<br />

ihr Engagement für erneuerbare Energien derzeit<br />

sogar noch weiter massiv aus. Hier zählt nicht nur<br />

die Anlagenseite, sondern auch die Vermarktung<br />

von Bioenergieprodukten.<br />

Wenn man an den Ausbau der erneuerbaren Ener-<br />

gien denkt, dann denkt man in erster Linie an<br />

den Bau von Windparks, Bio<strong>gas</strong>anlagen oder<br />

Solarfelder. In Norddeutschland war das den<br />

Hamburgern nicht ausreichend – sie gründeten<br />

einen neuen kommunalen Versorger, der Sau-<br />

ber-Energie made in Hamburg herstellen und<br />

vertreiben sollte.<br />

2009 ging die neue Hamburg Energie GmbH an den<br />

Start. Erklärtes Ziel von Beginn an: alle Kunden<br />

mit sauberer, also regenerativer Energie zu versor-<br />

gen. Im Gegensatz zur hiesigen Stromkonkurrenz<br />

distanziert sich der Versorger von Atom- und Kohle-<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

strom. Vielmehr setzt man in der Elbmetropole auf<br />

Eigenproduktion aus Windparks und effizienter<br />

Kraft-Wärme-Kopplung sowie Stromzukäufen<br />

aus umweltfreundlichen Quellen. Erwachsen ist<br />

die Idee von Hamburg Energie aus der Tatsache,<br />

dass sich viele Hamburger ökologisch Strom aus<br />

der Region wünschten.<br />

Hamburg<br />

Mittlerweile hat Hamburg Energie auch das Fern-<br />

wärme- und Erd<strong>gas</strong>netz der Stadt übernommen.<br />

Hier macht Hamburg aber derzeit noch eine Aus-<br />

nahme, die Stadt wird zunächst mit Erd<strong>gas</strong>, nicht<br />

mit Bioerd<strong>gas</strong> beliefert. Aber in zwei bis drei Jahren<br />

werde die Stadt damit versorgt, wurde Enno Iser-<br />

mann, Sprecher der Behörde für Stadtentwicklung<br />

und Umwelt, erst jüngst im Hamburger Abendblatt<br />

zitiert. Geschäftsführer Michael Beckereit ging<br />

sogar noch einen Schritt weiter. Im selben Blatt<br />

sprach er von einem Bio<strong>gas</strong>-Tarif ab 2010 für<br />

Haushalts-, Gewerbe- und Bündelkunden.<br />

www.hamburg.de | www.hamburg-energie.de<br />

ca. 1 780 000 Einwohner<br />

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31<br />

Die Stadt hat sich dem Umweltschutz<br />

verschrieben und wurde 2009<br />

von der EU-Kommission sogar zur<br />

„Grünen Hauptstadt Europas“ gekürt.<br />

Seit 2009 hat Hamburg wieder einen<br />

eigenen kommunalen Energiever-<br />

sorger – die Hamburg Energie GmbH.<br />

In einem „Manifest“ schreibt die<br />

Stadt ihrem Versorger zehn Richt-<br />

linien fest, etwa, dass der Strom frei<br />

von Kohle- und Atomenergie sein<br />

muss.


Foto: aboutpixel.de/Bert Spindler<br />

32 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

München bohrt<br />

nach Erd<strong>gas</strong><br />

www.muenchen.de | www.swm.de<br />

Eine sichere Energieversorgung setzt auf einen<br />

breit gefächerten Energiemix. Sie gewährleistet,<br />

dass jederzeit ein ausreichend großes Angebot<br />

an Energie vorhanden ist. Für Deutschland ist<br />

diese Komponente angesichts knapper eigener<br />

Ressourcen und gewachsener Importabhängigkeit<br />

keine unwichtige. Wie Städte und Gemeinden die<br />

ständige Verfügbarkeit von Energie ermöglichen,<br />

ist in starkem Maße abhängig von ihrer Größe.<br />

Kleinere Kommunen schließen sich beispielsweise<br />

zu Bündnissen zusammen, um die Beschaffung zu<br />

optimieren, andere erhöhen die Produktionskapa-<br />

zitäten durch Kraftwerksbeteiligungen. Selbst ein<br />

Einstieg ins Upstreamgeschäft für Erd<strong>gas</strong> ist eine<br />

Option, das zeigt das Beispiel München.<br />

München<br />

Die bayerische Landeshauptstadt ist über die<br />

Stadtwerke München (SWM) und deren Beteiligung<br />

an der Bayern<strong>gas</strong> Norge an Explorationsfeldern in<br />

ca. 1 300 000 Einwohner<br />

In der bayerischen Landeshauptstadt haben sich<br />

rund 20 000 Hightech-Unternehmen angesiedelt.<br />

In München sind sowohl große Konzerne als auch<br />

mittelständisch geprägte Unternehmen beheimatet.<br />

Größter Versorger der Region sind die Stadtwerke<br />

München GmbH (SWM).<br />

Mit einem Umsatz von 4,7 Mrd. € (2008) und knapp<br />

7000 Mitarbeitern zählen die SWM zu den größten<br />

deutschen Stadtwerken.<br />

Norwegen, Dänemark und Großbritannien betei-<br />

ligt. Erst vor vier Jahren sind die SWM zusammen<br />

mit drei weiteren Partnern ins Upstreamgeschäft<br />

eingestiegen. Das ambitionierte Ziel hat Geschäfts-<br />

führer Dr. Kurt Mühlhäuser so fomuliert: Bis 2014<br />

sollen alle Heiz<strong>gas</strong>kunden in und um München aus<br />

eigenen Quellen versorgt werden. Das entspricht<br />

jährlich etwa acht Milliarden Kilowattstunden<br />

Erd<strong>gas</strong>.<br />

Ein zweiter Eckpfeiler kennzeichnet die Energie-<br />

politik in München und die Arbeit der SWM: der<br />

Klimaschutzgedanke. So investieren die SWM in<br />

den nächsten Jahren über 200 Millionen Euro in<br />

den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung und des<br />

Fernwärmenetzes, beides wichtige Maßnahmen<br />

zur CO 2-Reduzierung in der Stadt.<br />

Darüber hinaus bauen die SWM massiv die Nutzung<br />

erneuerbarer Energien aus. Investitionsvolumen:<br />

rund 9 Milliarden Euro. Sie setzen dabei auf regi-<br />

onale Projekte, aber auch auf internationale, wie<br />

jüngst bei einem Offshore-Windpark vor Wales.<br />

Mit den bisher angestoßenen und realisierten<br />

Projekten können sie ihre Ökostrom-Produktion<br />

von 350 Millionen auf rund 1 800 Millionen kWh<br />

pro Jahr steigern – genug Strom für über 90 % der<br />

Münchner Haushalte. Bis 2015 sollen alle Münchner<br />

Haushalte mit Ökostrom versorgt werden können,<br />

bis 2025 sogar der gesamte Münchner Strombedarf<br />

gedeckt werden.<br />

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Aalen erzeugt Strom<br />

und Wärme vor Ort<br />

Umweltverträglichkeit in der Energieversorgung zielt<br />

darauf ab, die natürlichen Ressourcen so schonend wie<br />

möglich einzusetzen und den Anteil erneuerbarer Energien<br />

in Zukunft zu erhöhen. Das Potenzial in den Städten und<br />

Gemeinden ist hier zweifelsohne am größten.<br />

Im Bereich der Energieeffizienz konnten in den vergangenen<br />

Jahren bereits große Fortschritte erzielt werden. Energie-<br />

beratungsstellen sind heute in beinahe jeder Kommune<br />

vorhanden, ebenso Energieeinsparprojekte mit Schu-<br />

len, Krankenhäusern und anderen öffentlichen Einrich-<br />

tungen.<br />

Eine wichtige Grundlage für mehr Effizienz sind Kraftwerke<br />

mit Kraft-Wärme-Kopplung, die den Primärenergieträger<br />

optimal ausnutzen. Wenn solche KWK-Anlagen wie im Fall<br />

der Stadt Aalen auch noch dezentral für das Nahwärmenetz<br />

verwendet werden, ist der energetische Nutzen noch um<br />

ein Vielfaches höher.<br />

Seit Ende der 1980er Jahre sind in Aalen bereits die Themen<br />

Energieeffizienz und Umweltschutz wichtige kommunale<br />

Handlungsfelder. Schon 1987 gab es in der Stadt das erste<br />

Förderprogramm für Energieeinsparmaßnahmen und zur<br />

Nutzung erneuerbarer Energien. Vom Energiestammtisch<br />

über erneuerbare Energien in städtischen Gebäuden bis<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

hin zum kommunalen Energiemanagement gibt es nichts,<br />

was die Stadt nicht versucht, um die CO 2-Emissionen<br />

stetig zu vermindern. Ein Minus von zehn Prozent aller<br />

fünf Jahre hat sie sich zum Ziel erklärt.<br />

Einen wichtigen Beitrag liefert der städtische Energiever-<br />

sorger, die Stadtwerke Aalen. Für die Fachhochschule,<br />

das Thermalbad, das Landratsamt und das <strong>Gas</strong>werk<br />

nutzen sie moderne Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung<br />

auf Erd<strong>gas</strong>basis. Dadurch, dass in den Anlagen Strom<br />

erzeugt und die anfallende Abwärme gleichzeitig genutzt<br />

wird, erreichen die Anlagen nicht nur hohe Wirkungsgrade<br />

von bis zu neunzig Prozent, sondern „verwerten“ die<br />

Primärenergie auch wesentlich effizienter. Das reduziert<br />

zugleich den Ausstoß von Treibhaus<strong>gas</strong>en um 20 bis<br />

30 Prozent.<br />

Aalen<br />

Quelle: Stadt Aalen<br />

Die Idee der Nahwärme – der Erzeugung von Wärme in<br />

kleinen, dezentralen Einheiten – spielt in der Unterneh-<br />

mensstrategie der Stadtwerke eine zentrale Rolle. Sie<br />

planen daher auch, die Nahwärmeversorgung und die<br />

KWK-Potenziale in der Stadt weiter auszubauen.<br />

ca. 66 700 Einwohner<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

33<br />

Größter Arbeitsort der Region<br />

Ostwürttemberg<br />

Wichtigster Wirtschaftsfaktor<br />

ist das produzierende Gewerbe,<br />

insbesondere die Metall-<br />

verarbeitung.<br />

Wichtigster Energieversorger<br />

der Region sind die Stadtwerke<br />

Aalen GmbH.<br />

Sie haben bereits 1998 eine<br />

eigene Marke für Strom und<br />

<strong>Gas</strong> eingeführt.<br />

www.aalen.de | www.sw-aalen.de | www.limes-thermen.de


Foto: Michael Bader<br />

34 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Leipzig vernetzt sich<br />

zur Energiemetropole<br />

Global denken, lokal handeln – der Leitspruch der Umweltkon-<br />

ferenz im brasilianischen Rio de Janeiro von 1992 wirkt noch<br />

heute. Im Artikel 28 des Aktionsprogramms sind die Kommunen<br />

angesprochen als bürgernaheste politische Ebene. Ihnen wurde<br />

der Auftrag erteilt, mit ihren Bürgern, Unternehmen und Verbänden<br />

eine offene Diskussion über Energieversorgung, Umweltschutz<br />

sowie wirtschaftliche und soziale Entwicklungen zu führen.<br />

In Leipzig gestaltet sich die Organisation dieses Diskussions-<br />

prozesses vergleichsweise einfach. Viele große und kleine<br />

Unternehmen aus der Energiebranche haben in der Region ihren<br />

Sitz, angefangen bei Versorgern wie die Stadtwerke Leipzig und<br />

<strong>VNG</strong> über die Energiebörse EEX bis hin zu Forschungseinrich-<br />

tungen wie das Biomasseforschungszentrum oder das Institut<br />

für Energetik und Umwelt gGmbH. Gemeinsam haben sie sich<br />

im Cluster Energie- und Umwelttechnik zusammengeschlos-<br />

sen. Die Idee hinter dem Cluster: Leipzig zu einer europawei-<br />

ten Energiemetropole machen, innovative Energietechniken<br />

umsetzen, Konzepte für die Leipziger Energieversorgung von<br />

morgen entwickeln.<br />

Aktuell beschäftigt sich das Cluster mit vier Projekten: ein<br />

Biomassekraftwerk für die Bioabfälle der Stadt Leipzig, ein<br />

Konzept zur Effizienzsteigerung der Stadtbeleuchtung, ein<br />

ganzheitliches Konzept für eine energieeffiziente Stadt unter<br />

der Berücksichtigung des demografischen Wandels und ein<br />

ÖKOPROFIT ® -Projekt.<br />

www.leipzig.de | www.swm.de<br />

leipzig<br />

ca. 515 000 Einwohner<br />

Leipzig setzt auf ein integriertes Stadtentwick-<br />

lungskonzept, das unter anderem auch Aussagen<br />

über eine effiziente und umweltverträgliche<br />

Energienutzung trifft.<br />

Eine der wichtigsten Zukunftsbranchen ist für<br />

die Stadt die Energie- und Umwelttechnik, deshalb<br />

vernetzen sich die Unternehmen der Region in<br />

einem Cluster.<br />

Größter Energieversorger sind die Stadtwerke<br />

Leipzig GmbH, nach eigenen Aussagen immerhin<br />

größtes Stadtwerk in den neuen Bundesländern.<br />

Führendes und in den meisten Fällen auch ausführendes<br />

Unternehmen im Energiecluster Leipzig sind die Stadtwerke<br />

Leipzig. Sie haben beispielsweise im vergangenen Jahr<br />

einen Projektvorschlag erarbeitet, der ein dynamisches<br />

Modell zur Steigerung der Energieeffizienz in der Stadt unter<br />

Berücksichtigung des demographischen Wandels bis 2030<br />

beinhaltet. Auch im Bereich der erneuerbaren Energien sind<br />

sie Vorreiter in der Region: mit dem Biomasse-Heizkraftwerk<br />

Wittenberg-Piesteritz und dem Biomasse-Kraftwerk in Bischofferode/Holungen<br />

haben die Leipziger zwei Anlagen zur Energieerzeugung<br />

auf Basis regenerativer Energien im Einsatz.<br />

Während das Leipziger Energiecluster zwar praxisorientiert<br />

arbeitet, aber doch nicht zum Anfassen ist, planen Prof. Dr. Hans-<br />

Jochen Schneider und Dipl.-Ing. André Jaschke ein Erlebnis-Zentrum<br />

für Energietechnik und Energielösungen nach dem Vorbild<br />

der Autostadt in Wolfsburg. Als Erlebniswelt EnergieCity preisen<br />

die beiden ihre Idee an. Und sie wollen sogar noch einen Schritt<br />

weiter gehen: Die Erlebniswelt soll als Kompetenzzentrum für<br />

die Vernetzung der Branchen der erneuerbaren Energien, der<br />

Energieeffizienz und des nachhaltigen Bauens dienen.<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


Foto: Stadt Dresden/Christoph Münch<br />

Dresdner Forscherdrang<br />

für mehr Effizienz<br />

„Die sächsischen Unternehmen sind gut aufgestellt“,<br />

lobte der sächsische Wirtschaftsminister Sven<br />

Morlok jüngst das Innovationspotenzial säch-<br />

sischer Unternehmen im Hinblick auf Energie-<br />

effizienz und Energieanwendung. Dabei machte<br />

der Minister auch deutlich, dass Energieeffizienz<br />

mehr ist als die bloße Vermeidung von Energie-<br />

verlusten. Vielmehr stünden die Entwicklung<br />

neuer innovativer Konzepte, Technologien und<br />

Werkstoffe im Mittelpunkt.<br />

Die Landeshauptstadt Dresden hat sich dieser<br />

wissenschaftlich-technischen Herausforderung in<br />

besonderer Weise angenommen. Die Technische<br />

Universität Dresden zählt mittlerweile zu einem<br />

der wichtigsten Zentren der Energieforschung in<br />

Sachsen. Hinzu kommen die vier großen institu-<br />

tionellen Forschungseinrichtungen Fraunhofer,<br />

Helmholtz, Leibniz und Max-Planck sowie eine<br />

Vielzahl privater Institutionen. Einen Spitzenplatz<br />

in Deutschland hat sich die Elbmetropole vor<br />

allem in den Bereichen Werkstoffentwicklung,<br />

Nanotechnologie sowie Photovoltaik erworben,<br />

mittlerweile haben sich die Forschungseinrich-<br />

tungen aber auch auf das Thema Energieeffizienz<br />

spezialisiert.<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Wie effizient man Erd<strong>gas</strong> schon heute einsetzen<br />

kann, zeigen die Stadtwerke Dresden (DREW<strong>AG</strong>).<br />

Beispielsweise im <strong>Gas</strong>turbinen-Heizkraftwerk Nos-<br />

sener Brücke: 85 Prozent des Brennstoffs werden<br />

dort mit KWK genutzt. In einem konventionellen<br />

Kraftwerk werden hingegen nur 40 Prozent der<br />

eingesetzten Energie tatsächlich in Strom umge-<br />

wandelt. Dadurch, dass die DREW<strong>AG</strong> die bei der<br />

Stromerzeugung entstehende Wärme für die Fern-<br />

wärmeversorgung nutzt, schont sie die natürlichen<br />

Rohstoffe. Gleichzeitig sind die Emissionswerte<br />

dieser KWK-Kraftwerke um ein Vielfaches geringer<br />

als bei herkömmlichen Kraftwerken.<br />

So modern und effizient die Kraftwerkstechnologie<br />

ist, so sehr scheint die Effizienz im Mobilitätssek-<br />

tor noch zu fehlen. Erd<strong>gas</strong>fahrzeuge sind für die<br />

DREW<strong>AG</strong> zwar eine echte Alternative zu Benzin-<br />

und Dieselfahrzeugen, seit vergangenem Jahr aber<br />

längst nicht die einzige. Der Dresdner Versorger<br />

hat die Entwicklung des Elektromobils für sich<br />

entdeckt, will im Rahmen des Projektes „Modell-<br />

region Elektromobilität Sachsen“ in diesem Jahr<br />

bereits erste Ladestationen in der Stadt errichten.<br />

Auch der Test von Elektrofahrzeugen im eigenen<br />

DREW<strong>AG</strong>-Fuhrpark ist im Gespräch.<br />

Dresden<br />

Foto: Stadt Dresden/Christoph Münch<br />

ca. 508 000 Einwohner<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

35<br />

Die sächsische Landeshauptstadt<br />

hat sich zum Top-Ten-Wirtschafts-<br />

und Wissenschaftsstandort in<br />

Deutschland etabliert.<br />

Vor allem in den Zukunftsbranchen<br />

Informations- und Kommunika-<br />

tions-, Nano- und Biotechnologie,<br />

setzt Dresden wichtige Entwick-<br />

lungsimpulse.<br />

Für die Forschung zu und der<br />

Anwendung von energieeffizienten<br />

Technologien engagiert sich die<br />

DREW<strong>AG</strong> – Stadtwerke Dresden<br />

GmbH.<br />

www.dresden.de | www.drewag.de


Foto: aboutpixel.de/Walter Dannehl<br />

36 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

www.berlin.de | www.<strong>gas</strong>ag.de<br />

Berlin<br />

ca. 3,45 Millionen Einwohner<br />

Die deutsche Hauptstadt hat in den vergangenen<br />

zwanzig Jahren einen grundlegenden Struktur-<br />

wandel vollzogen.<br />

In Berlin<br />

brennt man für die Brennstoffzelle<br />

Vor dem Hintergrund der verbindlichen Klimaschutzziele<br />

der Bundesregierung spielen der Ausbau von erneuerbaren<br />

Energien und die Nutzung von Energieeinsparmaßnahmen<br />

eine entscheidende Rolle. Nicht minder unwichtig sind<br />

auch effiziente Energietechnologien. Im Vorfeld zum<br />

Weltklimagipfel in Kopenhagen im Dezember 2009 nannte<br />

Bundesumweltminister Norbert Röttgen den Klimaschutz<br />

ein „ökonomisches und technologisches Wettrennen“.<br />

Technologie sei der Schlüssel, Wachstum und Wohlstand<br />

in Deutschland zu sichern, ohne die Abhängigkeit von<br />

Energie und Ressourcen zu erhöhen, so Röttgen weiter.<br />

Schon heute fördert Deutschland die nicht-nukleare<br />

Energieforschung, setzt dabei Schwerpunkte auf die KWK-<br />

Technologie, moderne Kraftwerkstechnologien – und nicht<br />

zuletzt auch auf die Brennstoffzelle. In Minikraftwerken<br />

ersetzt sie die Heizung und produziert gleichzeitig Strom.<br />

Weit über 70 Brennstoffzellen-Heizgeräte von drei Herstel-<br />

lern sind in Deutschland im Rahmen des aktuellen Callux-<br />

Feldtestprogrammes bereits in Betrieb gegangen, etwa<br />

800 Anlagen sollen bis Ende 2012 erprobt werden.<br />

Mehrere Brennstoffzellen auf Basis der Kraft-Wärme-Kopp-<br />

lung stehen für Feldtestzwecke in Berlin. Die deutsche<br />

Hauptstadt hatte sich schon 2008 zur KWK-Modellstadt<br />

Berlin setzt beim Umweltschutz als eine der<br />

wenigen deutschen Städte auf den Einsatz von<br />

umweltfreundlichem Erd<strong>gas</strong> als Kraftstoff.<br />

15 öffentliche Erd<strong>gas</strong>tankstellen gibt es dafür<br />

bereits im gesamten Stadtgebiet.<br />

Wichtiger Partner der Stadt für umweltverträgliche<br />

Energieversorgung ist die GAS<strong>AG</strong>.<br />

erkoren. Bereits von 2003 bis 2006 konnte der örtliche<br />

<strong>Gas</strong>versorger GAS<strong>AG</strong> eine Brennstoffzelle in einem Berliner<br />

Einfamilienhaus testen. Im Sommer dieses Jahres kommt<br />

die nächste Generation Brennstoffzelle in die Hauptstadt,<br />

um dort im Feldtest die Praxistauglichkeit zu erproben.<br />

Dazu zählen die Brennstoffzellen-Technik der Gamma 1.0,<br />

Inhouse 5000 und BlueGen. Die Feldtests werden – wie<br />

2003 – wieder von <strong>VNG</strong> begleitet, laufen jetzt aber unter<br />

der Callux-Initiative.<br />

Obwohl die GAS<strong>AG</strong> betont, dass sie auch in Zukunft<br />

Brennstoffzellen-Technik in Form von Pilotprojekten in<br />

der Praxis erproben wird, steht die Technologie derzeit<br />

nicht an oberster Stelle. Wichtiger ist dem Berliner Ver-<br />

sorger die Einführung von Mini- und Mikro-KWK-Anlagen<br />

verschiedener Hersteller. Den Vertrieb dieser Anlagen für<br />

den Privatgebrauch hat die GAS<strong>AG</strong> bereits Ende 2009 ge-<br />

startet. Bis Ende 2010 sollen 500 der Mikro-KWK-Anlagen<br />

verkauft werden. Bis zum Jahr 2015 will das Unternehmen<br />

dann jährlich 8 000 Anlagen verkaufen.<br />

Für das neue Berliner Energiekonzept 2020 sind die KWK-<br />

Technologien ein wichtiger Baustein. Berlins Wirtschafts-<br />

senator Harald Wolf hat den Grundsatz festgelegt: Um<br />

40 Prozent im Vergleich zu 1990 sollen die CO 2-Emissionen<br />

in Berlin bis 2020 sinken. Ohne KWK-Anlagen, da ist sich<br />

Wolf sicher, lassen sich die Vorgaben nicht umsetzen. Ihr<br />

Anteil an der Stromerzeugung soll daher von 40 Prozent<br />

auf 60 Prozent steigen.<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


Foto: aboutpixel.de/Matthias Feige<br />

Energieexperten machen<br />

Schule in Erfurt<br />

Wie sieht der Weg zu mehr Energieeffizienz aus? Die Bun-<br />

desregierung gibt in ihrem Mesebergpaket klare Vorgaben<br />

im Hinblick auf die Angebots-, Produkt- und Kommunikati-<br />

onsseite vor. Die Rede ist von moderner KWK-Technologie,<br />

von energiesparenden Geräten – und nicht zuletzt von<br />

nachhaltiger Bildung und Energieberatung.<br />

Eine wichtige Zielgruppe für einen ressourcenschonenden<br />

und energieeffizienten Einsatz von Energie sind Kinder<br />

und Jugendliche. Was liegt näher, als dass Schüler zu<br />

kleinen Energieexperten werden und sich aktiv mit<br />

umwelttechnischen Themen auseinandersetzen? Die<br />

Ideen und Handlungen, die sie in der Schule lernen,<br />

geben sie idealerweise an ihre Eltern, an Altersgenos-<br />

sen und Freunde weiter. Gleichzeitig gehören Schulen<br />

auch zu jenen öffentlichen Gebäuden, die noch einen<br />

vergleichsweise hohen Energieverbrauch haben. Das<br />

Einsparpotenzial ist daher besonders groß.<br />

Ein Modellprojekt unter dem Motto „Erfurter Schulen<br />

sparen Energie“ hat die thüringische Landeshauptstadt<br />

bereits 2004 gestartet. Die Bilanz der vergangenen sechs<br />

Jahre fällt durchaus positiv aus: zwischen 2004 und 2009<br />

wurden nach eigenen Angaben 516 563 kWh Elektro-<br />

energie, 97 633 EUR Energiekosten und 258 283 kg CO 2<br />

eingespart. Auch der Anteil der beteiligten Schulen hat sich<br />

kontinuierlich erhöht von anfänglich 16 auf 30 Schulen.<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Für die Schulen hat das Projekt zwei wesentliche Vorteile:<br />

Einerseits können sie durch Verbrauchsmessungen schon<br />

von Beginn an Einsparpotenziale aufdecken, andererseits<br />

erhalten sie einen Teil der eingesparten Energiekosten<br />

zur freien Verwendung.<br />

Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein und Bür-<br />

germeisterin Tamara Thierbach wollen noch mehr Schulen<br />

für das Projekt begeistern. Nur so könne es gelingen, den<br />

Kreis der „Energiebewussten“ immer größer zu ziehen und<br />

ein bewusstes, nachhaltiges Handeln als Tagesmaxime<br />

zu fördern.<br />

Das kommunale Schulsparprojekt ist übrigens nur eines<br />

von vielen Nachhaltigkeitsprojekten in Erfurt. Die Stadt-<br />

werke Erfurt Gruppe engagiert sich ebenfalls mit vielfäl-<br />

tigen Bildungsangeboten im Kinder- und Jugendbereich. Die<br />

Angebotspalette reicht vom Unterricht bei den Stadtwerken<br />

bis hin zu Besichtigungen der technischen Einrichtungen.<br />

Auch Wettbewerbe wie der Solarbauwettbewerb, der zur<br />

Beschäftigung mit erneuerbaren Energien anregt, oder<br />

der Papiersammelwettbewerb sind ein Teil der Initiativen<br />

der Stadtwerke Erfurt Gruppe, um nachhaltige Themen<br />

zu transportieren.<br />

Erfurt<br />

ca. 200 000 Einwohner<br />

Laut Auskunft der Stadt hat<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

37<br />

Erfurt einen ausgewogenen Mix<br />

von produzierendem Gewerbe,<br />

Dienstleistungen sowie Einzel-<br />

handel.<br />

Aktuell erarbeitet die Thüringer<br />

Landeshauptstadt ein inte-<br />

griertes Klimaschutzkonzept,<br />

durch das sie bis 2020 mindestens<br />

20 % Kohlendioxid gegenüber<br />

2008 einsparen will.<br />

Kommunaler Dienstleister, vor<br />

allem für Energieeffizienz und<br />

erneuerbare Energien, sind die<br />

Stadtwerke Erfurt.<br />

www.erfurt.de | www.stadtwerke-erfurt.de


38 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Stadt der Zukunft<br />

Masdar City – die umweltfreundlichste<br />

Stadt der Welt<br />

Masdar City ist wie ein „Silicon Valley für erneuerbare Energien“.<br />

Die Kommune wird weltweit Vorbildcharakter haben.<br />

Von Dr. Axel Schnell, freier Publizist<br />

Masdar City ist die umweltfreundlichste Stadt<br />

der Welt und sie wächst in der Wüste von Abu<br />

Dhabi. Rund 25 Kilometer von der gleichnamigen<br />

Hauptstadt des Emirats entfernt, entsteht auf<br />

sechs Quadratkilometern die erste nachhaltige<br />

Umweltstadt – ohne Kohlendioxid, ohne Abfall<br />

und ohne Autos: Versorgen wird sich die Stadt,<br />

deren Grundstein im Oktober 2008 gelegt wurde,<br />

durch erneuerbare Energien. Schon ab 2016 sollen<br />

50 000 Bewohner hier leben. Kosten des Projekts:<br />

rund 22 Milliarden Dollar. Geplant wird Masdar<br />

City vom britischen Stararchitekten Lord Norman<br />

Foster, der unter anderem auch die Kuppel auf dem<br />

Berliner Reichstag plante.<br />

Masdar City ist ein ehrgeiziges Projekt: Pro Schicht<br />

wirken hier mehr als 3 000 Arbeitskräfte, drei<br />

Schichten täglich, sieben Tage die Woche. Rund<br />

um die Uhr wird an diesem Wüstentraum gear-<br />

beitet. Es wirkt, als hätte Abu Dhabi, das zur<br />

Föderation der Vereinigten Arabischen Emirate<br />

(VAE) gehört, keine Zeit zu verlieren. Eines ist<br />

klar: Eines Tages wird das Öl ausgehen. Für Abu<br />

Dhabi ist dieser Tag allerdings noch fern. Nach<br />

Schätzungen lagert unter dem Wüstensand des<br />

Emirates noch genug Erdöl bis zum Ende dieses<br />

Jahrhunderts. Die wichtigsten Bodenschätze der<br />

VAE sind Öl und Erd<strong>gas</strong>, von denen sich mehr<br />

als 90 Prozent in Abu Dhabi befinden. Es gibt<br />

erwiesene Ölreserven in den VAE von mehr als<br />

98 Milliarden Barrel und erwiesene Erd<strong>gas</strong>reserven<br />

von 6 Billionen Kubikmeter. Trotzdem sorgt das<br />

Emirat Abu Dhabi schon für die Zeit nach dem Öl<br />

vor. Und ein wichtiges Projekt für die Zukunft der<br />

Energiegewinnung ist Masdar – ein arabisches<br />

Wort, das für Quelle oder Ursprung steht. Über<br />

den Konzern Masdar, zu dem auch das Projekt<br />

Masdar City gehört, will sich Abu Dhabi vom<br />

Technologieimporteur zum Technologieexporteur<br />

entwickeln. Ziel ist dabei eine führende Rolle im<br />

Markt für erneuerbare Energien. Und da kann es<br />

offenbar eben nicht schnell genug gehen.<br />

Masdar ist eine Quelle, die nicht nur in der Wüste,<br />

sondern für die ganze Welt sprudeln soll.<br />

„Wir wollen zur Hauptquelle für die künftigen<br />

Energielösungen der Welt werden“, verkündete<br />

Sultan Ahmed Al Jaber auf dem Weltgipfel für<br />

Zukunftsenergie in Abu Dhabi Anfang des Jahres.<br />

Ein Treffen, das die „New York Times“ als „Davos<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


der erneuerbaren Energien“ bezeichnet. Ein Land,<br />

das förmlich auf dem Öl sitzt, baut mit Masdar<br />

City nun eine Stadt, die ohne einen Tropfen davon<br />

auskommt. Eine Freihandelszone für technologie-<br />

orientierte Unternehmen vornehmlich aus dem<br />

Ökologiesektor. Auch Energiegiganten wie BP,<br />

Shell oder General Electric haben schon zugesagt.<br />

„Wir haben derzeit keinen Mangel an Energie,<br />

aber das wollen wir auch nie erleben“, erklärte<br />

der Sultan, der das Unternehmen Masdar leitet,<br />

damals gegenüber den Medien. „Wir denken über<br />

uns selbst hinaus.“<br />

Das ist auch der Tenor des Werbefilms für die<br />

Ökostadt: „Bald werden wir die Erkenntnisse aus<br />

Masdar City mit der ganzen Welt teilen“, heißt<br />

es dort. Und: „Die Bewohner werden die höchste<br />

Lebensqualität genießen können in dem Bewusst-<br />

sein, dass sie der Umwelt nicht schaden“, heißt<br />

es in dem Werbefilm für Masdar. In der Wüste<br />

entsteht ein globales Technologiezentrum für<br />

Nachhaltigkeit. Ein stadteigenes Fotovoltaikwerk<br />

soll die Energie für Klimaanlagen und Strom<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

liefern. Auch Windenergie ist im Einsatz. Was<br />

übrig bleibt, soll ins Stromnetz eingespeist wer-<br />

den für andere Städte. Das Wasser kommt aus<br />

einer solarbetriebenen Entsalzungsanlage. Der<br />

Müll der Stadt soll zu fast 100 Prozent recycelt<br />

werden.<br />

In deutschen Städten wird gelegentlich ein autofreier<br />

Tag ausgerufen, in Masdar City wird es keinen<br />

Tag mit Autos geben. Wer mit dem Fahrzeug<br />

nach Masdar City kommt, muss es vor der Stadt<br />

auf einem Parkplatz abstellen. Die Straßen der<br />

Modellstadt für die Zukunft sind ausschließlich<br />

den Fußgängern vorbehalten. Für die Mobilität<br />

sorgt ein dichtes Netz aus Metrostationen und<br />

Elektro-Fahrzeugen auf Schienen. Dabei sind<br />

die Transportmöglichkeiten maximal 200 Meter<br />

voneinander entfernt. Zusätzlich wird es für den<br />

Einsatz in der Stadt spezielle Elektrofahrzeuge<br />

geben. Für Fußgänger und Radfahrer wird es<br />

unter anderem durch Wasseranlagen und Parks<br />

kühl und angenehm sein. Damit auch hier kein<br />

Wasser vergeudet wird, werden die Pflanzen mit<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

39


40 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Fortsetzung von Seite 39<br />

Masdar City – die umweltfreundlichste<br />

Stadt der Welt<br />

wiederaufbereitetem Brauchwasser gegossen.<br />

Wer in Masdar City lebt, muss nicht auf Annehm-<br />

lichkeiten verzichten. So wird es Shoppingcenter<br />

geben und alles, was ein „vibrierendes Stadtleben“<br />

(Foster) ausmacht. Das ist sicher ganz im Sinne<br />

des Sultans Ahmed Al Jaber, der gesagt hat: „Wer<br />

grüne Projekte verfolgt, muss nicht zwingend<br />

langweilig sein.“ Dabei ist für die Architekten<br />

bei der Planung Flexibilität wichtig. Foster gegen-<br />

über der Presse: „Wir müssen auf neue Technolo-<br />

gien reagieren können, die in den nächsten zehn<br />

und mehr Jahren unsere Art zu leben verändern<br />

werden – Dinge, die erst noch erfunden werden<br />

müssen und die wir derzeit nur erträumen können.“<br />

Um die hohen Ansprüche zu realisieren, arbeitet<br />

der Stararchitekt mit rund 500 Fachleuten aus<br />

aller Welt zusammen.<br />

Trotz ihrer großen Bedeutung ist Masdar City nur<br />

eine der fünf Geschäftseinheiten der Masdar Ini-<br />

tiative in Abu Dhabi. Ein weiterer Bereich sind die<br />

Solarkraftwerke. Bis 2020 sollen Solarkraftwerke<br />

mit einer Gesamtleistung von 1500 Megawatt rund<br />

200 Kilometer südlich der Hauptstadt 20 Prozent<br />

des jährlichen Strombedarfs des Landes decken.<br />

Der dritte Geschäftsbereich der Masdar-Initiative<br />

soll ausländische Firmen ins Emirat holen. Dazu<br />

Sultan Ahmed Al Jaber in einem Interview: „Wenn<br />

Sie heute die Situation im Bereich der alternativen<br />

Energien anschauen, so ist der Sektor über die<br />

ganze Welt zerstückelt. Abu Dhabi bietet diesen<br />

Firmen die einmalige Chance einer gemeinsamen,<br />

globalen Plattform für die Entwicklung alternati-<br />

ver Energien. Die Stadt wird in einer speziellen<br />

Zone angesiedelt mit ausgesprochen wirtschafts-<br />

freundlichen Bestimmungen. So wird es dort keine<br />

Steuern irgendwelcher Art geben.“ Und gegenüber<br />

einem TV-Sender: „Unsere weltweiten Recherchen<br />

haben ergeben, dass es für erneuerbare Energien<br />

keine Zentrale wie etwa das Silicon Valley für die<br />

Computerindustrie gibt. Wir bauen nun dieses<br />

Zentrum, um Wissenschaftler, Ausbildungspro-<br />

gramme, Geldgeber und Unternehmer zusammen<br />

zubringen.“<br />

Bereits eröffnet ist der vierte Geschäftszweig: das<br />

Masdar Institute of Science and Technology. Hier<br />

wird die neu gegründete Internationale Agentur<br />

für erneuerbare Energien (Irena) ihren Sitz in<br />

Masdar City nehmen. Später wird sich auch die<br />

Fraunhofer-Gesellschaft dort niederlassen, die<br />

das Projekt als „eines der weltweit führenden<br />

Beispiele für nachhaltige Entwicklung“ bezeichnet.<br />

Fünfter Geschäftsbereich der Masdar-Initiative ist<br />

der Handel mit Emissionszertifikaten nach dem<br />

Kyoto-Protokoll.<br />

Ökologie als Staatsangelegenheit? Dass es den<br />

Scheichs damit ernst ist, bestätigt Eduardo<br />

Gonçalves, Global Coordinator der WWF-Initiative<br />

One Planet Living. Abu Dhabi und die anderen<br />

Emirate arbeiten eng mit dem World Wide Fund For<br />

Nature (WWF) zusammen. Gonçalves: „Masdar City<br />

wird der zentrale Knotenpunkt des weltweit größten<br />

erneuerbaren Energiebetreibers, der Masdar-<br />

Initiative, sein.“ Weiter erklärte er in einem Inter-<br />

view: „Masdar wird ein wichtiger Knotenpunkt von<br />

Forschung, Entwicklung und des Marketings. Hier<br />

kommen mehrere Aspekte zusammen: Das Kapital<br />

ist vorhanden, die Infrastruktur, hier wird es die<br />

Arbeitskräfte geben. Hier werden die besten Köpfe<br />

in einer Universität vereint, die der Erforschung der<br />

nachhaltigen Technologien gewidmet sind.“<br />

„Trotzdem werden alternative Energien keine Kon-<br />

kurrenz zu den klassischen Kohlenwasserstoff-<br />

Energieträgern darstellen“, so Sultan Ahmed Al<br />

Jaber in einem Interview. Sie könnten „höchstens<br />

eine ergänzende Funktion haben“ und helfen, „die<br />

immer größer werdende Lücke zwischen dem wach-<br />

senden Energiebedarf und dem Angebot auf dem<br />

Weltmarkt zu schließen“. So werde die Welt etwa<br />

„immer Öl brauchen“, und sei es nur für die indus-<br />

trielle Produktion von gewissen Materialien.<br />

Masdar ist bereits in Deutschland angekommen:<br />

Im vergangenen Oktober eröffnete die Solartochter<br />

Masdar PV aus Abu Dhabi ein Werk zur Herstellung<br />

von Dünnschicht-Solarzellen in Ichtershausen<br />

am Erfurter Kreuz. 140 Millionen Euro hat die<br />

Firma investiert, 600 Arbeitsplätze sollen hier<br />

entstehen.<br />

Und plötzlich sind Masdar und die Zukunft gar<br />

nicht mehr so weit entfernt.<br />

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<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

41


42 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Erd<strong>gas</strong>technologie<br />

<strong>VNG</strong> arbeitet mit Marktpartnern und Kommunen<br />

an Energiekonzepten für die Zukunft<br />

<strong>VNG</strong> arbeitet seit vielen Jahren eng mit kommunalen Energieunternehmen und Regionalversorgern zusammen, um gemeinsam<br />

neue Konzepte für die Energieversorgung der Zukunft zu entwickeln. Ein erstes zukunftsträchtiges projekt wurde im April<br />

2010 der Öffentlichkeit vorgestellt.<br />

Von Christian Dubiel und Marek Preißner, <strong>VNG</strong><br />

Starke Energieunternehmen<br />

Stadtwerke und Regionalversorger besitzen sehr<br />

viel unternehmerisches Know-how, um eine nach-<br />

haltige Energiewirtschaft zu forcieren und Akzente<br />

für einen nachhaltig geprägten Energiemix zu<br />

setzen. <strong>VNG</strong> sowie Vertreter verschiedener Energieversorgungsunternehmen<br />

aus ganz Deutschland<br />

haben dieses Potenzial jetzt in einem gemeinsamen<br />

Feldtestprojekt für ein neues Mikro-BHKW<br />

gebündelt.<br />

Neues Mikro-BHKW am Markt<br />

Auf der Hannovermesse wurde im April dieses<br />

Jahres das Kirsch HomeEnergy microBHKW L 4.12<br />

der Kirsch GmbH aus Trier (Kirsch) erstmals der<br />

Öffentlichkeit vorgestellt. Die Firma Kirsch ist<br />

Lizenznehmer für das von <strong>VNG</strong> im Rahmen einer<br />

Grundlagenentwicklung konzipierte und patentierte<br />

luftgekühlte Mikro-BHKW (L-MBHKW) und<br />

führt diese Entwicklung zur serienreifen Vermark-<br />

Dr. Jörg Hartan (Technologie Center <strong>VNG</strong>) erklärt das neue Gerät. | Klaus Mies, Geschäftsführer Kirsch GmbH (re.)<br />

tung. Die Anlage ist vornehmlich für den Einsatz<br />

in Ein- und Zweifamilienhäusern vorgesehen und<br />

erzeugt Wärme und Strom für den Eigenbedarf.<br />

langer Weg zur Serienreife<br />

Die Entwicklungsphase des L-MBHKW begann<br />

bereits 1996. Eine erste Pilotanlage wurde im<br />

Jahr 1999 in einem Einfamilienhaus installiert<br />

und versorgt es seitdem zuverlässig mit Wärme<br />

und Strom. Zwei weitere Pilotanlagen wurden für<br />

umfangreiche Testzwecke in den Jahren 2007 und<br />

2008 bei <strong>VNG</strong> eingesetzt. Im Anschluss an die langjährige<br />

Entwicklungs- und Vorbereitungszeit wurde<br />

schließlich die erste in Zusammenarbeit mit Kirsch<br />

produzierte Demonstrationsanlage am 1. Oktober<br />

2009 im Heizhaus am <strong>VNG</strong>-Untergrund<strong>gas</strong>speicher<br />

in Bad Lauchstädt in Betrieb genommen. 15 weitere<br />

Demonstrationsanlagen folgten, die für Testläufe<br />

in Ein- und Zweifamilienhäusern eingebaut<br />

wurden. Als Partner standen unter anderem die<br />

Stadtwerke Chemnitz, Leipzig, Erfurt und DREW<strong>AG</strong><br />

sowie die Berliner GAS<strong>AG</strong> und die Mannheimer<br />

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Mikro-BHKWs<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Mikro-BHKWs nutzen das Prinzip der Kraft-Wärme-Koppelung in Ein- und Zweifamilienhäusern. In KWK-Anlagen werden<br />

gleichzeitig Strom und Wärme produziert. Dieses Vorgehen entspricht einer optimalen Nutzung der eingesetzten Rohstoffe<br />

und führt zu Einsparungen von Primärenergie gegenüber einer getrennten Erzeugung und somit zu verminderten<br />

CO 2-Emissionen.<br />

Die KWK-Technologie wird gesetzlich gefördert und kann mit Erd<strong>gas</strong> als auch mit Bioerd<strong>gas</strong> betrieben werden. Der Einsatz<br />

des „grünen“ <strong>Gas</strong>es führt zu einer zusätzlichen Verbesserung der CO 2-Bilanz.<br />

MVV bereit und unterstützten diese Phase aktiv.<br />

Weiterhin begleiten seit Beginn an verschiedene<br />

Hochschulen, wie die TU Bergakademie Freiberg,<br />

die HTWK Leipzig und die TU Dresden das Projekt<br />

aus wissenschaftlicher Sicht.<br />

Die Feldtestphase mit bis zu 150 seriennahen<br />

Geräten wird an Standorten in ganz Deutschland<br />

durchgeführt. Zahlreiche weitere kommunale<br />

Versorger haben bereits ihr Interesse an der neuen<br />

Technologie bekundet.<br />

Impulse für die Zukunft<br />

<strong>VNG</strong> und die kommunalen Stadtwerke sowie wei-<br />

tere Energieversorgungsunternehmen arbeiten<br />

derzeit mit Hochdruck daran, energieeffiziente<br />

Technologien bis zur Marktreife zu entwickeln.<br />

Sie sehen die KWK-Technologie im Allgemeinen<br />

und das Mikro-BHKW im Besonderen als einen<br />

weiteren Baustein, die Energieversorgung der<br />

Zukunft auch im privaten Bereich zu gestalten.<br />

Das neue microBHKW L 4.12 der Firma Kirsch<br />

ist dabei aber lediglich ein Bindeglied. Die Pro-<br />

jektpartner sind sich einig: Ein Gerät von nur<br />

einem Hersteller ist nicht ausreichend, um die<br />

Akzeptanz der Technologie zielführend zu stei-<br />

gern. Um die Mikro-BHKWs flächendeckend im<br />

Markt zu etablieren, werden die Marktpartner<br />

deshalb zusätzliche Hersteller und Produkte<br />

unterstützen. Bereits heute werden gemeinsam<br />

mit Partnerunternehmen und <strong>VNG</strong> Feldtests von<br />

Mini- und Mikro-KWK-Anlagenherstellern in einer<br />

Sierksdorf<br />

großen Innovationskampagne eingesetzt und zur<br />

Markteinführung unterstützt. Darüber hinaus sind<br />

andere Technologien wie die <strong>Gas</strong>wärmepumpe<br />

oder auch die Brennstoffzelle Bestandteil die-<br />

ser Initiative. Denn je breiter das Spektrum an<br />

innovativen Produkten und Dienstleistungen ist,<br />

desto schneller lassen sich die Klimaschutzziele<br />

umsetzen.<br />

Wittenberg<br />

Rostock<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

Essen<br />

Herborn<br />

Trier<br />

Kusel Frankenthal<br />

Kaiserslautern<br />

Freiburg<br />

Saarbrücken<br />

Mannheim<br />

Stuttgart<br />

Reutlingen<br />

Sindelfingen<br />

Erfurt<br />

Rudolstadt<br />

Neustadt<br />

Ansprechpartner für den Feldtest: Marek preißner (<strong>VNG</strong>)<br />

Telefon: 0341 443-2916 | E-Mail: marek.preissner@vng.de<br />

Leipzig<br />

Berlin<br />

43<br />

Die Städte planen mit ihren<br />

Versorgern, an dem Feldtest mit<br />

dem neuen Mikro-BHKW der<br />

Firma Kirsch teilzunehmen.<br />

Weitere Städte haben bereits<br />

Interesse angemeldet.<br />

Parchim<br />

Neubrandenburg<br />

Halle<br />

Eisenberg<br />

Informationen zum microBHKW l 4.12 und zur Vermarktung finden Sie<br />

auf der Internetseite der Firma Kirsch: www.kirsch-energie.de<br />

Schönebeck<br />

Dresden<br />

Chemnitz<br />

Freiberg<br />

Annaberg-<br />

Buchholz<br />

Lübben<br />

Cottbus<br />

Luckau


44 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | umschau | Feature<br />

CH4<br />

Im porträt<br />

Markscheider – Vermesser unter Tage<br />

Das Markscheidewesen ist einer der ältesten Berufe im Bergbau. Seit dem 13. Jahrhundert hat sich die Arbeit um ein Vielfaches<br />

„vertechnisiert“. <strong>medium</strong> <strong>gas</strong> sprach mit dem <strong>VNG</strong>-Markscheider Stefan Kalch über seine Arbeit und die Anforderungen an<br />

den Beruf.<br />

Berufsbild Markscheider<br />

Einen kurzen Überblick über das markscheiderische<br />

Berufsbild gibt der Deutsche Markscheider-Verein<br />

e. V. auf seinen Internetseiten. Die<br />

Berufsmöglichkeiten der Absolventen/innen<br />

des Studiengangs „Markscheidewesen“ sieht<br />

der Verband aufgrund ihrer breiten Fachausbildung<br />

in Verbindung mit fundierten technischen,<br />

betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Kenntnissen<br />

als sehr vielfältig.<br />

Weitere Informationen: www.dmv-ev.de<br />

Von Mandy Nickel, Redaktion<br />

„Glück auf“ hallt es aus dem Telefonhörer, als<br />

ich Stefan Kalch am Apparat habe, um einen Ge-<br />

sprächstermin zu vereinbaren. Ich muss lachen<br />

ob des traditionellen Grußes, der ja eigentlich<br />

die Hoffnung auf einen ertragreichen Abbau und<br />

ein gesundes Ausfahren zum Ausdruck bringt.<br />

Eine Woche später sitze ich mit ihm und seinem<br />

Kollegen Sebastian Schindler im Büro und lasse<br />

mich in die Geheimnisse der Bergwerkskontrolle<br />

und der Markscheiderei einführen.<br />

Mittelalterlicher Beruf Der Markscheider, so<br />

erklärt Stefan Kalch, ist der wohl älteste Beruf<br />

im Bergwerksgeschäft. Er ist spätestens seit<br />

dem 13. Jahrhundert, regional sogar schon eher,<br />

nachweisbar. Der Name geht auf<br />

die Markscheide zurück, die die<br />

Grenzen des Gebietes festlegt,<br />

in dem der Abbau von Boden-<br />

schätzen erlaubt war. Oberste<br />

Aufgabe des Markscheiders war<br />

es, die Markscheide eines Berg-<br />

werks in der Örtlichkeit, über<br />

und unter Tage festzulegen,<br />

die laufenden bergbaulichen<br />

Aktivitäten in Karten und Rissen zu dokumen-<br />

tieren und Streitigkeiten von Feldesnachbarn<br />

zu schlichten.<br />

Verantwortung für das Risswerk Heute wie<br />

früher liegt die primäre Aufgabe des Markscheiders<br />

darin, das Risswerk zu verantworten – also jene<br />

vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Informationen,<br />

die die Gesamtheit der bergbaulichen Darstel-<br />

lungen umfassen und die zur Bergaufsicht und der<br />

unternehmerischen Führung (Planung, Betrieb,<br />

Verwahrung, Nachsorge) mindestens notwendig<br />

sind. Gemeint sind damit z. B. Darstellungen, die die<br />

Lage der entstehenden untertägigen Hohlräume,<br />

der sie erschließenden Bohrungen bzw. Schächte<br />

und der obertägigen Anlagen zur Markscheide und<br />

der Örtlichkeit zeigen. Aber auch Angaben zum<br />

Bergbauunternehmer (Chronik), zu überlagernden<br />

Schutzgebieten, den Darstellungen der Lagerstätten-<br />

ausbildung in geologischen Grundrissen und Quer-<br />

schnitten sowie Darstellungen der Auswirkungen<br />

von bergbaulicher Tätigkeit auf die Tagesoberfläche<br />

werden im Risswerk veröffentlicht. Was genau in<br />

einem Risswerk wie dargestellt und nach welchen<br />

Zeitabständen es nachgetragen werden muss,<br />

regeln das Bundesberggesetz (BBergG) und die<br />

Markscheider-Bergverordnung (MarkschBergV).<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


Dokumentation für die Bergaufsicht „Die<br />

vollständige, übersichtliche und nachvollziehbare<br />

Dokumentation im Risswerk ist wegen dessen<br />

Urkundscharakter (öffentliche Urkunde im Sinne<br />

§ 415 ZPO) sowie der komplexen und dynamischen<br />

Betriebsweise bei der Untergrund<strong>gas</strong>speicherung<br />

unentbehrlich. Einerseits benötigen wir sie für<br />

die planmäßige Betriebsführung, andererseits<br />

kann der Gesetzgeber damit ordnungsgemäß<br />

seiner Bergaufsicht nachkommen“, begründet<br />

Stefan Kalch die Bedeutung eines bergmännischen<br />

Risswerkes. Die „Zwei-Mann-Markscheiderei“ von<br />

<strong>VNG</strong> mit Stefan Kalch und Sebastian Schindler<br />

ist die zentrale Anlaufstelle für Auskünfte zu<br />

den Geodaten der Untergrund<strong>gas</strong>speicher. Beide<br />

verfügen über die Informationen und stellen sie<br />

berechtigten Nutzern im Unternehmen oder auch<br />

Dritten zur Verfügung.<br />

Verpflichtung für das Bergwerk Einmal im<br />

Jahr muss Stefan Kalch das aktuelle Risswerk für<br />

alle <strong>VNG</strong>-Speicher auf zahllose A1-Risse projizie-<br />

ren und an die jeweiligen Landesbergbehörden<br />

versenden. Auf bis zu 50 Risse kommt er dabei<br />

pro Speicher. Obwohl schon stillgelegt gehört<br />

übrigens auch der UGS Ketzin noch dazu. Für ihn<br />

trägt <strong>VNG</strong> nach wie vor die bergwerksrechtliche<br />

Verantwortung. „Eigentum verpflichtet“, nennt<br />

das Stefan Kalch. Immerhin wurden in die Spei-<br />

cherformation etwa 80 Bohrungen abgeteuft, die<br />

zwar nicht mehr sichtbar sind, abgeschnitten und<br />

mit Zement und Ton verfüllt wurden, aber dennoch<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

die Natürlichkeit der Ablagerungen zerstört haben.<br />

Außerdem lagern noch in mehr als 250 Metern<br />

Tiefe die nicht mehr rückförderbaren Mengen an<br />

Kissen<strong>gas</strong>.<br />

Nicht-Sichtbares sichtbar machen Zu allen<br />

Zeiten setzte die Tätigkeit des Markscheiders gute<br />

Kenntnisse in Mathematik und ein gutes räum-<br />

liches Denken voraus. Immerhin muss man als<br />

Markscheider Nicht-Sichtbares in vielen hundert<br />

Metern Tiefe darstellen und dabei mit aller Sorgfalt<br />

auch die Maße richtig bestimmen. Eine Affinität<br />

gegenüber mathematischen Formeln reicht aber<br />

allein nicht aus, um Markscheider zu werden. Als<br />

Grundvoraussetzung gilt in Deutschland ein Stu-<br />

dium im Bereich Markscheidewesen an einer deut-<br />

schen wissenschaftlich-technischen Hochschule.<br />

Stefan Kalch hat das an der TU Bergakademie in<br />

Freiberg absolviert – immerhin die weltweit älteste<br />

Bergbauuniversität. Danach ging es für den Diplom-<br />

Ingenieur für zweieinhalb Jahre zum Referendariat<br />

an das Sächsische Oberbergamt. Wie auch beim<br />

Lehramts- und Jurastudium musste er eine zweite<br />

Staatsprüfung ablegen. Erst danach konnte er<br />

sich Assessor des Markscheidefachs nennen und<br />

erhielt die Konzession als Markscheider von den<br />

unterschiedlichen Landesbergbehörden. Jetzt darf<br />

er laut Gesetz „Tatsachen mit öffentlichem Glaube<br />

beurkunden“. Mit dieser weitreichenden Befugnis<br />

ausgestattet handelt er wie ein Bergnotar, der mit<br />

seiner Unterschrift auf jedem Risswerk für dessen<br />

Richtigkeit bürgt.<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

45<br />

In Bad Lauchstädt wurden<br />

Bohrungen für die Speichererweiterung<br />

abgeteuft. Stefan<br />

Kalch hatte hier im Vorfeld gut<br />

zu tun, unter anderem hat er<br />

die Suche nach Ansatzpunkten<br />

für die Bohrungen mitgeplant,<br />

war für die Anpassung<br />

der Markscheide zwischen<br />

<strong>VNG</strong> und DOW verantwortlich<br />

und hat den Genehmigungsprozess<br />

beim Landesbergamt<br />

in Sachsen-Anhalt begleitet.<br />

Fotos: Christian Schneider


46 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | umschau | Feature<br />

Fortsetzung von Seite 45<br />

Markscheider – Vermesser unter Tage<br />

Kavernenquerschnitt<br />

Markscheidewesen bei <strong>VNG</strong> Markscheider<br />

waren seit jeher Grundvoraussetzung, damit ein<br />

Unternehmen bergbaulich aktiv sein konnte. Auch<br />

<strong>VNG</strong> musste bereits vor der Inbetriebnahme des<br />

ersten Untergrund<strong>gas</strong>speichers in Ketzin Risswerke<br />

von einem Markscheider anfertigen lassen,<br />

damit sie die Genehmigung erhalten konnte. Bis<br />

Anfang der 1990er Jahre lag die Verantwortung<br />

durch den Markscheider jedoch nicht bei <strong>VNG</strong>,<br />

sondern im <strong>Gas</strong>kombinat Schwarze Pumpe. Dort<br />

gab es eine zentrale Markscheiderei, die alle<br />

Aufgaben übernahm. Als <strong>VNG</strong> nach der Wende<br />

damit begann, Speicher massiv auszubauen,<br />

und neue rechtliche Rahmenbedingungen für<br />

die Risswerkserstellung galten, nahmen auch<br />

die Pflichten des „Bergbauunternehmers“ <strong>VNG</strong><br />

stetig zu. Deshalb stellte das Unternehmen einen<br />

eigenen Markscheider ein, der zur zentralen<br />

Koordinierungsstelle für alle bergrechtlichen und<br />

vermessungstechnischen Aufgaben wurde. Er<br />

fertigt nicht nur die Risswerke für alle Speicher<br />

an, sondern beauftragt und überwacht auch die<br />

Dienstleister, die die Daten und Dokumente zu<br />

den Risswerksbestandteilen liefern. Dazu zählen<br />

beispielsweise die Firmen SOCON (Kavernenvermessungen)<br />

und C+E Vermessungstechnik<br />

(Vermessung von übertägigen Betriebsanlagen<br />

und -einrichtungen).<br />

Fachbegriffe aus der Markscheiderei<br />

Markscheide<br />

Die Markscheide ist die unterirdische Grenze eines Bergbaugebietes, in dem<br />

Abbauaktivitäten erlaubt sind. „Mark“ ist das alte deutsche Wort für Grenze.<br />

Risswerk<br />

Das Risswerk ist ein in § 63 BBergG festgelegter Begriff und umfasst alle vom<br />

Gesetzgeber vorgeschriebenen Informationen, bestehend aus dem Grubenbild<br />

und den sonstigen Unterlagen, wie Rissen, Karten und Plänen. Inhalt und Form des<br />

Risswerkes ergeben sich aus der Markscheider-Bergverordnung, die Darstellung<br />

aus den Normen für das Bergmännische Risswerk.<br />

Zechenbuch<br />

Das Zechenbuch wurde seit jeher von Unternehmen geführt, um alle Anordnungen<br />

von Zechenleitung und Bergbehörden an die Grubenbeamten weiterzugeben.<br />

Alle Grubenbeamten mussten das Zechenbuch lesen und gegenzeichnen. Damit<br />

wussten alle Mitarbeiter, an welche Bestimmungen sie sich zu halten hatten.<br />

Auch heute noch müssen alle im Bergbau tätigen Unternehmen ein Zechenbuch<br />

„nach näheren Weisungen des Oberbergamtes“ führen. Hinterlegt sind, wie auch<br />

früher schon, alle Schriftwechsel mit den Behörden, deren Genehmigungen und<br />

Anordnungen mit den notwendigen Kenntnisnahmen des Unternehmers.<br />

Zusammenarbeit mit den Bergämtern<br />

Ein weiterer – nicht unwesentlicher – Aufgabenschwerpunkt<br />

für Markscheider wie Stefan Kalch<br />

sind „Behördengänge“. In Deutschland unterliegen<br />

alle untertägigen Aufsuchungs- und Gewinnungsarbeiten<br />

besonderen Genehmigungsverfahren<br />

durch die Bergbehörden. Diese Verfahren begleitet<br />

der Markscheider, u. a. durch die Anfertigung von<br />

Lagerissen. Hier ist die Markscheide für das Feld<br />

eingetragen, in dem die Aufsuchung bzw. Gewinnung<br />

von Bodenschätzen beantragt wurde. Sofern<br />

das Bergrecht (Erlaubnis, Bewilligung, Bergwerkseigentum)<br />

erteilt wurde, muss der Markscheider im<br />

gesetzlich vorgeschriebenen Betriebsplanverfahren<br />

zahlreiche Risswerke und Bergschadensanalysen<br />

vorlegen. Klingt nach sehr viel Bürokratie; als<br />

ehemaliger Referendar beim Sächsischen Oberbergamt<br />

weiß Stefan Kalch damit aber durchaus<br />

umzugehen. Außerdem ist <strong>VNG</strong> bereits seit Mitte<br />

der 1960er Jahre im Speichergeschäft aktiv und<br />

kann damit auf ein langjähriges Know-how im<br />

Bergbetrieb zurückgreifen. Das ist natürlich auch<br />

bei den Landesbergbehörden bekannt.<br />

Zechenbuch führen Um alle Anfragen, Anordnungen<br />

und Genehmigungen der Landesbergämter<br />

zu überblicken, führt Stefan Kalch ein Zechenbuch.<br />

Heute wie früher ist das ein Postein- und<br />

-ausgangsbuch, in dem jeglicher Briefwechsel mit<br />

den Bergbehörden sowie die Kenntnisnahme der<br />

verantwortlichen Personen zu den Verwaltungsakten<br />

abgelegt und den einzelnen Betriebsplanverfahren<br />

zugeordnet wird. Mit einem Buch hat das<br />

Zechenbuch allerdings nichts mehr gemeinsam,<br />

denn in Zeiten von Computer und Internet ist es<br />

zu einem Dokumentenverwaltungssystem inklusive<br />

unternehmensübergreifender Workflow- und<br />

Suchfunktionen geworden. Damit kann man sogar<br />

bis in die Anfangszeiten der <strong>VNG</strong>-Untergrund<strong>gas</strong>speicher<br />

zurückblicken.<br />

Ohne Technik – ob nun bei Vermessungsarbeiten<br />

oder bei der Datenanalyse – kommt ein Markscheider<br />

heute nicht mehr aus. Sie unterstützt ihn dabei,<br />

geologische Informationen zu analysieren und zu<br />

interpretieren und damit den sinnbildlich richtigen<br />

Weg zu einer sicheren, umweltfreundlichen und<br />

nachhaltigen Nutzung der unterirdischen Bodenschätze<br />

zu weisen. Darauf bleibt abschließend nur<br />

noch eins zu sagen: Glück auf!<br />

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Ansturm auf Shale-<strong>Gas</strong> in Polen<br />

Große multinationale unternehmen drängen nach polen, um nach<br />

nicht-konventionellen <strong>Gas</strong>vorkommen zu suchen und sie zu erschließen.<br />

Schiefer (Englisch: shale) ist das neueste Zauber-<br />

wort auf dem polnischen Energiemarkt. Polen<br />

könnte laut Schätzungen über 1,4–3,0 Trillionen<br />

Kubikmeter Shale-<strong>Gas</strong>-Vorkommen verfügen. Für<br />

ein Land, das ca. 14 Milliarden Kubikmeter jährlich<br />

verbraucht und über nachgewiesene Reserven<br />

von 98 Milliarden Kubikmetern verfügt – bei einer<br />

Produktion von 4,1 Milliarden Kubikmetern – würde<br />

dies die Energieunabhängigkeit beträchtlich stei-<br />

gern. Bei den Zahlen über die Größe der Vorkommen<br />

handelt es sich um vorläufige Schätzungen, die<br />

auf einem Vergleich zwischen den geologischen<br />

Bedingungen in Polen und in den USA basieren.<br />

Mehr Aufschluss über die tatsächliche Größe<br />

könnten Testbohrungen ergeben.<br />

Im Laufe der vergangenen drei Jahre hat das<br />

polnische Umweltministerium 49 Explorati-<br />

onskonzessionen für Shale-<strong>Gas</strong> an Unterneh-<br />

men wie ExxonMobil, ConocoPhillips, Chevron,<br />

Aurelian, Marathon Oil Corp und Talisman Energy<br />

erteilt. Lane Energy Poland, eine polnische<br />

Tochterfirma von 3Legs Resources, hat im Mai<br />

Testbohrungen in Zusammenarbeit mit Conoco<br />

Phillips aufgenommen, kurze Zeit später auch mit<br />

BNK Petroleum. Die PGNiG (Polnische Erdölbergbau<br />

und <strong>Gas</strong>-Aktiengesellschaft) plant ebenfalls auf<br />

dem Shale-Markt einzusteigen, allerdings in Zu-<br />

sammenarbeit mit ausländischen Unternehmen.<br />

Vorausgesetzt die Suche verläuft erfolgreich,<br />

wäre das Shale-<strong>Gas</strong> in Polen innerhalb von 10 bis<br />

15 Jahren kommerziell nutzbar. Mindestens 4 Jahre<br />

wird es allein dauern, die potenziellen Ressourcen<br />

zu dokumentieren. Obwohl bis jetzt keine der<br />

Zahlen bestätigt wurde, könnte das Potenzial<br />

doch riesig sein.<br />

Nicht-konventionelle Erwartungen<br />

Zum nicht-konventionellen Erd<strong>gas</strong>, das seine<br />

Bezeichnung der Tatsache verdankt, dass es<br />

schwerer zu fördern ist als konventionelles <strong>Gas</strong>,<br />

gehören Shale-<strong>Gas</strong>, Tight <strong>Gas</strong> und Kohleflöz<strong>gas</strong>.<br />

Shale-<strong>Gas</strong> ist in dichten Gesteinsformationen in<br />

großer Tiefe eingeschlossen.<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Obwohl es schwieriger zu gewinnen ist als kon-<br />

ventionelles <strong>Gas</strong>, sind die Vorräte auch deutlich<br />

größer. Laut einiger Schätzungen könnten die<br />

Vorräte an nicht-konventionellem <strong>Gas</strong> 10 Mal<br />

größer sein als die Vorräte an konventionellem<br />

<strong>Gas</strong>. Die Entwicklung neuer Technologien wie<br />

Horizontalbohrverfahren und hydraulischer Brech-<br />

verfahren hat die Produktivität verbessert und<br />

die Kosten gesenkt, sodass die Produzenten mit<br />

der Förderung zuvor nicht profitabler Ressourcen<br />

beginnen konnten.<br />

Auf der Jagd nach dem amerikanischen Traum<br />

Shale-<strong>Gas</strong> hat sich auf dem US-Energiemarkt<br />

bereits als „Marktveränderer“ erwiesen und die<br />

Energieunabhängigkeit des Landes verbessert.<br />

Zum jetzigen Zeitpunkt hat Shale-<strong>Gas</strong> einen Anteil<br />

von 10 Prozent an der Produktion in den USA, man<br />

geht aber davon aus, dass dieser Anteil bis 2020<br />

auf 50 Prozent steigen könnte. Nicht-konventi-<br />

onelles <strong>Gas</strong> macht bereits jetzt 50 Prozent der<br />

US-<strong>Gas</strong>produktion aus. Gemäß einigen Schät-<br />

zungen wurden in den vergangenen drei Jahren<br />

ca. 100 Milliarden US-Dollar in die Shale-<strong>Gas</strong>-<br />

Technologie investiert.<br />

Die internationale Energieagentur weist auf einige<br />

Hindernisse bei der Entwicklung von Shale-<strong>Gas</strong>,<br />

wie zum Beispiel die Einschränkungen in Bezug<br />

auf den Zugang zu den Ressourcen, die großen<br />

Wassermengen, die für die Bohrungen benötigt<br />

werden, die Auswirkungen auf die Umwelt bei der<br />

Extraktion und die Entfernung von der vorhandenen<br />

Pipeline-Infrastruktur hin. Das bisher bekannte<br />

größte Umweltproblem besteht darin, dass die<br />

Extraktionstechnologie für das Shale-<strong>Gas</strong>, die<br />

so genannte „Fraktionierung“, das Grundwasser<br />

verschmutzen könnte.<br />

Auch wenn eine größere Energieunabhängigkeit<br />

durch Shale-<strong>Gas</strong> möglich ist, wird dies noch eine<br />

Zeitlang dauern. Zum jetzigen Zeitpunkt scheint man<br />

sich in Polen aber schon darüber zu freuen, dass<br />

man diese Option überhaupt untersuchen kann.<br />

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47<br />

Ein Wort aus ...<br />

Moskau<br />

Bologna<br />

Berlin<br />

Stavanger<br />

Brüssel<br />

Wien<br />

Zürich<br />

Warschau<br />

Poznań<br />

Oslo<br />

Prag<br />

Bratislava<br />

Dr. Jacek Kwiatkowski<br />

Dr. Jacek Kwiatkowski leitet<br />

das Büro von <strong>VNG</strong> in Warschau.


48 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | umschau | Feature<br />

Weltwirtschaft<br />

Vom Umgang mit<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


Foto: aboutpixel.de/Regine Schöttl | Thomas Günther | Evgeni T. | Don Espresso | Chribier<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Rohstoffen<br />

Auf der 3. Rohstoff-Konferenz im März in Freiberg war es ein wichtiges Thema:<br />

Die Rohstoffressourcen werden knapp. Das gilt zwar weniger für fossile Rohstoffe,<br />

dafür umso mehr für mineralische, insbesondere Metalle.<br />

Von Thomas Stein, freier Publizist<br />

Als biologische Grundlage alles Lebens auf der<br />

Erde gilt unstrittig das Wasser, zu dem auch wir<br />

Menschen aus siebzig Prozent bestehen. Selbst-<br />

verständlich ist aber, dass es zu allen Zeiten<br />

auch anderer Materie bedurfte, um bestehen und<br />

sich weiter entwickeln zu können: Gewinnung<br />

und Nutzung von Rohstoffen waren und sind die<br />

Voraussetzung unserer Existenz und sozioökonomischen<br />

Entwicklung. Jeder Deutsche verbraucht<br />

im Laufe seines etwa 80 Jahre währenden Lebens<br />

statistisch rund 1100 Tonnen Rohstoffe. In den<br />

Generationen, die nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

aktiv waren, wuchs der Verbrauch schon allein<br />

deshalb rasant an, weil für den Wiederaufbau jede<br />

Menge Rohstoffe benötigt wurden. Zum Glück für<br />

die Deutschen waren Steine, Ton, Kies und Erde<br />

im eigenen Land reichlich verfügbar und aufgrund<br />

der großen Vorkommen auch noch einigermaßen<br />

kostengünstig.<br />

Der internationale Wettbewerb um Rohstoffe hat<br />

sich verschärft. Solange die Zahl der Menschen<br />

sich nur langsam erhöhte und Rohstoffe nur danach<br />

beurteilt wurden, ob man geographisch und<br />

geologisch an sie herankam, schien die Verfügbarkeit<br />

nur durch Macht und Willkür derjenigen<br />

begrenzt, die in ihrem Besitz waren. Seit Menschengedenken<br />

wurden Kriege immer auch um<br />

Rohstoffe geführt.<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

49


ne<br />

He H<br />

50 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | umschau | Feature<br />

Fortsetzung von Seite 49<br />

Vom umgang mit Rohstoffen<br />

Der ersatzlose Verbrauch wiederum hinterlässt<br />

Spuren, die manchmal noch nach Jahrtausenden zu<br />

erkennen sind. Die Abholzung ganzer Landstriche<br />

in Italien und Südfrankreich für die römische<br />

Kriegs- und Handelsflotte hat in den zurücklie-<br />

genden 2000 Jahren und bis heute das Bild der<br />

Landschaften geprägt und Auswirkungen bis hin<br />

zum Klima gezeitigt. Mit Beginn der Industrialisie-<br />

rung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

änderte sich zweierlei: Die Erdbevölkerung wächst<br />

seitdem in atemberaubender Geschwindigkeit<br />

und die Rohstoffe werden knapper und mithin<br />

nach dem Gesetz des Marktes teurer. Vor allem<br />

in den zurückliegenden drei Jahrzehnten hat der<br />

Verbrauch von Rohstoffen dramatische Dimensi-<br />

onen angenommen.<br />

Beim Stichwort Rohstoffpreise denken sicher die<br />

meisten Menschen zuerst mit Schrecken an das<br />

Jahr 2008 zurück, als sie nahezu täglich an den<br />

Tankstellen mehr bezahlen mussten oder sich är-<br />

gerten, wenn sie zur falschen Zeit Heizöl bestellen<br />

oder noch Monate später für teurer gewordenes<br />

Erd<strong>gas</strong> tief in die Tasche greifen mussten. Bei<br />

Erd<strong>gas</strong> bestehen langfristige Lieferverträge zwi-<br />

schen Produzenten- und Konsumentenländern.<br />

Das ändert zwar nichts an der Endlichkeit, bietet<br />

aber Zeit zur Erschließung weiterer Vorkommen<br />

sowie zur Suche nach Alternativen, vor allem durch<br />

erneuerbare Energien.<br />

Ne Li Be Li Be<br />

B C NB<br />

OC F N NeO<br />

F Ne<br />

Ar Na Mg Na Mg Al Si PAl SSi ClP ArS<br />

Cl Ar<br />

ne Argon Sodium Magnesium Aluminum Silicon Phosphorus Aluminum Sulfur Silicon Chlorine Phosphorus ArgonSulfur<br />

Sodium Magnesium Chlorine Argon<br />

e<br />

um<br />

Helium Hydrogen<br />

Neon Lithium Beryllium<br />

Lithium Beryllium<br />

Boron Carbon Nitrogen Boron Oxygen Carbon Fluorine Nitrogen Neon Oxygen Fluorine Neon<br />

Kr<br />

ne Krypton Potassium Calcium Scandium Potassium Titanium Calcium ZincNickel Gallium Germanium Zinc Arsenic Gallium Selenium Germanium Bromine Arsenic Krypton Selenium Vanadium Scandium Chromium Titanium Bromine Krypton<br />

Manganese Vanadium Iron Chromium Cobalt Manganese NickelIron<br />

Copper Cobalt Copper<br />

Xe Rb<br />

Lu<br />

Lutetium<br />

Lr<br />

um Lawrencium<br />

H<br />

Hydrogen<br />

Zunehmende Materialvielfalt in der Halbleiterindustrie<br />

K Ca ScK TiCa VSc CrTi MnV FeCr CoMn Ni Fe CuCo<br />

ZnNi GaCu GeZn AsGa SeGe BrAs KrSe<br />

Br Kr<br />

Sr<br />

YRb<br />

ZrSr<br />

NbY<br />

MoZr<br />

TcNb<br />

RuMo<br />

RhTc<br />

PdRu<br />

AgRh<br />

CdPd<br />

InAg SnCd SbIn TeSn ISb<br />

XeTe<br />

I<br />

Rn Cs Ba Cs Hf Ba Ta WHf<br />

ReTa<br />

OsW<br />

IrRe<br />

Pt Os AuIr<br />

HgPt<br />

TlAu PbHg BiTl PoPb AtBi<br />

RnPo<br />

At<br />

ne Radon Cesium Barium Cesium Hafnium Barium Tantalum Tungsten Hafnium Rhenium Tantalum Osmium Tungsten Iridium Rhenium Platinum Osmium GoldIridium<br />

Mercury Platinum Thallium Gold Lead Mercury Bismuth Thallium Polonium Lead Astatine Bismuth Radon Polonium Astatine Radon<br />

Fr Ra Fr RfRa<br />

Db SgRf BhDb HsSg<br />

Mt BhUun Hs Uuu MtUub Uun UuuUuq<br />

Uub Uuh Uuq Uuh<br />

Francium Radium FranciumRutherfordium Radium Seaborgium Rutherfordium Bohrium Dubnium Hassium Seaborgium Dubnium Meitnerium Bohrium Ununnilium Hassium Unununium MeitneriumUnunbium Ununnilium Unununium Ununquadium Ununbium Ununhexium Ununquadium Ununhexium<br />

La<br />

Ce PrLa NdCe PmPr SmNd EuPm Gd Sm TbEu<br />

DyGd HoTb ErDy TmHo<br />

YbEr<br />

LuTm<br />

Yb<br />

Lanthanides<br />

Lanthanum Cerium P raseodymium LanthanumNeodymium<br />

Ytterbium Erbium Cerium raseodymium Samarium Neodymium Europium PromethiumGadolinium Samarium Terbium Europium Promethium P Ytterbium<br />

Dysprosium Gadolinium Holmium Terbium Erbium Dysprosium Thulium Holmium Lutetium Thulium<br />

Lutetium<br />

Ac<br />

Th PaAc UTh NpPa PuU AmNp CmPu<br />

Bk Am Cf Cm EsBk FmCf Md Es No Fm LrMd<br />

No<br />

Actinides<br />

He<br />

Helium<br />

Xe<br />

Xenon<br />

Rn<br />

Lu<br />

Lr<br />

Engpässe drohen derzeit weniger von fossilen<br />

Rohstoffen als von mineralischen, insbesondere<br />

von Metallen. Vielschichtig und kompliziert stellt<br />

sich die Situation an den Märkten dar. Bestimmte<br />

Paradigmen gelten nicht mehr. So etwa der Satz,<br />

dass nur 20 Prozent der Weltbevölkerung, nämlich<br />

die in den entwickelten Ländern, 80 Prozent der<br />

Rohstoffe verbrauchen. Mit dem Eintritt Chinas<br />

und Indiens in das internationale Marktgeschehen<br />

ist innerhalb weniger Jahre nunmehr etwa die<br />

Hälfte der Weltbevölkerung am Wettlauf um die<br />

Rohstoffe beteiligt.<br />

Neue Gemengelage<br />

Ein anderer wichtiger Faktor kommt hinzu: Es kon-<br />

kurrieren nicht mehr nur Nationen und Regionen<br />

um bestimmte Rohstoffe, sondern in einem rasch<br />

fortschreitenden Prozess auch ganz unterschied-<br />

liche Produktgruppen. So kann es passieren, dass<br />

demnächst die Erbauer von Windkraftanlagen sich<br />

mit den Herstellern von Hybridautos streiten oder<br />

die Produzenten von Handys mit den Großen der<br />

Autoindustrie. Grund sind die knappen Ressourcen<br />

von sogenannten Seltenerdmetallen wie Lanthan<br />

oder auch ein Kampf um Edelmetalle wie Platin<br />

und Palladium.<br />

1990er 2000er<br />

Xenon Rubidium Strontium Yttrium Rubidium Zirconium Strontium Niobium Yttrium Molybdenum ZirconiumTechnetium<br />

Niobium Ruthenium MolybdenumRhodium<br />

Technetium Palladium Ruthenium Silver Rhodium Cadmium Palladium IndiumSilver Tin Cadmium Antimony Indium TelluriumTin Iodine Antimony Xenon Tellurium Iodine<br />

Lanthanides<br />

Actinides<br />

Actinium Thorium Uranium Thorium Neptunium Protactinium Plutonium Uranium Americium Neptunium Curium Plutonium Protactinium Actinium<br />

Berkelium AmericiumCalifornium Curium Einsteinium Berkelium Fermium Californium Mendelevium Einsteinium Nobelium Fermium Lawrencium Mendelevium Nobelium Lawrencium<br />

He<br />

Helium<br />

„Der Siegeszug umweltfreundlicher Technologien<br />

könnte in den nächsten Jahren durch Engpässe<br />

in der Rohstoffversorgung gebremst werden“,<br />

schrieb im Sommer 2009 der Informationsdienst<br />

„Business in China“. Gemeint ist damit das Quasi-<br />

Monopol Chinas bei den Seltenerdmetallen, ohne<br />

Na Mg Na Mg Al Si PAl SSi ClP ArS<br />

Cl Ar<br />

K Ca ScK TiCa VSc CrTi MnV FeCr CoMn Ni Fe CuCo<br />

ZnNi GaCu GeZn AsGa SeGe BrAs KrSe<br />

Br Kr<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34<br />

H<br />

Hydrogen<br />

H<br />

Hydrogen<br />

Li Be Li Be<br />

B C NB<br />

OC F N NeO<br />

F Ne<br />

Lithium Beryllium<br />

Lithium Beryllium<br />

Boron Carbon Nitrogen Boron Oxygen Carbon Fluorine Nitrogen Neon Oxygen Fluorine Neon<br />

Sodium Magnesium Aluminum Silicon Phosphorus Aluminum Sulfur Silicon Chlorine Phosphorus ArgonSulfur<br />

Sodium Magnesium Chlorine Argon<br />

Potassium Calcium Scandium Potassium Titanium Calcium ZincNickel Gallium Germanium Zinc Arsenic Gallium Selenium Germanium Bromine Arsenic Krypton Selenium Vanadium Scandium Chromium Titanium Bromine Krypton<br />

Manganese Vanadium Iron Chromium Cobalt Manganese NickelIron<br />

Copper Cobalt Copper<br />

Rb<br />

Rubidium<br />

Sr<br />

YRb<br />

ZrSr<br />

NbY<br />

MoZr<br />

TcNb<br />

RuMo<br />

RhTc<br />

PdRu<br />

AgRh<br />

CdPd<br />

InAg SnCd SbIn TeSn ISb<br />

XeTe<br />

I<br />

Strontium Yttrium Rubidium Zirconium Strontium Niobium Yttrium Molybdenum ZirconiumTechnetium<br />

Niobium Ruthenium MolybdenumRhodium<br />

Technetium Palladium Ruthenium Silver Rhodium Cadmium Palladium IndiumSilver Tin Cadmium Antimony Indium TelluriumTin Iodine Antimony Xenon Tellurium Iodine<br />

Cs Ba Cs Hf Ba Ta WHf<br />

ReTa<br />

OsW<br />

IrRe<br />

Pt Os AuIr<br />

HgPt<br />

TlAu PbHg BiTl PoPb AtBi<br />

RnPo<br />

At<br />

Cesium Barium Cesium Hafnium Barium Tantalum Tungsten Hafnium Rhenium Tantalum Osmium Tungsten Iridium Rhenium Platinum Osmium GoldIridium<br />

Mercury Platinum Thallium Gold Lead Mercury Bismuth Thallium Polonium Lead Astatine Bismuth Radon Polonium Astatine Radon<br />

Fr Ra Fr RfRa<br />

Db SgRf BhDb HsSg<br />

Mt BhUun Hs Uuu MtUub Uun UuuUuq<br />

Uub Uuh Uuq Uuh<br />

Francium Radium FranciumRutherfordium Radium Seaborgium Rutherfordium Bohrium Dubnium Hassium Seaborgium Dubnium Meitnerium Bohrium Ununnilium Hassium Unununium Meitnerium Ununbium Ununnilium Unununium Ununquadium Ununbium Ununhexium Ununquadium Ununhexium<br />

Lanthanides<br />

Actinides<br />

La<br />

Ce PrLa NdCe PmPr SmNd EuPm Gd Sm TbEu<br />

DyGd HoTb ErDy TmHo<br />

YbEr<br />

LuTm<br />

Yb<br />

Lanthanides<br />

Lanthanum Cerium P raseodymium LanthanumNeodymium<br />

Ytterbium Erbium Cerium raseodymium Samarium Neodymium Europium PromethiumGadolinium Samarium Terbium Europium Promethium P Ytterbium<br />

Dysprosium Gadolinium Holmium Terbium Erbium Dysprosium Thulium Holmium Lutetium Thulium<br />

Lutetium<br />

Ac<br />

Th PaAc UTh NpPa PuU AmNp CmPu<br />

Bk Am Cf Cm EsBk FmCf Md Es No Fm LrMd<br />

No<br />

Actinides<br />

Actinium Thorium Uranium Thorium Neptunium Protactinium Plutonium Uranium Americium Neptunium Curium Plutonium Protactinium Actinium<br />

Berkelium AmericiumCalifornium Curium Einsteinium Berkelium Fermium Californium Mendelevium Einsteinium Nobelium Fermium Lawrencium Mendelevium Nobelium Lawrencium<br />

He<br />

Helium<br />

He<br />

Helium<br />

Xe<br />

Xenon<br />

Rn<br />

Lu<br />

Lr


die heute kein Handy funktioniert und auch kein<br />

Hybridauto, von reinen Elektro- oder Wasserstoff<br />

getriebenen Fahrzeugen einmal ganz zu schweigen.<br />

Um ein Beispiel zu geben: In einem Hybridauto<br />

sind etwa 15 Kilogramm Lanthan, eines der wich-<br />

tigsten Seltenerdmetalle, verbaut. China besitzt<br />

oder kontrolliert heute etwa 97 Prozent dieser<br />

Seltenerdmetalle und zeigt sich ausgesprochen<br />

zugeknöpft bei der Weitergabe. Mehr als die<br />

Hälfte dieser Stoffe verarbeitet die Volksrepublik<br />

jetzt schon im eigenen Land. Noch dramatischer<br />

könnte die Lage werden, wenn die verarbeiteten<br />

Seltenerdmetalle nicht einmal zur Bedienung der<br />

eigenen Industrieproduktion ausreichen.<br />

Der Siegeszug der Handys<br />

An keinem anderen Produkt sind die Verände-<br />

rungen so gut abzulesen wie an der Verbreitung<br />

der Funktelefonie. Handys haben sich innerhalb<br />

von nur anderthalb Jahrzehnten geradezu en-<br />

demisch über die ganze Welt verbreitet. Vor gut<br />

zehn Jahren nutzten noch etwa 300 Millionen<br />

Menschen auf der Erde diese vergleichsweise<br />

neue Kommunikationstechnologie, vornehmlich<br />

in den entwickelten Ländern Europas, Asiens<br />

und Nordamerikas. Heute sind es über vier Milli-<br />

arden in der ganzen Welt. Pro Jahr setzen die fünf<br />

großen Hersteller inzwischen weit mehr als eine<br />

Milliarde neuer Geräte ab. Man kann sicher sein,<br />

dass beispielsweise in vielen Ländern Afrikas<br />

die alte Technologie des Festnetzes komplett<br />

Weltweite produktion von<br />

mineralischen Rohstoffen in Mrd. t<br />

Europa<br />

Asien<br />

Australien<br />

Afrika<br />

Südamerika<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

übersprungen und stattdessen gleich der Aufbau<br />

einer Infrastruktur für die Mobilfunktechnologie<br />

in Angriff genommen wird.<br />

Der Siegeszug der Handys bringt allerdings eine<br />

Reihe von Problemen mit sich. Ein Mobilfunkgerät<br />

wird heute aus mindestens 40 verschiedenen<br />

Materialien hergestellt. Ein korrespondierendes<br />

Beispiel belegt die Entwicklung: Erforderte die<br />

Herstellung eines Rechnerprozessors noch in<br />

den achtziger Jahren 12 verschiedene Metalle,<br />

so sind es heute mindestens 60. Das allein ist<br />

angesichts der Ressourcenknappheit mancher<br />

benötigten Rohstoffe schon alarmierend genug.<br />

Eine gefährliche Dimension bekommt das Problem,<br />

wenn man den Umgang mit „alten“ Handys in<br />

Deutschland betrachtet. Der Gebrauchszyklus<br />

eines Gerätes beträgt hierzulande ungefähr zwei<br />

Jahre. Dabei könnte die Nutzungsdauer theore-<br />

tisch bis auf sieben Jahre ausgedehnt werden.<br />

Mehr als 50 Prozent der ausgedienten Altgeräte<br />

werden illegal als „Elektroschrott“ exportiert,<br />

der Rest bleibt gewissermaßen als Reserve in<br />

den Haushalten.<br />

Auf der 3. Deutsch-Russischen Rohstoff-Konferenz,<br />

zu der sich im März Wissenschaftler, Unternehmensführer<br />

und Politiker im sächsischen<br />

Freiberg trafen, hielt Prof. Armin Reller, Leiter des<br />

Wissenschaftszentrums Umwelt und Inhaber des<br />

Lehrstuhls für Ressourcenstrategie an der Universität<br />

Augsburg, einen viel beachteten Vortrag, in<br />

dem er seinen Zuhörern unter anderem durch die<br />

Bildhaftigkeit der Sprache das Thema nahe brachte.<br />

Reller erläuterte, in einer Tonne ausrangierter<br />

Handys sei bedeutend mehr Gold zu finden als in<br />

einer Tonne Aushubs einer südafrikanischen<br />

Goldmine. Das Alarmsignal<br />

hatten alle Zuhörer gehört: Wir brauchen<br />

einen verantwortungsvollen<br />

Umgang mit einmal verbauten Rohstoffen!<br />

In einer wissenschaftlichen<br />

Abhandlung hatte Reller es 2009 so<br />

formuliert: „Ziel ist eine umfassende<br />

Stoffkreislaufwirtschaft, die sich im<br />

Optimalfall durch möglichst geringe<br />

Mengen- und Qualitätsverluste der<br />

verwendeten Materialien auszeichnet<br />

und damit einer weiteren Dissipation<br />

von strategischen Materialien vor-<br />

Nordamerika beugt. Die Trennung von hochkom-<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

51<br />

3. Rohstoff-Konferenz<br />

Die Rohstoff-Konferenz ist ein<br />

bilaterales Forum, auf dem sich<br />

jährlich deutsche und russische<br />

Rohstoffexperten treffen und<br />

über aktuelle Themen für die<br />

Versorgungssicherheit bei Rohstoffen<br />

sprechen. Initiiert wurde<br />

die Konferenz vom Deutsch-Russischen<br />

Rohstoff-Forum, einer<br />

zentralen Dialogplattform zur<br />

Entwicklung von Strategien für<br />

die effektive Nutzung fossiler,<br />

mineralogischer und alternativer<br />

Rohstoff-Ressourcen. Es<br />

wurde am 10. Oktober 2006 im<br />

Beisein von Bundeskanzlerin Angela<br />

Merkel und des russischen<br />

Präsidenten Wladimir Putin von<br />

der Technischen Universität<br />

Bergakademie Freiberg und<br />

dem St. Petersburger Staatlichen<br />

Bergbauinstitut gegründet. <strong>VNG</strong><br />

unterstützt das Forum zusammen<br />

mit dem russischen Unternehmen<br />

OOO Gazexport.<br />

Weitere Informationen<br />

finden Sie unter:<br />

www.rohstoff-forum.org


52 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | umschau | Feature<br />

Fortsetzung von Seite 51<br />

Vom umgang mit Rohstoffen<br />

BIp 941,1 Mrd. Euro<br />

Die Bedeutung<br />

der Rohstoffindustrie<br />

für die russische<br />

Wirtschaft<br />

Ausfuhrgüter 257 Mrd. Euro<br />

plexen Materialverbünden und die Rückgewinnung<br />

der darin enthaltenen Wertstoffe stellt jedoch<br />

höchste Anforderungen an die Recyclingtech-<br />

nik, die aus technischen oder wirtschaftlichen<br />

Gründen derzeit noch nicht erreicht werden.“ Und<br />

an anderer Stelle kommt der Wissenschaftler zu<br />

dem Schluss: „Insbesondere bei seltenen und<br />

hochstrategischen Metallen sind Sekundärroh-<br />

stoffe aus Altgeräten die wichtigste heimische<br />

Rohstoffquelle Deutschlands.“<br />

Rohstoffpolitik ist Sicherheitspolitik<br />

Die Ressourcenknappheit führt zu neuen Abhängig-<br />

keiten, die sich noch vor wenigen Jahren niemand so<br />

recht vorzustellen wagte. Das Thema ist inzwischen<br />

auf die Agenda der Sicherheitspolitik gerückt.<br />

Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz,<br />

Wolfgang Ischinger, meinte gegenüber der Zeitung<br />

„Wirtschaftswoche“, die neue Abhängigkeit sei<br />

„schlimmer als beim Öl“. Die Rolle des Staates in<br />

dieser Frage weiß der ehemalige Staatssekretär<br />

des Auswärtigen Amtes sehr genau zu definie-<br />

ren: „Die Sicherung der Versorgung ist auch eine<br />

strategische staatliche Aufgabe. Andere Staaten<br />

machen das teilweise sehr eindrücklich,<br />

wie die Chinesen.“ In den Worten des<br />

früheren Diplomaten spiegelt sich<br />

ein deutlicher Sinneswandel wider.<br />

Die altruistische Grundhaltung,<br />

die über ein halbes Jahrhundert<br />

die deutsche Außen- und Entwick-<br />

lungspolitik bestimmt hat, ist der Er-<br />

kenntnis gewichen, dass Hilfe durchaus<br />

an Bedingungen geknüpft sein kann: „Entwick-<br />

lungshilfe wird aus Steuergeldern erbracht und darf<br />

deshalb durchaus auch eigenen Interessen dienen.<br />

Wir sollten also die Entwicklungshilfe für Länder<br />

stärken, die für unsere Rohstoffversorgung<br />

strategisch besonders wichtig sind“,<br />

meint Ischinger.<br />

Selbst mit Blick auf die vergleichs-<br />

weise gut abgesicherte Versorgung<br />

mit fossilen Rohstoffen ist die Ton-<br />

lage heute eine andere als früher.<br />

Auf der 3. Deutsch-Russischen Roh-<br />

stoff-Konferenz waren mitunter klare<br />

Worte zu hören. So betonte die Staatsministerin<br />

im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper, zwar, dass<br />

Russland der wichtigste Lieferant bleibe, aber:<br />

„Russland ist auf die Abnahme durch westliche<br />

Länder genauso angewiesen wie wir auf die Lie-<br />

ferungen.“<br />

unterschiedliche Strategien<br />

Im Verteilungskampf um Rohstoffe offenbaren<br />

sich unterschiedliche Strategien der Lieferländer.<br />

Russland überlässt bis jetzt die Verarbeitung<br />

den Partnerländern, in denen das Öl und <strong>Gas</strong><br />

auch verbraucht wird. Der Ausbau einer eigenen<br />

Verarbeitungsindustrie, wie ihn Wladimir Putin in<br />

seiner Amtszeit als Präsident von der heimischen<br />

Wirtschaft forderte, ist bis heute noch nicht weit<br />

fortgeschritten. Die Absichtserklärung Putins,<br />

innerhalb weniger Jahre müssten 40 Prozent der<br />

russischen Öl- und <strong>Gas</strong>förderung im eigenen<br />

Land aufbereitet werden, zeigt indes, wohin die<br />

Reise gehen soll und es kann kein Zweifel daran<br />

bestehen, dass Moskau dieses Ziel im Auge behalten<br />

wird.<br />

Die chinesische Politik hat von vornherein eine<br />

andere Linie eingeschlagen. Sie setzte klar darauf,<br />

im eigenen Land eine möglichst vollständige<br />

Wertschöpfungskette zu schaffen. In Beijing weiß<br />

man genau, dass dem Land mit dem Besitz und<br />

einem weitgehenden Verarbeitungsmonopol für<br />

strategisch wichtige Rohstoffe nicht nur Geld zufließt,<br />

sondern dass der Einfluss des Landes auf die<br />

politischen Geschicke in der Welt den Dimensionen<br />

einer Supermacht entsprechen wird.<br />

Geradezu bescheiden wirkt dagegen der Versuch<br />

Boliviens, seine eigenen Interessen beim<br />

begehrten Rohstoff Lithium zur Geltung zu bringen.<br />

Derzeit ist zwar Chile mit 75 Prozent der<br />

Weltproduktion führend, aber die größten Reserven<br />

liegen im bolivianischen Salar de Uyuni<br />

in knapp 3 700 Meter Höhe. Die Regierung des<br />

Präsidenten Evo Morales hat an dem Salzsee erste<br />

Versuche der Gewinnung zugelassen, bei denen<br />

Wissenschaftler der Technischen Universität<br />

Bergakademie Freiberg ein völlig neues Verfahren<br />

mit Erfolg erprobten. Morales, der bereits die<br />

Verstaatlichung der Erd<strong>gas</strong>industrie im Lande<br />

durchsetzte, möchte vor allem die Rechte der<br />

indigenen Bevölkerung gegen die Interessen von<br />

weltweit agierenden Großkonzernen gewahrt wis-<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


sen. Das Lithium-Projekt<br />

ist bei einer bis jetzt nicht<br />

einmal in Ansätzen vor-<br />

handenen Infrastruktur<br />

an Transport- und Kom-<br />

munikationsmöglich-<br />

keiten ohne finanzielle<br />

und technische Unterstüt-<br />

zung von außen nicht re-<br />

alisierbar. International<br />

wird gleichsam hörbar mit<br />

den Hufen gescharrt, weil<br />

der steigende Bedarf an<br />

Lithium für immer größer<br />

werdende Stromspeicher-<br />

systeme, z. B. für Hybrid-<br />

und Elektroautos, die<br />

Erschließung dringlich<br />

macht.<br />

Wekusko Lake<br />

Kanada<br />

Bernic Lake Barraute<br />

Great Salt Lake<br />

Silver Peak<br />

Searless Lake<br />

Brawley<br />

Salar de Uyuni<br />

Salar de Atacama<br />

Salar de Hombre Muerto<br />

Erz- und Solelagerstätten<br />

Erzlagerstätten (Pegamatit/Spodumen)<br />

Solelagerstätten (Salare)<br />

sehr hohe Lithiumanteile<br />

USA<br />

Chile<br />

k. A.<br />

Bolivien<br />

Brasilien<br />

Argentinien<br />

Lithium-Reserven<br />

Alvarr es<br />

Minas Gerais<br />

Salar de Rinc n<br />

Salar de Olaroz<br />

Koralpe<br />

Cachoeira<br />

Larritta<br />

Simbabwe<br />

Länder mit bedeutenden Lithiumreserven<br />

Pegmatit, Spodumen Sole<br />

Pegmatit, Spodumen und Sole<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

(derzeit wirtschaftlich abbauwürdige) Reserven<br />

Jadar<br />

Qaidam<br />

Manono<br />

© S. Meissner | A. Reller<br />

Lehrstuhl für Ressourcenstrategie<br />

Wissenschaftszentrum Umwelt<br />

Institut für Physik Universität Augsburg Welt gesamt<br />

Neue Chancen auch für<br />

deutsche lagerstätten<br />

So absurd es klingt, aber<br />

hohe Lithiumanteile<br />

geringe Lithiumanteile<br />

Reservenbasis (= derzeit wirtschaftlich abbauwürdige<br />

Reserven + zukünf tig wirtschaftlich und technisch<br />

mögliche abbauwürdige Reserven<br />

die Ressourcenknappheit<br />

birgt auch Chancen<br />

Globale Verteilung der Lithiumlagerstätten und Lithiumproduktion<br />

in sich. Das gilt sogar für rohstoffarme Staaten umweltschonende Technologie zur Herstellung<br />

wie Deutschland. Das Land ist voll von Regionen, von hochreinem Lithiumkarbonat aus den Erzen<br />

aus denen mit Rohstoffen seit Jahrzehnten oder entwickeln. Sie könnte dann auch in ähnlichen<br />

gar Jahrhunderten kein Geld mehr zu verdienen Lagerstätten, etwa in Russland oder in England,<br />

war. Das Ruhrgebiet erscheint ausgekohlt, im angewendet werden. Seit einigen Jahren eröffnen<br />

Erzgebirge ist der Bergbau weitgehend nur noch sich auch für eine andere traditionelle Bergbau-<br />

schöne Tradition. Lediglich Braunkohle im Taregion Aussichten auf die Wiederbelebung. In<br />

gebau wird noch gefördert, wenn auch nur, um der Lausitz bei Spremberg lagern nach konkreten<br />

die modernen Braunkohlekraftwerke zu füttern. Erkundungen 200 Millionen Tonnen Kupfererz, aus<br />

Jetzt aber ist es gerade der Preisanstieg für mi- denen zwei Millionen Tonnen Kupfer gewonnen<br />

neralische Rohstoffe, der den Abbau von Erzen werden könnten. Gleichsam als Nebenprodukte<br />

trotz des enormen technischen und damit finan- fielen dann etwa 25 Spezialmetalle wie Gold,<br />

ziellen Aufwands wieder lukrativ machen könnte. Silber, Platin oder Blei an. Bei den steigenden<br />

Denn Lithium beispielsweise gibt es nicht nur in Preisen für Metalle könnte daraus ein Milliarden-<br />

südamerikanischen Salzseen, sondern auch im geschäft werden. Auch in anderen Gegenden wie<br />

Erzgebirge. Nach Schätzungen liegen in Zinnwald dem Harzvorland oder der Rhön wollen Forscher<br />

etwa 50 Kilotonnen Lithium. „Wir gehen davon aus, wieder auf die Suche nach vielversprechenden<br />

dass der Gehalt sogar noch höher liegt“, erklärt Formationen gehen. Es gäbe für die Realisierung<br />

Jens Gutzmer, Professor für Lagerstättenlehre entsprechender Vorhaben weniger technische<br />

und Petrologie an der TU Bergakademie Freiberg. Probleme als personelle. Wo bekäme man in<br />

„Die Vorkommen in Sachsen rangieren, was die kürzester Zeit mehrere tausend Bergleute mit dem<br />

Menge an enthaltenem Lithium betrifft, weltweit erforderlichen Wissen her, nachdem der ganze<br />

unter den Top-10-Lagerstätten.“ Prof. Gutzmer und Berufszweig über Jahrzehnte dem Niedergang<br />

seine Mitarbeiter wollen eine kostengünstige und anheimgegeben war?<br />

Bikita<br />

Greenbushes<br />

China<br />

Goltsovoe<br />

Jahresproduktion von Lithium<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

k. A.<br />

unser Autor<br />

Australien<br />

k. A.<br />

53<br />

Thomas Stein ist seit<br />

Jahrzehnten als Journalist<br />

für öffentlich-rechtliche<br />

Rundfunkanstalten tätig.<br />

Seine Schwerpunkte sind<br />

Politik und Wirtschaft in<br />

den ostdeutschen Bun-<br />

desländern. Seit den 90er<br />

Jahren des vergangenen<br />

Jahrhunderts bearbeitet er<br />

auch regelmäßig energie-<br />

wirtschaftliche Themen.<br />

Urikskoe<br />

Ulug-Tanzek<br />

Sichuan


54 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | umschau | Feature<br />

Nachgefragt<br />

Ein Fall für Charlotte<br />

Das Explorations- und produktionsgeschäft von Erdöl und Erd<strong>gas</strong> ist in jeder Hinsicht ein komplexes<br />

unterfangen, egal ob es um seismische Messungen und Interpretationen oder technische Raffinessen<br />

einer Tiefseebohrung geht.<br />

Charlotte, die fleißige Honigbiene der <strong>VNG</strong> Norge, beantwortet in jeder Ausgabe von <strong>medium</strong> <strong>gas</strong><br />

Fragen zum norwegischen E&p-Geschäft.<br />

Jüngst ist der Energiekonzern Bp durch seine<br />

gesunkene Ölplattform im Golf von Mexiko in die<br />

Schlagzeilen geraten. <strong>VNG</strong> Norge ist in Norwegen<br />

auch Betriebsführer und führt Bohrungen eigen-<br />

verantwortlich durch. Kann eine solche Havarie<br />

auch dort passieren?<br />

Die Gegebenheiten im Golf von Mexiko sind nicht<br />

unmittelbar mit denen auf dem Norwegischen<br />

Kontinentalschelf (NCS) vergleichbar. Jedoch<br />

kann man Havarien auch auf dem NCS nie voll<br />

und ganz ausschließen. Aber: In Norwegen<br />

herrschen die weltweit höchsten Sicherheits-<br />

auflagen für Betreiber von Bohrplattformen,<br />

was die Risiken einer Havarie minimiert. Jeder<br />

Betriebsführer unterliegt den Anforderungen des<br />

Norwegischen Ministeriums für Erdöl und Ener-<br />

gie (MPE) sowie der Petroleum Safety Authority<br />

(PSA). Bohrgenehmigungen werden nur erteilt,<br />

wenn alle Sicherheitsauflagen der Behörden<br />

erfüllt sind. Mit einer Sicherheitsvorrichtung,<br />

einem ferngesteuerten Schalter, mit dem Ven-<br />

tile an der Bohranlage geschlossen und<br />

somit der unkontrollierte Austritt von<br />

Erdöl/Erd<strong>gas</strong> aus dem Bohrloch („Blow<br />

out“) vermieden werden kann, hätte<br />

die Katastrophe im Golf von Mexiko<br />

wahrscheinlich verhindert werden kön-<br />

nen. Dieser Schalter musste jedoch nicht<br />

zwingend installiert werden, während er in<br />

Norwegen vorgeschrieben ist.<br />

Wie ist die <strong>VNG</strong> Norge auf Havarien vorbereitet?<br />

Neben den staatlichen Behörden prüft auch <strong>VNG</strong><br />

Norge als Betriebsführer und als Partner jede Pla-<br />

nung und Durchführung einer Bohrung akribisch<br />

gemäß einer detaillierten Checkliste.<br />

<strong>VNG</strong> Norge hat zahlreiche Maßnahmen<br />

eines qualifizierten Risiko- und Not-<br />

fallmanagement ergriffen und umge-<br />

setzt. Diese Prüfung umfasst vor<br />

allem den Betriebsführer, seine<br />

technische und personelle Ausstattung<br />

und Erfahrung, sofern <strong>VNG</strong> Norge Partner<br />

ist, und die geologischen Verhältnisse<br />

der Erdöl-/Erd<strong>gas</strong>-Lagerstätte. Außer-<br />

dem wird die Bohrungsplanung bezüglich der<br />

durchzuführenden Tätigkeiten und bezüglich<br />

der einzusetzenden Ausrüstung und des zu ver-<br />

wendeten Materials intensiv überprüft. Als Be-<br />

triebsführer auf dem NCS musste <strong>VNG</strong> Norge zudem<br />

Versicherungen abschließen, die Störungen bei<br />

Bohrungen, Schäden an Installationen, Schäden<br />

Dritter und Produktionsverluste abdeckt.<br />

Die Meerestiefe in den Lizenzgebieten der <strong>VNG</strong><br />

Norge beträgt zum großen Teil maximal 500 m.<br />

Bohrungen in diesen Gewässern haben den Vorteil,<br />

dass auftretende Störungen leichter zu bewältigen<br />

sind, etwa durch den Einsatz von Tiefseetauchern,<br />

und damit Schlimmeres verhindert werden kann.<br />

In der Barentsee und der Norwegischen See gibt<br />

es jedoch auch Gebiete mit einer Tiefe von mehr<br />

als 1500 Metern.<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


Im Rahmen der staatlichen lizenzrunde ApA<br />

2009 hat <strong>VNG</strong> Norge im Januar 2010 Anteile an<br />

drei neuen Explorationslizenzen erworben. Wie<br />

funktioniert das Bewerbungsverfahren?<br />

Seit 2003 finden jährlich die so genannten<br />

APA-Lizenzrunden statt. E&P-Unternehmen kön-<br />

nen sich um Lizenzgebiete auf dem Norwegischen<br />

Kontinentalschelf bewerben, die bereits teilwei-<br />

se erschlossen sind. Nach Ausschreibung der<br />

APA-Gebiete im Frühjahr beginnen die E&P-Ge-<br />

sellschaften mit vorbereitenden Explorationsar-<br />

beiten, in der Regel seismischen Auswertungen<br />

und geologischen<br />

Interpretationen<br />

der Zielgebiete.<br />

Bis zum Herbst<br />

müssen die<br />

Bewerber ihre Anträge beim MPE einreichen,<br />

wobei dies im Alleingang oder als Teil eines<br />

Gruppenantrags geschehen kann. Dabei ist eine<br />

Bearbeitungsgebühr zu entrichten. Sie beträgt<br />

100 000 NOK (ca. 12 500 €) für jeden Antrag auf<br />

Zuteilung einer Produktionslizenz. Nach Ablauf der<br />

Bewerbungsfrist entscheiden die norwegischen<br />

Behörden meist am Anfang des Folgejahres, wie<br />

die zukünftigen Konsortien für die APA-Lizenzen<br />

aussehen werden. Mit dem Zuschlag für eine<br />

Lizenz erhalten die E&P-Firmen auch zahlreiche<br />

Arbeitsverpflichtungen. Diese umfassen zunächst<br />

die Durchführung von geologischen, geophysikalischen<br />

und reservoirtechnischen Studien sowie<br />

das Sammeln oder Reprocessing von 3D-Seismik.<br />

Innerhalb von zwei bzw. drei Jahren nach<br />

Lizenzzuteilung müssen die Lizenznehmer dann<br />

entscheiden, ob sie eine Bohrung niederbringen<br />

oder nicht („Drill-or-Drop-Entscheidung“). Fällt<br />

diese Entscheidung positiv aus, muss in der Regel<br />

innerhalb der nächsten zwei Jahre die Explorationsbohrung<br />

stattfinden sowie eine Entscheidung<br />

zur Weiterführung der Lizenz getroffen werden.<br />

Wird die Lizenz nicht an den norwegischen Staat<br />

zurückgegeben, ist innerhalb der folgenden zwei<br />

Jahre der PDO (Plan of Development and Opera-<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

tion) bei den norwegischen Behörden einzureichen,<br />

der die Grundlage für die Feldentwicklung<br />

darstellt.<br />

Der norwegische Staat unterstützt unternehmen<br />

bei Explorationsaktivitäten in Form von „Tax Refund“<br />

und „uplift“. Was heißt das genau?<br />

Um E&P-Firmen Anreize zu geben, die immer<br />

kostenaufwendigere Exploration auch auf risikoreichere<br />

Gebiete auszudehnen, beteiligt sich der<br />

norwegische Staat indirekt an Explorationskosten,<br />

indem er sowohl im Misserfolgsfall als auch im<br />

Erfolgsfall bis zu 78 % der Explorationskosten auf<br />

Antrag hin erstattet (Tax Refund). Im Misserfolgsfall,<br />

z. B. bei einer trockenen Bohrung, hat das zur<br />

Folge, dass ein E&P-Unternehmen die Explorationskosten<br />

für eine Bohrung zu 100 % vorschießt<br />

(„Brutto“-Kosten, gross costs), und dann, nach<br />

Ablauf eines Fiskalkjahres, 78 % dieser Kosten<br />

erstattet bekommt und somit nur noch 22 % der ursprünglichen<br />

Bruttokosten als Nettoverlust stehen<br />

bleiben. Zu den rückerstattungsfähigen<br />

Kosten zählen die Explorationsund<br />

Erweiterungskosten sowie<br />

die Carry-Zahlungen. Nicht-rückerstattungsfähig<br />

sind unter anderem<br />

administrative Kosten sowie etwaige<br />

Bonuszahlungen.<br />

Damit E&P-Unternehmen einen Anreiz erhalten,<br />

auch kleinere Entdeckungen oder Entdeckungen in<br />

infrastrukturell schlechter erschlossenen Regionen<br />

zu entwickeln und den Entwicklungszeitraum zu<br />

verkürzen, wurde die so genannte „Uplift“-Regelung<br />

geschaffen. Diese besagt, dass für die<br />

Festlegung der so genannten Special Petroleum<br />

Tax (SPT) in Höhe von 50 % nicht die gleiche<br />

Steuerbasis gilt, die für die Körperschaftssteuer<br />

in Höhe von 28 % berechnet wird. Die Basis für<br />

die Berechnung der SPE wird um einen Betrag<br />

vermindert, der 7,5 % der Entwicklungskosten<br />

(CAPEX) entspricht und der über vier Jahre nach<br />

dem jeweiligen Investitionsjahr SPT-mindernd<br />

geltend gemacht werden kann.<br />

Sie wollen wissen, wie Kohlenwasserstoffe in der Erdkruste entstehen, wie viel Zeit zwischen Fund und Förderung vergeht oder wie eine<br />

Bohrplattform auf hoher See arbeitet? Schreiben Sie Ihre Frage per E-Mail an charlotte@vng.de oder per Post an <strong>VNG</strong> – <strong>Verbundnetz</strong> <strong>Gas</strong> <strong>AG</strong>,<br />

Öffentlichkeitsarbeit/Interne Kommunikation, Braunstraße 7, 04347 Leipzig.<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

55


56 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | umschau | Feature<br />

Sobald der Molch vor der Schleuse steht, müssen Armaturen geöffnet werden, um ihn „einfahren“ zu lassen. Am Stahlhaken wird der Molch aus seinem dunklen<br />

Versteck gezogen. Rund sechs Stunden war der Molch in der Leitung unterwegs, völlig verunreinigt und verklebt wurde er danach aus der Leitung geholt.<br />

Technik<br />

Per Anhalter durch die Pipeline<br />

Mit einem Molch wurde die FGl 28 auf einem zwanzig Kilometer<br />

langen Teilstück gereinigt und überprüft. <strong>medium</strong> <strong>gas</strong> war dabei.<br />

Von Mandy Nickel, Redaktion<br />

„Achtung. An der Fern<strong>gas</strong>leitung 28, Bahnhof<br />

Kraftwerk Lippendorf in Böhlen, hat Einfahrt<br />

der Molch aus Nempitz. Bitte treten Sie von der<br />

Molchkante zurück.“ Ganz ehrlich, einen derartigen<br />

Humor können nur Techniker haben. Den brauchen<br />

sie aber auch, denn als das Technik-Amphib ge-<br />

gen Mittag aus der Molchschleuse geholt wird,<br />

prasseln bei kühlen Temperaturen noch heftige<br />

Regentropfen vom Himmel herab.<br />

Trotz Miesewetters sind das Team von <strong>VNG</strong>, die<br />

Mitarbeiter von der Firma Vorwerk sowie das<br />

Molchabholkommando der Firma PII Pipetronix<br />

bester Laune. „Eigentlich gilt die Leitung zwischen<br />

Fotos: Christian Schneider<br />

Nempitz und Lippendorf als nicht molchbar – wir<br />

haben es trotzdem geschafft“, erklärt Alexander<br />

Ziehe zur Freude der Anwesenden. Er hat die<br />

gesamte Molchung als Forschungsprojekt mit-<br />

begleitet.<br />

Bereits einen Tag zuvor fiel der Startschuss für die<br />

Molchung, als das Gerät der Firma PII Pipetronix<br />

abends in Nempitz in die ehemalige Stadt<strong>gas</strong>lei-<br />

tung eingesetzt wurde. Aber erst früh um sechs<br />

wurde es auf den Weg geschickt. Warum gerade<br />

frühmorgens? „Weil dann der Durchsatz in der<br />

Leitung höher ist, da mehr <strong>Gas</strong> von den Haus-<br />

haltskunden gezogen wird“, schildert Ziehe. Die<br />

Strömungsgeschwindigkeit und der Druck in der<br />

Leitung sind für das „Amphib“ sehr wichtig, ohne<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


sie würde er sich keinen Meter bewegen. Druck-<br />

differenz oder Delta p nennen das die Techniker.<br />

Mit rund ein bis drei Metern pro Sekunde bewegt<br />

er sich danach idealerweise fort. Nur dann kann<br />

er verwertbare Analysen machen.<br />

Molche treten in einer Vielzahl von Formen, Mate-<br />

rialien und Kombinationen auf. So gibt es verschie-<br />

denste Molchtypen für beinahe jede Anforderung –<br />

vom Reinigungs-, Geometrie- oder Dichtmolch<br />

bis hin zum intelligenten Molch für Inspektions-<br />

aufgaben. Letzterer kam auch auf der FGL 28 zum<br />

Einsatz. Seine Aufgabe: Den Zustand der Leitung<br />

erfassen, dabei unter anderem die Dicke<br />

der Rohrwand messen. Da-<br />

für ist er vollge-<br />

stopft mit aller-<br />

lei Messtechnik.<br />

Zunächst baut<br />

der Molch ein<br />

starkes Magnet-<br />

feld parallel zur<br />

Rohrwand auf. Mit seinen Fühlern (Sensoren)<br />

registriert er danach Abweichungen der in der<br />

Rohrwand eingebrachten Magnetflusslinien.<br />

An Stellen mit geringerer Wanddicke ändert sich<br />

das Magnetfeld (sogenanntes Magnetstreu-<br />

flussverfahren). Die Daten speichert er, sie wer-<br />

den später ausgelesen und am Rechner ausge-<br />

wertet.<br />

Gut 20 Kilometer hat der Inspektionsmolch seit<br />

den frühen Morgenstunden zurückgelegt, gegen<br />

Mittag melden Detektoren am Boden seine An-<br />

kunft in Sichtweite zum Kraftwerk Lippendorf.<br />

Jetzt geht plötzlich alles ganz schnell. Armaturen<br />

werden geöffnet, um dem Molch die Einfahrt in<br />

die Molchschleuse zu gewähren. Sobald er rein-<br />

gerutscht ist, werden hinter ihm die Armaturen<br />

wieder geschlossen. Eine Stunde muss der Molch<br />

jetzt in der Schleuse warten, nicht weil er von der<br />

Fahrt so erschöpft ist, sondern weil Bestimmungen<br />

des Explosionsschutzes dies vorschreiben. Die<br />

Mitarbeiter von <strong>VNG</strong> und Vorwerk nutzen die<br />

Zeit, um die Schleuse endgültig zu entspannen.<br />

Dazu wird das <strong>Gas</strong> ausgeblasen, anschließend<br />

wird die Schleuse mit Stickstoff gespült. Dieses<br />

Prozedere ist wichtig, damit beim Öffnen der<br />

Schleuse ein <strong>gas</strong>freier und damit ungefährlicher<br />

Raum vorhanden ist.<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Warum macht man eine Inspektionsmolchung überhaupt?<br />

Inspektionsmolchungen sind ein Bestandteil des Pipeline Integrity Management Sys-<br />

tems (kurz PIMS), mit dem <strong>VNG</strong> und ONTRAS die Sicherheit von Leitungen und Anlagen<br />

gewährleisten. Eine Molchung ist zwar gesetzlich nicht vorgeschrieben, durch sie erhält<br />

man jedoch genaue Aussagen über den Zustand von Leitungen. Im Ergebnis einer Zu-<br />

standsbewertung werden die Molchzyklen pro Leitung festgelegt. Allerdings gelten rund<br />

die Hälfte des 7000-Kilometer-Netzes von ONTRAS als nicht molchbar. Molchungen sind<br />

ein hochkomplexes und kostenintensives Verfahren, allerdings ist ihr Aufwand um ein<br />

Vielfaches geringer als der Leitungsneubau.<br />

Nachdem der 60-Minuten-Countdown abgelaufen<br />

ist, wird die Tür der Molchschleuse geöffnet. Bis auf<br />

zwei im weißen Plastikoverall gekleidete Herren<br />

halten alle auf der Baustelle Abstand. Der Grund<br />

für die Zurückhaltung fließt auch augenblick-<br />

lich heraus: eine schwarze, klebrige Masse aus<br />

früheren Stadt<strong>gas</strong>zeiten, die der Molch auf seiner<br />

Fahrt durch die Leitung vor sich hergeschoben<br />

hat. „Damit müssen wir ganz besonders aufpas-<br />

sen“, erklärt Alexander Ziehe, „denn die Masse<br />

darf nicht ins Erdreich gelangen.“ So schädlich<br />

sie für die Umwelt ist, so schwer würde sie sich<br />

auch wieder von der Kleidung lösen. Deshalb ist<br />

Schutzkleidung ein unbedingtes Muss.<br />

Ein Großteil dieser Stoffe ist fünf Minuten später<br />

in einen Auffangbehälter abgeflossen. Mit einem<br />

Seilgewinde wird der Molch jetzt langsam aus sei-<br />

ner Gefangenschaft in der Schleuse befreit. Wenig<br />

später liegt der vier Meter und 850 Kilogramm<br />

schwere Koloss auf einem Schlitten, über und<br />

über von schwarzer Masse verklebt. Jetzt wird der<br />

Molch auf einen LKW gehoben und zur Spezialrei-<br />

nigung gebracht. Mindestens drei Stunden wird<br />

das dauern, bis er wieder auf Hochglanz poliert<br />

ist. Erst dann kann das Speicherelement mit den<br />

Analysedaten ausgelesen werden.<br />

Mittlerweile steht das Molch-Team um <strong>VNG</strong> seit<br />

mehr als sechs Stunden in der Kälte. Zumindest<br />

ist jetzt aber ein Ende des Arbeitstages absehbar.<br />

Während die Freude über die geglückte Molchung<br />

noch groß ist, beginnen Arbeiter bereits wieder<br />

mit den Abbauarbeiten für die mobile Schleuse,<br />

die nur eigens für die Molchung der FGL 28 ange-<br />

baut wurden. Sie wird an anderer Stelle wieder<br />

zum Einsatz kommen, um einen Molch in die<br />

Erd<strong>gas</strong>leitung einzubringen oder ihn wieder he-<br />

rauszuholen. Dann aber hoffentlich bei wärmeren<br />

Temperaturen.<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

57


58 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | umschau | Feature<br />

10 Dinge,<br />

FÜHLER<br />

1.<br />

Mit seinen Fühlern – eigentlich sind es Sensoren – kann<br />

der Molch Korrosionen und Schadstellen auf der Rohrwandoberfläche<br />

entdecken. Mittels des so genannten Magnetstreuflussverfahrens<br />

kann er damit sogar den Stahlmantel<br />

der <strong>Gas</strong>leitungen „durchleuchten“. Bis zu 200 Sensoren hat<br />

ein intelligenter Molch an Bord. Sie sind rundum so verteilt,<br />

dass sie die Rohrwand vollständig abtasten können.<br />

SENDER<br />

3.<br />

Am Molch befindet sich ein Sender, mit dem<br />

das Gerät in der Leitung geortet werden kann.<br />

Durch die Signale erfolgt die Molchverfolgung<br />

an der Erdoberfläche.<br />

an denen Sie einen<br />

Inspektionsmolch<br />

ganz sicher erkennen<br />

können<br />

ODOMETER<br />

Odometer sind mitlaufende<br />

Räder, die die Wegmessung<br />

vornehmen. Damit kann<br />

später den gemessenen<br />

Daten auch der genaue Ort<br />

in der Leitung zugeordnet<br />

werden.<br />

M<strong>AG</strong>NETE<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34<br />

2.<br />

4.<br />

Quelle: Images courtesy of GE Oil & <strong>Gas</strong>- PII Pipeline<br />

Solutions GE © 2010 All, Rights Reserved<br />

Mit den zwei rundum platzierten Magnetreihen<br />

(für Nord- und Südpol) induziert der Molch ein<br />

Magnetfeld in die Leitungswand. Während sich<br />

der Molch bewegt, wird der Magnetfluss aufgezeichnet.<br />

Änderungen im Magnetfluss weisen<br />

auf Anomalien in der Rohrwand hin. Das Magnetfeld<br />

baut sich übrigens nicht so schnell wieder ab,<br />

die Leitung bleibt also auch mehrere Jahre nach<br />

der Molchung noch magnetisch.


Fotos: aboutpixel.de/Bernd Boscolo (1.); Miriam Sehr (2.); d-jey (3.); Rosita Sellmann (4.); Kristin Schotta (7.); seahorse (8.); Ronald Leine (9.); Peter Smola (10.) | Bredehorn. J/pixelio.de<br />

MANSCHETTEN<br />

Manschetten – in der Regel bestehen sie aus<br />

Kunststoff – zentrieren den Molch in der Leitung,<br />

dichten ihn zur Rohrwandung ab und dienen<br />

somit zur Fortbewegung.<br />

GELENKE<br />

Molche bestehen<br />

aus zylindrischen<br />

5.<br />

Körpern, die durch Gelenke miteinander<br />

verbunden sind. Diese Gelenke sind beweglich,<br />

so dass der Molch gekrümmte Rohre (Bögen)<br />

befahren kann.<br />

SPEICHER<br />

7.<br />

Auf seiner Fahrt durch die Unterwelt sammelt<br />

der Molch eine große Anzahl an Daten, die er<br />

auf einem internen Speicher ablegt. Die Daten<br />

können später ausgelesen und ausgewertet<br />

werden.<br />

9.<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

COUNTDOWN-ZäHLER<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

6.<br />

59<br />

Molche tragen in sich eine Countdown-Uhr. Diese dient als<br />

automatische Abschaltung, auch aus Sicherheitsgründen.<br />

Sie zählt 60 Minuten rückwärts, sobald der Molch in die Molch-<br />

schleuse gerutscht ist und Atmosphärendruck herrscht.<br />

ELEKTRONIK-GEHIRN<br />

Intelligente Molche sind mit allerlei Prüf- und Messtechnik<br />

ausgestattet. Damit können sie während ihrer Fahrt durch<br />

die Leitung jede Menge Daten sammeln. Reinigungs- oder<br />

Trocknungsmolche haben dagegen keine aufwendige<br />

Elektronik an Bord. Auch wenn Molche sehr kompakt sind<br />

und ihr „Hirn“ vergleichsweise klein ist – sie besitzen eine<br />

enorme Rechenleistung.<br />

SPEED-CONTROL<br />

8.<br />

10.<br />

Manchen Autofahrer würde die Geschwindigkeitsregelung<br />

vor einem Knöllchen bewahren, der Molch braucht<br />

sie, um zu jeder Zeit eine gute Datenanalyse<br />

zu gewährleisten. Eigentlich bewegt sich der<br />

Molch durch den <strong>Gas</strong>fluss automatisch mit,<br />

ein Bypasssystem erlaubt ihm aber auch bei<br />

Bedarf, die Geschwindigkeit zu reduzieren.


60 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Stadtansichten<br />

10 Gründe, die sächsische Elbmetropole<br />

Dresden zu besuchen<br />

Die sächsische landeshauptstadt ist ein Eldorado für die liebhaber von Kunst, Kultur und Geschichte.<br />

Dresden ist ein Mythos – dem sich <strong>VNG</strong> seit vielen Jahrzehnten verbunden fühlt.<br />

Von Mandy Nickel, Redaktion<br />

1. Stadt mit Tradition<br />

Die historische Altstadt von Dresden mit ihren zahlreichen Sehenswürdigkeiten<br />

und alten Gebäuden ist ein absolutes Muss für jeden Besucher in<br />

Dresden. Die Klassiker wie Dresdner Zwinger, Semperoper, Fürstenzug,<br />

Hofkirche, Grünes<br />

Gewölbe oder Frauenkirche<br />

liegen nah beieinander,<br />

können auch<br />

an einem Tag zu Fuß<br />

erkundet werden.<br />

Wer Dresden von<br />

oben sehen möchte,<br />

muss auf den knapp<br />

70 Meter hohen<br />

Aussichtspunkt des<br />

Rathausturmes.<br />

3. Brücke schlagen zwischen Alt und Neu<br />

Man sollte unbedingt über eine Brücke laufen, wenn man in<br />

Dresden ist. Besonders vom Neustädter Elbufer aus kann man<br />

die seit einiger Zeit wieder komplettierte Skyline der Altstadt<br />

bewundern. Interessant ist auch der Blick von der Babisnauer<br />

Pappel, einem Aussichtspunkt auf den Südhängen von Dresden.<br />

Der Blick schweift von Meißen (Dom) über ganz Dresden bis<br />

hinter Pirna, dem Elbsandsteingebirge, einem Teil des<br />

Erzgebirges, bei guter Fernsicht sogar bis in das Lausitzer<br />

Gebirge bei Zittau an der polnischen Grenze.<br />

Das „Blaue Wunder“ in Dresden<br />

2. Eine Stadt der Kirchen<br />

Dresden bietet sage und<br />

schreibe 63 Kirchen aus<br />

unterschiedlichen Epochen.<br />

Die wohl bekanntesten<br />

unter ihnen sind die Kreuzkirche,<br />

die Hofkirche und<br />

nicht zuletzt die wieder<br />

aufgebaute Frauenkirche.<br />

Die zweischalige Kuppel<br />

in der Frauenkirche ist mit<br />

mehr Raum zwischen den<br />

Schalen gebaut als die von<br />

Michelangelo im Petersdom<br />

in Rom. Die in die<br />

innere Kuppelschale eingearbeiteten Glasfenster<br />

ermöglichen einen „freien Flug“ über dem Herzen<br />

des Kirchenschiffes, dem Altar, wenn man mutig<br />

genug ist, sich drauf zu legen.<br />

4. Kulturmetropole mit Charme<br />

Kulturelle Höhepunkte<br />

gibt es das<br />

ganze Jahr über in<br />

Dresden, angefangen<br />

beim Opernball in der<br />

Semperoper über die<br />

Filmnächte am Elbufer<br />

bis hin zum Dixieland-<br />

Festival mit Straßen-<br />

und Dampferparade<br />

auf der Elbe. Im<br />

nahegelegenen Radebeul<br />

finden jedes Jahr<br />

im Mai die Karl-May-Festtage statt. Besonderes Highlight<br />

zur Weihnachtszeit ist der über die Dresdner Stadtgrenzen<br />

hinaus bekannte historische Striezelmarkt.<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


Foto: knipseline/PIXELIO<br />

5. Kulinarische Köstlichkeiten<br />

Die Dresdner Exportschlager schlechthin sind natürlich<br />

das Radeberger Bier und der Dresdner Christstollen.<br />

Eine besondere Spezialität sind auch Quarkkäulchen, die<br />

man unbedingt einmal probieren muss. Gelegenheit zur<br />

Verkostung bietet das Grand Café & Restaurant Coselpalais,<br />

immerhin schon 1765 erbaut und seit dieser Zeit<br />

auch eines der bedeutendsten barocken Bauten in Dresden.<br />

7. Blick von oben<br />

Wer einen guten Überblick über die Stadt haben will,<br />

dem empfiehlt sich bei gutem Wetter ein Ausflug nach<br />

Loschwitz. Der Stadtteil liegt knapp 100 Meter höher als<br />

der Rest der Stadt, die Loschwitzer Elbhänge gehören damit<br />

zu einer der bevorzugten Wohnlagen in Dresden. Eine um<br />

1900 erbaute Schwebebahn bringt den Fahr<strong>gas</strong>t in viereinhalb<br />

Minuten zur schönen Aussicht. Mit einer Standseilbahn<br />

gelangt man zum Luisenhof, einer beliebten Ausflugs<strong>gas</strong>tstätte<br />

im etwa 100 Meter höher gelegenen Stadtteil<br />

Weißer Hirsch. Loschwitz ist übrigens auch abends einen<br />

Ausflug wert, hier gibt es eine Vielzahl kleiner, romantischer<br />

Kneipen.<br />

9. Dem Mythos auf der Spur<br />

Im ehemaligen <strong>Gas</strong>ometer in Dresden hat der bekannte Berliner<br />

Künstler Yadegar Asisi ein 360°-Panorama der Elbestadt anno<br />

1756 erschaffen. Die Ausstellung im Panometer war 2008 der gemeinsame<br />

Beitrag der Asisi Factory und der DREW<strong>AG</strong> zur 800-Jahr-<br />

Feier der Stadt. 105 Meter lang und 27 Meter hoch ist die Installation,<br />

im Maßstab 1:1. Sie zeigt die entscheidende Epoche Dresdens,<br />

als die Stadt den Mythos als Elbflorenz begründete. Das barocke<br />

Dresden scheint für einen kurzen Augenblick wieder lebendig zu<br />

werden – ein absolutes Besuchermuss.<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

6. Ruhe und Entspannung an der Elbe<br />

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68<br />

61<br />

Dresden liegt landschaftlich wunderschön eingebettet zwischen dem Elbsandsteingebirge<br />

im Osten und dem Erzgebirge im Süden. Für Wanderer<br />

sind beide Regionen gleichsam beliebt. Auch die Innenstadt von Dresden<br />

bietet wunderschöne landschaftliche Reize, allen voran durch die Elbauen<br />

und Elbhänge. Sie prägen ganz wesentlich die hohe Lebensqualität der<br />

Stadt. Die Flusslandschaft wird Sommer wie Winter vielseitig genutzt, sei<br />

es für ein Picknick zu zweit, ein erholsames Nickerchen oder eine ausgedehnte<br />

Radtour auf dem 260 Kilometer langen Elberadweg.<br />

8. Weißes Gold seit 300 Jahren<br />

Es war die Sucht von August dem Starken nach<br />

dem „weißen Gold“, der Dresden seine einzigartige<br />

Porzellangeschichte verdankt. 1710 wurde<br />

die traditionsreiche Meissner Manufaktur gegründet,<br />

seit 1872 wird zudem in Freital-Potschappel,<br />

vor den Toren der Residenzstadt Dresden, kunstvolles<br />

Zierporzellan hergestellt. Die Dresdner<br />

Sammlung ist zugleich die qualitätsvollste und<br />

umfangreichste keramische Spezialsammlung<br />

der Welt, nicht zuletzt wegen ihrer herausragenden<br />

Bestände frühen Meissner Porzellans sowie<br />

ostasiatischer Porzellane des 17. und frühen<br />

18. Jahrhunderts.<br />

10. partyszene in Neustadt<br />

Die Dresdner Neustadt,<br />

am rechten Elbufer, ist<br />

schon zu DDR-Zeiten das<br />

Szene- und Gründerzeitviertel<br />

für Künstler und<br />

Aussteiger. Besonders „in“<br />

ist die Kunsthof Passage,<br />

kunstvoll sanierte und miteinander<br />

verbundene Höfe.<br />

Wer abends in Dresden<br />

ausgehen will, ist in der<br />

Neustadt goldrichtig. Hier<br />

findet man tolle Kneipen,<br />

junge Leute, wilde Biergärten, viel abgefahrene Mode<br />

und lustige Shops und gute Musik.


62 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Kunst & Kultur I<br />

Die Narrative Figuration im<br />

Werk von Heinz Knoke<br />

Heinz Knoke (1922–1991), Siesta, 1971<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

„... gute Kunst ist in jedem Fall diejenige,<br />

über die man mit allen Versuchen, etwas zu sagen,<br />

niemals Befriedigendes wird sagen können ...“<br />

Von Bodo Pientka, Buchautor und Kunstsammler<br />

Dieser Satz von Francis Ponge (1899–1988) re-<br />

sümiert nicht allein die Begegnung mit dem Werk<br />

von Heinz Knoke, es ist auch eine Bemerkung,<br />

die in diesem Falle auf den Künstler selbst zu-<br />

trifft. Bei der intensiven Beschäftigung mit seiner<br />

künstlerischen Tätigkeit ist der Lebenshabitus<br />

des Kunstschaffenden aber nicht losgelöst von<br />

seinem Werk zu denken.<br />

Heinz Knoke, Jahrgang 1922, war ein Einzelgänger.<br />

Das Glück des Künstlers, seine schöpferische Arbeit<br />

im Gleichklang mit den Strömungen der internati-<br />

onalen Kunstszene voranzutreiben, ist ihm nicht<br />

zuteil geworden. Er hat die Position seiner Kunst<br />

gewissermaßen im Windschatten dessen, was man<br />

Kunstszene nennt, markiert. Unbeeindruckt von<br />

zumeist gegenläufigen Tendenzen zeitgenössischer<br />

Kunst entstand so ein Werk, das in all seinen<br />

Schattierungen ein zentrales Thema anvisiert: Im<br />

Zentrum der künstlerischen Arbeit Heinz Knokes<br />

steht der Mensch. Knoke hat sich in allen Phasen<br />

seiner künstlerischen Entwicklung immer aufs Neue<br />

mit der menschlichen Figur auseinandergesetzt.<br />

Doch es ist die hohe künstlerische Qualität dieser<br />

Arbeiten, die in seinen Bildern, Zeichnungen und<br />

Graphiken gleichrangig auffällt.<br />

Ausgangspunkt der Kunst Heinz Knokes ist die<br />

Figuration. Die Physiognomien der Körper, in<br />

denen sich Haltungen menschlicher Existenz<br />

nachzeichnen, stehen im Blickpunkt. Das Spek-<br />

trum der Protagonisten, die Knoke dabei ins Spiel<br />

bringt, ist breit gefächert. Es reicht vom Boxer,<br />

vom Athlet über den gebeutelten Geschäftsmann<br />

oder Akteur im Zwielicht bis hin zu Figuren, die<br />

der Mythologie entlehnt sind. In der Darstellung<br />

eines Athleten ebenso wie in der Vorstellung einer<br />

mythologischen Szene gelingt es Knoke, Figuren<br />

unseres Zeitalters ins Bild zu bannen, Figuren, die<br />

auf dem schmalen Grat der Geschichte unseres<br />

Jahrhunderts balancieren.<br />

Aus den Verzerrungen der Körper spricht die<br />

Beschädigung des Lebens, die sich in die Körper<br />

eingezeichnet hat. So deklinieren Knokes Bilder die<br />

Menschen im Spannungsfeld von heroischer Tat<br />

und erbärmlicher Vergänglichkeit. Abgeschattet im<br />

Halbdunkel von heller Aktion und traumatischem<br />

Schlaf, erscheinen sie als Sinnbilder menschlicher<br />

Existenz im 20. Jahrhundert. Dargestellt ist oft die<br />

kämpferische Position der einzelgängerischen<br />

Individualität, die sich in den Bildern Knokes mit<br />

gesteigerter Vehemenz Ausdruck verleiht. Das<br />

künstlerische Vokabular der kalkulierten, erzäh-<br />

lerischen Figuration in seinen Werken spricht aus<br />

Knokes Leben. Immer ist die expressive Dichte<br />

der künstlerischen Gestaltung erstes Kriterium,<br />

bleibt die realistische Darstellung der angelehnten<br />

Figuration treu.<br />

In der retrospektivischen Betrachtung der künst-<br />

lerischen Entwicklung Heinz Knokes steht seine<br />

Auseinandersetzung mit graphischen Techniken<br />

ganz vorn. Knoke widmete sich großangelegten<br />

Mappenwerken, deren Sujets geschichtlicher oder<br />

mythologischer Natur sind. Figuration, Linie und<br />

Kontur sind das beherrschende Charakteristikum<br />

dieser Arbeiten, in denen die graphische Vorge-<br />

hensweise Knokes deutlich wird.<br />

Ausgehend von Studienreisen in den Vorderen<br />

Orient, auf denen sich Knoke intensiv mit der Kunst<br />

der Assyrer beschäftigt hat, entstand 1965 die<br />

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63


64 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Fortsetzung von Seite 63<br />

Die Narrative Figuration<br />

im Werk von Heinz Knoke<br />

Mensch mit Pferd, 1966 Gaukler, 1966<br />

Assurbanipal, 1965, Blatt d<br />

große Mappe „Assurbanipal“, eine Folge von acht<br />

Aquatinta-Radierungen. In den Reliefs von Ninive<br />

wird Assurbanipal, der große assyrische Herrscher,<br />

auf der Löwenjagd gezeigt. Außerordentlich sind<br />

die Plastizität und Dynamik dieser Szenen, die<br />

allein aus der harten Lineatur gewonnen werden.<br />

Fliegende Pferde, bohrende Pfeile, mit denen ein<br />

Heer von Löwen niedergestreckt wird, am Boden<br />

erlegt und mit dem Tode ringend, Opfer eines<br />

Geschehens, das Assurbanipal in stoischer Ruhe<br />

beherrscht. Knoke hat diese Szenen in seinem<br />

graphischen Zyklus ins Phantastische gewendet. In<br />

einem Meer von Linien verschmelzen Krieger und<br />

Opfer in inniger Verstrickung. Überproportionierte<br />

Körperteile, Pferdeschenkel, Hufe, fratzenhafte<br />

Gebilde, Fabelgestalten, die Statur des Herrschers –<br />

all dies erschließt sich dem Betrachter in immer<br />

neuen Überblendungen. Mit größtem Raffinement<br />

Ohne Titel, 1968<br />

werden das nuancenreiche Spektrum der Töne<br />

zwischen Schwarz und Weiß, die figuralen Facetten<br />

der Körper erschlossen. Die Dynamik der Reliefs<br />

von Ninive wird in die Dynamik eines Geflechtes<br />

der Linien übertragen. Auf den Motiven der Ra-<br />

dierungen verschwimmt die klare Konturierung<br />

in eine Nicht-Ordnung des Phantastischen, statt<br />

der Eindeutigkeit der Konturen findet sich die<br />

Transparenz der Figuration. Für Knoke war es eine<br />

Frage der Identität mit den Vorbildern aus Ninive<br />

und nicht nur die bloße Darstellung der Absurdität<br />

des Schrecklichen.<br />

Ohne Titel (figürliche Komposition), 1970<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | <strong>2010.2</strong><br />

Assurbanipal, 1965, Blatt b Prometheus, 1968, Blatt a<br />

Prometheus, 1968, Blatt c<br />

Eine weitere große Mappe von acht Aquatinta-<br />

Radierungen aus dem Jahre 1968 beschäftigt sich<br />

mit dem Thema „Prometheus“. Hier ist besonders<br />

die Verschmelzung von Körpern und die innigliche<br />

Vereinigung der Akteure als Figurenarrangement<br />

hervorgehoben. Die Auseinandersetzung des Pro-<br />

metheus mit den anderen Göttern, die Einbringung<br />

des Feuers, das Angekettetsein an den Felsen des<br />

Kaukasus, das Groteske der Situation hat Knoke in<br />

expressiver Weise dargestellt. Wiederum gibt es<br />

eine klare Linienführung, kräftiges Entgegenset-<br />

zen von Schwarz und Weiß, aber in diesem Zyklus<br />

sind durch die Verwendung von Zwischentönen<br />

die Schattierungen nicht so hart getroffen. Das<br />

Zerschlagen und Trennen einer vormals bestehen-<br />

den Ganzheit bestimmt diese Abfolge. Das Leiden<br />

auf der einen und das Glück auf der anderen Seite<br />

wird in schaurig-schönen Bildern präsentiert.<br />

Knoke brachte den Fluss der Handlung in visionär<br />

geschaute Szenerien. Die graphische Technik der<br />

durch Aquatinta erreichbaren Nuancierungen<br />

suggeriert das Fortschreiten des organischen<br />

Prozesses in einer Welt des Halbdunkels. Allein<br />

aus dem Gefüge und der Verflechtung der Linien<br />

erschließen sich die Bilder auf die vielschichtige<br />

Art des zu Sehenden dem Betrachter.<br />

Eine ganz andere Struktur der Linienführung zeigt<br />

ein Zyklus von Arbeiten, bei denen Knoke Kör-<br />

perfragmente isoliert und, ins Überdimensionale<br />

vergrößert, ins Zentrum des Blickes setzt. Auf der<br />

zweifarbigen Radierung „Siesta“ von 1971 beleben<br />

die Körper der sich Umarmenden die Bildfläche wie<br />

eine Landschaft. Das vordergründige Beinfrag-<br />

ment beherrscht das Bild und die Hautstruktur<br />

der beiden Figuren wird durch fein abgestimmte<br />

Schattierungen herausgearbeitet. Die passiv<br />

schlummernde Energie der figuralen Komposition<br />

wird sichtbar und diese Arbeit formuliert sich in<br />

Anlehnung an einen phantastischen Realismus.<br />

Es war der Auftakt Knokes zu motivistischen Ele-<br />

menten, die seine Kunst in den darauffolgenden<br />

Jahrzehnten bestimmen sollten.<br />

Heinz Knoke starb 1991. Seine Kunst hat sich nicht<br />

allen erschlossen und von der Kunstgeschichte<br />

des zwanzigsten Jahrhunderts wird er noch etwas<br />

verhalten beurteilt. Das widerspiegelt den Stellen-<br />

wert seines künstlerischen Schaffens nicht und<br />

kann auch nicht die allgemeingültige Ansicht sein.<br />

Francis Bacon (1561–1626) sagte einmal, dass wir<br />

50 bis 80 Jahre brauchen, um ein Kunstwerk richtig<br />

einschätzen zu können. In der kurzen Zeitspanne<br />

von Knokes Tod bis heute ist die Reflexion zu seinem<br />

Werk durch die Künstlergemeinschaft noch nicht<br />

erfolgt und die Freunde und Sammler seiner Kunst<br />

sind eine kleine eingeschworene Gemeinde. Knoke<br />

verdient als Maler und Graphiker aber mehr als nur<br />

lokale Aufmerksamkeit. Dazu sollen dieser Artikel<br />

und die Ausstellung beitragen. Sonst müsste der<br />

Geist aussterben.<br />

Gleichzeitig mit dem Erscheinen dieses Artikels in<br />

der Zeitschrift „<strong>medium</strong> <strong>gas</strong>“ findet im Gebäude der<br />

Hauptverwaltung der <strong>VNG</strong> – <strong>Verbundnetz</strong> <strong>Gas</strong> <strong>AG</strong><br />

Leipzig eine Ausstellung mit Originalradierungen<br />

von Heinz Knoke statt. Anschließend geht die<br />

Ausstellung in das Pelikanhaus in Hannover – das<br />

Stammhaus der <strong>Gas</strong>unie Deutschland.<br />

unser Autor<br />

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65<br />

Bodo Pientka ist Mitar-<br />

beiter der <strong>VNG</strong>-Tochter<br />

ONTR AS – <strong>VNG</strong> <strong>Gas</strong>-<br />

transport GmbH. Er ist<br />

ein bekannter Leipziger<br />

Kunstsammler und be-<br />

sitzt unter anderem auch<br />

eine große Anzahl an Bil-<br />

dern von Heinz Knoke.


66 Aktuell | Markt | Schwerpunkt | Umschau | Feature<br />

Kunst & Kultur II<br />

Kunst im Zeichen des<br />

Pelikans – Knoke-Ausstellung<br />

bei <strong>Gas</strong>unie<br />

Wenn im November die <strong>VNG</strong>-Ausstellung mit Grafiken des Künstlers Heinz<br />

Knoke aus der Sammlung pientka auch in Hannover in der Firmenzentrale von<br />

<strong>Gas</strong>unie Deutschland gezeigt wird, dann gibt es gleich mehrere Gründe, die<br />

für diesen ort sprechen.<br />

Dr. Philipp v. Bergmann-Korn, Pressesprecher<br />

<strong>Gas</strong>unie Deutschland Services GmbH<br />

Natürlich stehen an erster Stelle die engen Geschäftsbeziehungen zwischen<br />

<strong>VNG</strong> und ihrem Netzbetreiber ONTRAS zur <strong>Gas</strong>unie Deutschland, denn die<br />

beiden Netzunternehmen engagieren sich heute in einer erfolgreichen Marktgebietskooperation.<br />

Darüber hinaus gehörte das Vorgängerunternehmen der<br />

<strong>Gas</strong>unie Deutschland, die in Hannover ansässige BEB, zu den westdeutschen<br />

Erd<strong>gas</strong>unternehmen, die früh unternehmerische Verantwortung in den neuen<br />

Bundesländern übernommen hatten. 2010 stellt zugleich das Jubiläum der<br />

deutschen Einheit dar, die sich im Oktober zum 20. Mal jährt. Ferner verbindet<br />

gerade die beiden wichtigen deutschen Messestandorte Leipzig und Hannover<br />

eine enge Beziehung, die vor den Fall der Mauer zurückreicht: Die bereits 1987<br />

zwischen der niedersächsischen Landeshauptstadt und der größten Messestadt<br />

der damaligen DDR geschlossene Städtepartnerschaft entwickelte sich in den<br />

Jahren nach 1989 zu einer lebendigen, sehr aktiven Beziehung. Aber noch eine<br />

weitere Beziehung besteht – diese hat unmittelbar mit dem Ort, an dem die<br />

Knoke-Ausstellung in Hannover gezeigt wird, zu tun.<br />

Denn seit September 2008 befindet sich die Zentrale der <strong>Gas</strong>unie Deutschland<br />

am Pelikanplatz in Hannover – in einem Teil des ehemaligen Pelikan-Verwaltungsgebäudes.<br />

Dies ist eine sowohl wirtschaftshistorisch wie kulturgeschichtlich<br />

wichtige Adresse für die Stadt an der Leine. Hier wurde vor über 100 Jahren auf<br />

rund 21 000 Quadratmetern das Pelikanwerk mit Laboratorien, Werkstätten,<br />

Produktionshallen, Lagerräumen und Verwaltungsgebäuden in Betrieb genommen.<br />

Der in U-Form angelegte Flügelbau im Backstein-Look verfügte bereits<br />

damals über fortschrittliche Sozialeinrichtungen wie Speisesäle und Räume für<br />

einen Werksarzt. Bei seiner Fertigstellung 1906 galt das Gebäude als größter<br />

Eisenbetonbau Deutschlands. Damit fand zu Beginn des letzten Jahrhunderts<br />

die gleichermaßen stürmische wie erfolgreiche Entwicklung eines Unternehmens<br />

gut 70 Jahre nach seiner Gründung ihren baulichen Abschluss und Höhepunkt.<br />

Noch heute steht der Name Pelikan für hochwertige Schreibwerkzeuge und<br />

Künstlermaterialien. Begonnen hatte das hannoversche Traditions-Unternehmen<br />

Mitte der 1830er Jahre mit einer kleinen Farben- und Tintenfabrik in einem alten<br />

Bauernhaus 30 Kilometer vor den Toren der Stadt. Dass ein Unternehmen sich<br />

aus einer Art Garagenbetrieb entwickelt, ist also alles andere als ein Phänomen<br />

von IT-Start-ups in der New Economy. Pelikan-Tinten und Farben wurden<br />

Das Pelikanhaus in Hannover. Fotos: <strong>Gas</strong>unie<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34


Über <strong>Gas</strong>unie<br />

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67<br />

schnell in Deutschland, aber auch im angrenzenden<br />

Ausland, darunter Österreich, Italien, Ungarn und<br />

Kroatien, bekannt. Nicht zuletzt gelang dies, weil<br />

mit einer für die Zeit einmaligen Markenstrategie<br />

– der Pelikan ist dem Wappen der ersten Eigentü-<br />

merfamilie Wagner entnommen – der Absatz der<br />

Produkte planmäßig vorangetrieben wurde. Das<br />

Pelikan-Logo, eines der ersten eingetragenen Wa-<br />

renzeichen in Deutschland, findet sich noch heute auf vielen baulichen Details<br />

– auf Steinfriesen und Skulpturen, aber auch auf den Gullydeckeln in dem nach<br />

dem Unternehmen benannten Pelikan-Viertel in Hannover. Und es ist noch nicht<br />

so lange her, dass im Wasserbassin vor dem Verwaltungsgebäude sogar lebende<br />

Pelikane gehalten wurden – die allerdings wurden aus Tierschutzgründen – im-<br />

merhin zählt die benachbarte Podbielskistraße zu den Ausfallstraßen mit der<br />

größten Verkehrsdichte der Stadt – in den hannoverschen Zoo übersiedelt.<br />

Als dann 1929 das wohl berühmteste Produkt der Pelikanwerke, der legendäre<br />

Pelikan-Füllfederhalter mit seiner grün-gestreiften Binde und der innovativen<br />

Kolbenmechanik das Licht der Welt erblickt, da leitete bereits Fritz Beindorff<br />

die Geschicke des Unternehmens, eine der bekanntesten Unternehmerpersön-<br />

lichkeiten Hannovers. Beindorff, dessen Interesse nicht nur aus professionellen<br />

Gründen der Werbung galt, konnte zahlreiche Künstler dafür gewinnen, sich an<br />

Plakatwettbewerben und Auftragsarbeiten für die Produkte seines Unternehmens<br />

zu beteiligen. Bezeichnenderweise sprach man damals von der Reklamekunst. Es<br />

ist der Jugendstil, dessen Merkmale sich auch am Verwaltungsgebäude finden,<br />

der erstmals eine Verbindung von Werbung und Kunst eingeht. Und so lassen<br />

sich unter den Künstlern zahlreiche bekannte Grafiker finden, darunter auch der<br />

Hannoveraner Dichter, Maler und Werbegrafiker Kurt Schwitters, der eng mit dem<br />

Dadaismus verbunden ist. Beindorff, der sich auch als Mäzen und Unterstützer<br />

der Kunst hervortat, gehörte 1916 zu den Gründern der Kestner-Gesellschaft,<br />

einem privaten Kunstverein, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, zeitgenös-<br />

sische Künstler mit internationaler Bedeutung nach Hannover zu holen und aus-<br />

zustellen. Wie Bodo Pientka herausgefunden hat, gehörte auch der in Hannover<br />

geborene und ausgebildete Heinz Knoke zu den Künstlern, die Kontakte zur<br />

Kestner-Gesellschaft hatten – womit sich der Beziehungs-Kreis schließt.<br />

<strong>Gas</strong>unie ist ein europäisches <strong>Gas</strong>infrastrukturunternehmen und das erste <strong>Gas</strong>transportunternehmen mit einem<br />

grenzüberschreitenden Netz in Europa. Der jährliche <strong>Gas</strong>durchsatz beträgt zirca 125 Mrd. m³. Das Unternehmen dient<br />

dem allgemeinen Interesse in den Märkten, in denen es aktiv ist und bemüht sich darum, Werte für alle Beteiligten<br />

zu schaffen. <strong>Gas</strong>unie Deutschland mit Sitz in Hannover ist ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der NV Nederlandse<br />

<strong>Gas</strong>unie und verantwortlich für das Management, den Betrieb und den Ausbau eines rund 3 200 Kilometer<br />

langen Fernleitungsnetzes in Norddeutschland. <strong>Gas</strong>unie Deutschland beschäftigt insgesamt rd. 230 Mitarbeiter.<br />

Aufgrund seiner geographischen Lage im Norden Deutschlands ist das Leitungsnetz der <strong>Gas</strong>unie Deutschland<br />

Teil der nordwesteuropäischen <strong>Gas</strong>drehscheibe innerhalb der europäischen Erd<strong>gas</strong>-Transitleitungen.


Hier ist was drin!<br />

Mit Forschung, Entwicklung und Umsetzung im<br />

Markt wollen wir den Einsatz von Erd<strong>gas</strong> noch<br />

effizienter und klimafreundlicher gestalten.<br />

Deshalb unterstützen wir unseren Partner<br />

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Was <strong>VNG</strong> mit dem Marktprogramm Kraft-<br />

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<strong>VNG</strong> – <strong>Verbundnetz</strong> <strong>Gas</strong> Aktiengesellschaft | Braunstraße 7 | 04347 Leipzig | Telefon + 49 341 443-0 | Fax + 49 341 443-1500 | info@vng.de | www.vng.de<br />

<strong>medium</strong> <strong>gas</strong> | 19. Jahrgang | 2. Ausgabe | Juli/August 2010

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