06.12.2012 Aufrufe

Sparkassen im Hochsauerlandkreis - Sauerländer Heimatbund e.V.

Sparkassen im Hochsauerlandkreis - Sauerländer Heimatbund e.V.

Sparkassen im Hochsauerlandkreis - Sauerländer Heimatbund e.V.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

ISSN 0177 - 8110 K 2767<br />

Nr. 4/Dezember 2009 Zeitschrift<br />

des <strong>Sauerländer</strong><br />

He<strong>im</strong>atbundes<br />

SAUERLAND<br />

Winter bei<br />

Altastenberg


Sauerland-Museum des <strong>Hochsauerlandkreis</strong>es<br />

Alter Markt 24 - 26 · 59821 Arnsberg<br />

Tel. (0 29 31) 40 98 · Fax (0 29 31) 41 14<br />

sauerlandmuseum@hochsauerlandkreis.de<br />

www.sauerland-museum.de<br />

Sonderausstellung <strong>im</strong><br />

Sauerland-Museum des <strong>Hochsauerlandkreis</strong>es<br />

25.10.2009 – 28.02.2010<br />

Ausstellungskatalog<br />

Erhältlich ab dem 25. Oktober 2009 be<strong>im</strong> Sauerland-Museum<br />

des <strong>Hochsauerlandkreis</strong>es zum Preis von 14,90 €<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di-Fr 9.00-17.00 Uhr<br />

Sa 14.00-17.00 Uhr<br />

So 10.00-18.00 Uhr<br />

Feiertags wie sonntags geöffnet.<br />

Willkommen <strong>im</strong><br />

Museums-Café<br />

Café-Haus-Tradition<br />

neu interpretiert<br />

Wo Freundlichkeit<br />

zuhause ist<br />

Sauerland -museum<br />

des HSK<br />

täglich 09:00h bis 20:00h


SAUERLAND NR. 4/2009 163<br />

SAUERLAND Nr. 4/Dezember 2009<br />

Zeitschrift des<br />

<strong>Sauerländer</strong> He<strong>im</strong>atbundes<br />

A D V E N T<br />

Eine stille Heiterkeit<br />

liegt über allen<br />

Dingen<br />

und ein Hauch<br />

Melancholie<br />

Über leerem Land<br />

reichen Glaube<br />

und Hoffnung<br />

einander die Hände<br />

Sie bereiten den Weg<br />

für die alles -<br />

gewährende Liebe<br />

<strong>im</strong> Licht<br />

einer<br />

Heiligen Nacht<br />

Carola Matthiesen, Advent 97<br />

Vorstand<br />

und Redaktionsausschuss<br />

wünschen allen<br />

Abonnenten und Lesern<br />

ein gesegnetes Weihnachtsfest<br />

und ein gutes Jahr<br />

2010 Unser<br />

Aus dem Inhalt<br />

Geschichte<br />

Eröffnungsfeierlichkeiten zur Sonderausstellung<br />

„Kurfürst, Adel, Bürger“ S. 192<br />

Natur • Landschaft • Siedlung<br />

Seltener Stationsweg „7-Schmerzen-<br />

Mariens" in Allendorf restauriert S. 194<br />

... und in kalten Winternächten S. 206<br />

Sprache und Literatur<br />

„Herzogtum Westfalen“, Band 1,<br />

des <strong>Sauerländer</strong> He<strong>im</strong>atbundes<br />

erschienen S. 185<br />

Erinnerungskultur – Nostalgie –<br />

Identifikationsmittel – kulturpolitische<br />

Pflichtübung? S. 187<br />

Pater Manfred Ruhrmann zum<br />

100. Geburtstag S. 196<br />

Laudatio Herbert Somplatzki S. 198<br />

He<strong>im</strong>at • Kultur<br />

Ein steinernes Archiv mit<br />

weltweitem Zugang S. 175<br />

Schwerspatmuseum Dreislar<br />

6. Werkstattgespräch<br />

S. 179<br />

„Bergbau <strong>im</strong> Sauerland“ S. 201<br />

Sehnsucht nach dem Sauerland S. 202<br />

Religion und Glaube<br />

Die Kirche <strong>im</strong> Dorf lassen? S. 164<br />

Die Lebenden und die Toten S. 167<br />

Rezensionen • Personalien<br />

BÜCHER · SCHRIFTTUM S. 206<br />

PERSONALIEN S. 210<br />

Titelbild<br />

fotografierte Georg Hennecke bei Altastenberg


164 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

Die Kirche <strong>im</strong> Dorf lassen?<br />

Gedanken zum Traditionsabbruch <strong>im</strong> ländlichen Katholizismus<br />

Das Werk des – zeitweilig exkommunizierten<br />

– Priesters und Dichter theo -<br />

logen Joseph Wittig, der in Meschede<br />

begraben liegt, lässt sich ohne den Hintergrund<br />

seiner schlesischen Kleine -<br />

leutehe<strong>im</strong>at nicht verstehen. Als Vertriebener<br />

musste Wittig jedoch, wie sein<br />

Aufsatz „Die Revision des He<strong>im</strong>at -<br />

glaubens“ von 1948 zeigt, früh die Trauer<br />

um eine verlorene „katholische He<strong>im</strong>at“<br />

bewältigen. Der Tenor dieses Textes,<br />

den man heute mit ganz anderen<br />

Augen lesen kann: Wer die alte Glaubenshe<strong>im</strong>at<br />

wie einen Götzen halten<br />

will, der wird Gott verlieren.<br />

Der Verfasser dieses Beitrages (geboren<br />

1961) ist groß geworden, kurz bevor<br />

der katholische H<strong>im</strong>mel auch <strong>im</strong> Sauerland<br />

ganz abzubröckeln begann und die<br />

Weitergabe lokaler Legen denstoffe zum<br />

Erliegen kam. Das ist wirklich eine andere<br />

Zeitepoche gewesen. Im Dorf waren<br />

das ganze Leben und alle Jahreszeiten<br />

von wichtigen Dingen, die alle irgendwie<br />

mit der Kirche zu tun hatten, mitbest<strong>im</strong>mt.<br />

Das kölnische Sauerland galt zumindest<br />

früher als eine der katholischs -<br />

ten Landschaften weit und breit. Der<br />

nach dem Horror des Ersten Weltkrieges<br />

gegründete Sauer länder He<strong>im</strong>atbund<br />

war katholischer als jedes andere<br />

Vergleichsprojekt in West falen. Man<br />

hatte durchaus den Vorsatz, über den<br />

Gemeinschaftsgedanken noch einmal<br />

eine ganze Region christlich zu formen.<br />

Im sozialen Leben der Land schaft wirken<br />

die Traditionen des katholischen Milieus<br />

noch allerorten nach. Aber muss<br />

man nicht fragen: Wie lange noch?<br />

Kirchgang von Henninghausen nach Cobbenrode, 1950<br />

Quelle: Archiv Museum Eslohe<br />

Hubertus Halbfas hat innerhalb der<br />

<strong>Sauerländer</strong> He<strong>im</strong>atbewegung frühzeitig<br />

auf den Traditionsabbruch aufmerksam<br />

gemacht. Der Bruch mit einer sozial<br />

vermittelten und regional geprägten<br />

Christ lichkeit kann in der gegenwärtigen<br />

Schüler-, Auszubildenden- und Studen<br />

ten generation als vollzogen betrachtet<br />

werden. Den Eltern hatte die Kirche<br />

die Pflicht zur Glaubensweitergabe eingeschärft.<br />

Da dies auf herkömmliche<br />

Weise gar nicht mehr zu bewerkstelligen<br />

war, kam es zwangsläufig zu großen<br />

Schuld gefühlen. (Ich wüsste nicht, dass<br />

sich die Seelsorge großartig darum<br />

gekümmert hätte). Bei einem regionalen<br />

Sprachtod sind es manchmal nur fünf<br />

Jahre, die über alles entscheiden. Hinsichtlich<br />

der Weitergabe der religiösen<br />

Sprache sind diese „fünf Jahre“ längst<br />

abgelaufen.<br />

Durch meine Kontakte zu Mundart -<br />

autoren oder deren Angehörigen <strong>im</strong><br />

Sauerland bekomme ich mit, welche<br />

Probleme sich aus dem Umbruch ergeben.<br />

Es wird zum Beispiel ein Jungpries -<br />

ter in eine Ge -<br />

meinde geschickt,<br />

der eine ganz auf<br />

das Sakrale abgestellte<br />

Ausbildung<br />

durchlaufen hat<br />

und sich vielleicht<br />

aufgrund des Priester<br />

man gels – viel<br />

mehr als frühere<br />

Pastöre – für etwas<br />

Beson deres hält.<br />

Die große Ent täu -<br />

von Peter Bürger<br />

schung kann gar nicht ausbleiben. Er findet<br />

nämlich nicht mehr jenen geschlossenen<br />

katholischen Kosmos vor, auf den<br />

er sich so gefreut hatte. Da er selbst seit<br />

Jahren – Tag für Tag – ein heiliges Leben<br />

führt, kommt ihm ein Dorf, das vergleichsweise<br />

noch sehr katholisch ist,<br />

auf einmal ganz unfromm vor. (Der<br />

Pries ter nachwuchs wird seit längerem<br />

<strong>im</strong>mer konservativer, das verschärft Probleme<br />

dieser Art). In der Folge kann es<br />

zwischen Pfarrer und Gemeinde zur<br />

Fehde kommen. Der Priester fühlt sich<br />

<strong>im</strong>mer mehr unverstanden. Die Gemeinde<br />

ist verbittert, weil dieser sie von<br />

oben herab wie „Heiden“ behandelt.<br />

Im amtskirchlichen Bereich überwiegen<br />

leider Projekte, mit denen die Überreste<br />

einer Priesterkirche irgendwie<br />

konserviert werden sollen. Ohne die<br />

Frauen wäre die Kirche in vielen Dörfern<br />

wohl nur noch ein überkommenes<br />

Bauwerk aus Stein. Die nahe Kirche in<br />

der direkten Nachbarschaft von Haus zu<br />

Haus, die jetzt noch auf dem Land so<br />

viele Reichtümer an Menschlichkeit,<br />

Dreifaltigkeitsprozession Eslohe 1926<br />

Quelle: Archiv Museum Eslohe


SAUERLAND NR. 4/2009 165<br />

Kommunionkind in Schliprüthen<br />

(April 1924)<br />

Quelle: Archiv Museum Eslohe<br />

Herzens wärme und Frömmigkeit birgt,<br />

wird überfahren. Das Problem sind bisweilen<br />

nicht die Priester, die fehlen, sondern<br />

die, die nach neuen Konzepten als<br />

überörtliche Kirchenmanager (bzw. mobile<br />

Sakramentenspender) ihren Dienst<br />

versehen und zwangsläufig in eine <strong>im</strong>mer<br />

größere Überlastung geraten. Unglückliche<br />

Seelsorger kann sich eine Kirche<br />

<strong>im</strong> Traditionsabbruch aber am allerwenigsten<br />

leisten. Die große Macht -<br />

konzentration be<strong>im</strong> Pfarrer, der überall<br />

das letzte Wort hat, wird von vielen Getauften<br />

außerdem als nicht mehr angemessen<br />

betrachtet.<br />

Gegen die Zerstörung der ortsnahen<br />

Gemeinde zugunsten von „Pastoral -<br />

plänen“, die eigentlich nichts anderes<br />

als Priestermangel-Anpassungspläne<br />

sind, protestieren <strong>im</strong> ganzen Land engagierte<br />

Gläubige. Im Erzbistum Freiburg,<br />

so berichtet das Konradsblatt vom 12.<br />

April 2009, fordern sie z.B., „dass jede<br />

Ge meinde einen eigenen Gemeindeleiter<br />

erhält – sei es einer der hauptamt -<br />

lichen Laien, ein Diakon oder aber ein<br />

bewährter Mann oder eine bewährte<br />

Frau“, und „setzen sich … für die Weihe<br />

von verheirateten Männern zu Priestern<br />

ein“. Sie können<br />

sich sogar auf Joseph<br />

Ratzinger beziehen,<br />

der 1970<br />

in seinem Buch<br />

„Glaube und Zukunft“<br />

meinte, die<br />

Kirche der Zukunft<br />

werde „neue Formen<br />

des Amtes<br />

kennen und bewährte<br />

Christen,<br />

die <strong>im</strong> Beruf stehen,<br />

zu Prie stern<br />

weihen“.<br />

Die Ortsbischöfe<br />

sind gut beraten,<br />

wenn sie auf die unermesslichenReichtümer<br />

der Men -<br />

schen schauen und<br />

nicht auf den Priestermangel.<br />

Im 19.<br />

Jahrhundert ka -<br />

men viele Saue r -<br />

länder Gemeinden<br />

während des Kul -<br />

tur kampfes auch<br />

ohne Priester aus.<br />

Es gab weiterhin<br />

Prozessionen und<br />

Gottesdienste. (Die<br />

zahllosen Kapellen gemeinden hatten<br />

ohnehin <strong>im</strong>mer ein eigenes Gebets -<br />

leben). Das Fest klammern an priesterzentrierten<br />

Kon zepten ist der dickste<br />

Brems klotz, der dem Wirken des Heiligen<br />

Geistes und dem Glück vieler Ge -<br />

meinden entgegensteht. Ein Bischof,<br />

der von diesem Irrweg ablässt, wird seinem<br />

Nachfolger vielleicht auch wieder<br />

mehr Priester bescheren. So oder so<br />

muss aber der Grundsatz walten: „Das<br />

Amt ist für die Menschen da, nicht die<br />

Menschen für das Amt.“<br />

Es kann also nicht darum gehen, dass<br />

den Gemeinden gnädig von oben zentralisierte<br />

Eucharistiefeiern am Sonntag<br />

in „zumutbarer Entfernung“ gewährt<br />

werden. Auf diese Weise würde die letzte<br />

Chance vertan, aus dem reichhaltigen<br />

Fundus des Überkommenen etwas Zukunftsträchtiges<br />

wachsen zu lassen. Die<br />

Kirche vor Ort lebt durch diejenigen, die<br />

den Kindern von Jesus erzählen, Menschen<br />

zusammenbringen, Einsame besuchen,<br />

für Krankenbetreuung Sorge tra-<br />

Deckblatt des <strong>Sauerländer</strong> He<strong>im</strong>atkalenders für 1924<br />

gen, Gotteslob und Hauskommunion<br />

feiern, Konflikte wahrnehmen und<br />

Schei ternden helfen, eine soziale Kom -<br />

munalpolitik mitgestalten, gemeinschaftliche<br />

Freude an der Musik ermöglichen …<br />

In die Hände dieser Christen – zumeist<br />

sind es Frauen – gehört auch die Gemeindeleitung.<br />

Die Kirche muss <strong>im</strong> Dorf<br />

bleiben. Sie ist keine Verwal tungs einheit.<br />

Der Umbruch erfordert, das gemeinsame<br />

Priestertum aller Getauften <strong>im</strong><br />

Sinne des II. Vaticanums endlich ernst<br />

zu nehmen. Der vermutlich letzten Gene<br />

ration der Milieukatholiken kommt<br />

aufgrund ihrer gefühlsmäßigen Behei -<br />

matung <strong>im</strong> Glauben der Früheren eine<br />

wichtige Rolle zu. In ihr gibt es eine gewisse<br />

Resistenz gegen fundamentalistische<br />

Versuchungen und ebenso das Bewusstsein,<br />

dass Kirche von unten lebt.<br />

Heute kommt es darauf an, dass die sogenannten<br />

„Laien“ wirklich einen eigenen<br />

– mündigen – Standort in der Glau -<br />

bensbezeugung einnehmen und als Ge-


166 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

burtshelfer anderen Erfahrungen von<br />

Gottes Gegenwart ermöglichen. Theo -<br />

logische Werkstätten nicht nur für auserwählte<br />

Fachleute wären dringend nötig.<br />

Alltagsfrömmigkeit und Pastoral müssen<br />

in der – nicht mehr bäuerlich geprägten<br />

Gegenwart ankommen. Diejenigen, die<br />

mitten <strong>im</strong> nahen Leben stehen, benötigen<br />

Freiräume zur Gestaltung von Kirche,<br />

um aus der Verwurzelung heraus<br />

Neues zu wagen.<br />

Altüberkommene Formen lassen sich<br />

dabei nicht einfach konservieren. Wenn<br />

ich heute in meinem He<strong>im</strong>atdorf einen<br />

Jugendlichen, der aus genauso einem<br />

„katholischen Stall“ wie ich kommt, z. B.<br />

nach alt vertrauten Prozessionsliedern<br />

befrage, lautet die Antwort: „Das kenne<br />

ich gar nicht, und das sagt mir auch<br />

nichts.“ Wenn er dann mal den Weg in<br />

die Kirche finden sollte, hat er doch<br />

wohl ein Recht, statt der mir lieb gewordenen<br />

alten Ohrwürmer neue geistliche<br />

Lieder singen zu dürfen. Theologisch<br />

sind nicht wenige neue Lieder ja entschieden<br />

glaubwürdiger als vieles aus<br />

den Bi s tumsanhängen. Das Beispiel<br />

mag nebensächlich erscheinen. Das<br />

nötige Problembewusstsein erfordert in<br />

diesem Zusammenhang jedoch oft eine<br />

sehr schwere Geburt. Die alten Formen<br />

sind deshalb heilige Kühe, weil sie für<br />

viele (auch für mich) <strong>im</strong>mer wieder den<br />

Glauben der Kinderzeit wahr werden<br />

lassen. Doch unversehens können sie zu<br />

etwas Nostalgischem bzw. Folklo -<br />

ristischem werden, das für die Zukunft<br />

der Kirchen rein gar nichts bedeutet.<br />

Auch <strong>im</strong> Kontext der stark konfessionell<br />

geprägten He<strong>im</strong>atbewegung sind<br />

neue Perspektiven gefragt. Traditionell<br />

hat sich das katholische Milieu bei der eigenen<br />

Geschichtsschreibung zumeist als<br />

ein Selbstlobkollektiv betätigt. Bei der<br />

Erkundung zeitgemäßer Wege zur Weitergabe<br />

des Glaubens sind aber gerade<br />

auch die Schatten der Vergan genheit<br />

und die weniger erfreulichen Seiten des<br />

nahen Kirchenlebens zu bedenken. Die<br />

soziale Kontrolle, der selbstgerechte<br />

Moralismus, der lieblose Um gang mit<br />

Außenseitern und nicht angepassten<br />

Dorfgenossen, eine oft von Angst geprägte<br />

Religiosität … all das gehörte ja<br />

mit zur vermeintlich heilen Welt früherer<br />

Tage. So glorreich, wie man es gerne<br />

hätte, ist die nahe Geschichte des<br />

Milieus auch zur<br />

Zeit des Faschismus<br />

keineswegs<br />

gewesen. Die Geschichte,<br />

so meinte<br />

Papst Johannes<br />

XXIII., ist eine<br />

große Lehrmeisterin.<br />

Wer sie <strong>im</strong><br />

Dienste des Selbstlobes<br />

schönfärbt,<br />

kann aus ihr nicht<br />

lernen.<br />

Natürlich sind die<br />

geglückten Sei ten<br />

des nahen Chris -<br />

tentums nicht minder<br />

von Interesse.<br />

Hilfreich wäre es<br />

jedoch, wenn Hei -<br />

mat forscher die<br />

O r t s k i r c h e n g e -<br />

schichte nicht vornehmlich<br />

aus der Per s pektive der Pfarr -<br />

herren-Register und Kirchspiel ver -<br />

waltung schreiben und ihre Fragen stattdessen<br />

unten ansetzen. Wie haben die<br />

Menschen ihre Sehn süchte, ihre Leiden<br />

und Pla ge rei en, ihr Glücken und Versagen,<br />

ihre Freuden und Hoff nungen in<br />

die Kul tur des Kleinrau mes eingebracht?<br />

Welche Orte hatten Glaubensvorstellungen<br />

und religiöse Praxis <strong>im</strong> Leben der<br />

kleinen Leute? An welche Alltagsheiligen<br />

wäre jenseits der frommen Priesterlegenden<br />

zu erinnern? Wie hat sich der<br />

Katholizismus vor Ort seit dem letzten<br />

Konzil durch ökumenische Geschwisterlichkeit<br />

mit der evangelischen Kirche be-<br />

Weihbischof Franz Hengsbach bei der<br />

Glockenweihe in Eslohe 1954<br />

Quelle: Archiv Museum Eslohe<br />

Sternsinger in Eslohe (um 1970)<br />

Quelle: Archiv P. Bürger<br />

schenken lassen? Ist es schließlich nicht<br />

leichtfertig, die Erin nerung an einen entschiedenen<br />

Sozial katholizismus <strong>im</strong> Sauerland<br />

zu vernachlässigen? In nicht allzu<br />

ferner Zukunft sitzen vielleicht in den<br />

Kom munal parlamenten nur noch Politiker,<br />

die vom Gemeinschaftssinn ihrer<br />

Vorfahren nichts mehr wissen und unter<br />

Kultur politik vornehmlich „Wirtschafts -<br />

förde rung“ verstehen.<br />

In einer vernetzten Welt ist weltoffene<br />

Regionalität von großer Bedeutung,<br />

denn ohne sie käme es zur kulturellen<br />

Gleichschaltung auf dem Globus <strong>im</strong> Interesse<br />

mächtiger Wirtschaftskom plexe.<br />

Auch die drängenden Überlebensfragen<br />

des Planeten erfordern global-lokale<br />

Strategien und eine Ökumene aller Konfessionen,<br />

Religionen, Weltan -<br />

schauungen und Kulturen. Eine Kirche<br />

der Zukunft wird sich weder dem zivilisatorischen<br />

Ernst, der an erster Stelle vom<br />

Kl<strong>im</strong>awandel angezeigt wird, noch den<br />

Herausforderungen eines gleichberechtigten<br />

Dialoges der Weltgesellschaft verschließen.<br />

Bei einer Kirche, in der den<br />

Menschen vor Ort zugehört wird und die<br />

Zukunft des Lebens auf Gottes Erde <strong>im</strong><br />

Mittelpunkt steht, werden auch die Jungen<br />

wieder aufhorchen.<br />

Literaturhinweis: Unter dem Titel „Die fromme Revolte<br />

– Katholiken brechen auf“ hat der Verfasser in diesem<br />

Jahr ein Buch in der „Publik-Forum Edition“ veröffentlicht.<br />

Dieses Werk enthält auch ein Kapitel über<br />

den sauerländischen Katholizismus.


SAUERLAND NR. 4/2009 167<br />

Die<br />

Lebenden und die<br />

Toten<br />

Friedhöfe<br />

in<br />

Geschichte<br />

und<br />

Gegenwart<br />

is vor rund hunderttausend Jahren<br />

haben die Menschen – archäologischer<br />

Kenntnis zufolge –<br />

in ihren Toten kaum anderes gesehen<br />

als „ganz normale Kadaver“. Man fand<br />

ihre Knochen verstreut zwischen den<br />

Abfällen ihrer Lagerplätze. Das entspricht<br />

noch der Art, wie auch Pr<strong>im</strong>aten<br />

ihre Toten unbeachtet lassen. Aber bereits<br />

bei den Neandertalern differenziert<br />

sich das Verhalten. In der Regel begruben<br />

sie ihre Toten vollständig, doch<br />

kann daraus noch nicht geschlossen<br />

werden, dass sich mit diesen frühen Begräbnissen<br />

bereits ein Glaube an ein Leben<br />

nach dem Tode verbunden hat. Dazu<br />

gehört ein Abstraktionsvermögen,<br />

das Vergangen heit und Zukunft übergreift.<br />

Das archäologische Material erlaubt<br />

keine zweifelsfreien Schlüsse auf<br />

transzendente Vorstellungen.<br />

Vorgeschichtliche Bestattung<br />

Hinweise auf regelmäßige Beisetzun -<br />

gen stammen erst aus dem oberen<br />

Palä o li thikum. Bei Sungir, 200 Kilo -<br />

meter nordöstlich von Moskau, wurden<br />

vier gut erhaltene Gräber entdeckt, nach<br />

den Radiokarbon-Messungen zwischen<br />

25 500 bis 22 000 Jahre alt. Die Lei-<br />

chen, mit rotem Ocker bestreut, waren<br />

in sehr aufwendiger Kleidung und mit<br />

reichem Schmuck beerdigt worden, ein<br />

Mann, eine Frau und zwei heranwachsende<br />

Kinder. Diese und andere Gräber<br />

belegen zum ersten Mal den Wunsch,<br />

den sozialen Rang von Toten zu demons -<br />

trieren. Die Kindergräber lassen diesen<br />

Rang bereits erblich verstehen, so dass<br />

vermutlich damals schon die vollständig<br />

gleichberechtigte Gesellschaft ihr Ende<br />

gefunden hatte. Vor allem aber zeigt der<br />

Befund ein Denken über den Tod hinaus<br />

und die symbolische Ausstattung der Toten<br />

für ein jenseitiges Leben.<br />

Steinzeit<br />

Auch die gewaltigen Steingräber des<br />

Neolithikums bezeugen einen Totenkult,<br />

ohne dass wir sagen können, welche<br />

Rolle sie in ihren Gesellschaften einnahmen<br />

und welche Vorstellungen über ein<br />

Jenseits sich mit ihnen verbanden. Die<br />

Steingräber Nordeuropas enthielten reiche<br />

Grabbeigaben mit dekorierter Töp -<br />

ferware, Bernstein-Amuletten und wohl<br />

auch Speiseopfern. Natürlich waren diese<br />

Megalithgräber in ausgedehnte Kulte<br />

eingebunden. Dass der darin gefeierte<br />

Glaube sich auf Leben und Tod bezog,<br />

von Prof. Dr. Hubertus Halbfas<br />

darf unterstellt werden, aber keine St<strong>im</strong>me<br />

berichtet über nähere Inhalte. Welche<br />

Symbolik dem Stein zugehörte, der<br />

mit ungeheuren Anstrengungen über<br />

große Entfernungen herbeigeschafft<br />

wurde, wird in der Religionsgeschichte<br />

unterschiedlich beantwortet; mal werden<br />

ihm Dauer und majestätische Macht<br />

zugeschrieben, mal erscheint er, wie in<br />

Gen. 28, 17.19 oder in der Kaaba von<br />

Mekka als „Haus Gottes“, mal soll er<br />

Ahnenkraft verkörpern. Auch können<br />

sich Opferkulte damit verbunden haben,<br />

etwa um die Lebenskraft auf der Erde zu<br />

erneuern.<br />

Ägypten<br />

Die megalithische Kultur endete in<br />

Europa <strong>im</strong> 3. vorchristlichen Jahrtau -<br />

send. Seit 2800 v. Chr. wurden hier keine<br />

neuen Steinmonumente mehr errichtet.<br />

Um diese Zeit hatte die Frühzeit<br />

Ägyptens bereits begonnen (3100–<br />

2670), das Alte Reich schloss sich von<br />

2670 bis 2150 an. Mit der Geschichte<br />

Ägyptens beginnt ein Totenkult, der monumentale<br />

Grabbauten, die Schrift und<br />

die Idee der Unsterblichkeit verbindet.<br />

Nirgendwo sonst repräsentiert das Grab<br />

das Ganze einer Kultur, Diesseits und


168 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

Jenseits, Berufsleben und Totenkult.<br />

Diese Einheit ist schon antiken<br />

Rei senden aufgefallen. So schrieb<br />

Heka teios von Abdera, der 320–305 in<br />

Alexandria lebte und Ägypten bereiste:<br />

Die Einhe<strong>im</strong>ischen geben der <strong>im</strong><br />

Leben verbrachten Zeit einen ganz geringen<br />

Wert. Dagegen legen sie das<br />

größte Gewicht auf die Zeit nach<br />

ihrem Tode, während der man durch<br />

die Erinnerung an die Tugend <strong>im</strong> Gedächt<br />

nis bewahrt wird. Die Behausungen<br />

der Lebenden nennen sie „Absteigen“,<br />

da wir nur kurze Zeit in ihnen<br />

wohnten. Die Gräber der Verstorbenen<br />

bezeichnen sie als „ewige Häuser“,<br />

da sie die unendliche Zeit <strong>im</strong> Hades<br />

verbrächten. Entsprechend verwenden<br />

sie wenig Gedanken auf die<br />

Ausrüstung ihrer Häuser, wohingegen<br />

ihnen für die Gräber kein Aufwand zu<br />

hoch erscheint.<br />

Jan Assman interpretiert den ägyptischen<br />

Steinbau, der während der 3.<br />

Dynastie (2670–2600) an die Spitze des<br />

kulturellen Wertesystems rückt:<br />

Der Staat beschäftigt ganze Armeen<br />

von Steinbruchexpeditionen,<br />

Hand wer kern und Fronarbeitern und<br />

investiert in architektonische, plastische,<br />

epigraphische und sonstige Kon -<br />

struktionen von Ewigkeit mindestens<br />

so viel Energie wie andere in Er -<br />

o berung und Verteidigung. In der 4. Dynastie<br />

n<strong>im</strong>mt diese Bautätigkeit Formen<br />

an, die den Eindruck erwecken,<br />

der gesamte Staat wäre um der Einrichtung<br />

von Riesenbauten wegen geschaffen<br />

worden. Der Steinbau dient<br />

ausschließlich der Konstruktion sakraler<br />

Räume und der Abbildung von<br />

Ewigkeit. Alle Gebrauchs funk tionen<br />

wie Wohnen, Verwalten, Maga zinieren<br />

Es gibt (nicht wenige) Dorffriedhöfe <strong>im</strong> Sauerland,<br />

auf denen die Bäume fehlen. Jüngst<br />

musste noch eine ganze Baumallee dran<br />

glauben, weil der Kirchenvorstand den<br />

Klagen über „das lästige Laub“ nicht<br />

standhalten konnte. Aber welche Würde<br />

kennzeichnet diesen dörflichen<br />

Waldfriedhof von Hunswinkel!


SAUERLAND NR. 4/2009 169<br />

usw. werden in Lehm ziegel bauweise<br />

realisiert … Die Sehnsucht, die sich in<br />

diesen gewaltigen Kulturanstrengungen<br />

ausdrückt, zielt auf Erlösung aus<br />

der Vergänglichkeit der Lehmwelt und<br />

auf eine durch den Stein vermittelte<br />

Teilhabe an der kosmischen Ewigkeit.<br />

Das Schicksal jener, die das jenseitige<br />

Gericht bestehen, vertritt der König,<br />

dessen Grabanlagen von den Pyramiden<br />

bis zu den spätzeitlichen Bauten vielgestaltig<br />

zeigen, wie er, der exemplarische<br />

Mensch, in dem alles in höchster Potenz<br />

erscheint – bis hin zur Gottessohnschaft<br />

– den Weg vom Tod ins neue Leben vollzieht.<br />

Das Medium, in dem sich dieses<br />

Geschehen vermittelt, ist der Osiris-Mythos,<br />

in dem auch der spätere christliche<br />

Auferstehungsglaube seine Vor weg -<br />

nahme gefunden hat. Die ägyptischen<br />

Großbauten, zumal die ins Gigan tische<br />

erhobenen Pyramiden, demonstrieren<br />

als Grabanlagen, dass der Tote nicht ins<br />

Chaos versinkt, sondern dass gerade die<br />

Sicherung äußerer Fortdauer zu seiner<br />

Rettung beiträgt. Nicht passives Verhalten,<br />

nicht Vertrauen allein auf einen<br />

gnädigen Gott, sondern eigenes Mitgestalten<br />

gewährt dem Menschen Anteil<br />

an seiner „Auferstehung“.<br />

Römische Antike<br />

Im 4. Jahrhundert v. Chr. best<strong>im</strong>mte<br />

das römische Zwölftafelgesetz: Einen toten<br />

Menschen dürft ihr in der Stadt weder<br />

begraben noch verbrennen! Tote<br />

sollten außerhalb der Städte beigesetzt<br />

werden. Das galt auch für die römischen<br />

Kaiser von Hadrian über Diokletian, beide<br />

„heidnisch“, bis zu Justinian, dem<br />

christlichen Gesetzgeber. Aus praktischen<br />

Gründen lagen die Begräbnis -<br />

plätze gewöhnlich zu beiden Seiten der<br />

Ausfallstraßen, etwa an der Via Appia.<br />

Die zwei oberen Fotos zeigen einen<br />

„baumfreien“ Friedhof. Trostloses Gelände,<br />

abgezirkelte Spießigkeit!<br />

Positiv das untere Bild:<br />

Ohne trennende Randsteine bilden die Grabreihen<br />

einen blühenden Zusammenhang.


170 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

In Rom und einigen anderen Städten erweiterte<br />

man diese Begräbnisorte seit<br />

dem frühen 3. Jahrhundert durch unterirdische<br />

Gang- und Kammersysteme<br />

(Katakomben). Zunächst erfolgte hier<br />

noch die gemeinsame Bestattung von<br />

Christen und Heiden, bis sich hier eine<br />

Trennung durchsetzte. Die antiken Re -<br />

geln von der Unverletzlichkeit des Gra -<br />

bes und des Grabbezirks galten weiter.<br />

Singulär blieb die Zerstörung eines<br />

Friedhofs heidnischer und christlicher<br />

Gräber durch Kaiser Konstantin für den<br />

Bau der römischen Peterskirche.<br />

Mittelalterliche Friedhöfe<br />

Der deutsche „Friedhof“ bezeichnet<br />

einen umfriedeten, unter erhöhten<br />

Rechts schutz gestellten Bezirk. Im Grie -<br />

chischen ist es die Nekropole, „Stadt der<br />

Toten“; c<strong>im</strong>etière <strong>im</strong> Französischen,<br />

vom lateinischen coemeterium, abgeleitet<br />

von gr. ko<strong>im</strong>asthai, „schlafen“. Diese<br />

Vorstellung kam der christlichen Lehre<br />

von der Unsterblichkeit der Seele und<br />

der Auferstehung von den Toten entgegen.<br />

Der italienische Name camposanto,<br />

„heiliges Feld“, süddeutsch vielleicht<br />

mit „Gottesacker“ wiederzugeben, bezieht<br />

sich noch auf außerhalb der Wohn -<br />

bezirke liegende Grabfelder. Die biblische<br />

Gleichnisrede vom Weizenkorn,<br />

„das reiche Frucht bringt, wenn es<br />

stirbt“ (Joh 12,24), und die Hoffnung<br />

des Paulus: „Gesät wird ein irdischer<br />

Leib, auferweckt ein überirdischer Leib“<br />

(1 Kor 15,44) knüpfen daran an.<br />

Mit Ausgang der Antike und <strong>im</strong><br />

frühen Mittelalter wollten viele „bei den<br />

Heiligen“ bestattet sein, um sie als Für -<br />

sprecher <strong>im</strong> Jenseits zu haben. Davon<br />

zeugt noch der Name Xanten, abgeleitet<br />

von ad sanctos, „bei den Heiligen“.<br />

Als „Heilige“ galten zu dieser Zeit Frauen<br />

und Männer, deren Leben Vorbild -<br />

funk tion gewonnen hatte. War über<br />

ihrem Grab eine Kapelle oder Kirche errichtet,<br />

so wollte man ihnen <strong>im</strong> eigenen<br />

Tode so nah wie möglich sein. Über<br />

Jahrhun derte wurde um einen solch privilegierten<br />

Platz mit allen verfügbaren<br />

Mitteln gekämpft. Heute gestattet das<br />

Recht der katholischen Kirche lediglich,<br />

den Papst, Kardinäle und Diöze san -<br />

bischöfe innerhalb „ihrer“ jeweiligen<br />

Kirche beizusetzen.<br />

Im Jahre 563 erlaubte eine in Braga,<br />

<strong>im</strong> heutigen Portugal, tagende Synode,<br />

Tote auch innerhalb von Städten beizusetzen.<br />

Seitdem lief die von Christen<br />

geübte Praxis darauf hinaus, die bis dahin<br />

den Mittelmeerraum kennzeichnende<br />

Trennung der Bereiche der Lebenden<br />

und Toten aufzuheben.<br />

Im Zuge der mittelalterlichen Besied -<br />

lung wurden Dörfer und später Städte<br />

gegründet, bei denen bereits während<br />

der Planung der Platz für Pfarrkirche<br />

und Friedhof reserviert wurde, soweit<br />

man nicht an vorchristliche Opferstätten<br />

anknüpfte. In den Städten hatten die<br />

Pfarreien und die als Personalpfarreien<br />

verstandenen Klöster und Spitäler <strong>im</strong> allgemeinen<br />

ihren eigenen Friedhof. Auch<br />

wenn hier nie ein „Heiliger“ beigesetzt<br />

wurde, übertrug die Segnung der Gräber<br />

und der Glaube der Menschen auch auf<br />

diese Orte die Rechte der geheiligten<br />

Stätten. Freilich benutzte die Kirche bald<br />

auch Begräbnis und Friedhof als Diszi -<br />

plinierungsmittel: Ungetaufte sollten<br />

hier ausgeschlossen bleiben. Da die Juden<br />

ihre eigenen Friedhöfe hatten, richtete<br />

sich die Einschränkung am meisten<br />

gegen ungetauft verstorbene Kinder.<br />

Noch um die Mitte des letzten Jahrhunderts<br />

wurden ungetaufte Kinder auf einem<br />

angrenzenden „nicht geweihtem“<br />

Stück, etwa „hinter der Hecke“, begra-<br />

ben. Aber erst 2007 hat Papst Benedikt<br />

XVI. erklärt, die „ältere theologische<br />

Mei nung“ vom L<strong>im</strong>bus puerorum, jenem<br />

Ort „ohne Gottesschau“ <strong>im</strong> Halbdunkel<br />

zwischen H<strong>im</strong>mel und Hölle, der<br />

den ungetauften Kindern vorbehalten<br />

war, solle seitens des kirchlichen Lehramts<br />

nicht mehr unterstützt werden.<br />

Eine zweite Einschränkung: der<br />

Friedhof sollte jenen vorbehalten bleiben,<br />

die zeitlebens am katholischen<br />

Glauben festgehalten haben. Häretiker<br />

und Gebannte waren von einem kirchlichen<br />

Begräbnis ausgeschlossen, ebenso<br />

„Selbstmörder“, weil sie sich anmaßten,


SAUERLAND NR. 4/2009 171<br />

dem Herrn über Leben und Tod vorgreifen<br />

zu können.<br />

Da der Friedhof nun <strong>im</strong> Regelfall nahe<br />

bei der Pfarrkirche lag oder die Pfarrkirche<br />

umgab – wie etwa in Helden und<br />

Wormbach – wurde er auch „Kirch hof“,<br />

<strong>im</strong> Englischen churchyard genannt. Er<br />

umklammerte Lebende und Tote und<br />

empfahl in diesem Verbund angelegentlich<br />

die Pflege des Grabes und das Gebet<br />

für die Toten. Zaun, Hecke oder<br />

Mauer grenzten den Friedhof von seiner<br />

Umgebung ab. Zudem galt für ihn (fast)<br />

derselbe Friede wie für die Kirche. Bis in<br />

die Neuzeit erstreckte sich das Asylrecht<br />

auch auf Friedhöfe. Wer gelyncht zu<br />

werden drohte, sah sich zunächst einmal<br />

gerettet, wenn er einen Friedhof erreicht<br />

hatte.<br />

Die Auslagerung der Friedhöfe<br />

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts<br />

wurden die Friedhöfe inmitten der Städte<br />

zum Problem. Sie wurden zu klein<br />

oder unterlagen hygienischen Vorstellungen.<br />

Die kommunalen Verwaltungen<br />

kamen mehr und mehr überein, zur antiken<br />

Situation zurückzukehren, eine<br />

„erregende und komplizierte Geschichte,<br />

die eine ganz entscheidende Seite<br />

der zeitgenössischen Sensibilität zu erkennen<br />

gibt“ (Philippe Ariès).<br />

Nun liegt der Friedhof außerhalb der<br />

Stadt (jedenfalls in ihren damaligen<br />

Grenzen). Er wird als Park oder öffentli-<br />

cher Garten entworfen. Ein Beispiel<br />

dafür ist der Melaten-Friedhof in Köln.<br />

Im Jahr 1804 hatte ein Dekret Napo -<br />

leons zum Entsetzen der Kölner die Beerdigung<br />

in Städten, Dörfern und geschlossenen<br />

Gebäuden verboten. Damit<br />

war die Zeit der Bestattung auf dem<br />

Kirchhof vorbei – ein großer Schritt <strong>im</strong><br />

Säkularisierungsprozess. Melaten wurde<br />

nach dem Vorbild des Pariser Friedhofs<br />

Père Lachaise zugleich als Erholungs -<br />

stätte und öffentliche Grünanlage geplant.<br />

Mit seiner Einweihung 1810 wurden<br />

die Kirchhöfe innerhalb der Stadt<br />

geschlossen.<br />

Berühmter noch ist der Parkfriedhof<br />

in Hamburg-Ohlsdorf, eine Anlage, die<br />

historische Bauten und Gartendenk -<br />

mäler verbindet, mit 391 ha der größte<br />

Parkfriedhof der Welt, den zahlreiche<br />

Touristen jährlich besuchen, besonders<br />

zur Zeit der Rhododendronblüte.<br />

Die ursprüngliche Planung dieser<br />

Friedhöfe sah die Gräber verstreut <strong>im</strong><br />

Rasen vor. Das bringt eine ganz andere<br />

Bewertung des Todes zur Geltung, die<br />

weniger mit Religion und Glaube als mit<br />

dem privaten und öffentlichen Leben zu<br />

tun hat: Die Hinterbliebenen machen<br />

sich die vorher unbekannte Gewohnheit<br />

zu eigen, regelmäßig die Gräber ihrer<br />

Angehörigen zu besuchen. Deren Ein -<br />

bet tung in die Natur wird als tröstend<br />

empfunden.<br />

Dieses Leitbild hat sich seitdem nicht<br />

gewandelt, ist in seiner Ästhetik jedoch<br />

nicht intakt geblieben, denn in den meis -<br />

ten Fällen sind <strong>im</strong> Friedhofspark die<br />

Grünflächen geschwunden und bis zum<br />

letzten Fleck mit Gräbern besetzt worden.<br />

Der alte Friedhof in Attendorn<br />

kommt in seinem heutigen Zustand der<br />

ursprünglichen Idee wieder näher, wäh -<br />

rend der neue Waldfriedhof dort mit seinen<br />

Bäumen zwar „etwas Park“ s<strong>im</strong>uliert,<br />

aber ansonsten ein dicht an dicht<br />

besetztes Gräberfeld darstellt, dessen<br />

noch vorhandene Freifläche jedoch der<br />

gleichen Belegung zugedacht ist.<br />

Erhalten blieben die rund um die<br />

Pfarrkirche gelegenen Friedhöfe <strong>im</strong><br />

Sauerland nur in kleineren Dörfern. So<br />

in Wormbach, einer der „Urpfarreien“<br />

des Sauerlandes, in Helden oder in<br />

Kohlhagen …<br />

Neue Entwicklungen<br />

Die den Zeitgenossen oft unbewusst<br />

bleibenden Veränderungen ihrer eigenen<br />

Denkweisen und Glaubenshal tun g -<br />

en als auch der allgemeine Werte wandel<br />

in der Gesellschaft sowie die damit verbundenen<br />

Änderungen der Trau erkultur<br />

stellen sich auch auf den Friedhöfen<br />

dar. Der Anteil der Feuer bestattungen<br />

hat erheblich zugenommen; er liegt in<br />

Deutschland zwischen der Hälfte und<br />

zwei Dritteln aller Bestattungen. Auch<br />

werden pflegefreie Grabstätten und kür-


172 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

zere Pachtzeiten <strong>im</strong>mer häufiger nachgefragt.<br />

Diesem Wandel versuchen sich<br />

Friedhofs be treiber anzupassen, indem<br />

sie beispielsweise Urnenwände, Rasenreihen<br />

gräber oder Grabkammern anbieten.<br />

Letztere werden auch als „Turbograb“<br />

bezeichnet, weil die aus Beton errichtete<br />

Kam mer den Verwesungsprozess<br />

beschleunigen und damit die Belegzeit<br />

verringern soll. Bisher realisierte Lösungen<br />

werden derzeit sowohl unter<br />

ökonomischen als auch ethischen Kriterien<br />

heftig diskutiert.<br />

Eine weitere Tendenz führt zu den<br />

„Friedwäldern“. Die Individualisierung<br />

der Gesellschaft trägt dazu bei. Das He<strong>im</strong>atgefühl,<br />

einer Gemeinde, einem Dorf<br />

zuzugehören, einer Gemeinschaft der<br />

Lebenden und Toten, ist für viele Menschen<br />

nicht mehr gegeben. Auch wenn<br />

man lange an einem Ort wohnt, fühlen<br />

sich viele seinen Menschen und seiner<br />

Geschichte nicht unbedingt zugehörig.<br />

Auch wohnen junge Menschen nicht<br />

mehr dort, wo ihre Eltern beerdigt werden,<br />

und ältere Menschen denken darüber<br />

nach, wer ihr Grab pflegen<br />

wird. Das alles fördert den Wunsch<br />

nach Friedwäldern, die keine Grabpflege<br />

verlangen. In der Gemeinde Möhnesee<br />

war zu hören, man wolle seinen Ange<br />

hörigen einen Platz zum Trauern hinterlassen,<br />

aber keinen Kleinstgarten mit<br />

Pflegeverpflichtung. Hier wurde <strong>im</strong> Februar<br />

2007 über einen Friedwald abgest<strong>im</strong>mt,<br />

wobei die erforderliche St<strong>im</strong> -<br />

menzahl nur knapp verfehlt wurde. 27<br />

St<strong>im</strong>men fehlten für das erforderliche<br />

Quorum von 20 Prozent.<br />

Die christlichen Kirchen lehnen diese<br />

Form der Bestattung nicht rundweg ab.<br />

Wenn man sagt, es widerspreche dem<br />

Verständnis eines christlichen Friedhofs,<br />

Menschen ohne Namen beizusetzen, so<br />

muss der Friedwald nicht darunter fallen.<br />

Das Konzept Pro-Friedwald sieht<br />

vor, jeden Baum zu kennzeichnen, jede<br />

Grab stelle zu registrieren, um möglicher<br />

Anonymität auszuweichen. „Um jeden<br />

Baum gibt es ca. 10 Grabstellen. Es<br />

gibt Einzelgräber, Familienbäume und<br />

Freund schaftsbäume. Jeder kann an<br />

‚seinem‘ Baum eine Tafel mit Namen<br />

oder auch mit einem Inschriftspruch anbringen<br />

lassen.“ Insgesamt führt die Ent -<br />

wicklung zu Bestattungen zurück, wie<br />

sie in vorchristlicher Zeit möglich waren,<br />

jedoch erheblich individualistischer,<br />

denn das Gräberfeld der Völkerwande -<br />

rungszeit spiegelte die soziale Gliederung<br />

der Lebenden.<br />

Die Grabmale<br />

Die Friedhöfe des 19. Jahrhunderts<br />

sind wahre Museen liebevoller Fami -<br />

lienbeziehungen, wobei die Denkmale,<br />

Der grüne Rasen, der hier alle Kriegsgräber<br />

gleichmäßig deckt, wäre eine gute Lösung<br />

für manchen Friedhofsbereich.<br />

Stattdessen möglichst viel Grab unter<br />

poliertem Stein zu halten,<br />

um nur min<strong>im</strong>alen Pflegeaufwand zu haben,<br />

führt zum Ende einer Friedhofskultur.<br />

welche die Trauer um den Tod der Angehörigen<br />

schildern, augenscheinlich zu<br />

den Grabmälern der Reichen gehö ren.<br />

Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

spiegeln sich auch auf unseren<br />

Friedhöfen, zumal jenen des katholischen<br />

Sauerlandes, die Geschichten der<br />

tonangebenden Familien. Die Gruf ten<br />

haben ungewöhnlich große Aus maße,<br />

bis zu acht und mehr Grabbreiten. Die<br />

Denkmalwand verzeichnet bis zum heutigen<br />

Tag die Abfolge der Gene ration, oft<br />

auch Verzweigungen in die weitere Verwandtschaft.<br />

Während sich in stärker<br />

entkirchlichten Gegenden eine Skulpturen-Szene<br />

entfaltete, die mit trauernden<br />

Engeln oder sonstigen allegorischen Motiven<br />

einer pathetischen Trauer Ausdruck<br />

gibt, greifen die aufwändigen<br />

Grabmale sauerländischer Friedhöfe<br />

durchweg auf christliche Szenen zurück:<br />

Da untersteht das Familiengrab dem Bild<br />

der Schmerz haften Mutter mit dem toten<br />

Jesus auf ihrem Schoß, oder es wird ein<br />

Auferstehungssymbol gewählt.<br />

Auf den meisten Friedhöfen sind diese<br />

Familiengruften verschiedener Ge -<br />

nera tionenfolgen <strong>im</strong> Schwinden. Viele<br />

sind bereits aufgegeben oder auf die Gräber<br />

der letzten Generation reduziert worden.<br />

Damit verliert der Friedhof seine<br />

Geschichtlichkeit, zumal die alten Grabdenkmäler<br />

verschwinden. Wenn es nur<br />

noch die Gräber der letzten dreißig Jahre<br />

gibt, und die Erinnerung an voraus -<br />

gegangene Generationen sich ganz verliert,<br />

verbindet sich mit dem Friedhof ein<br />

permanentes Abräumen. Auf diesem<br />

Wege sind großartige Denkmale, welche<br />

die Stilrichtungen der letzten zweihundert<br />

Jahre vertraten, vernichtet worden.<br />

Nur in seltenen Fällen hat der Zufall oder<br />

der besondere Standort einige Grab -<br />

steine aus Sandstein aus dem 18. Jahrhundert<br />

bewahren helfen. Was sich heute<br />

als Grabmal darstellt, ist in der Mehrheit<br />

polierter Granit. Die allgemeine<br />

Tendenz zielt darauf hin, mit liegenden<br />

Platten möglichst viel Grabfläche abzudecken,<br />

um nur sehr geringen Pflegeaufwand<br />

zu haben.<br />

Um der Tendenz zu wehren, die Gräber<br />

nur noch als lästige Aufgabe zu sehen<br />

und Arbeit und Kosten zu sparen, könnte<br />

die Friedhofsordnung – wie etwa in<br />

Drolshagen – folgende Best<strong>im</strong>mung aufnehmen:


SAUERLAND NR. 4/2009 173<br />

• Auf den Grabstätten dürfen keine liegenden<br />

Grabplatten errichtet werden.<br />

• Um eine weitere Versiegelung von<br />

Flächen zu vermeiden und eine möglichst<br />

naturnahe Gestaltung des Fried hofs zu<br />

erhalten, ist eine Abdeckung auch von<br />

Teilen der Grabstätte mit Kies, Granulat<br />

oder ähnlichen Materialien nicht gestattet.<br />

Die mit den Grabmälern verbundene<br />

Symbolik verdient kaum diesen Namen.<br />

Wenn in billigem Bronzeguss ein Kreuz,<br />

die „betenden Hände“ oder die „Im -<br />

maculata“ auf den polierten Stein montiert<br />

werden, ist das eher Klischee zu nennen<br />

als Symbol, denn ein Symbol „gibt zu<br />

denken“, ein Klischee wiederholt nur das<br />

längst Verblasste und Abgegriffene.<br />

Neben den kommerziellen Produkten<br />

finden sich nur hin und wieder noch einzelne<br />

künstlerisch gestaltete Grabsteine,<br />

die unbedingten Wert haben, über die Ruhezeit<br />

hinaus erhalten zu werden. In Dänemark<br />

haben viele Friedhöfe dafür einen<br />

eigenen Ort reserviert, eher <strong>im</strong> Abseits.<br />

Es lässt sich aber auch denken, für<br />

solche Grabmale an hervorgehobenen<br />

Orten, sogar außerhalb des Fried hofs, einen<br />

sinnvollen Platz zu suchen.<br />

Der Friedhof von Marienthal<br />

An dieser Stelle ist allen, die sich für eine<br />

lebendige Friedhofskultur verantwortlich<br />

sehen, eine Fahrt nach Marien thal in<br />

der Gemeinde Hamminkeln, Landkreis<br />

Wesel zu empfehlen. Im Jahr 1924 wurde<br />

dorthin Augustinus Winkel mann<br />

(1881-1954) als Pfarrer versetzt. Bereits<br />

an seiner vorigen Stelle in Kleve suchte er<br />

Kontakt zu jungen Künstlern, wie auch<br />

mit Dichtern und anderen kreativen Menschen.<br />

Der kirchlichen Schein kunst von<br />

damals wollte er mit einer „von innen<br />

heraus geformten Kunst“ begegnen. Er<br />

fand nicht nur Künstler für die Ausgestaltung<br />

der Marienthaler Klo sterkirche, den<br />

Kreuzgang und die Mönchszellen, sondern<br />

auch für den Friedhof, der heute eine<br />

singuläre Er schei nung ist. Die Darstellung<br />

auf den Grabsteinen bevorzugt meistens<br />

die Namenspatrone der Verstorbenen,<br />

oder es wird ein Gleichnis dargestellt,<br />

das dem bäuerlichen und christlichen<br />

Leben vertraut ist. Ein großes Schieferrelief<br />

des <strong>Sauerländer</strong> Künstlers Eugen<br />

Senge-Platten zeigt die Szene Offb 11:<br />

Christus erscheint auf weißem Ross zum<br />

Gericht. Wir finden eine Pietà von Kurt<br />

Schwip pert aus dunkel glasierter Keramik,<br />

daneben an der Nordwand der Kirche<br />

ein Mosaik aus he<strong>im</strong>ischem Rheinkiesel<br />

von Franz Dinnendahl, Christus als<br />

Welten könig. Karl van Ackern ist vertreten<br />

mit einem in Kupfer getriebenem<br />

Lamm der Apokalypse, Eberhard Kahl<br />

zeigt den auferstehenden Christus. Die<br />

Figur des Sämanns verweist auf Sterben<br />

und Auferstehen; auch die „Jünglinge <strong>im</strong><br />

Feuerofen“ erzählen von österlicher<br />

Hoffnung. Die Emmaus szene gestaltet<br />

die Mahlgemeinschaft als Bild des Reiches<br />

Gottes. Die Heilung des Blinden verbindet<br />

sich mit der Bitte „Lass mich sehend<br />

werden“. Auch der Fisch, der Jonas<br />

aus dem Meeresgrab wieder ausspeit, ist<br />

ein Hoffnungs zeugnis. Die Erweckung<br />

des Jünglings von Na<strong>im</strong>, die Kundschafter,<br />

die mit einer großen Traube aus dem<br />

Gelobten Land zurückkehren – <strong>im</strong>merfort<br />

neue symbolische Geschichten, die<br />

zu denken geben, fern jeder leeren Konventionalität.<br />

Gegenüber diesem Friedhof, stecken<br />

die meisten heutigen Friedhöfe in einem<br />

Zustand klischeehafter religiöser Verarmung.<br />

Einerseits sind sie Ausdruck für<br />

das tragische Miss verhältnis zwischen<br />

moderner Kunst und Kirche, andererseits<br />

belegen sie, dass auch hier „der Glaube<br />

verdunstet“. Es wird nicht genügen, gärtnerische<br />

Pflege zu leisten und eine Friedhofsordnung<br />

zu haben, die der Unordnung<br />

wehrt, sowenig es genügt, Osterpredigten<br />

zu halten, wenn dies alles nicht<br />

zu einer neuen Sprache des Glaubens<br />

führt, die auf den Friedhöfen das Leben<br />

deutet.<br />

Die Inschriften<br />

Alles dies gilt auch für die Inschriften<br />

auf Grabmälern. So wie die Totenzettel<br />

<strong>im</strong> letzten Jahrhundert <strong>im</strong>mer dürftiger<br />

wurden und heute <strong>im</strong> Normalfall mit dem<br />

Namen nur noch Geburts- und Todestag<br />

verbinden, aber jede persönliche Gestal -<br />

tung vermissen lassen – sowohl in der<br />

Auswahl der vorgelegten Motive als auch<br />

<strong>im</strong> vielleicht noch abgedruckten Gebet – ,<br />

finden sich die Grabinschriften auf Name<br />

und Lebensdaten reduziert. Kaum noch<br />

ein Wort des Glaubens darüber hinaus.<br />

Auf dem Friedhof von Keitum auf Sylt bestehen<br />

noch die Grabmale der Familie


174 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

Teunis aus dem frühen 19. Jahr hundert,<br />

die dem jeweiligen Verstorbe nen ein<br />

biographisches Gedenken bewahren.<br />

Etwa dieses:<br />

Hier Ruhet<br />

Seelig<br />

Hans Hanssen Teunis<br />

gebohren auf Röm d. 9. Octbr. 1746,<br />

gestorben in Altona d. 9. July 1803.<br />

Sein Alter 56 Jahr 9 Monath.<br />

In seiner frühen Jugend wurde<br />

er zur Grönländischen Seefahrt<br />

angeführt, wor auf er 47 Reisen<br />

davon 37 als Commandeur<br />

und die mehrsten mit glücklichem<br />

Erfolg gethan, Strebsam<br />

war er als Versorger für<br />

die Seinen. Dabei lag ihm<br />

die Erziehung seiner längst<br />

Mutter-Lose-Kinder<br />

Sehr am hertzen.<br />

Für beides danken selbige ihm<br />

noch <strong>im</strong> grabe.<br />

Wo wirklich alte Friedhöfe noch bestehen,<br />

etwa an einigen Orten in Bayern,<br />

lassen sich ähnliche individuelle<br />

Schicksale bedenken. Das ist inzwischen<br />

wohl endgültig vorbei und mit den heutigen<br />

Grabsteinen auch nicht mehr zu<br />

verbinden. Aber muss deswegen jedes<br />

Wort verstummen? Der Totenzettel<br />

könnte nach wie vor dem Verstorbenen<br />

ein individuelles Gedenken widmen. Die<br />

dafür angebotenen Bilder aber sind bei<br />

den Bestattern und Druckereien solange<br />

künstlerisch anspruchslos und inhaltlich<br />

platt, als die Menschen dafür keine Ansprüche<br />

stellen, seitens der Kirchen keine<br />

Hilfestellung erfolgt und nicht einmal<br />

von einzelnen Persönlichkeiten neue<br />

Maßstäbe gesetzt werden. Die Theolo -<br />

genschaft und das kirchliche Schrifttum<br />

fallen auf diesem Praxisfeld leider gänzlich<br />

aus.<br />

Auf Grabsteinen in Marienthal<br />

kann man lesen: „Unsere Zeit in Unruhe,<br />

unsere Ruhe in Gott“ –<br />

während der Nazi-Jahre. „Die Liebe<br />

hört n<strong>im</strong>mer auf“ – nach 1 Kor 13,8.<br />

Auf dem Grabstein von Pfarrer Winkelmann<br />

steht: „Mein Leben war ein<br />

beständiger Triumph der Gnade über<br />

meinen Undank. So scheide ich <strong>im</strong><br />

Vertrauen auf ihren ewigen Triumph.“<br />

Der Friedhof als Garten oder Wald<br />

Der Paradigmenwechsel, der vom<br />

Friedhof <strong>im</strong> Umfeld der Kirche zurück<br />

Dem Kitsch ist wohl kein Rat und keine<br />

Satzung gewachsen.<br />

Aber wer fühlt sich für die Kultur der<br />

Friedhöfe noch verantwortlich?<br />

vor die Stadt führte, brachte den Fried -<br />

hof <strong>im</strong> Grünen. Damit verbanden sich<br />

Baum alleen, ausgedehnte Rasen flächen<br />

mit blühenden Sträuchern. Die inzwischen<br />

majestätischen Baumriesen auf<br />

den Parkfriedhöfen Melaten in Köln und<br />

Hamburg Ohlsdorf ziehen das Jahr hindurch<br />

viele Besucher an, die dort spazieren<br />

gehen, die Natur genießen und die<br />

Erinnerung an bekannte wie unbekannte<br />

Namen schätzen. Das Grün der Bäume<br />

und ihr Laub auf den Gräbern stört<br />

sie nicht, es gehört dazu.<br />

Anders auf vielen Dorffriedhöfen. Da<br />

gibt es einen, dessen Baumallee ließ der<br />

Kirchenvorstand fällen, nachdem sich<br />

<strong>im</strong>mer wieder Menschen über das<br />

störende Laub auf den Gräbern beschwerten;<br />

einen anderen, dessen Lin -<br />

den alle paar Jahre grausam zurück geschnitten<br />

werden, weil auch hier „das<br />

viele Laub“ nicht toleriert wird. Natürlich<br />

sehen diese Friedhöfe, deren Namen<br />

verschwiegen seien, ziemlich trostlos<br />

aus, denn große alte Bäume geben<br />

jedem Friedhof Würde.<br />

Die Churchyards in England mögen<br />

heute nicht mehr belegt werden, aber<br />

die alten Gräber auf kurz gehaltenem<br />

Rasen sind vielen teuren Gräbern vorzuziehen,<br />

wenn Steinfassungen, polierte<br />

Platten und geharkter Kies nur noch<br />

kleinbürgerliche Enge verraten. Einige<br />

unserer Fotos zeigen einen lichten Waldfriedhof<br />

mit Gräbern zwischen grünem<br />

Gras. Wenn auch nicht überall ein Waldfried<br />

hof sein kann, so kann doch jeder<br />

noch so bescheidene Friedhof ein gärtnerisches<br />

Konzept entwickeln, etwa mit<br />

welchen Bäumen der Eingangsbereich<br />

flankiert wird, welche Wege eine Baum -<br />

allee begleiten, mit welchen Hecken das<br />

Gräberfeld gegliedert und in Zonen eingeteilt<br />

werden kann.<br />

„Unsere Friedhöfe mit ihren Zeichen<br />

der Anhänglichkeit und Treue<br />

sind eigentlich Versuche der Liebe,<br />

den anderen irgendwie festzuhalten,<br />

ihm noch ein Stück Leben zu geben.<br />

Und ein wenig lebt er ja auch wirklich<br />

noch in uns fort - nicht er selbst, aber<br />

etwas von ihm. Gott kann mehr festhalten<br />

– nicht nur Gedan ken, Erinnerungen,<br />

Nachwirkungen, sondern einen<br />

jeden als ihn selbst.“ (Joseph Ratzinger)


SAUERLAND NR. 4/2009 175<br />

Ein steinernes Archiv mit weltweitem Zugang<br />

Die Online-Edtion der jüdischen Friedhöfe in Rüthen<br />

Als erste Kommune in NRW und damit<br />

auch <strong>im</strong> Bereich des kurkölnischen<br />

Sauerlandes hat die Stadt Rüthen in Zusammenarbeit<br />

mit dem Salomon Lud -<br />

wig Steinhe<strong>im</strong>-Institut für deutsch-jüdische<br />

Geschichte in Duisburg die wissenschaftliche<br />

Verzeichnung und Erschlie -<br />

ßung der Grabmale auf den örtlichen jüdischen<br />

Friedhöfen (Rüthen: 80 Grab -<br />

steine, Rüthen-Oestereiden: 4 Grabstei -<br />

ne) mit dem Ziel einer (zunächst) digitalen<br />

Edition der Forschungsergebnisse<br />

durchgeführt. Diese wurden unmittelbar<br />

nach dem Abschluss der Unter suchun -<br />

gen herausgegeben, indem sie über die<br />

Homepage der Stadt Rüthen (www.rue -<br />

then.de) unter dem Kapitel „Bildung &<br />

Kultur“ u. dem Abschnitt „Friedhöfe“<br />

oder direkt erreichbar auf dem Haupt -<br />

por tal der Homepage unter dem dort<br />

einzugebenden Suchwort „Jüdische<br />

Friedhöfe“ ab Anfang November 2009<br />

veröffentlicht und allgemein zugänglich<br />

gemacht wurden, d. h. weltweit online<br />

gestellt und somit für jeden Internetbe -<br />

nutzer verfügbar gemacht worden sind.<br />

Für dieses seit Jahren geplante, nunmehr<br />

mit Hilfe innovativer Technologie<br />

realisierte Projekt leistete auch der<br />

Rüthener He<strong>im</strong>atverein e.V. u. a. durch<br />

die Herstellung detailgenauer Fotos der<br />

Grabsteine wertvolle Vorarbeit.<br />

Der jüdische Friedhof in Rüthen ist als<br />

solcher der älteste, in seinem Ursprungs<br />

zustand original erhalten gebliebene<br />

Begräbnisplatz in Westfalen. Am<br />

8. Ok tober 1625 wurde den ortsansässigen<br />

Juden durch den Rat der Stadt<br />

Rüthen der Befestigungsgraben am<br />

Rand der erhalten gebliebenen nördlichen<br />

Stadt mau er, östlich des bis heute<br />

an dieser Stelle ebenfalls noch vorhandenen<br />

Hachtores als dauerhafter Bestattungs<br />

bereich für ihre Verstorbenen<br />

überlassen, nachdem dort schon in<br />

früheren Zeiten (vermutlich seit dem<br />

Spätmittel alter) vereinzelte jüdische<br />

Grabstätten angelegt worden waren. Im<br />

Originaltext des zeitgenössischen Rats -<br />

protokolls heißt es nämlich dazu:<br />

„Der juden begrebnißede betreffent:<br />

Am 8. Octobris anno 1625 haben<br />

Philips, Kumpe undt Gottschalck,<br />

die juden, vor sich undt ihr haußgesinne<br />

mit dem burgermeister Hunolt von<br />

Loen darhin accordiert [=sich geeinigt],<br />

also dass sie ihre abgestorbene in<br />

kunfftigh ohne einige verhinderungh<br />

in den graben, allernegst der alten begrebnieß,<br />

begräben undt hinlegen<br />

konnen undt muegen, undt soll innen<br />

darzu der ganck durch den graben gestattet<br />

werden.“ (StA Rüthen, Stadt<br />

Rüthen Akten A/X, I a 4, S. 173).<br />

Dieser kurze Quellenhinweis auf die<br />

damals bereits hier vorhandenen jüdischen<br />

Grabstätten stützt <strong>im</strong> übrigen die<br />

berechtigte Annahme, dass es schon<br />

sehr viel früher jüdisches Leben in der<br />

Stadt Rüthen gegeben hat, wozu auch<br />

schriftliche Erwähnungen aus dem Jahr<br />

1447 wie auch bereits 1279 als weitere<br />

Der jüdische Friedhof <strong>im</strong> Befestigungsgraben an der Stadtmauer. Die original erhaltene<br />

Rüthener Begräbnisstätte des Spätmittelalters ist die älteste u. eine Rarität in Westfalen.<br />

von Friedhelm Sommer<br />

Indizien dienen können. Eine kontinuierliche<br />

jüdische Ansiedlung ist seit<br />

1587 in Rüthen nachweisbar. 1942<br />

wurde diese alte jüdische Gemeinde<br />

durch die Nazis vernichtet.<br />

Seit der offiziellen und nachhaltigen<br />

Zuweisung eines Begräbnisplatzes durch<br />

die Stadtobrigkeit <strong>im</strong> Rüthener Pestjahr<br />

1625, in dem die gefürchtete Seuche<br />

zweifellos auch unter den ansässigen Juden<br />

die übliche Todesrate erheblich steigerte,<br />

wurden dann nachfolgend über<br />

mehr als 3 Jahrhunderte viele Genera -<br />

tionen jüdischer Bewohner und Bürger<br />

der Stadt Rüthen, aber vereinzelt auch<br />

auswärtige Juden dort beerdigt. Die letzte<br />

Bestattung auf dem <strong>im</strong>mer <strong>im</strong> Besitz<br />

der örtlichen jüdischen Gemeinde gestandenen,<br />

nunmehr <strong>im</strong> Eigentum ihres<br />

Rechtsnachfolgers, des Landesverban -<br />

des der jüd. Gemeinden in Westfalen u.<br />

Lippe befindlichen Begräbnisplatz wurde<br />

<strong>im</strong> Jahr 1958 vorgenommen, so dass<br />

von insgesamt mehr als 200 Gräbern<br />

auf dem insgesamt 1 821 qm großen<br />

Areal ausgegangen werden kann. Seitdem<br />

gilt dieser Friedhof nach jüdischem<br />

Kultus als geschlossen bzw. verwaist.<br />

Ein parallel zum Friedhof angelegter<br />

Fußweg bietet an vielen Stellen interessante<br />

Ein blicke auf die <strong>im</strong> ehem. Befestigungs<br />

graben angelegten Grabstellen.<br />

Die besondere, bis heute hier original<br />

erhalten und sichtbar gebliebene und<br />

daher nicht nur für NRW äußerst selten<br />

gewordene topografische Lage und au -<br />

thentische Situation eines aus dem urbanen<br />

Spätmittelalter überkommenen jüdischen<br />

Begräbnisplatzes mit seinen typischen<br />

Erscheinungsformen und Anlage<br />

strukturen sowie dem reichen konfessions-,<br />

kultur-, sozialgeschichtlichen Ge -<br />

halt seiner sepulkralhistorischen Ent -<br />

wick lungsabschnitte und Gestaltungsviel<br />

falt machen den jüdischen Friedhof<br />

in Rüthen schon seit vielen Jahren zu einem<br />

Kulturdenkmal von überregionaler<br />

Bedeutung, dessen vielfältige und aussagekräftige<br />

wissenschaftliche Verzeich -<br />

nungs- und Erschließungsergebnisse<br />

nunmehr in Form globaler Präsen -<br />

tations- und Nutzungsmöglichkeiten der<br />

interessierten Öffentlichkeit in aller Welt<br />

zur Verfügung gestellt worden sind. Dies<br />

war zudem ein dringendes denkmalpflegerisches<br />

Erfordernis, da der „Zahn der<br />

Zeit“, insbesondere schädliche Umwelt -


176 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

einflüsse den Schriftbildern, der Sym -<br />

bolik und Ornamentik der Grabsteine<br />

verstärkt zusetzten und somit ihre archivische<br />

Bedeutung zu zerstören drohten.<br />

Hier wurde sich die Stadt Rüthen rechtzeitig<br />

ihrer kulturgeschichtlichen Ver -<br />

antwortung bewusst.<br />

Der „Zahn der Zeit“ nagt auch hier an den<br />

alten hebräischen Grabinschriften und<br />

macht ihre fachwissenschaftliche<br />

Übersetzung u. Deutung zu einem<br />

kulturellen Desiderat<br />

Die für das be<strong>im</strong> Rüthener Friedhof<br />

<strong>im</strong> Rahmen der Forschungsarbeiten angewandte<br />

innovative Editionsverfahren<br />

verantwortliche Mitarbeiterin des Duis -<br />

burger Steinhe<strong>im</strong>-Instituts, Nathanja<br />

Hüttenmeister M.A., sieht den jüdischen<br />

Begräbnisplatz vor allem als „komplex en<br />

wie lebendigen Ausdruck jüdischen<br />

historischen Selbstbewusstseins und<br />

dessen Kontinuität über Jahrhunderte.<br />

An dem ‚semiotischen Ensemble‘,<br />

an der Zeichenwelt eines Friedhofs,<br />

lässt sich weit mehr ablesen über<br />

die innere und äußere Verfasst heit<br />

einer Gemeinde, und sei sie noch so<br />

klein wie es viele der ländlichen Gemeinden<br />

in unserem Raum waren, als<br />

nur Daten u. Namen. So individuell<br />

und wichtig diese Namen u. Lebens -<br />

daten sind, so sind sie doch nur ein<br />

Element des über Jahrhunderte gewachsenen<br />

steinernen Archivs, der<br />

‚corporate identity‘ einer Gemeinde,<br />

deren Mitglieder die Kontinuität und<br />

die Brüche der eigenen Geschichte<br />

aufbewahren“.<br />

In der digitalen Edition ihrer wissenschaftlichen<br />

Analyse des Rüthener<br />

Fried hofes hat Nathanja Hüttenmeister<br />

insbesondere die seit 1654 vorhandenen<br />

hebräischen Inschriften übersetzt<br />

und kommentiert sowie auf frühere wie<br />

auch spätere Familienmitglieder, die auf<br />

demselben Friedhof begraben liegen,<br />

verwiesen. Gerade die biographischen<br />

und genealogischen Angaben können<br />

bei diesem Dokumentationsmedium in<br />

Zukunft unproblematisch und kontinuierlich<br />

durch zusätzliche bzw. neue Erkennt<br />

nisse, Hinweise und Informationen<br />

aus der (weltweiten) Forschung <strong>im</strong>mer<br />

wieder ergänzt und erweitert, aber<br />

auch korrigiert werden.<br />

In der Ausgangsedition des Instituts<br />

ist natürlich eine kurze Beschreibung jedes<br />

einzelnen Grabsteines, seines spezifischen<br />

Gestaltungsstils, der Bedeutung<br />

seiner Symbolik u. Ornamentik sowie<br />

seines zeitigen Zustandes – verdeutlicht<br />

durch Abbildungen – enthalten. Kom -<br />

plettiert werden diese Einzelanalysen<br />

durch orientierende Angaben zu Lage<br />

und Geschichte des Friedhofes sowie<br />

durch erläuternde Verweise auf weitere<br />

jüdische Begräbnisstätten bzw. ehemalige<br />

jüdische Gemeinden u. Wohnplätze<br />

<strong>im</strong> Raum Rüthen u. der näheren Umgebung.<br />

So wurde auch der kleine jüdische<br />

Restfriedhof in Rüthen-Oester eiden in<br />

das Verfahren einbezogen. Vom einstmals<br />

745 qm großen Totenhof, auf dem<br />

seit dem frühen 18. Jh. neben den Juden<br />

aus dem Ort selbst auch die jüdischen<br />

Verstorbenen aus den Dörfern<br />

Langenstraße, Heddinghausen u. Effeln<br />

des ehemaligen Gogerichts Rüthen<br />

bzw. des späteren Amtes Altenrüthen<br />

bestattet wurden, ist lediglich eine umzäunte<br />

Fläche von ca. 50 qm übrig geblieben,<br />

auf der 4 Grabsteine an die<br />

einstmals wesentlich zahlreichere Belegung<br />

erinnern. Die letzte Bestattung<br />

wurde hier <strong>im</strong> Jahr 1910 vorgenommen.<br />

Der in seiner Gesamtheit erhaltene<br />

jüdische Friedhof in Rüthen stand dagegen<br />

nahezu aus schließ lich den in der<br />

Stadt Rüthen und den <strong>im</strong> zugehörigen<br />

Stadtdorf Alten rüthen verstorbenen<br />

Juden zur Ver fügung.<br />

Zu Ergebnis u. Zielsetzung ihrer wissenschaftlichen<br />

Forschungs- u. digitalen<br />

Editionsarbeit schreibt Nathanja Hütten -<br />

meister: „Dank dieser Erfassung (…)<br />

ließ sich eine umfassende, weltweit zugängliche<br />

Zweitüberlieferung schaffen.<br />

Sie ist wichtig, einmal als Quelle<br />

für die jeweilige Lokalgeschichte und<br />

für die Disziplinen der Geistes- und<br />

Kul tur wissenschaften, zum anderen<br />

zur Bewahrung des Gedächtnisses jener<br />

meist nicht mehr existenten Gemein<br />

den. Es gilt, den kommenden Gene<br />

rationen diese Orte nach Möglichkeit<br />

sowohl physisch zu erhalten wie<br />

auch in Text und Bild zugänglich zu<br />

Für die nachhaltige Erschließung und weltweite Nutzung dieses „steinernen<br />

Archivs“ bietet sich die neue digitale Editionsform als ideales Medium an (Ausschnitt).


SAUERLAND NR. 4/2009 177<br />

machen und sie auszudeuten, bevor<br />

der Verfall ihre Zeichenwelt <strong>im</strong>mer<br />

weiter verringert, wenn nicht auslöscht.“<br />

Mittels der digitalen Edition ihrer wissenschaftlichen<br />

Analyse der jüdischen<br />

Begräbnisplätze in Rüthen will Nathanja<br />

Hüttenmeister, die ihre Ergebnisse <strong>im</strong><br />

Rahmen einer gemeinsamen VHS- u.<br />

Kulturringveranstaltung mit nachfolgender<br />

Exkursion am 4. und 5. November<br />

2009 einer großen Interessentenschar<br />

vorstellte, <strong>im</strong> Auftrag der Stadt Rüthen<br />

also der einhe<strong>im</strong>ischen Bevölkerung wie<br />

auch den weltweit interessierten Besuchern<br />

auf fachkundige und gut verständliche<br />

Weise den virtuellen Zugang zu einem<br />

überregional bedeutenden jüdischen<br />

Begräbnisplatz Westfalens zum<br />

Maschinen- und He<strong>im</strong>atmuseum<br />

Eslohe<br />

Homertstr. 27 · 59889 Eslohe<br />

Telefon: 0 29 73/24 55 und<br />

0 29 73/800 220<br />

info@museum-eslohe.de<br />

www.museum-eslohe.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Mittwoch, Freitag, Samstag: 15–17 Uhr<br />

Sonntag: 10–12 Uhr, vom 1. April bis<br />

31. Oktober von 10–16 Uhr<br />

Gruppen ab 10 Personen nach Vereinbarung.<br />

Bahnfahrten jeden 1. und 3.<br />

Samstag <strong>im</strong> Monat von 15–17 Uhr.<br />

Gruppenfahrten nach Anmeldung<br />

möglich.<br />

Zwecke des Gedenkens (u. a. durch die<br />

Angehörigen), des Forschens (u. a. durch<br />

die jüdische Genealogie) und des Lernens<br />

(u. a. durch die Schulen) überall und<br />

jederzeit ermöglichen und nachhaltig erleichtern.<br />

Eine konventionelle Edition in<br />

Buchform, ergänzt durch darstellende<br />

Forschungselemente zur Ge schichte der<br />

Juden in Rüthen soll folgen. Es wäre<br />

wünschenswert, wenn weitere Städte<br />

und Kommunen Westfalens, insbesondere<br />

des kurkölnischen Sauer landes,<br />

dem Beispiel der Stadt Rüthen hinsichtlich<br />

eigener digitaler Editionen ihrer jüdischen<br />

Friedhöfe folgen könnten, um<br />

so für eine auch auf diesem Sektor geschichtsträchtig<br />

verbundene Region ein<br />

effizientes archivisches Netzwerk des gemeinsamen<br />

Gedenkens, Forschens und<br />

Lernens für alle daran Interessierten vor<br />

Ort und weltweit entstehen zu lassen.<br />

Neue Mitglieder<br />

bzw. Abonnenten<br />

Auf über 2.000 qm erwarten Sie:<br />

• Historische Dampf-, Benzin-, Diesel- und Elektromaschinen<br />

• He<strong>im</strong>at- und Volkskunde der Region Eslohe<br />

• Traditionelle Handwerke und Landwirtschaft<br />

• Schmiede<br />

• Wechselausstellungen<br />

• Idyllische Freianlagen mit historischen Gebäuden,<br />

Wasserkraftanlagen und Energiespielplatz<br />

Karl Jochen Schulte, Sundern<br />

Ewald Hölscher, Schmallenberg<br />

He<strong>im</strong>at- und Förderverein<br />

Wenhotlhausen e. V., Eslohe<br />

Dr. Ferdinand Rudolphi, Olsberg<br />

Plattduitsken Frauluie, Stockum-<br />

Dörnholthausen<br />

Oliver Kaufhold, Medebach<br />

Bertram Brökelmann, Arnsberg<br />

Paul Schulte-Ebbert, Sundern<br />

Redaktionsschluss<br />

für die<br />

nächste Ausgabe<br />

ist der<br />

15. Februar 2010<br />

Maschinen- und He<strong>im</strong>atmuseum<br />

E s l o h e<br />

Besondere Angebote des Museums:<br />

• Fahrten mit der Werkbahn • Maschinenvorführung unter Dampf<br />

• zwe<strong>im</strong>al jährlich Dampftage • Museumsküche und Werkstattangebote


178 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

Diese Aufnahme gelang Georg Hennecke unter schwierigsten Bedingungen bei einem heftigen Schneesturm <strong>im</strong> Sauerland<br />

Winterdage<br />

Et gnirret un gnacket,<br />

de ganze Welt scheynt in Watte verpacket.<br />

De Bäume in silvernem Filigran<br />

staken döüsend glitzerege Steernkes aan.<br />

Am Vuegelkästken <strong>im</strong>me Goaren<br />

iset Eys tau Fransen froaren.<br />

Jeder Busk un Dännentopp<br />

satt ne Pöüdelmüske op.<br />

Im Röühreyp blenker't ganze l.and.<br />

funkelnd, blitzend as Demant.<br />

Me kann sieck gar nit saat dran soihn.<br />

Winterdage. wunderschoin!<br />

Hedwig Jungbluth-Bergental • Aus „Reype Ähren“, Grobbel KG, Fredeburg


SAUERLAND NR. 4/2009 179<br />

Schwerspatmuseum Dreislar<br />

Es hämmert und es klopft, laute<br />

Maschinengeräusche sind zu<br />

hören, die Kumpel rufen sich zu<br />

Wir sind <strong>im</strong> Schwerspatmuseum<br />

Dreislar. Mit einem herzlichen „Glück<br />

Auf“ begrüßt uns Gerhard Brocke, Vorsitzender<br />

des Fördervereins Dreislar<br />

e.V. Dieser Verein ist Eigentümer und<br />

Betreiber dieses außergewöhnlichen<br />

Museums.<br />

„Alles begann, wie so oft mit einer<br />

Idee, wie man das leer stehende Gebäude<br />

der ehemaligen Schule Dreislar einer<br />

neuen, für das Dorf verträglichen Nutzung<br />

zuführen könnte“, erklärt Brocke.<br />

Zentral gelegen, in unmittelbarer Nähe<br />

der kath. Kirche, stand dieses Gebäude,<br />

nach der Verlagerung des Schulbetriebes,<br />

gezeichnet von den Narben der<br />

Vornutzer als Caritas-Er holungshe<strong>im</strong><br />

und als Übergangshe<strong>im</strong> für Asylbewerber,<br />

und wartete förmlich darauf, zu neuem<br />

Leben erweckt zu werden.<br />

Ab Spätsommer 2001 wurde in regelmäßigen<br />

Gesprächen mit den ortsansässigen<br />

Vereinen ein Konzept entwickelt,<br />

das Gebäude in Eigenbesitz eines<br />

Vereins mit mehreren Partnern gemeinschaftlich<br />

zu nutzen.<br />

Eine Idee war geboren, die jetzt<br />

mit Leben erfüllt werden wollte<br />

Auf Initiative des Ortshe<strong>im</strong>atpflegers,<br />

(ebenfalls Brocke) der bisher als Koor -<br />

dinator der Aktivitäten fungierte, wurde<br />

ein Konzept erarbeitet, mit Kommune,<br />

Behörden und Institutionen klärende<br />

Gespräche geführt, die Möglichkeit einer<br />

Förderung ausgelotet und dann, <strong>im</strong><br />

Mai 2003, der Förderverein Dreislar<br />

e.V. gegründet.<br />

Der Grundstein für das Projekt<br />

„Schwerspatmuseum Dreislar“ durch<br />

die Umnutzung der ehemaligen Schule<br />

in Mehrfachnutzung mit dem Musikverein<br />

und der Freiwilligen Feuerwehr war<br />

gelegt. Durch das europäische Förder -<br />

programm LEADER+ eröffneten sich finanzielle<br />

Möglichkeiten, und so konnte<br />

am 1. April 2005 mit den Arbeiten begonnen<br />

werden.<br />

Es erfüllt die Dreislarer auch heute<br />

noch mit Stolz, dass an diesem Projekt<br />

kein Fremdunternehmen <strong>im</strong> Einsatz<br />

war. Alle Arbeiten wurden in Eigenregie<br />

und natürlich ehrenamtlich durchge-<br />

Außenansicht des neuen Schwerspatmuseums.<br />

Links <strong>im</strong> Bild der Gebäudeteil der ehemaligen Schule<br />

führt. In mehr als dreijähriger Bautätigkeit<br />

engagierten sich rund 150 Mitbürger<br />

des 400-Seelen-Dorfes Dreislar, getrieben<br />

von dem Ehrgeiz, hier etwas Besonderes<br />

zu schaffen. „Hier wird Dorfgeschichte<br />

geschrieben, und wir sind dabei“,<br />

war ein geflügeltes Wort an der<br />

Baustelle. Ge schickt wurden die Vorteile<br />

einer kleinen, aber intakten Dorfgemeinschaft<br />

in Szene gesetzt. Vom Maurer,<br />

Klempner, Elektriker, Fliesenleger<br />

bis zum Z<strong>im</strong>mer mann und Dachdecker<br />

sind in Dreislar noch alle Handwerke<br />

vertreten, und alle waren unermüdlich<br />

Auf einer Zeitreise<br />

von Gerhard Brocke<br />

<strong>im</strong> Einsatz. So entstand in mehr als<br />

20 000 Arbeitsstunden ein Vorzeige -<br />

objekt, das seinesgleichen sucht. Nicht<br />

nur das Dorf, sondern die gesamte Region<br />

profitiert vom Image des Schwerspatmuseums.<br />

Wir stehen <strong>im</strong> Eingangsbereich, links<br />

der Kassenbereich und der Museums -<br />

shop mit reichhaltigem Angebot an Fossilien,<br />

Mineralien und modischem<br />

Schmuck und man ist versucht, jetzt<br />

schon das eine oder andere Souvenir zu<br />

erstehen.


180 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

Doch unser Museumsführer n<strong>im</strong>mt<br />

uns mit auf eine Zeitreise, eine Reise<br />

durch 4,6 Milliarden Jahre Erdge -<br />

schichte. Dreislar und sein Schwerspat<br />

sind Teil einer Entwicklung der gesamten<br />

Erde. Wie konnten aus heißen Gasund<br />

Staubwolken das Sonnensystem<br />

und unsere Ur-Erde entstehen? Staunend<br />

betrachten wir Meteoriten und den<br />

sagenumwobenen Sternenstaub, Reste<br />

von Sternschnuppen die jedes Jahr<br />

noch in großer Zahl auf unsere Erde<br />

kommen. Leicht und allgemeinverständlich<br />

erfahren wir, wie aus Elementen die<br />

Minerale, und aus diesen dann durch<br />

Gesteins schmelze die Steine entstehen.<br />

Die Evolution der Erde, ein Zeitraffer<br />

über 600 Mio. Jahre zeigt uns, wie unbedeutend<br />

der Mensch vor dem Hintergrund<br />

der gesamten erdgeschichtlichen<br />

Ent wick lung ist.<br />

Leicht verständlich und autodidaktisch<br />

hervorragend bearbeitet ist der Einstieg<br />

in die Erdgeschichte und voller<br />

Spannung zieht man eine Schublade<br />

nach der anderen, um <strong>im</strong>mer wieder etwas<br />

Neues zu entdecken. Das Sauerland<br />

auch Dinosaurierland? Die Korbacher<br />

Spalte durch Fossile Funde weltbe -<br />

rühmt?<br />

Auf großen Schautafeln sehen wir,<br />

wie sich unsere Mutter Erde durch die<br />

Zeiten verändert hat, und sich weiter<br />

verändern wird. Die alpidische Gebirgs -<br />

bildung vor 50 Mio. Jahren mit all ihren<br />

Auswirkungen auf das Sauerland ist in<br />

direktem Zusammenhang mit der Ent -<br />

stehung der Dreislarer Schwerspat -<br />

lagerstätte dargestellt.<br />

Tiefe Bruchzonen, zum Teil bis in die<br />

magmaführenden Schichten, der Auf -<br />

stieg heißer Lösungen, die in Dreislar<br />

erst Kieselsäure, später dann Barium,<br />

Schwefel und Sauerstoff, die Elemente<br />

des Schwerspats, transportierten und<br />

auskristallisierten.<br />

Den ersten Zwischenstopp unserer<br />

Reise durch die Zeit legen wir bei der<br />

Kopie einer Urkunde ein. Der kurkölnische<br />

Richter Pape aus Meschede war <strong>im</strong><br />

Jahr 1777 der Erste, der sich in Dreislar<br />

die Schürfrechte sicherte.<br />

Auf einem Bildschirm sehen wir Bilder<br />

aus der Bauphase des Schwer -<br />

spatmuseums. Später werden hier alle<br />

touristisch erschlossenen Bergbauakti -<br />

Die alte Schmiede. Hier können sich Paare trauen lassen<br />

vitäten diesseits und<br />

jenseits der Landes -<br />

grenze dem Besucher<br />

vorgestellt.<br />

Das Schwerspat -<br />

mu seum Dreislar ist<br />

schon seit geraumer<br />

Zeit Mitglied des Geoparks<br />

Grenzwelten.<br />

Inzwi schen ist auch<br />

der gesamte Altkreis<br />

Brilon ebenfalls dem<br />

Geo park beigetreten.<br />

Nach der Zertifizierung<br />

durch die Alfred-Wegener-StiftungPotsdam<br />

vor wenigen Tagen kann der Besucher<br />

sicher sein dass da, wo Nationaler<br />

Geo park drauf steht, auch Qualität drin<br />

ist.<br />

Nur wenige Schritte und wir kommen<br />

durch den Türstock mit den Initialen<br />

„Glück Auf“ in die Schatzkammer des<br />

Museums.<br />

Im Halbdunkel, beschallt mit Original<br />

geräuschen der Grube können wir<br />

die Atmosphäre des Bergbaus regelrecht<br />

spüren. Hervorragend ausgeleuchtete<br />

Vitrinen mit den dreislarer Mineralen<br />

lassen unser Herz höher schlagen.<br />

Doch zu erst einen Blick auf die Geschichte<br />

der Bergbaubetreiber.<br />

Schwerspat ist, so erfahren wir, Eigentümermineral<br />

und darf nur mit Zust<strong>im</strong>mung<br />

der Grundstücks eigentü mer<br />

Hier treffen sich Vergangenheit und Gegenwart<br />

abgebaut werden. Ach ja, deshalb die<br />

Einträge der Schürfrechte.<br />

Zu erst treffen wir einen alten Be -<br />

kannten wieder, Richter Pape aus Meschede<br />

der seine Rechte an das Kloster<br />

Grafschaft abgetreten hat. Ab 1847 wurde<br />

Rudolf Graf von Spee in Dreislar aktiv,<br />

ab 1870 der Graf zu Stolberg. Alle<br />

diese Bergbaubetreiber mussten in Dreislar<br />

wirtschaftlich scheitern. Sie prospektierten<br />

und schürften auf Eisenstein und<br />

fanden Schwerspat. Für diesen gab es<br />

aber vor 1900 noch keine Verwendung.<br />

Erst Dr. Rudolf Alberti aus Bad Lauterberg<br />

<strong>im</strong> Harz brachte ab 1909 den geregelten<br />

Berg baubetrieb nach Dreislar.<br />

Er hatte die Zeichen der Zeit erkannt,<br />

denn die chemische Industrie war hungrig<br />

nach dem begehrten Mineral.


SAUERLAND NR. 4/2009 181<br />

Diese Förderwagen waren bis 1974 gebräuchlich<br />

Prof. Dr. Georg Unland, Finanzminister des Freistaates Sachsen<br />

nach der Festrede be<strong>im</strong> Museumsrundgang<br />

Jedoch hatte er für seine bergbaulichen<br />

Unternehmungen in Dreislar eine<br />

schlechte Zeit ausgesucht. Gerade <strong>im</strong><br />

Jahr 1912 begonnen, wurden die Arbeiten<br />

durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen.<br />

Erst 1920 wurde der Abbau<br />

von Schwerspat wieder aufgenommen<br />

und mit dem Bau einer Schmalspurbahn<br />

von Dreislar nach Liesen zur Aufbereitung<br />

begonnen. Mit der Weltwirtschaftskrise<br />

und der Wäh rungsreform war bei<br />

Tageszinsen von 2% kein wirtschaftliches<br />

Arbeiten mehr möglich.<br />

Schweren Herzens verkaufte Alberti<br />

seine Bergbaurechte und das gesamte<br />

dreislarer Eigentum für 250 000 RM an<br />

die IG Farben Frankfurt und die Ge -<br />

werkschaft Sachtleben in Meggen. Die<br />

Stolleneingänge wurden verschlossen,<br />

alle beweglichen Güter veräußert und<br />

auf bessere Zeiten gewartet.<br />

Diese kamen<br />

1956/57 durch die<br />

stark gestiegene<br />

Nach frage nach<br />

Schwerspat. Seit dieser<br />

Zeit wurde ununterbrochen<br />

gefördert.<br />

Sachtleben machte<br />

die Grube Dreislar<br />

zum modernsten<br />

Schwer spatbergwerk<br />

Euro pas. Ende 2008<br />

wurde die Förderung<br />

wegen Erschöpfung<br />

der Vor räte eingestellt.<br />

Somit geht für das Dorf Dreislar eine<br />

230-jährige Bergbaugeschichte zu Ende.<br />

Doch die Geschichte der Grube<br />

bleibt <strong>im</strong> Schwerspatmuseum lebendig.<br />

Mit viel Herzblut haben die Dreislarer<br />

„ihrem“ Bergbau ein würdiges Denkmal<br />

gesetzt.<br />

Wer aber waren die Bergleute, die<br />

über viele Generationen <strong>im</strong> Dunkel der<br />

Berge nach den begehrten Erzen geschürft<br />

haben?<br />

Bereits zur Zeitenwende zogen die<br />

Kelten durch das obere Sauerland auf<br />

der Suche nach Eisenstein, einem begehrten<br />

Erz für die Herstellung von Arbeitsgerät<br />

und Waffen. Oberflächen nah,<br />

in sog. Pingenzügen und Gräben wurde<br />

das Erz gewonnen und in der Regel auch<br />

ortsnah in den Rennöfen verhüttet. Viele<br />

Sagen und Erzählungen sind uns überliefert,<br />

die auf diesen urzeitlichen Bergbau<br />

schließen lassen.<br />

Im ausgehenden Mittelalter setzte ein<br />

Boom <strong>im</strong> Stollenbergbau ein, denn man<br />

brauchte Buntmetalle, um die Münz -<br />

stätten der neu entstandenen Städte zu<br />

versorgen.<br />

Über viele Jahrhunderte war das<br />

Schürfen nach Erz Arbeit der Tage -<br />

löhner mit einer eher mäßigen Aussicht<br />

auf auskömmliche Löhne.<br />

So musste man, um die, mit Kindern<br />

oft reich gesegneten Familien mit dem<br />

Lebensnotwendigen zu versorgen, die<br />

kleinen Höfe mehr schlecht als recht bewirtschaften.<br />

Die Bildergalerie über das Dorfleben<br />

zeigt uns lebendige Beispiele aus dem<br />

Alltagsleben der Dreislarer. Die Schaf -<br />

herde, das rote Höhenvieh, der Mist als<br />

einziger Dünger, irgendwie kommt uns<br />

doch einiges recht bekannt vor, ohne die<br />

Personen auf den Bildern zu kennen.<br />

Wir hören vom Leben der Handelsleute<br />

die mit Stoffen, Stahlwaren und irdener<br />

Ware bis ins Baltikum zogen. Irgendwie<br />

doch hochinteressant, diese Dorfge -<br />

schichte.<br />

Wir ahnen die Nöte und Entbeh -<br />

rungen der Bewohner eines kleinen<br />

Dorfes, weit ab, am Rande des Sauerlandes.<br />

Mit Hochachtung gegenüber den vergangenen<br />

Generationen, die ihren Weg<br />

in die Neuzeit fanden, verlassen wir dieses<br />

Thema und unsere Aufmerksamkeit<br />

wird auf den Hunt gelenkt. Der Hunt, so<br />

hören wir, wird mit „T“ geschrieben und<br />

ist der Förderwagen der Bergleute. In den<br />

Anfangsjahren des Schwerspat bergbaus<br />

musste jeder Arbeiter als Tagesration<br />

zwanzig dieser Wagen mit der Hand beladen<br />

und aus der Grube schieben.<br />

Ein Knochenjob<br />

Schwerspat hat ein spezifisches Gewicht<br />

von ca. 4,5 und, nachdem wir einen<br />

Brocken dieses Minerals in den<br />

Händen gehalten haben, können wir erahnen,<br />

welche Plackerei das gewesen<br />

sein muss.<br />

Immer wieder lässt unser Muse ums -<br />

führer die eine oder andere Anekdote


182 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

einfließen und wir erfahren, dass man<br />

auch der schwersten Arbeit angenehme<br />

Seiten abgewinnen kann.<br />

In einer Nische, liebevoll aus kleinsten<br />

Schiefersteinen gefertigt, steht die<br />

Schutzpatronin der Bergleute, die Hl.<br />

Barbara. Unsere Ohren lauschen der<br />

Geschichte dieser Schutzheiligen, unsere<br />

Augen aber sind schon gefesselt vom<br />

Glanz der „Dreislarer Rosen“, wie sie<br />

von Mineralienliebhabern aus aller Welt<br />

genannt werden.<br />

Welche Pracht, welche Schönheit<br />

und Ästhetik verwöhnt unsere Augen<br />

und unsere Sinne. Kaum zu glauben,<br />

dass so etwas Einmaliges in absoluter<br />

Finsternis, tief in der Erde unter unseren<br />

Füßen entstehen konnte.<br />

Hier benötigt man keine erklärenden<br />

Worte, nein, man will einfach nur genießen.<br />

Und Freunde dieser edlen Mineralien<br />

haben durch ihre Sammelleidenschaft<br />

dieses kleine Sauerlanddorf weltweit bekannt<br />

gemacht. Alle geologischen, mineralogischen<br />

oder naturkundlichen<br />

Museen auf der ganzen Welt haben diese<br />

Mineralstufen erworben.<br />

So findet man diese „Botschafter“<br />

auch in den USA-Museen, z. B. <strong>im</strong> weltberühmten<br />

„Smithsonian“ in Washing -<br />

ton DC oder in der „Harvard Institut“ in<br />

Boston/ Mass.<br />

„Dreislarer Rosen“<br />

So schlendern wir von Vitrine zu Vitrine,<br />

dazwischen Bilder auf denen uns<br />

Bergleute vergangener Zeiten in Lebensgröße<br />

ansehen. Davor an Gitter -<br />

wänden div. Bergbauutensilien wie Grubenhelme,<br />

Geleuchte, Bohrgerät und<br />

Gezäh, und natürlich der „Henkel -<br />

mann“, das Essgeschirr der Bergleute.<br />

Im Verbau, verz<strong>im</strong>mert mit dem deutschen<br />

Türstock, biegen wir nach links in<br />

einen Stollennachbau. Auf einer Länge<br />

von ca. 15 Metern interessant und sehr<br />

authentisch gestaltet. Auf mehreren<br />

Bildschirmen können wir noch einmal<br />

die Kontinentalverschiebung <strong>im</strong> Zeitraf -<br />

fer erleben. Die schweißtreibende Arbeit<br />

der Bergleute um 1940, eine Gruben -<br />

fahrt und die Aufnahmen einer Spren -<br />

gung lassen uns <strong>im</strong>mer tiefer in die<br />

dunkle Welt unter Tage eintauchen.<br />

An der alten Schmiede, gemauert mit<br />

dem ortstypischen Kieselschiefer legen<br />

wir eine Pause ein. Hier gab sich erst vor<br />

wenigen Wochen ein Paar vor dem Standesbeamten<br />

das Ja-Wort. Traum hafte<br />

Atmosphäre, ins gehe<strong>im</strong> wünschen wir<br />

dem jungen Paar alles erdenklich Gute,<br />

schade, nicht dabei gewesen zu sein.<br />

Auf einer Bank nehmen wir Platz, um<br />

erst einmal die Gedanken zu sortieren.<br />

Ein Großbildschirm zeigt den modernen<br />

Bergbau, von der ersten Schicht bis zum<br />

fertigen Produkt. Rechts in der Eckvi -<br />

trine der absolute Hingucker, die größte<br />

Dreislarer Schwerspatstufe. Mit einem<br />

Gewicht von 1,5 Tonnen einfach gigantisch.<br />

Links der Nachbau einer Klüftung,<br />

ein Hohlraum <strong>im</strong> Gestein, in dem die<br />

Mine rale in vielen Mio. Jahren entstanden<br />

sind.<br />

Farbige Lichteffekte lassen die unterschiedlichen<br />

Minerale noch intensiver<br />

auf uns wirken. Hier kann man die Seele<br />

baumeln lassen, doch es gibt noch so<br />

vieles zu entdecken. Die schematische<br />

Darstellung der Aufbereitung in Liesen,<br />

der Transport des Roh-Erzes mit dem<br />

LKW, die Fahrer, <strong>im</strong> örtlichen Sprach -<br />

gebrauch auch die „Spatkutscher“ genannt.<br />

Eine kleine Anekdote klärt uns<br />

über den vermeintlichen „Mülle<strong>im</strong>er“<br />

auf, den Kübel, die Toilette der Bergleute<br />

unter Tage. Und <strong>im</strong>mer wieder:<br />

prachtvolle Mineralstufen, die sich in ihrer<br />

Ausstrahlung und Schönheit gegenseitig<br />

überbieten.<br />

Auf einer Wandtafel finden wir überraschend<br />

Zitate von Berthold Brecht,<br />

Novalis und weiteren Persönlichkeiten,<br />

die sich alle irgendwie dem Bergbau zugehörig<br />

fühlten.<br />

Wir haben heute ein Museum der besonderen<br />

Art kennen gelernt.<br />

Im gehobenen Ambiente wurden wir<br />

mult<strong>im</strong>edial in die Welt des Schwerspats<br />

entführt.


SAUERLAND NR. 4/2009 183<br />

Hier spürten wir Vergangenheit und<br />

Gegenwart hautnah. Wir durften selbst<br />

auf den Spuren der Bergleute wandeln<br />

und durch persönliches Erleben wurden<br />

wir ganz in den Bann der Welt unter Tage<br />

gezogen.<br />

Wir hörten von der Einmaligkeit der<br />

Dreislarer Mineralien.<br />

Genauso einmalig ist auch dieses Museum.<br />

Zum Abschluss unserer Exkursion<br />

sind wir in die He<strong>im</strong>atstube des Museums<br />

eingeladen.<br />

Auch hier viel Liebe zum Detail. Mit<br />

ca. 70 Sitzplätzen groß genug, um angemeldete<br />

Besuchergruppen auch zu bewirten.<br />

Bei einem rustikalen Imbiss lassen wir<br />

das Erlebte noch einmal Revue passieren.<br />

Die Gedanken schlagen Purzelbaum<br />

über all das, was wir erleben und erfahren<br />

durften.<br />

Hut ab, vor dem hohen, ehrenamtlichen<br />

Engagement der Dreislarer.<br />

Hier hat man der endenden Ära des<br />

Bergbaus wirklich ein würdiges Denkmal<br />

gesetzt. Diese „Macher“ sind mit<br />

ihrem Elan ein leuchtendes Beispiel für<br />

das, was eine intakte Dorfgemeinschaft<br />

bewegen kann.<br />

„Nichts ist so stark wie eine Idee, für<br />

die die Zeit gekommen ist.“<br />

Be<strong>im</strong> Abschied sind sich Alle einig:<br />

Wir kommen wieder.<br />

„Glück Auf“<br />

Die Steine bergen<br />

tiefe Gehe<strong>im</strong>nisse.<br />

Der Einsichtige mag erkennen,<br />

dass große Weisheit<br />

in ihnen beschlossen ist.<br />

(Aristoteles)<br />

Weitere Informationen:<br />

www.schwerspatmuseum.de<br />

Termine • Termine • Termine • Termine<br />

8.11.09 „Wir machen Musik“ Musik und Gesang <strong>im</strong> Sauerland.<br />

– 14.2.10 Große Sonderausstellung mit Begleitprogramm <strong>im</strong> Museum der<br />

Stadt Lennestadt in Grevenbrück.<br />

Information unter 0 27 23/60 84 01<br />

Führungen an der Sunderner He<strong>im</strong>at-Krippe<br />

in der Rochus-Kapelle (zu sehen vom 1. Advent 2009 bis 2. Februar 2010)<br />

und auf dem V. Sunderner Krippenweg mit dem Thema „Sein ist die Zeit“ –<br />

Sunderner Künstler sehen das Weihnachtsfest vom 13. Dezember 2009 bis<br />

zum 13. Januar 2010 (Treffpunkt Stadtmarketing, Rathausplatz 7)<br />

6.12. Führung an der He<strong>im</strong>atkrippe / Rochus-Kapelle, 15.00 Uhr<br />

13.12. Eucharistiefeier, anschließend Eröffnung des V. Sunderner<br />

Krippen weges „Sein ist die Zeit“ am Brunnen in der Fußgänger<br />

zone, 11.00 Uhr<br />

Führung auf dem Sunderner Krippenweg, 15.00 Uhr*<br />

20.12. Führung auf dem Sunderner Krippenweg, 15.00 Uhr*<br />

22.12. Abendführung auf dem Sunderner Krippenweg, 19.00 Uhr*<br />

29.12. Kinderführung auf dem Sunderner Krippenweg, 10.00 Uhr (1. Teil)<br />

27.12. Führung auf dem Sunderner Krippenweg, 15.00 Uhr*<br />

31.12. Führung an der He<strong>im</strong>atkrippe / Rochus-Kapelle, 15.00 Uhr<br />

3.1. Führung auf dem Sunderner Krippenweg, 15.00 Uhr*<br />

4.1. Abendführung auf dem Sunderner Krippenweg, 19.00 Uhr*<br />

6.1. Kinderführung auf dem Sunderner Krippenweg, 10.00 Uhr (2. Teil)<br />

10.1 Führung auf dem Sunderner Krippenweg, 15.00 Uhr*<br />

17.1. Führung an der He<strong>im</strong>atkrippe / Rochus-Kapelle, 15.00 Uhr<br />

Bei den mit * gekennzeichneten Führungen auf dem Sunderner Krippenweg ist eine Anmeldung be<strong>im</strong><br />

Stadtmarketing nötig! Bei Gruppenführungen Krippenweg wende man sich bitte ebenfalls an das Stadtmarketing,<br />

bei Führungsanfragen für die He<strong>im</strong>at-Krippe in der Rochus-Kapelle, an das Pfarramt<br />

St. Johannes Evangelist.<br />

An der Sunderner He<strong>im</strong>at-Krippe in der Rochus-Kapelle sind über 30 verstorbene Bürger der Großgemeinde<br />

Sundern um das biblische Geschehen dargestellt, u. a. der ehemalige Bundespräsident Heinrich<br />

Lübke. Ebenso findet durch Sundern vom 3. Adventsonntag, 13. Dezember 2009, bis zum Mittwoch,<br />

13. Januar 2010, der V. Sunderner Krippenweg mit über 30 Stationen und Krippen aus aller Welt sowie<br />

Werken he<strong>im</strong>ischer Künstler und Schulen statt. Er steht in diesem Jahr unter dem Leitwort „Sein ist<br />

die Zeit“ - Sunderner Künstler sehen das Weihnachtsfest. Ein Informationsheft dazu mit den weiteren Programmpunkten<br />

ist be<strong>im</strong> Stadtmarketing Sundern anzufordern.<br />

Termine für „700 Jahre Sundern – Freiheit und Kirche“<br />

27.12. Festgottesdienst mit Abt Dr. Dominicus Meier aus Anlass des Stadtund<br />

Pfarrpatrons in der Pfarrkirche St. Johannes zur Eröffnung des<br />

Jubiläumsjahres, 18.00 Uhr<br />

8.5. Tag der ersten Erwähnung <strong>im</strong> Jahr 1310<br />

Pontifikalamt mit dem Erzbischof von Paderborn Hans-Josef Becker in<br />

der Pfarrkirche St. Johannes, 18.00 Uhr<br />

anschließend gegen 19.30 Uhr<br />

Festakt in der Hubertushalle mit Eckhard Uhlenberg, Landesminister<br />

für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />

Fr - So, Großes Stadtfest unter dem Leitwort<br />

3. - 5.10. „Sundern gestern - heute - morgen“<br />

Die Redaktion bittet um Mitteilung weiterer Termine


184 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

wasserdichtgrün und<br />

molligwarmrot<br />

��� �� � �� ��� �� � �� ��� �� �� �� �� �� �� �� ��� �� �� �� �� ��� �� �� �� �� ��� �� �� �� �� ���<br />

����� ����� ��� � ������� � ��� ������� ���� ������� ��������� ������� ����� ���� � ������ �� ����� �� ���� ������ ����� ������� � ��� ���������������� � � ��������� ������� � ������������ ������������<br />

14.12.2009 15:38:00 Uhr<br />

farbe bekennen mit becker-druck.de


SAUERLAND NR. 4/2009 185<br />

„Herzogtum Westfalen“, Band 1,<br />

des <strong>Sauerländer</strong> He<strong>im</strong>atbundes erschienen von Dr. Theo Bönemann<br />

Am 29. September 2009 konnte Dieter<br />

Wurm, Vorsitzender des Sauer länder<br />

He<strong>im</strong>atbundes, <strong>im</strong> Kreishaus Meschede<br />

das wohl bedeutendste Buch projekt der<br />

jüngsten Zeit über das Herzogtum Westfalen<br />

zahlreichen Gä sten vorstellen.<br />

Sichtlich zufrieden begrüßte er Autoren,<br />

Bürgermeister, Dr. Karl Schneider als<br />

Hausherrn, Prof. Dr. Dr. Harm Klueting<br />

als Herausgeber und Garanten für wissenschaftliche<br />

Arbeit, Dr. Jens Foken,<br />

Redaktionsassistent und Historiker, und<br />

Dr. Burkhard Beyer als Vertreter des<br />

Aschendorff Verlages in Münster.<br />

Der erste der beiden Bände nennt in<br />

seinem Untertitel „Das kurkölnische<br />

Herzogtum Westfalen von den Anfängen<br />

der kölnischen Herrschaft <strong>im</strong> südlichen<br />

Westfalen bis zur Säkularisation 1803“<br />

den thematischen Schwerpunkt der 24<br />

Fachleute, unter denen sich neben aktiven<br />

Hochschullehrern auch Nachwuchs -<br />

wissenschaftler und emeritierte Profes -<br />

soren befinden. Zu den Mitarbeitern<br />

gehören weiterhin mehrere Mitglieder<br />

aus dem Vorstand des He<strong>im</strong>atbundes.<br />

Das breite thematische Spektrum erfasst<br />

die Wurzeln des kurkölnischen Herzogtums<br />

Westfalen und trägt zur Findung<br />

regionaler Identität wesentlich bei, so<br />

Dieter Wurm. Die jahrelangen Forschungen<br />

der Autoren fußen auf seinem<br />

Wunsch vom Jahre 2003, ein umfassendes<br />

wissenschaftliches Werk über das<br />

kurkölnische Sauerland herauszugeben.<br />

Das Unterfangen schien ihm anfänglich<br />

aus Mangel an Geldmitteln und Autoren<br />

jedoch kaum realisierbar. Nach dem er <strong>im</strong><br />

Jahre 2005 Herrn Prof. Dr. Dr. Klueting<br />

als Herausgeber gewonnen hatte, dem<br />

sein ebenfalls langgehegter Wunsch<br />

nach einem ähnlichen Projekt nur in einem<br />

Gemeinschaftswerk realisierbar erschien,<br />

erklärten sich die Bür ger meister<br />

<strong>im</strong> kurkölnischen Sauerland in einer für<br />

Westfalen einzigartigen solidarischen<br />

Aktion bereit, mit 10 Cent pro Bürger<br />

den finanziellen Grundstein für das<br />

Buchprojekt zu legen. Die Spar kassen,<br />

die NRW-Stiftung, die LWL-Kulturstiftung,<br />

der Landschaftsverband Westfalen<br />

Lippe, der Westfälische und <strong>Sauerländer</strong><br />

He<strong>im</strong>atbund sowie der HSK schlossen<br />

sich als Sponsoren an, so dass die hohen<br />

Herstellungskosten der beiden Bände<br />

weitgehend gesichert waren. Daraus ergibt<br />

sich der trotz 927(!) Seiten niedrige<br />

Einbandtitelseite<br />

„Das Herzogtum Westfalen“<br />

mit dem Wappenstein am 1710<br />

erbauten Rathaus in Arnsberg<br />

Kaufpreis des mehrfarbig gedruckten<br />

Bandes in Höhe von 29,50 €. Zahlreiche<br />

Abbildungen und thematische Karten zu<br />

einzelnen Aufsätzen ergänzen das Werk<br />

wesentlich. Eine historische Karte von<br />

1757 in Origi nal größe ist als Orientierungshilfe<br />

für zahlreiche Aufsätze eine<br />

zusätzliche Berei cherung.<br />

Prof. Dr. Dr. Klueting verwies in seiner<br />

Ansprache auf den Juristen und His -<br />

toriker Johann Suibert Seibertz (1788–<br />

1871) und den Landeshistoriker Albert<br />

K. Hömberg (1905–1963), die sich als<br />

Dieter Wurm, Dr. Karl Schneider,<br />

Prof. Dr. Dr. Klueting<br />

und Dr. Burkhard Beyer, Aschendorff Verlag<br />

(v.r.n.l.)<br />

bei der Präsentation des ersten Bandes<br />

„Das Herzogtum Westfalen“<br />

<strong>im</strong> Kreishaus Meschede<br />

Alle Fotos: Hans Wevering<br />

Pioniere dem historischen und siedlungsgeografischen<br />

Kernbereich der westfälischen<br />

Forschung als Pioniere gewidmet<br />

und zahlreiche noch heute hoch geachtete<br />

wissenschaftliche Arbeiten hinterlassen<br />

haben. Das jüngste Buch projekt des<br />

<strong>Sauerländer</strong> He<strong>im</strong>atbundes deckt nun<br />

erstmals die frühe Geschichte einer zentralen<br />

Teillandschaft des Her zogtums<br />

Westfalens etwa von den Anfängen um<br />

777 (Reichstag in Pader born) bis zum<br />

Jahre 1803 (Säkula risation) in einer Gesamtdarstellung<br />

ab. Folgende Stichworte<br />

aus den Aufsatz überschriften deuten den<br />

facettenreichen Inhalt des Bandes an:<br />

Geogra phischer Raum, Christianisierung,<br />

Klo s terlandschaft, die Grafen von<br />

Werl und Arnsberg, Burgen und Städte,<br />

Ent stehung des Territoriums, Vemegericht,<br />

Hexenverfolgungen, Soester Feh-<br />

Prof. Dr. Dr. Klueting<br />

bei seinem Vortrag<br />

de, Kurköln in seinen Teilen, Städte und<br />

Freiheiten, Adel, geistliches Territorium,<br />

Klöster und Orden, Kunst, Schulwesen,<br />

Bibliotheken der Stifte/ Klöster/ Erbsäl -<br />

zer, Judentum, Münz- und Geldwesen,<br />

Salinen- und Bergwerke, Landwirt -<br />

schaft, Verkehrswesen, Säkularisation<br />

und Ende des Herzogtums. Regional umfasst<br />

das Werk einen Teil des Kölner Kurstaates,<br />

eines der bedeutendsten geistlichen<br />

Territorien des Heiligen Rö mischen<br />

Rei ches Deutscher Nation. Dazu ge -<br />

hören nach heutigen Grenzen der<br />

<strong>Hochsauerlandkreis</strong>, der Kreis Olpe, Teile<br />

des Kreises Soest und des östlichen<br />

Märkischen Kreises (Neuenrade, Men -


186 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

den, Balve und Sümmern) sowie die Exklave<br />

Volkmarsen. Der zweite Band behandelt<br />

mit weiteren Schwerpunkten<br />

(Politik, Gemeinden, Wirtschaft, Ver -<br />

kehr, Energie, Kultur, Kunst, Schul -<br />

wesen, Kirchen) den Zeitraum bis heute<br />

und wird <strong>im</strong> Jahre 2011 erscheinen.<br />

Dr. Beyer bedankte sich für die Auf -<br />

trags vergabe und sieht in dem Werk eine<br />

Bereicherung für den Aschendorff Ver -<br />

lag. Als Standardwerk hebe es sich heraus<br />

aus der Masse der Hoch schul -<br />

schriften. Die Ansprüche an die Druckund<br />

Bindearbeiten, die grafische Ge -<br />

staltung und die Aufmachung des Buches<br />

entsprächen in ihrer äußeren Form<br />

dessen herausragendem Inhalt. Er<br />

wünschte dem Band eine Verbreitung<br />

über das Sauerland hinaus.<br />

Die Ausstellung „Kurfürst Adel Bürger<br />

– Das kurkölnische Herzogtum West -<br />

falen (1180 – 1803)“ in der Zeit vom<br />

25. Oktober 2009 bis zum 28. Februar<br />

2010 <strong>im</strong> Sauerland-Museum in Arns -<br />

berg ergänzt das Buchprojekt mit selten<br />

gezeigten Objekten.<br />

Das Herzogtum Westfalen.<br />

Herausgegeben von Harm Klüting<br />

unter Mitarbeit von Jens Foken<br />

Aschendorff Verlag Münster<br />

927 Seiten, umfangreich , z. T. farbig bebildert,<br />

Leinen, geb.<br />

ISBN 978-3-402-12827-5 29,50 EUR<br />

Autoren und zahlreiche Gäste bei der Buchvorstellung<br />

Kommentiert . . .<br />

Kolateralschäden . . .<br />

Im Zeitalter der Medien muß man mit allem rechnen. Besonders mit<br />

Vereinfachungen, die oft das Maß des Erträglichen überschreiten und deren<br />

Urheber häufig nicht merken, wie sehr sie danebenhauen.<br />

Schon mal was von der „Sauerland-Gruppe" gehört? Best<strong>im</strong>mt! Damit<br />

ist aber kein harmloser Wanderverein gemeint, sondern eine islamistische<br />

Terroristengruppe, die ausgerechnet <strong>im</strong> Sauerland einen Schlupf -<br />

winkel gefunden hatte und hier ausgehoben wurde. Schl<strong>im</strong>m genug, daß<br />

das bei uns passierte. Aber noch schl<strong>im</strong>mer, daß seitdem und nun vor<br />

allem <strong>im</strong> Zusammmenhang mit einem in Düsseldorf laufenden Prozess<br />

über all das Sauerland zur Kennzeichnung der Bande herhalten muß. Deren<br />

Mitglieder wurden sogar schon mal als „die <strong>Sauerländer</strong>" bezeichnet,<br />

auch von „Sauerland-Bombern“ war die Rede. Neueste Erfindung: „Sauerland-Verdächtige".<br />

Journalistische Meisterleistungen! Wir sind doch keine<br />

Terroristen! Natürlich brauchen die Medienleute griffige Formeln. Doch<br />

das ist wohl zuviel der Vereinfachung.<br />

Was lehrt uns das? Auch das Sauerland ist nicht mehr gefeit, in die<br />

großen Weltläufte verwickelt zu werden und dabei „Kolateralschäden" zu<br />

erleiden. Bat weste maken? Me kann siek nit iutsaiken, bat füör ne Lius<br />

o<strong>im</strong>e innet Fell kruipet. Ärgerlich bleibt es doch.<br />

Aussuchen konnte man sich was bei den letzten Wahlen: der Kommunalwahl<br />

am 30. August und der Bundestagswahl am 27. Sep tember. Nämlich,<br />

wem man seine St<strong>im</strong>me geben wollte, welchem Politiker und welcher<br />

Partei. Nur hingehen mußte man und die Chance wahrnehmen. Und was<br />

passierte? Viele, allzuviele gingen gar nicht hin. Aus Verdrossenheit, aus<br />

Gleichgültigkeit? Im HSK gaben bei der Kom munalwahl, wo es doch um<br />

die ganz eigene Sache ging, nur 57,7 % ihre St<strong>im</strong>me ab (in Arnsberg gar<br />

nur 50,6 %). Bei der Bundestagswahl waren es <strong>im</strong>merhin noch 72,7 %<br />

(Bundesdurchschnitt 70,8 %). Und das <strong>im</strong> Sauerland, wo früher hohe<br />

Wahlbeteiligung üblich war! Vielleicht sollten die nun Gewählten einmal<br />

überlegen, welchen Rückhalt sie eigentlich haben. Und mehr noch: ob sie<br />

einfach so weiterregieren und -opponieren können wie bisher. Sie kommen<br />

nicht darum herum, mehr politische Überzeugungsarbeit zu leisten<br />

und mehr für die politische Bildung zu tun.<br />

Denn: Van nicks kümmet nicks – äok nit <strong>im</strong>me Siuerland!<br />

Siegfried Kessemeier<br />

Besuchen<br />

Sie uns <strong>im</strong> Internet:<br />

www.sauerlaender-he<strong>im</strong>atbund.de


SAUERLAND NR. 4/2009 187<br />

Erinnerungskultur – Nostalgie – Identifikationsmittel –<br />

kulturpolitische Pflichtübung? Was geht uns <strong>im</strong> Zeitalter der Globalisierung die Geschichte<br />

einer Region wie des kurkölnischen Herzogtums Westfalen an?<br />

von Prof. Dr. theol. Dr. phil. Harm Klueting*<br />

Meine Damen und Herren!<br />

Warum machen wir das eigentlich?<br />

Warum investiert man viel Geld, und<br />

warum wendet man viel Arbeit auf, um<br />

eine Ausstellung über „Kurfürst, Adel<br />

und Bürger“ zustande zu bringen.<br />

Bürger – das mag noch angehen.<br />

Bürger sind wir ja selbst in unserer Bürgergesellschaft,<br />

die aber längst nicht<br />

mehr die Bürgerliche Gesellschaft ist,<br />

auch wenn wir noch <strong>im</strong>mer Bürger -<br />

rechte haben und Bürgerpflichten wahrnehmen<br />

und das Bürgerliche Gesetz -<br />

buch die Rechtsbeziehungen der Einzel -<br />

nen und ihrer Vereinigungen reguliert.<br />

Aber Adel? Den gibt es doch gar nicht<br />

mehr, seit die We<strong>im</strong>arer Reichsver -<br />

fassung 1919, also vor 90 Jahren, in<br />

ihrem Artikel 109 festsetzte, dass öffentlich-rechtliche<br />

Vorrechte oder Nachteile<br />

der Geburt oder des Standes aufzuheben<br />

seien und Adelsbezeichnungen<br />

wie der „Freiherr zu“ nur als Teil des Namens<br />

gelten und nicht mehr verliehen<br />

werden dürften. Und Kurfürsten gar?<br />

Wer kann mit diesem Titel noch etwas<br />

anfangen? Stammt der nicht aus vordemokratischen<br />

Zeiten, als nicht – wie<br />

heute – die Bundesversammlung oder –<br />

wie in der ersten deutschen Republik –<br />

das ganze Volk das Staatsoberhaupt,<br />

den Bundes- oder Reichspräsidenten,<br />

wählte, sondern in der die Wahl des Kaisers<br />

sieben, später acht und zeitweise<br />

neun Kur fürsten vorbehalten war? Da -<br />

runter drei hohe katholische Geistliche,<br />

die Erzbi schöfe von Mainz, Trier und<br />

Köln? Soll man daran überhaupt noch<br />

erinnern, wo wir doch die Trennung von<br />

Staat und Kirche haben? In Artikel 137<br />

der Wei marer Reichsverfassung, der als<br />

Be stand teil des Grundgesetzes (Art.<br />

140) auch heute geltendes Verfassungsrecht<br />

ist, lesen wir: „Es besteht keine<br />

Staats kirche.“ Und dann die Wahl des<br />

Staats oberhauptes durch drei katholische<br />

Kirchenführer? Ist die Erinnerung<br />

daran für unsere evangelischen, jüdischen,<br />

mus l<strong>im</strong>ischen, konfessionslosen<br />

oder atheistischen Mitbürger überhaupt<br />

zumutbar? Die letzte Kaiserwahl durch<br />

die Kurfürsten fand am 5. Juli 1792 in<br />

Frankfurt am Main statt. Wenige Wo -<br />

chen später, am 10. August 1792 wurde<br />

in Paris die königliche Familie ins Gefängnis<br />

geworfen und am 21. Sep -<br />

tember desselben Jahres die Monarchie<br />

abgeschafft, bevor das Leben König<br />

Leicht gekürzte Fassung des<br />

Vortrags zur<br />

Eröffnung der Ausstellung<br />

„Kurfürst – Adel – Bürger:<br />

Das kurkölnische Herzogtum<br />

Westfalen (1180–1803)“<br />

<strong>im</strong> Sauerland-Theater<br />

Arnsberg<br />

am 25. Oktober 2009<br />

in Arnsberg<br />

Ludwigs XVI. am 21. Januar 1793 auf<br />

dem Schafott auf der heutigen Place de<br />

la Concorde in Paris endete. Am 24. Juni<br />

1793 wurde die Verfassung der ers -<br />

ten französischen Republik erlassen.<br />

Vorangestellt war die Erklärung der<br />

Men schen- und Bürgerrechte, die<br />

„Décla ration des droits de l’homme et<br />

du citoyen“ vom 26. August 1789.<br />

Geht uns das – falls uns Geschichte<br />

überhaupt etwas angeht – nicht viel<br />

mehr an als die „ollen Kurfürsten“, Demokraten<br />

und Republikaner, für die wir<br />

uns halten?<br />

Vor wenigen Tagen, am 29. Sep tem -<br />

ber, wurde in Meschede das Buch „Das<br />

Herzogtum Westfalen“ vorgestellt. Auf<br />

fast 1000 Seiten schreiben 24 Au toren<br />

und Autorinnen über „Das kurkölnische<br />

Herzogtum Westfalen von den Anfängen<br />

der kölnischen Herrschaft <strong>im</strong> südlichen<br />

Westfalen bis zur Säkula risation<br />

1803“. Diese Anfänge, über die wir nur<br />

wenig wissen, verlieren sich <strong>im</strong> 8. und 9.<br />

Jahr hundert. Warum machen diese 24<br />

Leute das? Sicher nicht wegen des Geldes,<br />

das damit zu verdienen war. So gewaltig<br />

war das Honorar nicht. Dabei hat<br />

das Werk, dem in Kürze ein zweiter<br />

Band von ähnlichem Umfang folgen<br />

wird, viel Geld gekostet. Aufgebracht<br />

hat dieses Geld der Steuerzahler, der<br />

Sparer, der Anleger und der Beitragszahler<br />

– übrigens ohne danach gefragt<br />

zu werden. Es stammt aus einer „Zehn-<br />

Cent-pro-Bürger“-Um lage der Städte<br />

und Gemeinden des kurkölnischen Sauerlandes<br />

sowie aus Zu schüssen der<br />

<strong>Sparkassen</strong>, der Nord rhein-Westfalen-<br />

Stiftung, der Kulturstif tung des Landschaftsverbandes<br />

West falen-Lippe, des<br />

Landschaftsver bandes Westfalen-Lippe<br />

selbst, des Westfä li schen He<strong>im</strong>atbundes,<br />

des <strong>Sauerländer</strong> He<strong>im</strong>atbundes und<br />

des Hochsauer landkreises, also von Gemeinden<br />

und Kommunalverbänden, Gemeinnützigen<br />

Anstalten des öffentlichen<br />

Rechts, Stif tungen öffentlichen Rechts<br />

und eingetragenen Vereinen.<br />

Aber warum leisten diese Institutionen<br />

sich das? Und noch dazu für ein solches<br />

Objekt, für das kurkölnische Herzogtum<br />

Westfalen? Also für eine Region,<br />

die niemals <strong>im</strong> Mittelpunkt stand, in<br />

der es keine große Stadt gibt, keinen Sitz<br />

einer Landesregierung, keinen Bischofssitz,<br />

keine Universität, keine Festivals,<br />

keine Messen und auch keine ausländischen<br />

Touristen – sieht man ab von den<br />

Fe riengästen aus den Niederlanden –<br />

und nicht einmal eine Bahnstation, an<br />

der ICE-Züge halten, sondern nur eine<br />

nicht elektrifizierte Bahnstrecke durch<br />

das Ruhrtal und eine zur Regionalstrecke<br />

degradierte Bahnstrecke durch<br />

das Len netal, wobei wir vom Zustand<br />

der meisten Bahnhöfe lieber gar nicht<br />

reden wollen. Also „Provinz pur“!<br />

Bloße He<strong>im</strong>atliebe kann es nicht sein.<br />

Die Autoren des „dicken Buches“ stammen<br />

zum größeren Teil nicht aus dem<br />

kurkölnischen Sauerland. Und auch <strong>im</strong><br />

kurkölnischen Sauerland leben viele<br />

Menschen, die selbst oder deren Eltern<br />

oder Großeltern weit entfernt geboren<br />

wurden: In den östlichen Provinzen des


188 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

ehemaligen Deutschen Reiches, in Po -<br />

len, in der ehemaligen Sowjetunion, in<br />

anderen Teilen des heutigen Deut sch -<br />

land, in Italien, Rumänien, der Türkei, in<br />

Indien oder in Afrika. Auch das sind<br />

Steuerzahler, deren Geld also auch in<br />

diesem Buch steckt. Andere stammen<br />

zwar aus dem kurkölnischen Sauerland<br />

und leben hier auch noch, verdienen ihr<br />

Geld aber in Dortmund oder in Düs -<br />

seldorf, in Köln, in Münster oder in Paderborn.<br />

Das sind die Pendler, die es<br />

auch in der Variante des Fernpendlers<br />

gibt, der in der Woche in Frankfurt am<br />

Main, in Berlin oder in München lebt<br />

und arbeitet und sich nur über das Wo -<br />

chenende an seinem Wohnsitz <strong>im</strong> Sau -<br />

erland aufhält. Auch ich bin ein solcher<br />

Fernpendler und fahre jede Woche mit<br />

der Bahn zwischen Köln und Fribourg in<br />

der französischen Schweiz hin und her.<br />

Unsere Lebensumstände haben sich<br />

in den sechzig Jahren, die mein eigenes<br />

Leben inzwischen zählt, stärker als jemals<br />

zuvor verändert. Pendlerexistenzen<br />

dieser Art gab es früher nicht. Unsere<br />

Raumbeziehun gen sind vollkommen anders<br />

als in meinen Kindertagen. Und<br />

auch <strong>im</strong> Sau erland stehen Computer.<br />

Wir alle sind, seit es das Internet gibt,<br />

weltweit vernetzt und erfahren „in Echtzeit“<br />

von dem Erdbeben in Japan, von<br />

der Terro r istentat in Pakistan oder von<br />

dem Amoklauf in einer Highschool in<br />

Ame rika. Was gehen uns die Anfänge<br />

der kölnischen Herrschaft <strong>im</strong> südlichen<br />

West falen <strong>im</strong> 8. und 9. Jahrhundert an?<br />

Was die Grafen von Werl oder die Veme<br />

in Westfalen? Die Soester Fehde? Oder<br />

die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen<br />

Städte, von denen die größten kleiner<br />

waren als heutige Dörfer?<br />

Hat ein heutiger Bürgermeister von<br />

Arnsberg oder Olpe nicht ganz andere<br />

Aufgaben und ganz andere Probleme als<br />

ein Bürgermeister von Arnsberg oder<br />

Olpe <strong>im</strong> 15. oder <strong>im</strong> 17. Jahrhundert?<br />

Und haben wir nicht ganz andere Pro b -<br />

leme als jene Menschen, die unter<br />

Strohdächern lebten, ohne Elektrizität,<br />

ohne andere Verkehrsmittel als Pferd<br />

und Wagen und meistens nur die eigenen<br />

Füße?<br />

Wenn heute – <strong>im</strong> September 2008 –<br />

die Investmentbank Lehman Brothers<br />

an der Wall Street in New York in Konkurs<br />

geht, wenn General Motors in De-<br />

Prof. Dr. Dr. Harm Klueting<br />

bei seinem Vortrag<br />

Foto: Hans Wevering<br />

troit in Absatzschwierigkeiten gerät,<br />

wenn an den Börsen von Shanghai, Tokio<br />

oder Singapur die Aktienkurse fallen,<br />

geraten mittelständische Betriebe<br />

<strong>im</strong> kurkölnischen Sauerland in Absatzflauten<br />

oder Kreditklemmen oder in beides<br />

zugleich und geraten Arbeitsplätze<br />

in Gefahr. Wenn es <strong>im</strong> 15. oder <strong>im</strong> 17.<br />

Jahrhundert <strong>im</strong> Sommer zu lange und zu<br />

viel regnete, wenn späte Fröste auftraten,<br />

wenn Schädlinge das Getreide vor<br />

der Ernte auffrassen, dann gab es <strong>im</strong><br />

Jahr darauf eine Hungerkrise, die über<br />

ihre unmittelbaren Auswirkungen hinaus<br />

die Verbrei tung epidemischer<br />

Krankheiten förderte und zum Rückgang<br />

der Gebur tenzahlen führte. Die<br />

heutigen Probleme hängen mit der<br />

weiträumigen, ja weltweiten – globalen –<br />

Vernetzung zusammen; die damaligen<br />

Probleme waren Folge der Kleinräumigkeit.<br />

Die Missernte hier konnte durch<br />

Getreideüberschüsse einige hundert Kilometer<br />

entfernt nicht ausgeglichen werden,<br />

weil die gegenüber heute völlig unterentwickelten<br />

Tran sport mittel und<br />

Transportwege, aber auch Binnenzölle<br />

und behördliche Re strik tionen, dem entgegenstanden.<br />

Es waren keine paradiesischen<br />

Zustände, sondern Zeiten ständig<br />

drohender Krise und Not und insofern<br />

ganz ähnlich wie heute – aber doch<br />

wieder ganz anders. So anders, dass wir<br />

eigentlich doch alle überzeugt sind, dass<br />

mit den damaligen Kri senbewäl tigungs -<br />

strategien heute nichts mehr anzufangen<br />

ist. Noch schl<strong>im</strong> mer: Die damaligen<br />

Lösungen haben die heutigen Probleme<br />

in erheblichem Maße verursacht. Ich<br />

meine die weltweite Kl<strong>im</strong>akrise durch<br />

anthropogene Kl<strong>im</strong>a veränderung –<br />

Kohlendi oxi d-Emission, Temperaturanstieg,<br />

schmelzenden Pol kap pen und Alpengletscher<br />

–, die nur noch von<br />

Zweckopt<strong>im</strong>isten geleugnet wird.<br />

In Deutschland gab es die beiden letzten,<br />

für das Mittelalter und die frühe<br />

Neuzeit typischen großen Hungerkrisen,<br />

die durch Ernteschwankungen ausgelöst<br />

wurden, 1816/17 und 1847, wobei<br />

die Krise von 1816/17 in Westfalen<br />

noch schl<strong>im</strong>mer war als die von 1847.<br />

1846 gab es eine schwere Missernte.<br />

Der Ernteausfall be<strong>im</strong> Brotgetreide betrug<br />

in ganz Deutschland 41 % des normalen<br />

Ernteertrags. Hinzu kam infolge<br />

einer „Kartoffelfäule“ eine wesentliche<br />

Ein schränkung der Kartoffelernte. Die<br />

Brot preise stiegen 1846 um mehr als<br />

100 %, die Kartoffelpreise um 60 %.<br />

1847 setzte sich der Preisanstieg fort,<br />

der be<strong>im</strong> Getreide durchschnittlich 124 %<br />

und bei den Kartoffeln 130 % betrug.<br />

Durch mangelhafte Ernährung wurden<br />

die Menschen in den einkommensschwachen<br />

Schichten und somit in der<br />

Masse der Bevölkerung gesundheitlich<br />

geschwächt. Dadurch kam es <strong>im</strong> Krisenjahr<br />

1847 und <strong>im</strong> Frühjahr 1848 zur<br />

Ver breitung von Durchfall mit Kreis lauf -<br />

kollaps, Ruhr und Flecktyphus. Das waren<br />

„die guten alten Zeiten“. Die „Krisen<br />

vom ‚type ancien‘“, wie Histo riker das<br />

nennen, sind uns seit 1847 erspart geblieben.<br />

Warum? Weil es die Industri -<br />

alisierung gab, die in England <strong>im</strong> späteren<br />

18. Jahrhundert einsetzte und in<br />

Deutschland zwischen 1835 und 1870<br />

begann. Die Industrialisierung löste das<br />

Armuts- und Hungerproblem. Entschei -<br />

dend wurde der Arbeitskräftebedarf der<br />

entstehenden Großindustrie, besonders<br />

der Tiefbauzechen des Ruhrgebietes,<br />

der Hüttenwerke, der Maschinenbaufabri<br />

ken und der Eisenbahn. Zugleich löste<br />

der mit der Industri alisierung verbundene<br />

Eisenbahnbau eine Transportrevolution<br />

aus, während die Industrie Produkte<br />

erzeugte, die das Problem der Nah -<br />

rungs mittelknappheit bei steigender Bevöl<br />

kerung – die be rühmten Malthu sian<br />

scissors – lösten, sei es durch Indus -<br />

triegüter, die sich in getreideproduzierende<br />

Länder absetzen ließen, sei es<br />

durch den von der Che mieindustrie produzierten<br />

künstlichen Dünger. Natürlich


SAUERLAND NR. 4/2009 189<br />

waren die Zu sam menhänge viel komplizierter,<br />

als ich sie hier darstellen kann.<br />

Komplizierter als hier darstellbar waren<br />

auch die Folgen. Deutlich ist aber <strong>im</strong>merhin,<br />

dass die Industrialisierung nicht<br />

nur zuvor unlösbare Probleme löste,<br />

sondern auch neue Probleme schuf. Sie<br />

führte nicht nur in unsere anthropogene<br />

Kl<strong>im</strong>akrise; sie schuf den Zwang zum<br />

Wirtschafts wachstum, zum economic<br />

growth, dessen Problematik uns 1973<br />

mit der sog. ersten Ölkrise und mit den<br />

damals <strong>im</strong>mer deutlicher werdenden<br />

Umwelt proble men bewusst zu werden<br />

begann, was in jener Zeit Diskussionen<br />

über „Null-Wachstum“ und über „Grenzen<br />

des Wachs tums“ brachte. Aber die<br />

Indu strialisierung bewirkte noch mehr:<br />

Sie beseitigte zwar die alten, durch Ernte<br />

schwankungen verursachten Krisen,<br />

ließ an deren Stelle aber die durch Kon -<br />

junktur- und Wachs tumsschwankungen<br />

ausgelösten Wirt schaftskrisen des Indu s -<br />

triezeitalters treten, wie England das<br />

schon 1847/48 mit der Stagnation des<br />

Eisenbahnbaus, die zu Massenent las -<br />

sungen führte, und mit den Auswir -<br />

kungen des Börsen- und Finanzkrachs in<br />

London und New York und wie Deutsch -<br />

land es mit der zwanzig Jahre andauernden<br />

Depression der Jahre 1873 bis<br />

1893 erlebte.<br />

Wir leben heute also in einer ganz anderen<br />

Welt und haben ganz andere Probleme<br />

als die Menschen <strong>im</strong> 15. oder <strong>im</strong><br />

17. Jahrhundert in den Dörfern, Städten<br />

und Freiheiten des kurkölnischen<br />

Herzogtums Westfalen, die nichts<br />

wussten von Konjunktur- und Wachs -<br />

tumskrisen, nichts von Kl<strong>im</strong>akrisen,<br />

aber auch nichts von Hightech-Indus -<br />

trie. Menschen, die auf steinigen<br />

Äckern Gerste und Roggen anbauten,<br />

den Pflug hinter Pferde oder Ochsen<br />

spannten, das Plumpsklo benutzten und<br />

den Inhalt der Jauchengrube als Dünger<br />

verwendeten – was es übrigens hier und<br />

da und auch <strong>im</strong> Sauerland bis in die<br />

sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts<br />

gab.<br />

Also noch einmal die Frage: Warum<br />

geben wir Geld aus für die Beschäftigung<br />

mit der Vergangenheit, die doch<br />

mit unserer Gegenwart nichts mehr zu<br />

tun zu haben scheint, noch dazu mit der<br />

Ver gangenheit einer periphärer Region<br />

wie des kurkölnischen Sauerlandes?<br />

Die Städte und Gemeinden, die mit<br />

der erwähnten „Zehn-Cent-pro-Bürger“-<br />

Um l a ge das neue Buch über die Geschichte<br />

des Herzogtums Westfalen mitfinanziert<br />

haben, sind dazu nicht verpflichtet.<br />

Auch der <strong>Hochsauerlandkreis</strong><br />

ist nicht verpflichtet, das Sauerland-Museum<br />

zu unterhalten und Aus stellungen<br />

wie die zu ermöglichen, die heute eröffnet<br />

wird. Kommunalpolitiker sprechen<br />

von „freiwilligen Aufgaben“ – ein Begriff,<br />

für den es keine Legal definition<br />

gibt. Die Ge meindeordnung von Nordrhein-West<br />

falen kennt nur den Begriff<br />

der „Pflichtaufgaben“. Das sind nach § 3<br />

der Gemeindeordnung Auf gaben, die<br />

den Gemeinden durch Gesetz auferlegt<br />

werden. Freiwillige Aufgaben sind also<br />

solche, die eine Gemeinde übern<strong>im</strong>mt,<br />

ohne durch Gesetz dazu verpflichtet zu<br />

sein. Die Sorge für das Archivgut, also<br />

auch die Sorge für schriftliche Doku -<br />

mente aus längst vergangener Zeit, ist<br />

nach dem Archiv gesetz des Landes eine<br />

Pflichtaufgabe der Gemeinden, der sie<br />

aber nicht nur durch Errichtung und Unterhaltung<br />

eigener Archive nachkommen<br />

können, sondern auch durch Übergabe<br />

des Archiv guts zur Verwahrung an<br />

ein anderes öffentliches Archiv. Aber<br />

kein Gesetz verpflichtet Gemeinden zur<br />

Veranstaltung historischer Ausstellungen<br />

oder zur För derung der historischen<br />

Forschung.<br />

Warum machen Gemeinden und<br />

Kom munalverbände das dann aber<br />

doch? Und warum kommen Privatleute,<br />

die in der Welt der Hightech-Industrie zu<br />

Hause sind und sich täglich ihrer Pro -<br />

dukte bedienen, in eine historische Aus -<br />

stellung. Und warum lesen sie vielleicht<br />

sogar ein historisches Buch? Vielleicht<br />

sogar über die Geschichte einer periphären<br />

Region wie das kurkölnische<br />

Sauerland, in der sie aufgewachsen sind<br />

oder in der sie zufällig leben?<br />

Ist das bei den verantwortlichen Kom -<br />

munalpolitikern eine kulturpolitische<br />

Pflichtübung? Pflicht jetzt nicht <strong>im</strong> juris -<br />

tischen Sinne? Eine Pflichtübung, um<br />

den Eindruck des Banausentums zu vermeiden?<br />

Als Banausen bezeichnen wir<br />

einen Menschen ohne Sinn für Kunst<br />

und Kultur. Noch <strong>im</strong>mer macht es einen<br />

gu ten Eindruck, als kulturell aufgeschlossen<br />

zu gelten. Zum kulturellen Interesse<br />

wird auch der Sinn für Historisches ge-<br />

zählt. Es macht sich gut, in einer Stadt<br />

mit beachtlichen Bauwerken für Denk -<br />

mal pflege einzutreten. Wir wären blind,<br />

wenn wir bei den Entscheidungsträgern<br />

in Gemeinden und Kommunalverbänden<br />

in allen Fällen diese Form von kulturpolitischer<br />

Pflichtübung zur Image-<br />

Wah rung ausschließen wollten. Formen<br />

solcher Image-Wahrung gibt es auch bei<br />

Privatleuten.<br />

Ist es bei den Privatleuten Nostalgie,<br />

die sie mitunter in ein historisches Mu -<br />

seum gehen oder zu einem Buch über<br />

Geschichte, auch über Geschichte ihrer<br />

engeren Umgebung, greifen lässt? Das<br />

Wort Nostalgie kam in den späteren<br />

1970er und den 1980er Jahren zeitweise<br />

in Mode. Wer das Glück hat, ein Gymnasium<br />

besucht und dort auch noch Griechisch<br />

gelernt zu haben, der erinnert sich<br />

vielleicht an die griechischen Wörter<br />

he<strong>im</strong>kehren.<br />

Daher kommt „Nostalgie“. Nostalgie<br />

ist das Verlangen nach He<strong>im</strong>kehr. He<strong>im</strong>kehr<br />

an Orte eigener früherer Lebenszeit,<br />

wo möglich an Orte der Kindheit.<br />

Wir haben <strong>im</strong> Deutschen viele Lieder<br />

und Gedichte, die das ausdrücken. Wilhelm<br />

Müllers „Am Brunnen vor dem Tore<br />

/ da steht ein Lindenbaum“, vertont<br />

von Franz Schubert, ist ein solches Beispiel.<br />

Es endet mit den Worten: „Nun<br />

bin ich manche Stunde / entfernt von jenem<br />

Ort / und <strong>im</strong>mer hör ich’s rauschen:<br />

/ du fändest Ruhe dort.“ Nostalgie<br />

als Verlangen nach He<strong>im</strong>kehr und<br />

nach einem Ruhe punkt kann ihren <strong>im</strong>aginären<br />

Ort auch überindividuell in der<br />

„guten alte Zeit“ haben, als die Welt und<br />

das Leben scheinbar noch „in Ordnung“<br />

und die „Kirche noch <strong>im</strong> Dorf“ war.<br />

Nostalgie wird dann zur Butzenscheibenromantik,<br />

zur Verklärung der Vergangenheit.<br />

No stalgie schließt die Augen<br />

vor den Hun gerkrisen, von denen<br />

ich gesprochen habe. Nostalgie kann<br />

auch infantile Züge annehmen. Man begegnet<br />

ihnen neuerdings an Sommerwochenenden<br />

auf sogenannten Mittelaltermärkten<br />

oder an Orten, an denen<br />

sich erwachsene Män ner zu Ritterspielen<br />

aufmachen, wie das vor 50 Jahren<br />

mit Holz schwer tern bewaffnete Zehnjährige<br />

taten. Wir leben ja in einer teilweise<br />

infantilisierten Gesell schaft.<br />

,


190 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

Oder dient Geschichte der Politik als<br />

Identifikationsmittel? So ist es in Monar -<br />

chien, in denen die Beschäftigung von<br />

Schulkindern mit der Geschichte des<br />

Königshauses den monarchischen Ge -<br />

dan ken stärken soll. So ist es in den Vereinigten<br />

Staaten von Amerika am Independence<br />

Day, dem 4. Juli, an dem man<br />

der Verkündung der Unabhän gigkeit der<br />

13 Kolonien an der Ostküste Nordamerikas<br />

von Großbritannien 1776 gedenkt,<br />

so ist es in Frankreich mit der<br />

Fête nationale, dem 14. Juli, an dem sich<br />

Frankreich des Sturmes auf die Bastille<br />

1789 und seiner republikanischen Tradition<br />

erinnert, so ist es in der Schweiz<br />

mit der „Bundesfeier“, dem 1. August,<br />

dem Tag der Erinnerung an den Rütlischwur<br />

von 1291. Geschichte als kommunalpolitisches<br />

Identifikations mittel<br />

erleben wir bei jedem Stadt jubi läum,<br />

dessen Anlass die runde Zahl der Wiederkehr<br />

der urkundlichen Erster -<br />

wähnung des Ortsnamens ist. Die deutschen<br />

Bundesländer hätten gern solche<br />

historischen Identifikationsmittel. Die<br />

meisten haben sie nicht, oder sie reichen<br />

– auch in Bayern – kaum vor das<br />

19. Jahr hundert zurück.<br />

Das ist anders in Österreich, wo die<br />

Erinnerung an die Urkunde Kaiser Ottos<br />

III. von 996, in der in althochdeutscher<br />

Form erstmals der Name „Österreich“<br />

erscheint, und die Erinnerung an die Babenbergerherzöge<br />

und ihr Privilegium<br />

minus von 1156 zur historischen Be -<br />

gründung österreichischer Eigenstaat -<br />

lichkeit gegenüber Deutschland beiträgt.<br />

In Österreich steht Erinnerungskultur<br />

unmittelbar <strong>im</strong> Dienst heutiger Politik.<br />

Deswegen leben Histo riker ganz gut und<br />

deshalb blüht das historische Aus stel -<br />

lungswesen in der Republik Österreich,<br />

die nach der Einwohnerzahl nicht<br />

größer ist als der Landesteil Westfalen in<br />

Nord rhein-West falen. Es gab auch die<br />

politische Erin nerungskultur der ehemaligen<br />

DDR. Hier wurden Martin Luther,<br />

die Refor mation und der Bauernkrieg<br />

von 1525 als „frühbürgerliche Revolution“<br />

bezeichnet, als Etappen der säkularisierten<br />

Heilsgeschichte des Marxismus-Leni<br />

nismus interpretiert und als<br />

„Erbe“ des sog. Arbeiter- und Bauernstaates<br />

in Anspruch genommen. Auch<br />

hier ging es um Traditionsstiftung aus<br />

Geschichte, hier <strong>im</strong> Sinne der sog. „Pro-<br />

gressiven Klassenlinie“ in der deutschen<br />

Ge schichte.<br />

Geschichte kann als Identifikations -<br />

mittel auch für Landesteile deutscher<br />

Bundesländer politisch nützlich sein –<br />

man denke an Franken in Bayern, an<br />

die Pfalz in Rheinland-Pfalz und selbstverständlich<br />

an Westfalen in Nordrhein-<br />

Westfalen, um von Lippe gar nicht erst<br />

zu reden. So kann es auch Erinne rungs -<br />

kultur <strong>im</strong> ehemaligen kurkölnischen<br />

Herzogtums Westfalen geben – oder<br />

besser: <strong>im</strong> kurkölnischen Sauer land,<br />

weil die kur köl nische Identität in den<br />

Hell wegstädten Werl oder Geseke, vom<br />

abtrünnigen Soest zu schweigen, fast<br />

gar nicht vorhanden ist. Es geht dann<br />

um die historische Untermauerung einer<br />

regionalen Identität einer gegenüber<br />

dem märkischen Sauerland kaum in<br />

geographischer, wohl aber in kultureller<br />

und vor allem in konfessioneller Hinsicht<br />

deutlich anders geprägten Region,<br />

die innerhalb Nordrhein-Westfalens<br />

eher periphär ist und sogar innerhalb<br />

des Re gierungs bezirks Arnsberg eher<br />

am Rande denn <strong>im</strong> Mittelpunkt steht.<br />

Zwar liegt der für den Regierungsbezirk<br />

Arns berg namengebende Verwaltungssitz<br />

<strong>im</strong> kurkölnischen Sauerland. Arnsberg<br />

ist die alte Hauptstadt des Herzogtums<br />

Westfalen. Doch ist die Legit<strong>im</strong>ität<br />

dieses Verwal tungssitzes nur historisch<br />

bedingt und nur durch Erinnerungskultur<br />

aufrechtzuerhalten.<br />

Historiker leben von dieser Erinne -<br />

rungskultur, wörtlich und <strong>im</strong> pekuniären<br />

Sinne. Aber sie stehen ihr oft kritisch gegenüber,<br />

weil die Wissenschaftlichkeit<br />

ihres Tuns und die Authentizität ihrer<br />

wissenschaftlichen Fragenstellungen unter<br />

den politischen Ansprüchen der Erin<br />

nerungskultur bisweilen leidet. Außer -<br />

dem ist Geschichte mehr als Erinne -<br />

rungskultur. Aber was ist sie denn?<br />

Die Kirche hat es bei der Antwort auf<br />

diese Frage leichter. Papst Benedikt<br />

XVI. schrieb <strong>im</strong> Frühjahr dieses Jahres,<br />

das zweite Vatikanische Konzil der Jahre<br />

1962 bis 1965 trage – bei allem Neuen,<br />

das es gebracht habe – „die ganze<br />

Lehr geschichte der Kirche in sich“. Und<br />

wenn Christen – katholische wie evangelische<br />

– <strong>im</strong> Apostolischen Glaubens -<br />

bekenntnis ihren Glauben an die „Kirche<br />

als Gemeinschaft der Heiligen“ bekennen,<br />

so meinen sie die Gemeinschaft<br />

aller Christen seit 2000 Jahren, also<br />

auch derer, die lange vor ihrer Zeit gelebt<br />

haben. Deshalb kommt kein Theologie<br />

student ohne Kirchengeschichte<br />

aus. Betriebswirtschaftlehre, Medizin<br />

oder Mathematik kann man studieren,<br />

ohne sich um Vergangenes zu kümmern.<br />

Jurastudenten nahmen die<br />

Rechtsge schichte zumeist nur als störendes<br />

Bei werk hin. Geschichtsstudenten<br />

haben es nur mit Vergangenem zu tun.<br />

Sie werden Spezialisten für das, was<br />

nicht mehr vorhanden ist. Aber Theologen<br />

haben sich – wenn die Theologie<br />

nicht <strong>im</strong> Prä sentistischen verkümmern<br />

soll – neben der Biblischen, der Systematischen<br />

und der Praktischen Theologie<br />

auch mit der Historischen Theologie<br />

zu befassen.<br />

So scheinbar einfach wie in der Kirche<br />

ist das sonst nicht. Und auch in der<br />

Kirche ist es tatsächlich viel komplizierter.<br />

Aber ich will jetzt keine weiteren<br />

Fragen mehr stellen, sondern zwei Ant -<br />

worten zu geben versuchen:<br />

Erste Antwort:<br />

Geschichte ist kollektives Gedächtnis.<br />

Ein Mensch, der kein Gedächtnis hat, ist<br />

psychisch krank und mit erheblichen Intelligenzdefekten<br />

behaftet. Er leidet unter<br />

einer an Idiotie grenzenden Form<br />

von erblichem, pränatal erworbenem,<br />

perinatal verursachtem oder postnatal<br />

entstandenem Schwachsinn. Ein<br />

Mensch, der sein früher aktives Gedächtnis<br />

verloren hat, ist dement. Er leidet<br />

unter einem altersbedingten Verfall<br />

seiner geistigen Fähigkeiten. Wir wissen,<br />

dass es viele solcher Schicksale<br />

gibt.<br />

Wenn ganze Gesellschaften, Völker<br />

oder Nationen kein Gedächtnis haben,<br />

so sind sie wie Alzhe<strong>im</strong>erkranke. Nur ist<br />

das dann kein pathologisch bedingter<br />

Verlust des Gedächtnisses, sondern bewusster<br />

Verzicht auf das Gedächtnis, bewusster<br />

Abschied von der Geschichte –<br />

und insofern auch pathologisch. Es gibt<br />

kein „Volk ohne Geschichte“, auch<br />

wenn der französische Staatspräsident<br />

Nicolas Sarkozy solches bei einem Be -<br />

such <strong>im</strong> Senegal 2007 mit dem Blick auf<br />

afrikanische Völker behauptete – zumindest<br />

wurde er mit seinen Worten<br />

„L’homme africaine n’est pas entré<br />

dans l’histoire“ so verstanden. Selbst aus


SAUERLAND NR. 4/2009 191<br />

pr<strong>im</strong>itiven Kulturen kennen wir Zeugnisse<br />

des Bewusstseins der eigenen Geschich<br />

te – in Gestalt von mündlich überlieferten<br />

Sagen oder Heldenliedern, die<br />

erst später schriftlich aufgezeichnet wurden.<br />

Aus unserem Bereich kann man<br />

das Nibe lungenlied nennen. Nur fragt<br />

sich, welche Kulturen tatsächlich die pr<strong>im</strong>itiven<br />

sind: Jene schriftlosen Völker,<br />

die sich ihrer Geschichte in Sagen oder<br />

Liedern vergewissern – oder wir, wenn<br />

wir unser kollektives Gedächtnis an<br />

Computer-Datenbanken delegieren und<br />

geschichtsvergessen nur in der Gegenwart<br />

leben?<br />

Gedächtnis haben, Geschichte haben,<br />

um Geschichte wissen, und dieses<br />

Wissen pflegen ist mehr und anderes als<br />

Nostalgie. Geschichte darf nicht als Erinnerungskultur<br />

vermarktet und als Identifikationsmittel<br />

missbraucht werden,<br />

obwohl Geschichte Identität stiftet. Gedächtnis<br />

haben ist zutiefst human. Und<br />

dieses Humanum muss auch – und vielleicht<br />

gerade auch – in der Region leben.<br />

Die Frage nach der Geschichte, nach<br />

der Vergangenheit des Ortes, an dem<br />

ich lebe – gleichgültig, ob ich dort geboren<br />

wurde und aufgewachsen bin oder<br />

nicht –, ist human. Es ist Verge -<br />

wisserung des Einzelnen über die historische<br />

Tiefend<strong>im</strong>ension des Ortes, an<br />

den das Leben ihn gestellt hat. Das hat<br />

nichts mit He<strong>im</strong>attümelei zu tun. Dieses<br />

Huma num unterdrücken, es nicht fördern<br />

zu wollen, wäre zutiefst inhuman –<br />

so inhuman wie das Verbot der Religion<br />

<strong>im</strong> Albanien Enver Hodschas. Denn der<br />

Mensch hat Geschichte, und er hat Religion<br />

in den verschiedensten Formen<br />

bis hin zu der Form, die er als Unglauben<br />

bezeichnet. Das unterscheidet ihn<br />

vom Tier. Mein Hund hat keine Religion,<br />

und er hat auch keine Geschichte.<br />

Er will nur sein Futter.<br />

Und dann – das ist die zweite Ant -<br />

wort – ist Geschichte ein Spiegel, der<br />

uns vorgehalten wird. In diesem Spiegel<br />

sehen wir uns als überhebliche Zwerge,<br />

die glauben, mit ihrer Aufklärung, mit<br />

ihrer Technik, mit ihren Hightech-Pro -<br />

dukten – so nützlich sie sind; auch ich sitze<br />

jeden Tag am Computer – die Welt<br />

beherrschen zu können. Dass wir das<br />

nicht können, zeigt sich in Naturkatas -<br />

trophen, nach denen die Boulevard -<br />

blätter die Theodizee-Frage stellen: „Wo<br />

Aus<br />

Ja, auch unsere Redaktionsmitglieder brauchen gelegentlich einen„Motiva -<br />

tions schub" - und den erhalten sie bei unseren alljährlichen Mitgliederversammlungen.<br />

Hier spüren sie, dass unsere He<strong>im</strong>atfreundinnen und He<strong>im</strong>atfreunde<br />

sich mit der Arbeit „unseres“ He<strong>im</strong>atbundes voll identifizieren, so wie<br />

diese Arbeit in den Beiträgen für unsere Zeitschrift ihren Niederschlag findet.<br />

Hans Wevering hat seinem Bericht über den Verlauf der Versammlung<br />

einige Photos beigefügt, auf dem sich viele Teilnehmer, wie wir den Telefonanrufen<br />

entnehmen konnten, zu ihrer Freude wiedergefunden haben.<br />

Was die Bebilderung unserer Zeitschrift angeht, so ist sie nach wie vor das<br />

Lieblingskind, aber manchmal auch das Sorgenkind der Redaktion. Einige Autoren<br />

möchten ihre Beiträge mit einer Vielzahl von Photos angereichert haben.<br />

Da bleibt nur, die Bilder auf Kleinformat schrumpfen zu lassen – was den<br />

Augen des Lesers nicht gut tut – oder aber das eine oder andere Photo wegzulassen<br />

- was den Autor bekümmert.<br />

Mancher wird es nicht glauben, aber zur Zeit ist auch Lyrik sehr gefragt. So<br />

haben die von unserem He<strong>im</strong>atfreund Prof. Dr. Hubertus Halbfas in der letzten<br />

Ausgabe unserer Zeitschrift vorgestellten Arbeiten der Literaturpreisträgerin<br />

Maria Sperling eine erfreuliche Resonanz gefunden.<br />

Man sieht an diesen Beispielen: in der Redaktionsarbeit ist <strong>im</strong>mer Bewegung.<br />

Dr. Adalbert Müllmann<br />

war Gott be<strong>im</strong> Tsunami?“ Nein! Die Frage<br />

ist falsch gestellt und muss richtig lauten:<br />

Wo waren wir mit unseren Fähigkeiten?<br />

Dasselbe zeigte sich auch in den<br />

Schockwellen der weltweiten Finanzund<br />

Wirtschaftskrise, die seit September<br />

2008 um den Globus gingen und von<br />

der manche uns jetzt weismachen wollen,<br />

dass sei bald alles wieder ausgestanden.<br />

Es ist nicht ausgestanden, weil das<br />

Verhalten – the human behavior – in vielen<br />

Vorstandsetagen ebenso wie in<br />

Shopping Malls unverändert ist: Hybris<br />

und Wahnwitz bei den einen – eine wirtschaftsnahe<br />

deutsche Tageszeitung<br />

sprach am 10. September von „Per ver -<br />

sion der Marktwirtschaft“ – und Kon su -<br />

mismus bei den anderen. Die „Boni“<br />

fließen ja schon wieder.<br />

Schaut man genau hin, so sind die<br />

Dinge eben doch nicht so ganz anders,<br />

die die Menschen <strong>im</strong> 15. oder <strong>im</strong> 17.<br />

Jahrhundert beschäftigten und die uns<br />

heute beschäftigen, die Hungerkrisen al-<br />

der Redaktion<br />

ter Art und die Konjunktur-, Wachstumsund<br />

Finanzkrisen von heute. Die Ge -<br />

schichte – gerade auch die Geschichte<br />

einer periphären, einer armen Region<br />

wie des kurkölnischen Sauerlandes,<br />

lehrt uns einige Dinge, die wir vergessen<br />

haben: Maßhalten, Nachhaltigkeit, sustainable<br />

development. Ich habe Papst<br />

Benedikt XVI. zitiert – ich kann auch<br />

Bundes kanzlerin Merkel zitieren. Sie<br />

sprach, als die jetzige Finanz- und Wirtschaftskrise<br />

Deutschland traf, von den<br />

Tugenden der schwäbischen Hausfrau.<br />

Dieselben Tu gen den fanden sich auch<br />

bei den Hausfrauen in den Dörfern,<br />

Städten und Freiheiten des kurkölnischen<br />

Herzog tums Westfalen. Schauen<br />

wir in die Geschichte. Mein Hund schaut<br />

nur aufs Fressen. Ich sorge für sein Futter.<br />

Aber wir sind keine Hunde. Herzlichen<br />

Dank!<br />

* Professor der Neueren Geschichte und der Katho -<br />

l i schen Theologie <strong>im</strong> Fach Mittlere und Neuere<br />

Kir chengeschichte an den Universitäten Köln und<br />

Fribourg (Schweiz)


192 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

Und die Geschichte bewegt uns doch –<br />

Eröffnungsfeierlichkeiten zur Sonderausstellung<br />

„Kurfürst, Adel, Bürger” anlässlich der Sonderausstellung des Sauerland-Museums am 25. Oktober 2009<br />

von Kathrin Ueberholz<br />

Die eintrudelnden Anmeldungskarten<br />

zur Ausstellungseröffnung kündigten das<br />

rege Interesse an der Sonderausstellung<br />

des Sauerland-Museums bereits an und<br />

so war es nicht verwunderlich, dass mit<br />

rund 400 Gästen das Sauerland-Theater<br />

gut gefüllt war. Auf Grund der beengten<br />

räumlichen Verhältnisse wich man für<br />

die Festreden und Grußworte ins Sauer -<br />

land-Theater aus.<br />

Geschichtsinteressierte von Nah und<br />

Fern, ob wissensdurstige Laienforscher,<br />

die Autoren des zweibändigen Buchpro -<br />

jektes „Das kurkölnische Herzogtum<br />

Westfalen“, He<strong>im</strong>atpfleger und He<strong>im</strong>at -<br />

freunde, sie alle waren zusammengekommen,<br />

um den zahlreichen Begrü -<br />

ßungsworten der Schirmherren und der<br />

„ideellen Geburtshelfer“ sowie dem Festvortrag<br />

von Prof. Dr. Dr. Harm Klueting<br />

zu lauschen.<br />

Musikalisch eingebettet wurden die<br />

Redebeiträge durch das Kammer -<br />

orchester Olsberg der Musikschule<br />

Hoch sauerlandkreis unter der Leitung<br />

von Georg Scheuerlein. Die ausgewählten<br />

Musik- und Tanzmusikstücke des<br />

18., 20. und 21. Jahrhunderts bildeten<br />

eine musische Parallele zum Aus -<br />

stellungsthema „Kurfürst, Adel, Bürger“<br />

und ließen sowohl einen Ausblick in die<br />

höfische und bürgerliche als auch in die<br />

populäre filmische Klangwelt zu.<br />

Der Landrat des Hochsauerland -<br />

kreises, Dr. Karl Schneider, eröffnete<br />

den Rednerreigen, indem er auf die noch<br />

heute zu findenden kurkölnischen Spuren<br />

und Traditionen <strong>im</strong> ehemals kurkölnischen<br />

Herzogtum Westfalen verwies.<br />

Mit einem Dank an die zahlreichen Leihgeber,<br />

an die Sponsoren und die helfenden<br />

Hände endeten seine Grußworte.<br />

Als nächstes sprach Karl Peter Brendel,<br />

Staatssekretär <strong>im</strong> Innenmi ni s terium<br />

des Landes Nordrhein-West falen, seine<br />

Grußworte. In Vertretung des Ministerpräsidenten<br />

Dr. Jürgen Rütt gers dankte<br />

er dem <strong>Sauerländer</strong> Hei matbund, sowohl<br />

diese Sonderaus stel lung <strong>im</strong> Sauerland-Museum<br />

als auch das zweibändige<br />

Buchprojekt unter der Leitung des Westfalen-Kenners<br />

Prof. Dr. Dr. Harm Klueting<br />

initiiert und gefördert zu haben. Er<br />

bezeichnete beide Projekte als wichtigen<br />

Beitrag für das he<strong>im</strong>atbezogene Geschichtsbewusstsein<br />

und Selbstver -<br />

ständnis. Abschließend übermittelte er<br />

den Wunsch des Innen ministeriums, dass<br />

sowohl die rheinische als auch die westfälische<br />

Geschichtsschreibung in einer<br />

nordrheinwestfälischen Geschichts -<br />

schreibung aufgehen mögen.<br />

Der Direktor des Landschafts ver -<br />

bandes Westfalen-Lippe, Dr. Wolfgang<br />

Kirsch, griff diesen Punkt auf und betonte,<br />

dass die Geschichte des Herzogtums<br />

Westfalen aufs engste mit der Geschichte<br />

des übrigen Westfalen verbunden und<br />

deshalb ebenfalls für Nicht-<strong>Sauerländer</strong><br />

interessant sei. Der Landschaftsverband<br />

Westfalen-Lippe verstehe sich, so<br />

Kirsch, als westfälische Klammer, der<br />

über seine Satzungen hinaus Projekte<br />

wie diese unterstütze, sei es pekuniärer<br />

Art oder wie bei dieser Ausstellung durch<br />

das Ausleihen von Exponaten aus dem<br />

LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte<br />

in Münster.<br />

Der Vorsitzende des <strong>Sauerländer</strong> He<strong>im</strong>atbundes,<br />

Dieter Wurm, hob hervor,<br />

dass mit der zweibändigen Pub likation<br />

des Herausgebers Prof. Dr. Dr. Klueting<br />

ein lang ersehnter Wunsch endlich in Erfüllung<br />

ginge, die historische Landschaft<br />

des Herzogtums Westfalen in einem wissenschaftlichen<br />

Handbuch aufzuarbeiten.<br />

Der seit September käuflich zu<br />

erwerbende erste Band diente mit kleinen<br />

Einschränkungen als Grundlage sowohl<br />

für die Konzeption der Son derausstellung<br />

in Arnsberg und als auch für<br />

den reich bebilderten Ausstel lungs -<br />

katalog des Sauerland-Museums. Ab -<br />

schließend äußerte Dieter Wurm den<br />

Wunsch, dass durch den Besuch der Ausstellung<br />

die regionale Identität des kurkölnischen<br />

Sauerlandes vermittelt werde.<br />

Mit der Fragestellung „Was geht uns<br />

<strong>im</strong> Zeitalter der Globalisierung die Geschichte<br />

einer Region wie die des kölnischen<br />

Herzogtums Westfalen an?“<br />

schloss sich der Festvortrag von Prof. Dr.<br />

theol. Dr. phil. Harm Klueting an.<br />

Mit Hilfe der Skizzierung eines Art<br />

„geschichtlichen Zeitraffers“ verdeutlichte<br />

Harm Klueting die veränderte politische,<br />

soziale, ökologische und ökonomische<br />

Situation des ehemals kurkölnischen<br />

Herzogtums Westfalen. Kritisch<br />

fragte er das Auditorium, ob die wissenschaftliche<br />

Aufarbeitung dieser komplett<br />

andersartigen vergangenen Epoche nur<br />

aus einer bloßen He<strong>im</strong>atliebe resultiere.<br />

Warum Gelder aus den verschiedensten<br />

Quellen für ein solches Forschungs -<br />

projekt und eine Ausstellung ausgegeben<br />

werden, obwohl dieser Landstrich heutzutage<br />

nurmehr als idyllische Provinz<br />

wahrgenommen werde, die seine einstige<br />

politisch-historische Bedeutung verloren<br />

habe? Provokant hinterfragte er die<br />

Unterstützung der lokalen Geschichts -<br />

forschung als mögliche Angst vor einem<br />

Banausentum. Oder wird hier Ge schich -<br />

te missbraucht, um ein positives Image<br />

sowohl für Konzerne, lokale Firmen, politische<br />

Verbände oder Privatpersonen zu<br />

gewinnen?<br />

Harm Klueting fragte weiter, ob die<br />

Motivation aus einer Art Nostalgie heraus<br />

Die musikalische Umrahmung besorgte das<br />

Kammerorchester Olsberg der Musikschule des <strong>Hochsauerlandkreis</strong>es<br />

unter Leitung von Georg Scheuerlein


SAUERLAND NR. 4/2009 193<br />

resultiere, die, wie bei mittelalterlichen<br />

Ritterspielen auf vermeintlich his -<br />

torischen Märkten, ins Infantile abzurutschen<br />

drohe. Wird Geschichte zur<br />

bloßen „Erinnerungspolitik oder Erinne -<br />

rungs kultur“ verunstaltet, die sich politisch<br />

ausschlachten lässt, so eine weitere<br />

rhetorische Frage von ihm.<br />

Seine durchaus provokanten An -<br />

fragen endeten jedoch in der Bestär -<br />

kung, Geschichte sei wichtig für das Jetzt<br />

und Hier. Die Geschichte, so Klueting,<br />

lebe <strong>im</strong> kollektiven Gedächtnis weiter<br />

und bilde das kulturelle Gedächtnis, ohne<br />

dass die Menschheit krank oder gar<br />

zum Schwachsinn neigen würde. Das<br />

nur in der Gegenwart geführte Leben<br />

wäre eind<strong>im</strong>ensional und zum Scheitern<br />

verurteilt. Das Humane bedeute, Geschichte<br />

zu haben. Die Frage nach der<br />

Historie sei eine humane Verge -<br />

Eine gut besuchte Eröffnungsveranstaltung <strong>im</strong> Sauerlandttheater<br />

Grußworte sprachen Landrat Dr. Karl Schneider,<br />

Karl Peter Brendel, Staatssekretär <strong>im</strong> Innnenministerium des Landes NRW,<br />

Dr. Wolfgang Kirsch, Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe und<br />

Dieter Wurm, Vorsitzender des <strong>Sauerländer</strong> He<strong>im</strong>atbundes<br />

wisserung des Einzel nen an dem Ort, an<br />

dem er lebe. Gerade das Menschliche<br />

zeichne sich dadurch aus, dass man eine<br />

Historie habe und eine wie auch <strong>im</strong>mer<br />

geartete Religion lebe.<br />

Mit Hilfe der Geschichtsschreibung<br />

wird dem Mensch gleichfalls ein Spiegel<br />

vorgehalten, so Klueting, der uns zeige,<br />

welch überhebliche Zwerge wir sind,<br />

trotz unseres Fortschritts und unserer<br />

Technik.<br />

Nach Abschluss dieser feierlichen<br />

Grußworte und der Festrede folgte der<br />

Rundgang durch die Räumlichkeiten des<br />

Sauerland-Museums. Die dort präsentierten<br />

wertvollen geschichtlichen und<br />

kunstgeschichtlichen Exponate legen<br />

wahrlich ein beeindruckendes Zeugnis<br />

dieses historischen Raums und seiner<br />

Geschichte ab.<br />

Fotos: Hans Wevering<br />

Mitarbeiter dieser Ausgabe:<br />

Peter Bürger, Eslohe<br />

Prof. Dr. Hubertus Halbfas, Drolshagen<br />

Friedhelm Sommer, Rüthen<br />

Gerhard Brocke, Dreislar<br />

Dr. Theo Böneman, Menden<br />

Prof. Dr. Dr. Harm Klueting, Köln und<br />

Friebourg (Schweiz)<br />

Dr. Adalbert Müllmann, Brilon<br />

Kathrin Ueberholz, Arnsberg<br />

Anton Lübke, Allendorf<br />

P. Michael Overmann, SDS<br />

Dr. Dr. Wolfgang Bürsgens, Arnsberg<br />

Prof. Dr. W. Reininghaus, Düsseldorf<br />

Thomas Weber und Franz Rosenkranz,<br />

Winterberg<br />

Wolfgang Frank, Arnsberg<br />

Martin Vorberg, Kirchhundem<br />

Norbert Föckeler, Brilon<br />

Dr. Erika Richter, Meschede


194 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

Seltener Stationsweg „7-Schmerzen-Mariens" in Allendorf restauriert<br />

Es dürfte <strong>im</strong> kurkölnischen Sauerland<br />

wohl einmalig sein, dass in einer Ge -<br />

meinde zwei unterschiedliche Stations -<br />

wege angelegt sind. In Allendorf gibt es<br />

neben 14 neugotischen Stationen des<br />

Kreuzweges seit 1896 auch den seltenen<br />

Stationsweg von den „7-Schmerzen<br />

Mariens“.<br />

Die sieben Stationen wurden jetzt<br />

vom örtlichen Malermeister Friedhelm<br />

Freiburg aufwendig und „für Gottes<br />

Lohn“ kunstvoll restauriert. Bildlich dargestellt<br />

an den Stationen sind<br />

• Die Darstellung Jesu <strong>im</strong> Tempel mit<br />

der Weissagung des S<strong>im</strong>eon.<br />

• Die Flucht nach Ägypten.<br />

• Verlust des zwölfjährigen Jesu <strong>im</strong><br />

Tempel.<br />

• Begegnung zwischen Jesus und<br />

seiner Mutter am Kreuzweg.<br />

• Kreuzigung Jesu.<br />

• Kreuzabnahme und Übergabe des<br />

Leichnam am Maria (Pieta).<br />

• Grablegung Jesu.<br />

Den Abschluss des an der Pletten -<br />

berger Straße beginnenden Stationswe -<br />

ges bildet heute die Kapelle „Zum neuen<br />

Brünneken“, am Waldrand mit der<br />

Darstellung Marias als Identifikations -<br />

figur für alle Trauernden und Leidenden.<br />

Neben der Kapelle wurde 2006 – ebenfalls<br />

vom Malermeister Freiburg – ein<br />

neues Kreuz mit Corpus aufgestellt.<br />

Der Stationweg mit einer Länge von<br />

ca. 1,5 Kilometern verläuft auf geteertem<br />

Weg stetig leicht bergan und ist für<br />

Jedermann gut zu gehen. Er ist Be -<br />

standteil des „Olper Pilgerweges“ nach<br />

Werl sowie des „Allendorfer Geschichts -<br />

wanderweges“, der sich seit 2002 als<br />

Themenwanderweg mit 18 Kilometern<br />

Länge und mit 16 Stationen zu Allen -<br />

dorfs Geschichte bei vielen Wanderern<br />

von Anton Lübke<br />

großer Beliebtheit erfreut. Auch die<br />

Wanderer des neuen Premium wan -<br />

derweges „Sauerland Höhenflug“ passieren<br />

ein Stück des Stationsweges.<br />

Die Katholische Frauengemeinschaft<br />

betet diesen Stationsweg jährlich am<br />

15. September, dem Gedenktag an die<br />

Schmerzen Mariens. Ebenfalls wird jährlich<br />

am Sonntag nach Mariä H<strong>im</strong> -<br />

melfahrt an der Kapelle ein gemeinsamer<br />

Gottesdienst der Kirchengemeinden<br />

Allendorf und Hagen mit der Weihe<br />

der Krautpacken gefeiert.<br />

Trotz intensiver Recherchen ist mir<br />

bisher ein weiterer Stationsweg<br />

„7-Schmerzen-Mariens“ <strong>im</strong> Sauerland<br />

nur auf dem Weg zur Wallfahrtskirche<br />

„Kohl hagen“ (Lennestadt) bekannt. Es<br />

wäre schön, wenn die Leser von SAUER-<br />

LAND mich über eventuelle weitere<br />

Stationswege informieren würden.<br />

Meine Mailanschrift: anton-luebke@spk-mk.de


SAUERLAND NR. 4/2009 195<br />

Du armer Stall, wie bist du reich,<br />

nicht Königshallen sind dir gleich.<br />

Du birgst in deinem Strohgevelt<br />

den Herrn der H<strong>im</strong>mel und der Welt.<br />

Ihr Pforten von vermorschtem Holz<br />

geht über Marmor blank und stolz,<br />

da ihr in eurer Mitte hegt,<br />

den, der des H<strong>im</strong>mels Säulen trägt.<br />

Kein Fürstentor von Gold und Stahl<br />

gleicht dir, du Türlein schlicht und schmal:<br />

Der Stall von Bethlehem<br />

Du führest ja zu ihm hinein,<br />

durch den wir gehn zum H<strong>im</strong>mel ein.<br />

Kein Fürst, kein König Salomon<br />

hat also hocherhobenen Thron,<br />

wie du armselig Kripplein bist:<br />

Du trägst den Herrscher Jesu Christ.<br />

Ein Tempel ward der Stall fürwahr,<br />

das Kripplein ist der Hochaltar,<br />

Priester sind die Engel da<br />

und singen laut das Gloria.<br />

Foto: Georg Henneke<br />

(Friedrich-Wilhelm Gr<strong>im</strong>me 1827–1887). Schriftsteller aus Assinghausen, Aus „Die Sunderner He<strong>im</strong>at-Krippe“.


196 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

„... und dass du so bist, wie du bist – ist, was uns fröhlich macht.“<br />

Pater Manfred Ruhrmann zum 100. Geburtstag<br />

GEDANKEN GOTTES<br />

SIND DIE MENSCHEN<br />

Gedanken Gottes sind die Menschen,<br />

und wie Dich einst der Herr gedacht,<br />

hat er mit Mutterglück begnadet,<br />

die dich ins Leben hat gebracht.<br />

Es war vor vielen, vielen Jahren,<br />

da kamst Du her in diese Welt,<br />

so klein und bis doch so gewachsen<br />

wie’s Hälmlein wächst <strong>im</strong> Ährenfeld<br />

Der Beginn eines Gedichtes, das<br />

Freunde P. Manfred Ruhrmann SDS<br />

1986 anlässlich eines Jubiläums widmeten,<br />

bezieht sich wiederum auf den Beginn<br />

seines Lebens. Als zweites von<br />

10 Kindern einer Arbeiterfamilie wurde<br />

er am 6. Februar 1910 in Stockum<br />

(Stadt Sundern) geboren und gleich am<br />

folgenden Tag auf den Namen Johannes<br />

in der Kirche St. Pankratius getauft.<br />

Der Anlass dieses Beitrags liegt also auf<br />

der Hand: Johannes Ruhrmann wäre<br />

am 6. Februar des kommenden Jahres<br />

100 Jahre alt geworden, und dieser Ge -<br />

burtstag des späteren Ordensmannes<br />

fällt damit in die Feier „700 Jahre Sundern<br />

– Freiheit und Kirche“. Der Beitrag<br />

selber ist aber ein Gedenken, denn der<br />

Ordensmann P. Manfred Ruhr mann<br />

verstarb in seiner He<strong>im</strong>atstadt am<br />

22. Oktober 1995 an den Folgen eines<br />

Sturzes. Dieses Gedenken aber dürfte<br />

durchaus von Interesse sein, ist doch<br />

P. Ruhrmann mit seinen Gedichten über<br />

die Grenzen seiner He<strong>im</strong>at hinaus bekannt<br />

und geschätzt worden.<br />

Johannes Ruhrmann wurde am<br />

1. April 1916 mit gerade 6 Jahren in die<br />

Sunderner Volksschule eingeschult und<br />

empfing 1920 die erste Hl. Kom -<br />

munion. Mit fünf Klassenkameraden<br />

wechselte er nach sechs Volksschul -<br />

klassen an das ‚Deutsche Auslands -<br />

gymnasium‘ in Lochau am Bodensee.<br />

1923 wurde er dort gefirmt; 1930 erhielt<br />

er dort sein Reifezeugnis. Am<br />

6. Juni 1930 formulierte er sein Aufnahme<br />

gesuch an die Ordens ge mein -<br />

schaft der Salvatorianer. – Diese dürfte<br />

in Sundern wohl bis heute nicht un -<br />

bekannt sein, gingen doch insgesamt<br />

38 Salvatori anerinnen und 13 Salvatorianer<br />

aus Sundern hervor; Johannes<br />

Ruhrmann war also einer von ihnen. –<br />

Er wurde aufgenommen, begann als<br />

Frater Manfred am 11. September<br />

1930 in Heinzendorf (Oberschlesien)<br />

sein Noviziat und nahm nach der ersten<br />

Ablegung seiner Ordens gelübde daselbst<br />

das Philosophiestudium auf. An<br />

der Hochschule in Passau setzte er dann<br />

das Theologiestudium fort. Nach der<br />

ewigen Profess und dem Studien -<br />

abschluss empfing er zunächst die Diakonatsweihe<br />

und am 29. Juni 1936 in<br />

Passau die Priester weihe.<br />

Dir wurde lieb die Stätte seines Hauses,<br />

der Ort, da seine Ehre wohnt,<br />

und dientest ihm beglückten Herzens,<br />

der unsre Liebe unsäglich lohnt.<br />

Und aus dem Kinde ward ein Priester,<br />

ein Bote Gottes, dem aus Gnad<br />

von Gott gegeben Kraft und Wirken<br />

auf seines Lebens buntem Pfad.<br />

Er gab Dir Glauben, Hoffnung, Liebe,<br />

von denen der Apostel sagt,<br />

dass Tod und Teufel kann bezwingen,<br />

wer es mit diesen dreien wagt.<br />

Nach der Ausbildung und Priester -<br />

weihe wurde er zunächst als Lehrer für<br />

Deutsch, Geschichte und Kunstge -<br />

schichte am Gymnasium der Salvato -<br />

rianer in Steinfeld eingesetzt. P. Manfred<br />

entdeckte aber mehr und mehr seine<br />

Liebe zum geschriebenen und gespielten<br />

Wort; so entstanden erste Gedichte<br />

und Gedichtswerke und so leitete<br />

er mit großem Engagement das Schüler-<br />

Theater in Steinfeld. Die Nationalsozialisten<br />

schlossen 1940/41 das Gymnasium,<br />

verfügten am 4. Juni 1941 gegen<br />

P. Ruhr mann ein Schreibverbot und zogen<br />

ihn zur Wehrmacht ein. Er erlitt den<br />

Krieg als Sanitäter unter den Soldaten<br />

und kam schließlich in amerikanische<br />

Kriegs gefangenschaft, von der wir wissen,<br />

dass er als ‚Lagergeistlicher’ für Gefangene<br />

und Soldaten die Hl. Messe feierte.<br />

Nach seiner Befreiung brachte er<br />

Anfang 1947 den ‚Deutschen Totentanz‘<br />

auf die Bühne, gerade <strong>im</strong> Blick auf den<br />

Krieg – als Mahnung und Warnung.<br />

Das weitere Leben von P. Manfred<br />

Ruhrmann hatte vier Wirkstätten, in denen<br />

er <strong>im</strong>mer, wenn auch in unterschiedlicher<br />

Intensität die Schriftstellerei<br />

mit der Seelsorge verband.<br />

• Von 1946–53 war er Aushilfs -<br />

seelsorger und Leiter des Schüler -<br />

theaters in Steinfeld, publizierte erste<br />

von P. Michael Overmann SDS<br />

Gedichte und Gedichtbände und organisierte<br />

mehrere Lieder- und Rezitations -<br />

abende.<br />

• Von 1954–65 war er Gemeinde -<br />

seelsorger der Pfarrgemeinde St. Antonius<br />

in Hagen-Kabel, schrieb und veröffentlichte<br />

aber weiterhin.<br />

• Von 1966–90 war er krankheitsbedingt<br />

Mitarbeiter in der Saarburger Wallfahrtsseelsorge,<br />

wurde aber des Denkens<br />

und Dichtens nicht müde. Nachdem<br />

sein Augenlicht durch eine Operation<br />

stark beeinträchtigt worden war,<br />

nannte er den Beichtstuhl und den<br />

Schreibtisch ‚seine Domäne‘. Hervor -<br />

heben möchte ich, dass P. Manfred<br />

1982/83 einen italienischen Litera -<br />

turpreis erhielt und in der Laudatio als<br />

‚stiller, unbequemer Mahner und gütiger<br />

Verfechter des Guten‘ beschrieben<br />

wwurde.<br />

• Aufgrund der Aufhebung der Or -<br />

dens niederlassung in Saarburg 1990<br />

und nach Absprache mit seinem Provinzial<br />

verbrachte P. Ruhrmann seinen<br />

Lebensabend in dem Altenhe<strong>im</strong> St.<br />

Franziskus <strong>im</strong> he<strong>im</strong>atlichen Sundern, in<br />

welchem er den Altersgenossen je nach<br />

seinen Möglichkeiten betreute und mit<br />

ihnen die Hl. Messe feierte und in welchem<br />

er 1995 starb.<br />

Eine Dokumentation seines Lebens -<br />

werkes wurde 2007 fertig und <strong>im</strong> Dezember<br />

des Jahres in der Stadt bücherei<br />

Sundern vorgestellt. Es konnten weit<br />

über 400 Gedichte entdeckt und festgehalten<br />

werden; damit ist die Sammlung<br />

sicher nicht vollständig, aber dennoch<br />

wichtig. Bei der Buchprä sentation <strong>im</strong><br />

Dezember 2007 in Sun dern erinnerte<br />

sich Friedel Kaiser an das Jahr 1942:<br />

P. Ruhrmann hielt „in der St.-Johannes-<br />

Kirche eine Predigt, in der er formulierte:<br />

‚Es sind aus den Amts stuben und<br />

Schulen die Kreuze entfernt worden und<br />

in Russland feiern wir Kreuzerhöhung.‘<br />

Damals war die Be troffenheit groß,<br />

denn viele dachten: ‚Wenn das der<br />

Falsche gehört hat, landete der Pater <strong>im</strong><br />

KZ.‘ Glücklicherweise geschah das jedoch<br />

nicht.“ Wir dürfen daraus folgern:<br />

P. Manfred rief in seinen Gedichten zur<br />

Konzentration auf das Wesentliche auf,<br />

was für ihn ohne jede Frage Gott war;<br />

darin war er konsequent, vielleicht sogar<br />

mutig, jedenfalls verlässlich.


SAUERLAND NR. 4/2009 197<br />

Das Wunder ohnegleichen<br />

Ob wir es je verstehen,<br />

was damals ist geschehen,<br />

als Gott den Gottessohn<br />

in Armut, wie zum Hohn,<br />

auf dieser Seiner Erden<br />

ein Menschenkind ließ werden?<br />

Es gibt kein Maß zu messen,<br />

kein Wissen, zu vergessen<br />

die Kindgeburt des Herrn,<br />

auch wenn kein Wunderstern<br />

vom Wunder ohnegleichen<br />

mehr zeugt als Gottes Zeichen.<br />

Wir sollten nichts als staunen<br />

und mit den Hirten raunen:<br />

O Kindlein, bist du arm;<br />

doch lass Dich von uns warm<br />

in unsern Atem hüllen<br />

gleich Ochs und Eselfüllen!<br />

Dann ziemt uns nur noch schweigen<br />

und unser Haupt zu neigen,<br />

Dir, Mutter – Magd Marie,<br />

und Deinem Kind die Knie,<br />

weil nie wir ganz verstehen<br />

das Wunder, uns geschehen.<br />

Gedicht von Pater Ruhrmann<br />

Anlässlich des großen Jubiläums der<br />

Stadt Sundern sollten wir besonders auch<br />

jener Gedenken, die unseren christlichen<br />

Glaubens- und Lebensweg begleitet und<br />

geprägt haben, damit auch wir wiederum<br />

eine solche Chance unseren Kindern und<br />

Jugendlichen geben können. Nur wenn<br />

Generationen weitergeben, was sie selbst<br />

erfahren haben, können wir Geschichte<br />

schreiben und Jubiläen feiern. P. Manfred<br />

Ruhrmann hat seinen Beitrag geleis -<br />

tet, auf lyrische Weise.<br />

Entsprechend passt auch das oben<br />

begonnene Gedicht mit seinem Schluss:<br />

Sie (die Freunde)<br />

danken Dir herzinniglich,<br />

dass er (Gott) Dich einst erdacht,<br />

und dass Du so bist, wie du bist –<br />

ist, was uns fröhlich macht.<br />

Friedensgruß<br />

und<br />

Schweinegrippe<br />

Der plattdeutsche Gottesdienst bildet alljährlich den eindrucksvollen Abschluss<br />

unserer Mitgliederversammlung. In diesem Jahr wurde der Gottesdienst<br />

von un serem He<strong>im</strong>atfreund Konrad Schmidt – genauer: Msgr. Prof.<br />

Dr. Konrad Schmidt – gehalten, bekanntlich seit vielen Jahren Rektor der<br />

Landvolkshoch schule in Hardehausen.<br />

Am Schluss der Feier ist es üblich, dass der Priester in Verbindung mit<br />

dem Friedensgebet die Gläubigen auffordert, einander „ein Zeichen des<br />

Friedens und der Versöhnung“ zu geben. Das bedeutet, dass man sich dem<br />

Banknachbarn zu wendet und ihm die Hand reicht.<br />

Wegen der zur Zeit grassierenden sog. Schweinegrippe vermeiden<br />

manche Zeit genossen körperliche Berührungen, um sich nicht anzustecken.<br />

Das war für un seren Monsignore Anlass, in schönstem <strong>Sauerländer</strong><br />

Platt – mit einem Augen zwinkern – den Gläubigen anhe<strong>im</strong> zu geben,<br />

auf den Händedruck zu verzichten und sich mit einem kleinen Lächeln gegenüber<br />

den Banknachbarn zu begnügen.<br />

Da ging ein fröhliches Geraune durch den weiten Raum, wie es die ehrwürdige<br />

Kirche St. Nikolaus in Olsberg wohl noch nicht erlebt hatte. Auf<br />

Hochdeutsch hätte man das wohl nicht so schön sagen können. Übrigens:<br />

die meisten Gläubi gen sah man dann doch die Hand des Nachbarn schütteln<br />

und ihn dabei beson ders freundlich anlächeln. Dr. A.M.


198 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

Laudatio Herbert Somplatzki<br />

Am 27. Juni 2009 verlieh die Chris -<br />

tine-Koch-Gesellschaft auf dem<br />

Möhnesee den „Edel-Rabe-Literaturpreis“<br />

an unseren kulturpolitisch<br />

sehr aktiven He<strong>im</strong>at freund Herbert<br />

Somplatzki und Maria Sperling.<br />

Über die Ver leihung des Preises an<br />

Maria Sperling haben wir in der<br />

letzten Ausgabe berichtet.<br />

Nachstehend ein Auszug aus der<br />

Laudatio von Dr. Dr. Wolfgang<br />

Bürsgens zu dem Werk von Herbert<br />

Somplatzki:<br />

LIEBER, VEREHRTER<br />

HERBERT SOMPLATZKI!<br />

Gestatten Sie Ihrem Laudator ein Be -<br />

kenntnis vorweg: Ihm ging das Herz auf, als<br />

er in Ihrem halbbiographischen Roman<br />

„Muskelschrott“ (1974) ganz unverhofft auf<br />

ein Wort stieß, das er ungefähr 30 Jahre<br />

nicht mehr gehört und gelesen hatte – ein<br />

Wort, so vertraut wie schreckensvoll: das<br />

Wort „Köpper“! – „Köpper“ ist zwar auch<br />

<strong>im</strong> hiesigen Westfalen bekannt, aber zu -<br />

hause ist es für Sie ebenso wie für mich eigentlich<br />

<strong>im</strong> Ruhrgebiet (wo ich geboren<br />

bin).<br />

„Köpper“ war nicht irgendein Wort, o<br />

nein, „Köpper“ war eine ritualartige, heilige<br />

Handlung. „Köpper“ – das war der tollkühne<br />

Kopfsprung aus 3, besser: aus<br />

5 oder gar 10 Metern Höhe vom Sprungbrett<br />

des Freibades oder – wie in „Muskelschrott“<br />

– von der hochaufragenden Kanalbrücke.<br />

Seine erfolgreiche Absolvierung<br />

trug einem die grenzenlose Bewunderung<br />

der Zuschauer ein. Praktiziert wurde der<br />

„Ritual-Köpper“ vornehmlich in den Sommermonaten,<br />

in den brüllend heißen<br />

„Hundstagen“, wenn sich über dem „Revier“<br />

(wie das Ruhrgebiet ja eigentlich heißt)<br />

die berüchtigte Glocke aus Hitze und Dunst<br />

wölbte.<br />

Da saß ich nun, vertieft in die Lektüre<br />

von „Muskelschrott“, und sah mich versetzt<br />

unter all die jugendlichen Rauhbeine, die<br />

den Roman bevölkern, sozusagen auf<br />

Tuchfühlung mit dem Gerd, dem Josef,<br />

dem „Bulle“ und dem Horst, dem so übel<br />

mitgespielt wird auf diesen Seiten. Sie alle<br />

kamen mir irgendwie vertraut vor. „Tausch’<br />

nur die Namen aus“, durfte ich mir sagen,<br />

„und sie kommen alle wieder – die einstigen<br />

Gefährten“. Kurzum, die „Köpper“-Einlage<br />

war für mich, den „Muskelschrott“-Leser,<br />

eine Art „Initialzündung“ und hatte mich<br />

neugierig gemacht auf Ihr Werk und Ihr Leben.<br />

Ärgerlich war seinerzeit nur die dürftige,<br />

eigentlich völlig unzureichende Fünf-<br />

Zeilen Auskunft zu Ihrer Person auf dem<br />

Vorsatzblatt.<br />

Inzwischen bin ich aber etwas schlauer<br />

geworden, allerdings um den Preis, dass<br />

mir Hören und Sehen vergangen ist. angesichts<br />

des Facettenreichtums Ihres literarischen<br />

Schaffens, zu schweigen von der<br />

Vielzahl Ihrer Auszeichnungen und kulturpolitischen<br />

Aktivitäten.<br />

Zunächst einige Fakten<br />

zu Ihrer „Vita“<br />

Geboren sind Sie 1934 in Groß Piwnitz<br />

[dem heutigen Piwnice], Landkreis Ortelsburg<br />

in Ostpreußen, genauer gesagt in<br />

Masuren.<br />

Masuren ist das Land der (wie’s <strong>im</strong> „Ostpreußenlied“<br />

ja heißt) „dunklen Wälder und<br />

kristallnen Seen“. In Ihren Kindheits- und<br />

Jugendtagen war es aber auch das Land einer<br />

kargen, bäuerlichen Kultur. Masuren<br />

war zudem das Land mit einer wechselvollen,<br />

für Deutsche und Polen gleichermaßen<br />

bitteren Geschichte. All dies hat Sie geprägt<br />

– nicht bloß <strong>im</strong> trivialen Sinne (weil ja<br />

alle Herkunft irgendwie „prägend“ ist!),<br />

sondern dahingehend, dass Sie Ihre Herkunft<br />

als Vermächtnis erfahren haben.<br />

Mir scheint, dass Sie aus diesem Grund<br />

der Schilderung Ihrer Geburt einen gewissen<br />

Symbolwert zuerkannten. Ich darf aus<br />

der „Masurischen Gnadenhochzeit“ (2003;<br />

117) zitieren:<br />

Es war zehn Tage vor dem Weihnachtsfest<br />

des Jahres 1934, als man<br />

plötzlich Großvater Martin [mütterlicherseits]<br />

<strong>im</strong> Krankenwagen [...]<br />

nach Groß Piwnitz<br />

brachte. Er hatte<br />

unterwegs einen<br />

Schlaganfall erlitten,<br />

der ihn teilweise<br />

lähmte. Meine<br />

Mutter, hochschwanger,<br />

war einemNervenzusammenbruch<br />

sehr<br />

nahe. Sie weinte<br />

ohne Unterlass.<br />

Am drittenTag<br />

hielt ich diesen<br />

Stress-Orkan nicht<br />

mehr aus und kam<br />

schreiend zur<br />

Welt. [...] Zwischen<br />

drei und vier Uhr<br />

von Dr. Dr. Wolfgang Bürsgens<br />

am Morgen des 19. Dezember 1934<br />

erblickte ich zum ersten Mal das gedämpfte<br />

Winterlicht einer masurischen<br />

Nacht; ich war geboren und<br />

schrie ohne Unterlass, bei Tag und bei<br />

Nacht – es gab keine Möglichkeit,<br />

mich zu beruhigen. Selbst als mir Mutter<br />

in ihrer Hilflosigkeit meine Fußsohlen<br />

an die wunderbare Wärme des<br />

Kachelofens legte, weil sie glaubte,<br />

meine Füßchen seien zu kalt, schrie<br />

ich weiter. Mich hatte die große Angst<br />

meiner Mutter um ihren Vater vorzeitig<br />

auf diese Welt gebracht. Und ich<br />

wusste von keiner anderen Möglichkeit,<br />

die so erfahrene Angst zu kanalisieren,<br />

als sie in diese für mich neue<br />

und fremde Welt hinauszuschreien.<br />

Ist es abwegig zu vermuten, dass dieses<br />

Ereignis, noch bevor die Mutter davon erzählen<br />

konnte, sich Ihnen bereits tief eingeprägt<br />

hatte? Ist es abwegig zu vermuten,<br />

dass Sie etwas auf die Welt mitbrachten,<br />

das Sie besonders empfänglich machte für<br />

die Lebensnot der anderen?<br />

Sie entstammen einem Menschenschlag,<br />

der nichts weniger als homogen ist.<br />

„Europäisches Wurzelgeflecht“ haben Sie<br />

das genannt. Und in der Tat, ein Schmelztiegel<br />

war dieses Masuren, in das dank der<br />

liberalen preußischen Migrationspolitik<br />

Deutsche, Polen, französische Hugenotten,<br />

Salzburger Exulanten, Holländer und<br />

Menschen jüdischen Glaubens eine neue<br />

He<strong>im</strong>at fanden. Das he<strong>im</strong>atliche Idiom, das<br />

Masurische, war ein – wie Sie es charakterisieren<br />

– „archaisches Polnisch mit deutschen<br />

Einschüben“. Und über den Masuren<br />

selber sagt Siegfried Lenz (selber gebürtiger<br />

Masure!), dass er über eine Intelligenz verfüge,<br />

„die auf erhabene Weise unbegreiflich“<br />

sei; und nicht minder ungewöhnlich<br />

seien die Charaktereigenschaften des Ma-


SAUERLAND NR. 4/2009 199<br />

suren: „blitzhafte Schläue, schwerfällige<br />

Tücke, tapsige Zärtlichkeit und rührende<br />

Geduld“.<br />

Unter dem Druck der materiellen Not<br />

(das bäuerliche Dasein war hart, entbehrungsreich<br />

und lohnte kaum die Mühen),<br />

aber auch angelockt vom (vermeintlich)<br />

„Goldenen Westen“ mit seinen „schwarzen<br />

Diamanten“ (der Kohle) zogen schon Ihre<br />

Großväter und Anverwandten ins prosperierende<br />

Ruhrgebiet: nach Wanne-Eickel,<br />

nach Castrop-Rauxel, vor allem aber nach<br />

Gelsenkirchen, dem „Masuren-Zentrum“,<br />

wie es seinerzeit hieß.<br />

Ihre persönliche Geschichte wie auch<br />

die Ihrer Vorfahren war freilich gekennzeichnet<br />

durch tiefgreifende Verwerfungen.<br />

Es gab – bedingt durch das, was wir „Weltgeschichte“<br />

nennen – den ideologisch verordneten<br />

Hass, die künstlich gesäte Zwietracht,<br />

den abstrusen Rassenwahn und<br />

das große Völkermorden, das auch über<br />

Masuren hinwegzog.<br />

Es gab letztendlich – als bittere Frucht<br />

von alledem – den Verlust von He<strong>im</strong>at,<br />

Haus und Hof <strong>im</strong> Schreckenswinter 1945,<br />

auf der großen Flucht, „der dritten“, wie<br />

Sie akribisch vermerken (zwe<strong>im</strong>al zu Beginn<br />

des 1. WK und das dritte Mal in den<br />

Januartagen des Jahres 1945).<br />

Sie haben unter dem Eindruck des Grauens,<br />

das sie als 11-jähriger erlebten, den<br />

Frauen (den Müttern zumal und nicht zuletzt<br />

der eigenen Mutter) ein ergreifendes<br />

Denkmal gesetzt:<br />

Das waren die Stunden der Frauen,<br />

der Mütter in eisiger Nacht.<br />

Sie haben die Kinder durchs Grauen<br />

der Flucht und des Krieges gebracht.<br />

Schlafe mein Kind,<br />

ich halte dich warm,<br />

träume vom Sommerwind.<br />

Schlafe mein Kind,<br />

ich halt' dich <strong>im</strong> Arm,<br />

träume mein Kind,<br />

ich halte dich warm,<br />

bis wir <strong>im</strong> Frieden sind.<br />

Im Jahre 1946 „landeten“ – vielleicht<br />

besser: strandeten Sie <strong>im</strong> Ruhrgebiet, genauer<br />

gesagt: in Hüls (dem späteren Marl-<br />

Hüls). Mit 14 Jahren, also 1949, wurden<br />

Sie Berglehrling auf der dortigen Zeche<br />

„Auguste Victoria“. Sie arbeiteten dort unter<br />

Tage bis 1960. Ihr Gedicht „Schwarze<br />

Diamanten“ darf als eindringliches Zeugnis<br />

dieser Zeit gelten; mit ihm haben Sie zugleich<br />

der Knochenarbeit, der „Maloche“,<br />

aller masurischen Bergleuten <strong>im</strong> Ruhrgebiet<br />

die St<strong>im</strong>me des Dichters geliehen:<br />

Schwarze Diamanten<br />

lockten sie ins Land;<br />

wo die großen Feuer brannten,<br />

und <strong>im</strong> Schacht die sonnenfernen,<br />

staubbedeckten, unbekannten<br />

Männer, die sich Kumpel nannten,<br />

kämpften mit der Kohlenwand.<br />

Sie sind von Osten gekommen,<br />

dort wo die Sonne aufgeht.<br />

Sie haben Arbeit gesucht und<br />

bekommen,<br />

die ihnen das Licht ihrer Tage<br />

genommen,<br />

<strong>im</strong> Dunkel der Erde, <strong>im</strong> Streb.<br />

Sie sind nach Westen gegangen,<br />

dort wo der Abend verglüht.<br />

Doch sie blieben <strong>im</strong> Herzen vom<br />

Osten gefangen,<br />

wenn sie den Traum von der He<strong>im</strong>at<br />

einst sangen,<br />

dann war ihre Sehnsucht <strong>im</strong> Lied.<br />

Schwarze Diamanten<br />

lockten sie ins Land;<br />

wo die großen Feuer brannten,<br />

und <strong>im</strong> Schacht die sonnenfernen<br />

staubbedeckten, unbekannten<br />

Männer, die sich Kumpel nannten,<br />

kämpften mit der Kohlenwand.<br />

Masuren und Ruhrgebiet – zwei komplementäre<br />

Schlüsselbegriffe! Doch wenn<br />

ich’s recht verstanden habe, ist „Masuren“<br />

das Grundmotiv Ihrer „Lebensmelodie“!<br />

Und es scheint, als schlösse sich <strong>im</strong><br />

Alter der Kreis. Die Bibliographie Ihrer<br />

Werke legt diesen Schluss nahe: So haben<br />

Sie nach der „Gnadenhochzeit“ vor<br />

zwei Jahren, 2007, „Masuren – des<br />

Ruhrgebiets vergessener Osten“ veröffentlicht,<br />

und noch unlängst, 2008, erschien<br />

„Märchenland Masuren“ (Untertitel:<br />

,Märchen und Sagen aus dem Land<br />

der dunklen Wälder und kristallnen<br />

Seen’). Dazwischen, 1989 (Zweitauflage<br />

1990), liegt noch die Veröffentlichung<br />

des bilingualen, auf deutsch und<br />

polnisch erschienenen Romans „Morgenlicht<br />

und wilde Schwäne – ein Sommer<br />

in Masuren“.<br />

Wenn Sie das Bild gestatten: Um den<br />

Kern „Masuren“ legen sich wie konzentrische<br />

Kreise die Begriffe Ost-West,<br />

Polen-Deutschland. Was also mit der<br />

Schilderung der engeren masurischen<br />

He<strong>im</strong>at beginnt; was sich mit der der<br />

zweiten He<strong>im</strong>at, des Ruhrgebietes, fortsetzt,<br />

weitet sich aus zur Begegnung<br />

zweier Kulturnationen, Deutschland und<br />

Polen, und gipfelt in Versöhnung der<br />

einstigen Gegner.<br />

Ihnen, verehrter Herr Somplatzki, fällt<br />

das Verdienst zu, all dies in Werk und Tat<br />

geleistet zu haben. Sie haben hierfür etliche<br />

Opfer gebracht, ideelle wie materielle.<br />

Mit innerer Folgerichtigkeit sind Sie<br />

schließlich zum Grenzgänger und „Botschafter“<br />

zweier Welten geworden. Unter<br />

Ihren Händen wuchs das interkulturelle<br />

Gespräch zwischen Deutschen und<br />

Polen – die berühmten „Spotkania“-<br />

„Begegnungen“ – zu Ihrem Lebenswerk<br />

heran. Die Stationen Ihres Lebens und<br />

Schaffens (die wir hier der Zeitnot wegen<br />

leider nicht herzählen können) geben<br />

ein eindrucksvolles Zeugnis davon.<br />

Bekanntlich will die Tragödie auch ihre<br />

Komödie! – Die Begegnung der beiden<br />

so geschichtsbeladenen Welten in Ihrem<br />

Werk entbehrt nicht des warmherzig-humorvollen<br />

Lokalkolorits. Da gäbe es als<br />

Beispiel der „Schalker Kreisel“:<br />

Der Schalker Kreisel<br />

Masurische Hauptstadt<br />

<strong>im</strong> Kohlenrevier,<br />

das war Gelsenkirchen<br />

und Schalke-Null-Vier.<br />

Auf Zeche Bismark<br />

und Consolidation,<br />

verdienten Masuren<br />

sich kargen Lohn.<br />

Aber Kohle war nicht alles,<br />

wie man ja weiß:<br />

Nach der Arbeitswoche in Staub<br />

und in Schweiß,<br />

da zog sich mancher Kumpel<br />

die gute Jacke an<br />

und ging sonntags auf Schalke -<br />

inne Glückauf-Kampfbahn:<br />

Es geht der Sch<strong>im</strong>anski,<br />

Burkatzki, Somplatzki,<br />

Dombrowski, Milewski,<br />

Schikowski, Nowacki,<br />

Berzinski, Grabowski,<br />

Koslowski, Tilkowski,<br />

Abramczik und Braese gehen mit –<br />

und fünf Kostgänger der Witwe<br />

Schmitt!<br />

Denn <strong>im</strong> Stadion dreht sich der<br />

Schalker Kreisel,<br />

blau-weiß das Trikot<br />

und den Ball dicht am Fuß.


200 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

Dann kommt schon die Flanke,<br />

ein Kopfstoß, ein Schuss.<br />

Der Torwart, der hechtet,<br />

er kriegt nicht die Nuss.<br />

Schon donnert ein Schrei<br />

durch das Stadionrund:<br />

„Tor!“ und „Tor!“ aus jubelndem<br />

Grund.<br />

Der Schalker Kreisel rückt wieder<br />

vor – mit Adolf Urban,<br />

und Klodt steht <strong>im</strong> Tor,<br />

mit Ernst Kalwitzki,<br />

Kuzorra und Tibulski.<br />

Fritz Szepan flankt zurück,<br />

---- und alles schreit vor Glück!<br />

Es schreit der Sch<strong>im</strong>anski,<br />

Burkatzki, Somplatzki,<br />

Dombrowski, Milewski,<br />

Schikowski, Nowacki,<br />

Berzinski, Grabowski,<br />

Koslowski, Tilkowski,<br />

Abramczik und Braese<br />

schreien mit –<br />

und fünf Kostgänger der Witwe<br />

Schmitt!<br />

Das Letzte, das mir zu sagen bleibt, betrifft<br />

nicht die <strong>im</strong>posante Fülle Ihrer<br />

Werke und Aktivitäten – dies wäre Gegenstand<br />

einer zweiten Laudatio –, dies<br />

Letzte greift das eben noch verwendete<br />

Wort „Vermächtnis“ auf. Denn als solches<br />

möchte ich das bezeichnen, womit<br />

Sie die „Masurische Gnadenhochzeit“<br />

beschließen: mit dem Hymnus auf die<br />

„schöne blaue Kugel“ – womit natürlich<br />

unser Planet gemeint ist. – Ich zitiere die<br />

erste und letzte Strophe:<br />

schöne blaue kugel<br />

rolle uns weiter<br />

um die glut der wärmenden sonne<br />

halte uns weiter umfangen<br />

mit deiner schützenden hülle<br />

aus atem und licht<br />

schöne blaue kugel<br />

schöne blaue kugel<br />

du gibst uns den raum<br />

SEIT 1928<br />

Lange Wende 94 – Mendener Straße 8<br />

Tel. 0 29 32/2 43 64 – Tel. 0 29 32/71 04<br />

59755 Arnsberg-Nehe<strong>im</strong><br />

zum weinen und denken<br />

zum hassen und streicheln<br />

und zum überleben<br />

auf jener traumschneise<br />

zwischen vaterland und mutter erde<br />

schöne blaue kugel.<br />

VIELEN DANK UND<br />

HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!<br />

Hat nicht schon das Wenige, das hier<br />

ausgebreitet wurde, eindeutig und rückhaltlos<br />

für Sie und die Zuerkennung des<br />

Edelraben-Preises gesprochen?<br />

Wer fände nicht, dass Ihr Werk die<br />

unterschiedlichsten Genres in sich vereint!<br />

Das virtuelle Lexikon des „Westfälischen<br />

Literaturbüros, Unna“ führt in lakonischer<br />

Kürze nur auf: „Prosa/Essay,<br />

Kinder- und Jugendbuch, Funk, Bühne,<br />

Sachbuch“. In Ihren „Bio-bibliographischen<br />

Informationen“ letzter Hand sind<br />

nicht weniger als 43 Titel aufgelistet<br />

(Übersetzungen ins Polnische und sogar<br />

Spanische einbezogen), die von Reise -<br />

erzählungen, Satiren, Biografien über<br />

Kinderbücher und Liedtexte bis hin zu<br />

Lyrik und Theaterstücken reichen.<br />

Nach der Arbeit <strong>im</strong> Untertagebau waren<br />

Sie Ausnahmestudent an der Deutschen<br />

Sporthochschule Köln. Nach dem<br />

Examen zum Diplomsportlehrer folgte<br />

ein Studium an der Akademie Remscheid<br />

für musische Bildung und Medienerziehung<br />

mit Schwerpunkt Theater<br />

und Literatur. Sodann absolvierten Sie<br />

an der Universität Essen das Studium<br />

der Medienpädagogik, Germa nistik,<br />

Kunst und Erziehungswissen schaften.<br />

Es folgte das Examen als Diplom-<br />

Pädagoge.<br />

Sie waren sieben Jahre stellvertretender<br />

Landesvorsitzender des Verbandes<br />

deutscher Schriftsteller (VS) in Nord -<br />

rhein-Westfalen und Initiator des Lite -<br />

raturpreises Ruhrgebiet. Sie waren maßgeblich<br />

beteiligt an der Gründung und<br />

dem Aufbau des Literatur-Büros Ruhr -<br />

gebiet und sind Gründungsmitglied des<br />

Literatur-Rates Nordrhein-West falen.<br />

Sie waren an der Gestaltung der Europäischen<br />

Literatur-Tage 1986, Spot -<br />

kania-Begegnungen, deutsch-polnische<br />

Kulturbegegnungen 1996, Poe tischer<br />

Frühling <strong>im</strong> Sauerland 2000 beteiligt.<br />

Mitglied <strong>im</strong> Verband deutscher<br />

Schriftsteller (VS) in der IG Medien, dem<br />

Literaturrat Nordrhein-Westfalen, Grün -<br />

dungsmitglied des Literaturbüros NRW<br />

Ruhrgebiet in Gladbeck e.V., Grün -<br />

dungsmitglied des Künstlerdorfes<br />

Schöppingen, des Förderkreises Gesell -<br />

schaft für Literatur in NRW, der Christine-Koch-Gesellschaft<br />

zur Förde rung der<br />

Literatur <strong>im</strong> Sauerland, des Friedrich-<br />

Bödecker-Preises NRW und Niedersachsen,<br />

der Landesarbeitsge mein -<br />

schaft Jugend und Literatur in NRW und<br />

der Europäischen Auto renvereinigung<br />

„Die Kogge“. Zudem sind Sie Mitglied<br />

des Internationalen P.E.N.-Clubs.<br />

Auszeichnungen:<br />

2001 Reisestipendium des Auswärtigen<br />

Amtes der Bundesrepublik Deutschland<br />

nach Polen<br />

1999 Förderung des zweisprachigen Buches<br />

„Die Frau mit dem Bernsteinhaar –<br />

Kobieta o bursztynowych wlosach“<br />

durch die Stiftung für deutschpolnische<br />

Zusammenarbeit<br />

1997 Förderung des zweisprachigen<br />

Romans „Morgenlicht und wilde<br />

Schwäne – Brzask i dzikie labedzie“<br />

durch die Alfried Krupp von Bohlen<br />

und Halbach-Stiftung<br />

1995 Förderung der CD „WortMusik“<br />

durch die Stiftung Kunst und Kultur<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

1990 Stipendium des Kultusministers von<br />

NRW für einen Aufenthalt <strong>im</strong> Künstlerdorf<br />

Schöppingen<br />

1988 Arbeitsstipendium für Literatur des<br />

Kultusministeriums von NRW<br />

1988 Auslandsreisestipendium des<br />

Auswärtigen Amtes der Bundesrepu<br />

blik Deutschland nach Polen<br />

1982 Arbeitsstipendium des deutschen<br />

Literaturfonds<br />

1980 Arbeitsstipendium für Literatur des<br />

Kultusministeriums von NRW<br />

1980 Auslandsreisestipendium des<br />

Auswärtigen Amtes der Bundes -<br />

republik Deutschland nach Kanada<br />

1977 Arbeitsstipendium für Literatur des<br />

Kultusministeriums von NRW<br />

1976 1. Preis <strong>im</strong> Autorenwettbewerb des<br />

Verbandes deutscher Freilichtbühnen<br />

(Theaterstück „Auf einem anderen<br />

Stern“)<br />

1973 Arbeitsstipendium für Literatur des<br />

Kultusministeriums von NRW


SAUERLAND NR. 4/2009 201<br />

1972 Hörspielpreis der ARD für<br />

Minutenhörspiele (für das Hörspiel<br />

„Lernprozesse“)<br />

1968 Silbermedaille der Internationalen<br />

Sportfilmtage Duisburg ’68 (für den<br />

Film: sechs tage – vier f – und eine<br />

halbe stadt)<br />

Jetzt, da sie es hoch zu Jahren gebracht<br />

haben, scheint es, schließt sich<br />

der Kreis. Die „Bio-bibliografischen Informationen“<br />

– wie Sie Ihr Werkver -<br />

zeichnis nennen – legen diesen Schluss<br />

nahe: So haben Sie außer der 2003<br />

publizierten „Gnadenhochzeit“ vor zwei<br />

Jahren: „Masuren – des Ruhrgebiets<br />

vergessener Osten“ veröffentlicht, und<br />

noch unlängst, 2008, „Märchenland<br />

Masuren“ (Untertitel: Märchen und Sagen<br />

aus dem Land der dunklen Wälder<br />

und kristallnen Seen). Da zwischen,<br />

1989 (Zweitauflage 1990), liegt noch<br />

die Veröffentlichung des bilingualen, auf<br />

deutsch und polnisch erschienenen Romans<br />

„Morgenlicht und wilde Schwäne<br />

– ein Sommer in Masuren“.<br />

• Herbert Somplatzki stellte in einer<br />

Sendung des Westdeutschen Rundfunks<br />

(WDR) den in Masuren geborenen<br />

Schriftsteller Ernst Wiechert vor. Unser<br />

Freund hat eine neue Ausstellung über<br />

„Ost-West-Begegnungen in Krieg und<br />

Frieden“ zusammengestellt, die wieder<br />

bilingual ist, damit sie Deutsche und Polen<br />

verstehen können. Denn diese Ausstellung<br />

soll nicht nur <strong>im</strong> Ruhrgebiet,<br />

sondern auch in vielen Teilen Polens gezeigt<br />

werden. Außerdem hat er zum Kulturprogramm<br />

der „Kulturhauptstadt Europas<br />

2010“ Essen eine Konzeption<br />

„Masuren – des Ruhrgebiets vergessener<br />

Osten“ erarbeitet. Seine Ausstellung<br />

„Ernst Wiechert: Masuren - Wälder und<br />

Menschen“ hat in Polen ein gutes Echo<br />

gefunden. So konnte unser Freund vor<br />

Germanistikstudenten der Universitäten<br />

Danzig und Stettin über Ernst Wiechert<br />

lesen und aus seinen eigenen Werken<br />

vortragen. In Danzig hatte er anlässlich<br />

der Geburtstagsfeier für Günter Grass<br />

eine Begegnung mit dem Literatur -<br />

nobelpreisträger. Schriftsteller aus dem<br />

Sauerland waren unter der Leitung von<br />

Herbert Somplatzki in Ermland-Masu -<br />

ren, um sich mit polnischen Schrift -<br />

stellerkollegen zu treffen. Gazeta Ols -<br />

ztyns ka berichtete ausführlich über dieses<br />

Treffen unter der Überschrift:<br />

„Schriftsteller verstehen sich besser als<br />

Politiker.“<br />

6. Werkstattgespräch<br />

„Bergbau <strong>im</strong> Sauerland“<br />

Am Tag der Deutschen Einheit trafen<br />

sich in der Dorfhalle von Winterberg-Silbach<br />

120 Teilnehmer zum 6. Werk -<br />

stattgespräch über „Bergbau <strong>im</strong> Sauer -<br />

land“. Bürgermeister Werner Eickler<br />

zeigte sich bei seiner Begrüßung hoch<br />

erfreut über die große Resonanz der<br />

Ver an staltung. Er würdigte Silbach als<br />

einen Ortsteil, an dem die Bergbau-Tradition<br />

ein besonderes Gemeinschaftsgefühl<br />

gestiftet hat. 2009 stand ganz <strong>im</strong><br />

Zeichen der Feiern zum Jubiläum der<br />

Berg freiheit. Prof. Dr. Wilfried Reininghaus<br />

(Senden) ging in seiner Einführung<br />

für den Arbeitskreis „Bergbau <strong>im</strong> Sauer -<br />

land“, der gemeinsam von der Histo -<br />

rischen Kommission für Westfalen und<br />

vom Westfälischen He<strong>im</strong>atbund getragen<br />

wird, auf das Netzwerk der Montan -<br />

regionen in Deutschland ein. Da es ein<br />

Grafensohn aus Mansfeld, heute Sach -<br />

sen-Anhalt, auf dem Kölner Bischofs -<br />

stuhl war, der 1559 Silbach zur Berg -<br />

freiheit machte, sei der Zusammenhang<br />

zwischen den großen Bergrevieren in<br />

Deutschland besonders sinnfällig. Nach<br />

dem Fall der Mauer können sich Ar -<br />

beitsbeziehungen zwischen den Berg -<br />

bau forschern in allen deutschen Revieren<br />

entfalten. Große Anerkennung fand<br />

die perfekte Organisation durch den<br />

He<strong>im</strong>atverein Silbach und seinen Vorsit -<br />

zenden Jochen Z<strong>im</strong>mermann.<br />

Prof. Dr. Eckhard Westermann<br />

(Ran trum), der wie kaum ein anderer die<br />

Forschungen zum vorindustriellen Berg -<br />

bau in Mitteleuropa gefördert hat, stellte<br />

in seinem Vortrag den Zusammenhang<br />

zwischen den Montankonjunkturen<br />

und der Verleihung der Bergfreiheit<br />

an Sil bach her. In Silbach investierten<br />

Kauf leute aus Köln, Aachen, Antwerpen<br />

und Hamburg in den Bleibergbau.<br />

Sie waren Teil eines Netzwerks, das sich<br />

über die großen Messen in Frankfurt,<br />

Leipzig und Naumburg erstreckte. Die<br />

Grafschaft Mansfeld am Ostrand des<br />

Harz kam wegen der dortigen Kupferschieferflöze<br />

und des Saigerhandels ins<br />

Spiel. Preis schwankungen für Silber und<br />

Kupfer und ein Anstieg des Preises für<br />

Blei zu Beginn der 150er Jahre wegen<br />

rückläufiger Zufuhr aus England ließen<br />

die Gra fen von Mansfeld selbst die Beschaffung<br />

von Blei für den Saigerprozeß,<br />

d. h. für die Silbergewinnung, die<br />

Beschaffung in die Hand nehmen. Damit<br />

kamen die Eifel und das Sauerland in<br />

den Blick. Die Wahl von Johann Gebhard<br />

von Mansfeld zum Kölner Erzbischof<br />

führte zu einem direkten Eingriff<br />

in die kurkölnische Berg verwaltung -<br />

und zur Verleihung der Bergfreiheit in<br />

Silbach, einem der Standorte der Bleibergwerke<br />

<strong>im</strong> kölnischen Westfalen. Jan<br />

Ludwig (Deutsches Bergbaumuseum<br />

Bochum), der soeben eine Dissertation<br />

über das benachbarte Ramsbeck abschloss,<br />

zeigte den territorialpolitischen<br />

Hintergrund des Jahres 1559 auf. Lange<br />

stritten sich der Kölner Erzbischof als<br />

Landesherr des Herzogtums Westfalen<br />

und die Grafen von Waldeck um die<br />

Herrschaft <strong>im</strong> Assinghauser Grund. Die<br />

Verleihung der Bergfreiheit und die Bergordnung<br />

<strong>im</strong> Jahr 1559 stabilisierten<br />

die kölnische Herrschaft <strong>im</strong> Hochsauerland.<br />

Ludwig erläuterte die Rechte der<br />

Silbacher: die Zufuhr von Holz, die Möglichkeit,<br />

Hütten anzulegen, die Zehntfreiheit<br />

und die Selbstverwaltung. Freilich<br />

war der Boom in Silbach nicht von<br />

langer Dauer. Be reits um 1600 war nur<br />

noch die Grube „Zwölf Apostel" in Betrieb,<br />

hier wurden noch mehrere Anläufe<br />

zur Förderung von Blei und Eisenerz<br />

unternommen, doch sicherte vor allem<br />

der Schiefer bergbau bis 1940 die Kontinuität<br />

bergmännischer Arbeit in Silbach.<br />

1923 setzte der Abbau von Grünstein<br />

(Diabas) ein, der seit 1941 bis heute<br />

von der Basalt-AG fortgesetzt wird.<br />

Die intensive Diskussion kreiste vor<br />

allem um die Verhüttung des Blei, die<br />

vor Ort in Silbach stattfand und dann als<br />

Barren zu den Saigerhütten transportiert<br />

wurde. Betont wurde, dass für den<br />

Saigerhandel nur ganz best<strong>im</strong>mte Blei -<br />

arten in Frage kamen, u. a. die westfä -<br />

lischen aus Bönkhausen (Sundern), Sil -<br />

bach und Bleiwäsche (Wünnenberg).<br />

Selbst in Tirol sei 1545 schon westfälisches<br />

Blei verwendet worden, wie Prof.<br />

Westermann feststellte.<br />

Zum Werkstattgespräch war in der<br />

Dorfhalle eine umfangreiche Dokumen -<br />

tation zum Bergbau in und bei Silbach zu<br />

sehen. Der He<strong>im</strong>atverein Silbach bot<br />

abschließend gut besuchte Exkursionen<br />

in die Schiefergrube sowie auf den Silber<br />

berg zur Grube „Zwölf Apostel" an.<br />

Prof. Dr. W. Reininghaus


202 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

Sehnsucht nach dem Sauerland<br />

Neues He<strong>im</strong>atgefühl für Bürger und Besucher<br />

Das Sauerland ist eine von vielen<br />

„Gegenden“. Abwechslungsreiche To -<br />

po graphie und Waldreichtum finden<br />

sich auch in anderen Mittelgebirgen. Die<br />

<strong>Sauerländer</strong> Landschaft ist zwar wunderschön<br />

und bietet Augen und Gemüt<br />

eine grüne Erholung – doch sie ist an<br />

sich nicht einzigartig.<br />

Industrie, Handel, Handwerk, Dienst -<br />

leistung und Tourismus haben jedoch inzwischen<br />

eine aus vielen Blickwinkeln<br />

betrachtet innovative Region geschaffen,<br />

und zwar auf natürlicher und bodenständiger<br />

Basis. Mit Firmen von Weltformat,<br />

einem starken Mittelstand, Tüftlern<br />

und Fucklern und sehr viel Ehrenamt ist<br />

dieses besondere Waldge birge längst am<br />

Puls der Zeit. Wenn es auch an allen<br />

Ecken und Enden insgesamt noch viel zu<br />

tun gibt, hat sich insbesondere die früher<br />

sogenannte Fremdenverkehrsbranche<br />

inzwischen modern aufgestellt und zwischen<br />

Küste und Alpen gut etabliert. Ein<br />

paar Bei spiele:<br />

Das Sauerland-Radnetz mit der Bike<br />

Arena hat gezeigt, wie ein vor kurzem<br />

noch fast unbekanntes Thema Furore<br />

macht. Mit den Touren für Mountain -<br />

biker, Rennradfahrer oder Genussradler<br />

wurden und werden neue Trends umgesetzt.<br />

Für die andere Jahreshälfte hat die<br />

Sauerland-Wintersportarena als größte,<br />

vernetzte Skiregion nördlich der Alpen<br />

gezeigt, wie man sich durch gemeinsame<br />

Kräftebündelung positionieren und<br />

zeitgemäß aufstellen kann. Der Verein<br />

inves tiert stetig in seine Entwicklung und<br />

modernste Infrastruktur. Schneekanonen,<br />

neue Lifte, Flutlichtfahren und be -<br />

rühmte Veranstaltungen wie das interna<br />

tionale Skispringen oder die Groß -<br />

veranstaltungen auf der Bobbahn sind<br />

nur Auszüge. Dazu kommt das <strong>im</strong>mer<br />

populärer werdende Langlaufen, denn<br />

„Langläufer leben länger!“. Auch das<br />

Winterwandern genießt eine neue Popularität.<br />

Diese zwei Beispiele sollen nur ausschnittsweise<br />

zeigen, was <strong>Sauerländer</strong><br />

können und wie man gemeinsam Land -<br />

schaft und Wirtschaft vernünftig bündelt.<br />

In den langen Listen der touristischen<br />

Druckerzeugnisse kommt man inzwischen<br />

ins Staunen und Schwärmen,<br />

was in dieser durchaus einmal riesig zu<br />

nennenden Region auf oft historischer<br />

Basis alles gemacht und neu inszeniert<br />

wurde. Mittelgebirge müssen also kein<br />

Mittel maß sein.<br />

Neue Sehnsucht nach dem<br />

Sauerland<br />

Gäste kommen vor allem wegen der<br />

vielfältigen Angebote ins Sauerland und<br />

suchen doch – jeder für sich – ihre individuelle<br />

und spezielle Erfüllung. Aber<br />

gute Hotels und bestens präparierte<br />

Wanderwege gibt es auch in anderen<br />

Regionen. Das Sauerland muss daher<br />

auch für entsprechende Emotionen sorgen,<br />

so dass sich unsere hochwertigen<br />

Angebote in einem riesigen Markt<br />

durchsetzen. Die Konkurrenz ist groß,<br />

so dass nur beste Qualität und starke Gefühle<br />

für Umsatz sorgen können. Niemand<br />

muss verreisen. In die (Kurz-)Fe -<br />

rien fährt man freiwillig. Reiseerfahrene<br />

Bundesbürger setzen jedoch in jeder Kategorie<br />

Qualität schlichtweg voraus. Dabei<br />

wird auch klar, dass es sich be<strong>im</strong> Sauerland<br />

um ein Gesamtkunstwerk handelt.<br />

Denn nur wenn alle Glieder dieser<br />

Dienstleistungs- und Servicekette <strong>im</strong> positiven<br />

Sinne mitmachen, funktioniert<br />

das Ganze.<br />

Wenn also Qualität und Angebot<br />

st<strong>im</strong>men, muss trotz einer eher angenehm<br />

– zurückhaltenden Grundmentalität<br />

eine gehörige Portion Emotion dazu<br />

gemixt werden. Ich muss als Kunde<br />

etwas haben wollen! Deshalb ist es wichtig,<br />

dass sich nicht nur Marketing-Fachleute,<br />

sondern vor Ort auch Busfahrer,<br />

von Thomas Weber und Frank Rosenkranz<br />

Rothaarsteig, Hängebrücke<br />

Bäckermeister und Bauern bewusst werden,<br />

dass sie alle zusammen in irgendeiner<br />

Form Gast geber und Botschafter<br />

dieser Landschaft sind. Und es ist durchaus<br />

ein Unter schied, ob ich als Tagesgast<br />

und Test besucher unbeachtet bleibe<br />

oder verblüffenderweise begrüßt und gegrüßt<br />

werde.<br />

He<strong>im</strong>at neu und frisch in Szene<br />

setzen<br />

Nicht nur Gäste des Sauerlandes,<br />

auch die Bürger selbst können für sich<br />

eine neue Sehnsucht entfachen.<br />

Schließ lich leben sie in einer Region, in<br />

der andere Urlaub machen und können<br />

alle hiesigen Vorteile praktisch jeden<br />

Tag für sich nutzen. Das, was andere suchen,<br />

ist für sie die He<strong>im</strong>at.<br />

Dabei sollte der Begriff He<strong>im</strong>at neu<br />

und frisch interpretiert werden. Bewähr -<br />

tes geht hier mit Neuem und Innova -<br />

tivem Hand in Hand. Ein modernes Verständnis<br />

von He<strong>im</strong>at kann einem gesunden<br />

Lokalpatriotismus dienen, der Bürger<br />

zu Botschaftern für ihr Sauerland<br />

macht.<br />

Wir leben <strong>im</strong> Grünen, doch wir wissen<br />

durch zahlreiche Marktführer, wie<br />

man die Märkte der Welt erobert. Wir<br />

pflegen unsere Fachwerkdörfer, doch<br />

hinter den Fassaden setzen wir auf moderne<br />

Aus stattung, Komfort und gutes<br />

Design. Wir schätzen die <strong>Sauerländer</strong><br />

He<strong>im</strong>at, weil sie Menschen Orientie-


SAUERLAND NR. 4/2009 203<br />

rung, Halt und Freundschaften schenken<br />

kann. Und das in einer Welt, in der<br />

<strong>im</strong>mer mehr Ein zelkämpfer die Ellenbogen<br />

ausfahren. Wir mögen die Ruhe und<br />

Weite der Landschaft, doch wir wissen<br />

auch, wie man sportlich und spaßig das<br />

Beste aus der Topographie herausholt.<br />

Dabei werden „Zeit und Platz haben“<br />

<strong>im</strong>mer mehr zu wahren Luxusfaktoren.<br />

Besseres Miteinander arrangieren<br />

und Kosten sparen<br />

Da der Ausbau und die Pflege der<br />

(touristischen) Infrastruktur zu allererst<br />

als Beitrag zur Lebensqualität der Menschen<br />

vor Ort verstanden wird, wird es<br />

auch bei enger werdenden Finanzen<br />

deutlich einfacher, branchenübergreifend<br />

Mitstreiter zu finden. Wir selbst<br />

wollen es uns ja auch schön machen in<br />

unserer Landschaft und gern hier leben.<br />

Daher kommt es wohl auch, dass die<br />

Menschen dieser Region weniger auf<br />

der Flucht sind und geerdeter erscheinen.<br />

Zusätzlich wirkt eine gut aufbereitete<br />

Landschaft natürlich auch be<strong>im</strong><br />

Kampf um Köpfe als wichtiges Argument.<br />

Wenn sich eine neue Fachkraft<br />

berufsbedingt hier niederlassen möchte,<br />

wird man andernorts vorher auch <strong>im</strong> Fami<br />

lienkreis abst<strong>im</strong>men, ob es dort denn<br />

auch „schön“ und attraktiv genug ist.<br />

Niemand will schließlich nur arbeiten.<br />

Die neue Wanderwelt Sauerland<br />

He<strong>im</strong>at zu erleben, das geht erfahrungsgemäß<br />

am Besten wandernd oder<br />

mit dem Rad. Das Sauerland hat dabei<br />

eine lange Tradition als Wanderland,<br />

schließlich war der 1891 gegründete<br />

Sauerländische Gebirgsverein die erste<br />

Tourismusorganisation der Region. Das<br />

Radfahren ist eine jüngere Disziplin,<br />

aber vor allem durch die Bike Arena<br />

Sauerland mit ihrem umfangreichen<br />

Streckennetz hat dieser Natursport <strong>im</strong><br />

letzten Jahrzehnt einen großen Auf -<br />

schwung erlebt. Heute bietet das sich<br />

entwickelnde, große Radnetz mit dem<br />

Ruhrtalradweg, dem Sauerland-Rad -<br />

ring, der Lenneroute und weiteren vielfältigen<br />

Tourenvorschlägen ein professionelles<br />

Angebot. Vom ambitionierten<br />

Mountainbiker bis zur radelnden Familie<br />

findet jeder seine Route. Wer hätte das<br />

noch vor wenigen Jahren gedacht und<br />

mit unserem Sauerland in Verbindung<br />

gebracht?<br />

Einheitliche Infotafeln hier am Kohlberg<br />

Doch zurück zum Wandern. Der<br />

Wan dermarkt hat sich seit Ende der<br />

90-er Jahre so dynamisch entwickelt, dass<br />

das Wort vom Wanderboom mehr als<br />

gerechtfertigt ist. Der <strong>im</strong>mer stärkere<br />

Wunsch der Bevölkerung, sich von den<br />

Belastungen <strong>im</strong> Arbeitsalltag und den<br />

städtischen Kunstwelten zu erholen,<br />

trieb die Menschen regelrecht zurück in<br />

die Natur. Diese Entwicklung wurde<br />

durch zahlreiche Studien belegt: Natur -<br />

genuss, Bewegung draußen und natürliche<br />

Stille sind die Hauptmotive der deutschen<br />

Wanderer. Mit diesem Wissen <strong>im</strong><br />

Einheitliche Wanderbeschilderung<br />

Hinterkopf wurde dann der bisher erfolg -<br />

reichste Wanderweg des Sauerlandes,<br />

der Rothaarsteig, <strong>im</strong> Jahr 2001 eröffnet.<br />

Angelegt als Weg der Sinne hat er<br />

sich die neue Motivlage der Wanderer zu<br />

Eigen gemacht. Durch bis dahin nicht<br />

gekannte, gezielte Inszenierung der<br />

Landschaft, durchgängige Gestaltung<br />

des Weges inklusive neuer Waldmöbel<br />

und Schutzhütten <strong>im</strong> eigenen Rothaar -<br />

steig-Design und die enge Einbindung<br />

der örtlichen Gastgeber, konnten neue<br />

Gäste für die Region Südwestfalen gewonnen<br />

werden. Nicht zuletzt hat auch<br />

eine tiefe Identifikation der he<strong>im</strong>ischen<br />

Bevölkerung mit „ihrem Rothaarsteig“<br />

zum großen Erfolg beigetragen. Der<br />

Rothaarsteig ist ein Stück Lebensqualität<br />

und er zeigt uns, was man partnerschaftlich<br />

aus dem Wandern machen kann.<br />

Qualitätswanderregion <strong>im</strong> Werden<br />

Aufgrund dieser positiven Erfah -<br />

rungen macht es Sinn, das Sauerland<br />

nach und nach zu einer flächigen Quali -<br />

tätswanderregion weiterzuentwickeln.<br />

Mit dem Sauerland-Höhenflug, der Sau -<br />

er land-Waldroute und dem Sauer land-<br />

Bergwanderpark wurden zwischen -<br />

zeitlich weitere Wanderprojekte initiiert,<br />

die den Anspruch der Region als eine der<br />

führenden deutschen sogenannten Wan -<br />

der destinationen untermauern. Insbe -<br />

sondere das Anlegen und Vermarkten<br />

der großen Wandermagistralen gibt dem<br />

Sauerland eine Struktur und hilft dem<br />

Gast, sich die sauerländische Landschaft<br />

Stück für Stück aktiv zu erschließen. Dabei<br />

ist wichtig, dass die großen Weitwanderwege<br />

nicht isoliert betrachtet werden.<br />

Sie müssen mit einem gut markierten, attraktiven<br />

Basiswander wege netz unterfüttert<br />

werden. Hier sind vor allem die Orte<br />

gefordert, zusammen mit ihren Gastgebern,<br />

Verkehrsvereinen und den so wichtigen<br />

und unentbehrlichen SGV-Abteilungen<br />

die entsprechende wandermäßige<br />

Grundversorgung sicherzustellen.<br />

Wanderwerkstatt für alle<br />

Bei dieser großen Aufgabe hilft die<br />

Sauerland-Wanderwerkstatt. Sie wurde<br />

Anfang 2009 als Projektstelle be<strong>im</strong> Sauerland-Tourismus<br />

e. V. eingerichtet und<br />

befasst sich mit allen Facetten eines modernen<br />

Wandermanagements. Die<br />

Überschrift der Gemeinschafts-/Partner<br />

schaftsaktion heißt „Professionalisie-


204 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

rung des Wanderns <strong>im</strong> Sauerland“. Maßstab<br />

des Handelns ist der Grundsatz Qualität<br />

vor Quantität. Denn das über Jahrzehnte<br />

gewachsene Wanderwegenetz<br />

wird heute in vielen Bereichen nicht<br />

mehr den Anforderungen der Wanderer<br />

gerecht. Eine zu hohe Wanderwegedichte<br />

führt zudem zu Belastungen der Grund<br />

eigen tümer und der jagdlichen Nutzer.<br />

Weg brechendes ehrenamtliches Engagement<br />

verschärft die Problematik, da das<br />

umfangreiche Wanderwegenetz nicht<br />

mehr überall wandersicher unterhalten<br />

werden kann. Wanderwege sind heute<br />

aber mehr denn je Qualitätsprodukte, bei<br />

deren Anlage (Genehmigungsverfahren,<br />

Wegeformat, Abwechslungsreichtum)<br />

und Unterhaltung (Wegezustand, Orien -<br />

tierungssicherheit, Verkehrssicherungs -<br />

pflicht) best<strong>im</strong>mte Anforderungen eingehalten<br />

werden müssen. Damit ist die Opt<strong>im</strong>ierung<br />

vor allem der örtlichen Wanderwegenetze<br />

eine Gesamtaufgabe aller<br />

Beteiligten, der sich auch die He<strong>im</strong>atbünde<br />

als Träger verschiedener Wanderwegeprojekte<br />

stellen.<br />

Bei der Opt<strong>im</strong>ierung von Wander -<br />

wegen gilt es, sauerlandweit eine Ge -<br />

samtvorstellung und Dramaturgie für eine<br />

zeitgemäße touristische Infrastruktur<br />

zu entwickeln. Ganz oben stehen die<br />

langen Magistralen als Leuchtfeuer in<br />

der Angebotslandschaft, gefolgt von den<br />

regionalen und lokalen Routen. Aber<br />

auch die durchziehenden großen Fernwan<br />

derwege wollen beachtet sein und<br />

müssen sich in die entstehende General -<br />

stabskarte zur neuen Übersichtlichkeit<br />

und Bezahlbarkeit einbringen. Diese<br />

Wegehierarchie macht es sowohl unseren<br />

Gästen, als auch den <strong>Sauerländer</strong>n<br />

selbst leichter, sich zu orientieren und<br />

gezielt in der Landschaft zu bewegen.<br />

Daher geht auch hier die Einladung an<br />

alle Aktiven, die sich für ihre sauerländische<br />

He<strong>im</strong>at stark machen, sich mit eigenen<br />

Ideen, aber auch mit Verant -<br />

wortung in die Entwicklung der Wan -<br />

derwelt Sauerland einzubringen.<br />

Wie geht es weiter? Neueste Zahlen<br />

belegen, dass sich der generationen -<br />

übergreifende und erfrischte Wandermarkt<br />

auf hohem Niveau etabliert hat.<br />

Auch in Zukunft werden etwa 40 Millionen<br />

Deut sche wandern und 10% der<br />

Deutschen werden dies sogar regelmäßig<br />

tun. Dabei haben wir den enor-<br />

Neues Wander-Portal in Meinerzhagen am Höhenflug<br />

men Vorteil, dass mit den Ballungsgebieten<br />

an Ruhr, Rhein und Main mehr als<br />

20 Millionen potenzielle Gäste vor unserer<br />

Haustür und drum herum wohnen.<br />

Dazu kommen noch unsere angrenzenden<br />

Nachbar länder. Diesem großen<br />

Nachfrage po tenzial steht aber auch eine<br />

kaum noch zu überblickende Angebotsvielfalt<br />

der Mitbewerber entgegen. Das<br />

Sauerland wird somit vor der Aufgabe<br />

stehen, sich mit besonders attraktiven<br />

Angeboten <strong>im</strong> Wandermarkt zu behaupten.<br />

Dies wird mit großer Wahrscheinlichkeit<br />

aber nur dann gelingen, wenn<br />

wir es gemeinsam schaffen, das breite<br />

Thema Wandern inhaltlich weiter zu<br />

entwickeln und emotional aufzuladen.<br />

Wir müssen also wortwörtlich „den<br />

nächsten Schritt gehen“.<br />

Einer von vielen interessanten An -<br />

sätzen für diesen Wander-Mehrwert ist<br />

die Projektidee „Wege zum Leben“.<br />

Wege zum Leben<br />

Der Grundgedanke der „Wege zum<br />

Leben“ trägt der Tatsache Rechnung,<br />

dass in dieser schnelllebigen Zeit <strong>im</strong>mer<br />

mehr Menschen auf Sinnsuche sind. Sie<br />

ergründen ihr Leben, suchen nach Wur -<br />

zeln, Erklärungen und Zielen und wünschen<br />

sich Entschleunigung, Orien -<br />

tierung und Halt. Die idealerweise genau<br />

mit dem He<strong>im</strong>atbund und vielleicht<br />

auch mit den Kirchen zu entwickelnden<br />

„Wege zum Leben“ möchten eben die-<br />

sen vielen suchenden Menschen einen<br />

festen Grund geben, den sie beschreiten<br />

können. Dabei sollen Potenziale (Wege,<br />

Orte, Angebote, Geschichte und Kultur),<br />

die in der Region zu finden sind,<br />

zeitgemäß aufbereitet und zugleich neue<br />

Ideen entwickelt werden, um für Bürger<br />

aber auch für Gäste seriöse, überkonfessionelle<br />

Angebote zu schaffen. Das können<br />

beispielsweise (Wander-)Wege sein,<br />

die historische, spirituelle oder kulturelle<br />

Orte miteinander verbinden. Beispiele<br />

dafür sind Pilgerwege, Mythenwege,<br />

WaldSkulpturenWege, <strong>Sauerländer</strong> To -<br />

ten wege oder ein naturnaher „ökologischer“<br />

Kreuzweg. Es können aber auch<br />

Seminare, Ausstellungen oder Inszenie -<br />

rungen am Wegrand sein, die Sinn -<br />

suchenden neue Impulse geben oder<br />

neue Blickwinkel gewähren, z. B. Waldandachten<br />

oder Er zähl wander ungen.<br />

Auch Kirchen, Kapel len oder Bildstöcke<br />

könnten (vielleicht in einem energiesparenden<br />

Projekt mit der südwestfälischen<br />

Leuchtenindustrie) neu und anziehend<br />

„belichtet“ werden, so dass auch auf kirchenferne,<br />

aber kultur interessierte Besucher<br />

ein Schein fällt und dies eine<br />

neue Symbolik erhält.<br />

Wie ein „Weg zum Leben“ aussehen<br />

könnte, wurde bereits beispielhaft für<br />

den Mythenweg rund um Schmal len -<br />

berg-Wormbach erarbeitet. Erlebnis -<br />

pädagogische Stationen sollen den Mythenweg<br />

thematisch begleiten und dem


SAUERLAND NR. 4/2009 205<br />

Loermecketurm an der Wanderroute <strong>Sauerländer</strong> Landschaft – der ideale Raum zum Auszittern<br />

Wanderer über eine Zeit berichten, in<br />

der neue christliche Lehren das Leben<br />

der Menschen zu verändern begannen,<br />

die zuvor die Zukunft aus den Sternen<br />

gelesen und aus Naturgewalten auf den<br />

Zorn der Götter geschlossen hatten. Für<br />

die entsprechende Atmosphäre auf dem<br />

Mythenweg könnten Raststationen und<br />

Gastronomiekonzepte sorgen, die gestalterisch<br />

auf Elemente des Mittelalters<br />

zurückgreifen (Hexenhäuschen, Erd -<br />

höhlen, Schänken). Zudem sind Veran -<br />

staltungen denkbar, die das Konzept lebendig<br />

aber kitschfrei ergänzen (z. B.<br />

Mittelalterlicher Markt, Sonnenwend -<br />

feiern, Waldgottesdienste zu best<strong>im</strong>mten<br />

Namenstagen, Seminare zu Kräuterkü<br />

che und -heilkunst, Mythen- und<br />

Mär chenstunden <strong>im</strong> Freien).<br />

Die Projektidee „Wege zum Leben“<br />

ist eine Chance, einerseits dem einzelnen<br />

Menschen eine Lebenshilfe in und<br />

mit der Natur zu bieten. Andererseits<br />

können He<strong>im</strong>atbund, Kirchen, Tourismus<br />

und Wirtschaft wichtige Impulse geben,<br />

wie sich über eine gemeinschaftliche,<br />

seriöse Dachorganisation und Vermark<br />

tung neue Zielgruppen, Kompetenzen<br />

und Märkte erschließen lassen.<br />

Wenn sich ein Träger findet, der das da -<br />

rin schlummernde Potenzial erkennt,<br />

soll es als Projekt zur Regionale 2013<br />

eingereicht werden.<br />

Frisches Sauerland-Bild<br />

gemeinsam umsetzen<br />

Wenn es also insgesamt gelingt, alle<br />

möglichen Branchen und gesellschaftlich<br />

interessierten Gruppen an der einen<br />

Stelle zusammenzuführen, wo ein gemeinsames<br />

Lebensgefühl die Basis bildet,<br />

muss es gewisse Haltepunkte und<br />

Symbole geben. Dies werden sicher<br />

auch weiterhin historisch und traditionell<br />

gewachsene Anker wie Museen, geschichtliche<br />

Orte oder Denkmäler bleiben.<br />

Dazu kommt natürlich auch die<br />

über aus selten anzutreffende schöne<br />

Bau kultur in den Dörfern und Städten.<br />

Für die Zukunft brauchen wir jedoch<br />

auch neue eigene Symbole und Beziehungs<br />

punkte. Das können moderne,<br />

aber in Holz gebaute Hotels genau wie<br />

zeitgemäß inszenierte Wander strecken<br />

sein, bei denen man schon auf dem<br />

Wan derparkplatz (Portal) mit einem gewissen<br />

Schick empfangen wird. Es geht<br />

jedoch gedanklich weiter, auch über ei-<br />

gene Wohnkultur oder sogar Modelinien<br />

nach zudenken, die vor uns und Gästen<br />

zumindest eine <strong>Sauerländer</strong> Variante<br />

oder Accesoires erkennen lassen. Und<br />

wenn dann künftig eine bisher süddeutsch<br />

titulierte Jausenstation in Zukunft<br />

„Sauerland-Päusken“ heißt und<br />

auf ungewöhnliche Art eigene Produkte<br />

aus der Landwirtschaft anbietet, kommen<br />

wir dem Ziel schon näher. So gilt es<br />

hier, Architekten, Landschaftsgestalter<br />

und Designer aufzurufen, an möglichst<br />

vielen Pack-Enden mit denen, die das alte<br />

Sauerland präsentieren für die Zukunft<br />

zusammenzuarbeiten. Man muss<br />

einen neuen, frischen <strong>Sauerländer</strong> Stil<br />

an vielen Stellen drinnen wie draußen<br />

spüren können, um ein authentisches<br />

und lebendiges Gefühl für die Region zu<br />

wecken. Das, was wir in wenigen anderen<br />

Landschaften als so typisch empfinden,<br />

muss nicht <strong>im</strong>mer alt und tradiert<br />

sein. Von daher gibt es in dieser Zeit eine<br />

große Chance, auch aufgrund knapper<br />

werdender Resourcen und durch die<br />

demographische Entwicklung, sich alter<br />

und neuer Werte zu besinnen. Diese<br />

Werte und Ankerpunkte suchen wir.<br />

Am besten gemeinsam.


206 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

... und in kalten Winternächten<br />

Wer einen etwas naturbelassenen<br />

Garten besitzt, wo auch ältere Obst -<br />

bäume, einige Ebereschen und vielleicht<br />

eine Früchte tragende Eibe sich wohlfühlen,<br />

der merkt bald, dass sich dort <strong>im</strong><br />

Herbst so viele Vogelarten zeigen wie<br />

sonst <strong>im</strong> ganzen Jahr nicht: Durch -<br />

ziehende nordische Drosseln und Finken<br />

oder umherstreifende Kernbeißer, Dom -<br />

pfaffen, Distelfinken, Spechte aus dem<br />

Umland und, nicht zu vergessen, die kleinen<br />

Gäste wie Schwanzmeisen, Winter -<br />

goldhähnchen oder Baumläufer. Letz tere<br />

sind Kletterkünstler, die besonders ältere,<br />

rauhborkige Bäume nach Insek ten und<br />

anderem Kleingetier absuchen. Fast <strong>im</strong>mer<br />

beginnen sie dabei am Fuße des<br />

Baumstammes und klettern dann ruckartig<br />

geradewegs oder auch in Spiralen hinauf.<br />

Mit dem verhältnismäßig langen, an<br />

der Spitze feinen und leicht gebogenen<br />

Schnabel gelangen sie in die engsten Rindenspalten.<br />

Dabei geben ihnen die starkbekrallten<br />

Zehen und ihr Schwanz, der<br />

dem Spechtschwanz ähnelt, einen festen<br />

Halt. Oben <strong>im</strong> Baum angekommen,<br />

schwingen sie sich elegant hinunter zum<br />

nächsten Baum.<br />

Nicht nur der Gartenbaumläufer zieht<br />

<strong>im</strong> Herbst durch unsere Gärten, sondern<br />

auch der Waidbaumläufer, der sein Brut -<br />

revier meist in größeren Waldungen hat.<br />

Die beiden sind nicht leicht zu unterscheiden.<br />

Am besten achtet man auf die Un-<br />

Waldbaumläufer<br />

von Wolfgang Frank<br />

Hausbaumläufer<br />

ter seite des Vogels. Die ist be<strong>im</strong> Wald -<br />

baumläufer vom Schnabel bis zum<br />

Schwanzansatz völlig weiß. Be<strong>im</strong> Gar -<br />

tenbaumläufer ist sie ebenfalls weiß, aber<br />

mit einem leichten Braungrau auf den<br />

Flan ken (also zum Schwanze hin).<br />

Baum läufer wiegen 7–11 g, Tannenmeisen,<br />

Schwanzmeisen, Zaunkönige<br />

9–10 g, Goldhähnchen etwa 7 g, Kohlmeisen<br />

16 –23 g. Sie sind Standvögel,<br />

d. h. sie bleiben <strong>im</strong> Winter hier. Wegen<br />

ihrer Klein heit sind sie in kalten Frostnächten<br />

besonders gefährdet. Einzeln,<br />

auf einem Zweig übernachtend, wären sie<br />

verloren. Deshalb dürfen sie den Nachbarn<br />

nicht wie gewöhnlich wegzanken,<br />

sondern sie müssen gemeinsam Schutz<br />

und Wärme suchen. Die Meisen schlafen<br />

dann in Baumhöhlen oder auch in dickwandigen<br />

Nistkästen und lassen dabei<br />

gern einige Artgenossen hinzukommen.<br />

Schwanz meisen und Wintergoldhähnchen<br />

kuscheln sich an einer windgeschützten<br />

Stelle <strong>im</strong> dichten Geäst bis zu<br />

zehn aneinander. Die Bäumläufer bilden<br />

ein Knäuel von vielen Tieren, das von<br />

den stärksten an der rissigen Borke eines<br />

Baumes gehalten wird. Der Zaunkönig<br />

baut <strong>im</strong> Sommer mehrere Nester, sogenannte<br />

Spielnester. Für seine geringe<br />

Größe sind das recht große Behau -<br />

sungen. Die beste polstert er vor dem<br />

Winter als Schlafnest aus. Weiß jemand,<br />

ob ihm dort in den kalten Winternächten<br />

ein oder zwei Kollegen willkommen sind?<br />

BÜCHER •<br />

SCHRIFTTUM<br />

Das Herzogtum Westfalen<br />

Band 1<br />

Am 29. Sep -<br />

tem ber 2009<br />

wurde <strong>im</strong> Kreis -<br />

haus Meschede<br />

der erste Band<br />

des Werkes<br />

„Das Herzog -<br />

tum Westfalen“<br />

vom Heraus -<br />

geber Prof. Dr.<br />

Dr. Harm Klue -<br />

ting der Öffentlichkeitvorgestellt.<br />

Das Buch entstand in enger Kooperation<br />

mit dem Sauer länder He<strong>im</strong>at -<br />

bund. In 26 Kapiteln auf 927 Seiten wer -<br />

den zahlreiche Facetten der Geschichte<br />

des kurkölnischen Sauerlan des dargestellt.<br />

Das Erscheinen wurde finanziell<br />

unterstützt durch die LWL-Kultur-<br />

Stiftung, die NRW-Stiftung, den Landschaftsverband<br />

Westfalen-Lippe, den<br />

Hochsauerland kreis, den Westfä lischen<br />

He<strong>im</strong>atbund, den <strong>Sauerländer</strong> He<strong>im</strong>atbund<br />

und nicht zuletzt durch einen<br />

10-Cent-Einwohner-Zuschuss der Kommunen<br />

des kurkölnischen Sauer landes.<br />

Erfreulicherweise konnte dadurch der<br />

Verkaufspreis unter 30 € gehalten werden.<br />

Nach einem Vorwort des Heraus -<br />

gebers beginnt der Band mit einem Beitrag<br />

von Günther Becker (Lenne stadt)<br />

zum geographischen Raum des Herzogtums<br />

Westfalen. Das Gebiet des Herzogtums<br />

wird heute <strong>im</strong> Wesentlichen durch<br />

den <strong>Hochsauerlandkreis</strong> und den Kreis<br />

Olpe abgedeckt. Zu ihm gehörten außerdem<br />

zwei Drittel der Fläche des heutigen<br />

Kreises Soest, die Gemeinden Balve und<br />

Menden <strong>im</strong> Märkischen Kreis und die<br />

kurkölnische Exklave Volkmar sen. Das<br />

Kirchspiel Valbert <strong>im</strong> heutigen Märkischen<br />

Kreis war ein märkisch-kölnisches<br />

Kondominat. Der Autor setzt sich mit<br />

den Raumbezeichnungen Her zog tum<br />

Westfalen, Kölnisches Sauer land, Sauerland<br />

und Hellweg auseinander, beleuchtet<br />

aber auch die erdgeschichtliche Vergangenheit<br />

und natur räumliche Gliederung<br />

und Höhenstufen, die zusammen<br />

Bedingungen für die Besiedlung und das<br />

Wirtschaften in diesem Raum sind.<br />

Es folgt ein Artikel von Paul Leidinger<br />

zur Christianisierung des kölnischen


SAUERLAND NR. 4/2009 207<br />

Westfalen. Unter Berücksichtigung jüngs -<br />

ter archäologischer Befunde ergibt sich<br />

hier der aktuelle wissenschaftliche Stand<br />

eines wegen fehlender schriftlicher Überlieferung<br />

<strong>im</strong>mer noch sehr <strong>im</strong> Dunkeln<br />

liegenden Kapitels. Kritisch setzt sich<br />

Leidinger mit den von Albert K. Hömberg<br />

geprägten Begriffen „Ur pfarr kiche“<br />

und „Stammpfarrei“ und seinen Forschungen<br />

zur Missionierung des kölnischen<br />

Sauerlandes auseinander. An den<br />

Beitrag schließt sich der von Edel traud<br />

Klueting über die Klosterlandschaft des<br />

Herzogtums Westfalen <strong>im</strong> Hoch -<br />

mittelalter an, in dem Informationen zur<br />

Gründung von Klöstern und Stiften sowie<br />

zum geistlichen Leben der Ordens -<br />

leute gegeben werden.<br />

Ein grundlegender Beitrag ist der<br />

dann folgende von Odilio Engels, der auf<br />

die Entstehung des Herzogtums Westfa -<br />

len durch die Entmachtung Heinrichs des<br />

Löwen 1180 eingeht. Paul Leidinger befasst<br />

sich daran anschließend mit der für<br />

das Herzogtum bedeutsamen Ge schich -<br />

te der Grafen von Werl und Werl-Arnsberg<br />

(980 – 1134), gefolgt von Mi chael<br />

Gosmanns Darstellung des Weges der<br />

Grafen von Arnsberg zur Lan -<br />

desherrschaft (1180 – 1371). Cor ne lia<br />

Kneppe stellt dann in ihrem Artikel „Burgen<br />

und Städte als Kristalli sati onspunkte<br />

von Herrschaft zwischen 1100 und<br />

1300“ die Geschichte des Ausbaus von<br />

Schutzanlagen und Herr schaftssitzen sowie<br />

der Stadtgründungen dar, und Wilhelm<br />

Janssen behandelt die Entstehung<br />

des Territoriums „Herzog tum Westfalen“,<br />

das erst durch den Zugewinn der<br />

Herrschaft Bilstein-Fre deburg 1444/45<br />

abgerundet werden konnte.<br />

Die Ausführungen von Eberhard<br />

Fricke beinhalten das interessante Thema<br />

der Vemege richtsbarkeit <strong>im</strong> kur -<br />

kölnischen Herzog tum Westfalen. Vemegerichtsbarkeit<br />

war aber nur ein Teil<br />

des Justizwesens dieses Raumes. Vermisst<br />

wird eine Ge samt darstellung dieses<br />

komplexen Be reiches, dessen Bedeutung<br />

für die Bewohner des Herzogtums<br />

<strong>im</strong>mens war. So gab es weltliche Gerichte<br />

und geistliche Gerichte, Lehngerichte<br />

und Pa tr<strong>im</strong>onialgerichte. Einen unrühmlichen<br />

Aspekt der Gerichtsbarkeit behandelt<br />

Tanja Gawlich in ihrem Artikel über<br />

den Hexenkommissar Heinrich von<br />

Schult heiß und die Hexenverfolgungen<br />

<strong>im</strong> Herzogtum Westfalen. Auf die Zer-<br />

split terung des sauerländischen Justizwesens<br />

gehen Tanja Gawlich sowie auch<br />

Jens Foken in seinem Beitrag über Städte<br />

und Freiheiten des Herzogtums in der<br />

Frühen Neuzeit zwar kurz ein, ohne aber<br />

<strong>im</strong> Rahmen ihrer Abhandlungen eine<br />

umfassende Darstellung dieser Thema -<br />

tik geben zu können. Im Beitrag von Wilhelm<br />

Janssen findet man außerdem Ausführungen<br />

zum Thema Gogerichts -<br />

barkeit und Gografschaften.<br />

Jens Foken stellt ausführlich die Stadt -<br />

gründungen seit dem Mittelalter dar und<br />

begründet, warum bis auf einzelne Aus -<br />

nahmen eine Entwicklung über kleinstädtischen<br />

Charakter hinaus nicht möglich<br />

war. Als eine wesentliche Ursache<br />

für eine Trendwende der städtischen Entwicklung<br />

<strong>im</strong> Herzogtum macht er die<br />

Soester Fehde (1444/45) aus, durch die<br />

überregionale ökonomische Anbindun -<br />

gen an das Ausland bzw. die Hanse abrissen.<br />

Seit der zweiten Hälfte des 17.<br />

Jhdts. waren es hohe Schuldenberge, eine<br />

innovations- und fortschrittsfeindliche<br />

Mentalität des ausschließlichen Bewah -<br />

rens sowie eine restriktive, auf Ab -<br />

schottung gerichtete Wirtschaftspolitik<br />

der Landesherrschaft, die zu einer weitgehenden<br />

Stagnation sämtlicher städtischer<br />

Entwicklungspotentiale führten.<br />

Jens Foken beleuchtet außerdem Aspek -<br />

te städtischen Lebens in der frühen Neuzeit,<br />

insbesondere zu Bürger ge meinde<br />

und Bürgerrecht, Stadtver fassung und<br />

bürgerlicher Mitbest<strong>im</strong> mung, städtischer<br />

Verwaltung, Sozial- und Berufsstrukturen<br />

sowie Zäsuren des Alltagslebens, bestehend<br />

aus Kriegen, Seuchen und Feuersbrünsten.<br />

Der vom Autor gewählte Titel<br />

„Erstarrtes Mittel alter“ wirkt etwas provokant<br />

und soll wohl die Aufmerksamkeit<br />

des Lesers wecken. Ob er allerdings<br />

den tatsächlichen Verhältnissen gerecht<br />

wird oder ob es sich gar um ein allgemeines<br />

Phä nomen der frühen Neuzeit handelt,<br />

hätte der Autor durch Vergleiche zu<br />

anderen Herrschaftsgebieten <strong>im</strong><br />

deutschsprachigen oder europäischen<br />

Raum durchaus noch beleuchten können.<br />

Eine zentrale Abhandlung liefert<br />

Harm Klueting über das Herzogtum<br />

Westfalen als geistliches Territorium <strong>im</strong><br />

16. bis 18. Jahrhundert. In einem Abschnitt<br />

widmet sich der Autor dem Thema<br />

„Landstände und Landtag“, für das<br />

eigentlich ein eigenständiger Beitrag vor-<br />

gesehen war, dessen Bearbeiter aber<br />

zum Bedauern des Herausgebers kurzfristig<br />

absagte. Umso wichtiger erscheint<br />

die Darstellung in Kluetings Artikel.<br />

Auch er stellt einen Teil des Justizwesens<br />

<strong>im</strong> Herzogtum dar, und zwar <strong>im</strong> Ab -<br />

schnitt über Ämter und Gerichte und die<br />

landesherrliche Lokalverwaltung. Von<br />

Interesse sind vor allem die Aus -<br />

führungen zur Religionsgeschichte (Reformation<br />

und Gegenreformation) sowie<br />

den damit in Zusammenhang stehenden<br />

Kriegen. Zu nennen sind hier der Kölnische<br />

und der Dreißigjährige Krieg. Eine<br />

wichtige Quellenpublikation hierzu, das<br />

Buch „Sterbzeiten – Der Dreißigjährige<br />

Krieg <strong>im</strong> Herzogtum Westfalen“ (Müns -<br />

ter 2000), erscheint allerdings bei den<br />

Quellenangaben zu diesem Beitrag bedauerlicherweise<br />

nicht. Der Einschätzung<br />

Kluetings, der Nieder l ändische<br />

Krieg von 1672 bis 1678 habe das Herzogtum<br />

Westfalen kaum berührt, kann<br />

nicht gefolgt werden. Umfang reiche<br />

Korrespondenz des Bilsteiner Gerichtsschreibers<br />

Georg Vasbach aus den Jahren<br />

1672/73 sowie Einquar tierungsund<br />

Kontributionslisten aus dem Amt Bilstein<br />

lassen hier durchaus auch eine andere<br />

Sichtweise zu (vgl. He<strong>im</strong>atst<strong>im</strong>men<br />

aus dem Kreis Olpe, 162. Folge, S. 2 ff).<br />

Erwähnenswert wären hier auch die<br />

Bemühungen der Landstände und Johann<br />

Adolfs von Fürstenberg am Hof in<br />

Wien zur Erreichung von Quartierbefreiung<br />

gewesen (vgl. Fürstenbergische Geschichte,<br />

3. Band. S 161 ff). Gegen die<br />

Aussage spricht auch der Bericht Jens<br />

Fokens von der zeitweisen Aberkennung<br />

der Stadtrechte Warsteins 1673 wegen<br />

der Weigerung zur Aufnahme von<br />

Schutz truppen (S. 405). Eine Korrektur<br />

ist zu den Fußnoten 312 und 315 (Sn.<br />

482 und 483) anzubringen. Die Pfarrei<br />

Kirch rarbach wurde in der zitierten Quelle<br />

nicht doppelt gezählt. Bei der für das<br />

Dekanat Meschede genannten Pfarrei<br />

handelt es sich um Rahrbach in der Gemeinde<br />

Kirchhundem (früher ztw. auch<br />

als Fernrahrbach bezeichnet), wäh rend<br />

Kirchrarbach (Dekanat Wormbach) heute<br />

ein Ort in der Stadt Schmallenberg ist.<br />

Der sich anschließende Artikel von<br />

Marina Cremer befasst sich mit dem<br />

Thema Kunst <strong>im</strong> Herzogtum Westfalen.<br />

Die Autorin zeigt, dass es sich hier um eine<br />

kurkölnisch geprägte Kunstlandschaft<br />

handelt, der <strong>im</strong> Mittelalter ein prägendes


208 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

künstlerisches Zentrum fehlte. Die Au -<br />

torin befasst sich neben Malerei, Plastik,<br />

Kunsthandwerk und Goldschmiedekunst<br />

des Spätmittelalters auch mit dem Zeitalter<br />

des Barock und stellt dort insbesondere<br />

Schlossbauten des 17./18. Jahrhunderts<br />

sowie die zahlreichen Kir -<br />

chenbauten vor. Vor allem bei geschnitzten<br />

Holzwerken gab es <strong>im</strong> 17. und 18.<br />

Jhdt. bedeutsame Künstler und Werk -<br />

stätten <strong>im</strong> Sauerland. Landesherr und<br />

Adel taten sich bei der Auftragsvergabe<br />

von Kunstwerken als Mäzene hervor. Die<br />

Autorin grenzt den von ihr behandelten<br />

Kunstbegriff lediglich dahingehend ein,<br />

dass sie sich mit kirchlich geprägter<br />

Kunst vom Hochmittelalter bis zur Barockzeit<br />

befasst. Es fehlt leider eine Erläuterung<br />

dazu, warum sie nur auf die Bildende<br />

Kunst eingeht und Bereiche wie<br />

Literatur und Musik nicht behandelt.<br />

Abgerundet wird der Band mit Beiträgen<br />

zum Schulwesen (Erika Rich ter), zu<br />

Klöstern und Ordenswesen der frühen<br />

Neuzeit (Klaus Baulmann), Bi blio theken<br />

der Stifte und Klöster (Her mann-Josef<br />

Schmalor), den Büchern der Werler Erbsälzer<br />

(Iris Bunte), Juden (Diethard<br />

Aschoff), Münzprägung und Geld (Peter<br />

Ilisch), Salinen, Berg- und Hüttenwesen,<br />

Gewerbe und Handel (Wilfried Reininghaus),<br />

Landwirtschaft, Waldnutzung und<br />

Forstwesen (Bernward Selter), Wegen,<br />

Verkehr und Post (Theo Bönemann) und<br />

zur Säkularisation und dem Ende des<br />

Herzogtums Westfalen (Harm Klueting).<br />

Vermisst werden ein einleitender Ar -<br />

tikel zur Forschungsgeschichte und dem<br />

aktuellen Forschungsstand zum Her -<br />

zogtum Westfalen und ein Gesamt -<br />

verzeichnis der benutzten Literatur. Das<br />

vorhandene Personen- und Ortsna -<br />

menregister ist für den Leser sehr hilfreich.<br />

Vielleicht kann sich der Heraus -<br />

geber dazu entschließen, <strong>im</strong> nachfolgenden<br />

zweiten Band ein Sachregister für<br />

beide Bände aufzunehmen. Eine tiefere<br />

Untergliederung des Inhaltsverzeich -<br />

nisses hätte die Benutzbarkeit des jetzt<br />

vorliegenden Bandes wesentlich erleichtert.<br />

Vorteilhafter wäre es auch gewesen,<br />

die Überschriften der Abschnitte einzelner<br />

Beiträge durch Fettschrift hervorzuheben.<br />

Abbildungen <strong>im</strong> Text sind – mit<br />

Ausnahme verschiedener Karten und<br />

Diagramme – in Schwarz-Weiß gedruckt.<br />

Außerdem gibt es erfreulicherweise ei-<br />

140 Jahre<br />

H & F Schneider Holding<br />

Nuttlar a. d. Ruhr<br />

Am 13. Oktober 1869 schrieb Franz<br />

Schneider, der Gründer des heutigen Unternehmens<br />

die erste Rechnung das noch<br />

heute vorliegende Geschäfts buch. Die 1.<br />

Eintragung be<strong>im</strong> königlichen Amtsgericht<br />

zu Bigge ins Han delsregister liegt<br />

bereits 147 Jahre zurück.<br />

Der Grundstein wurde gelegt auf dem<br />

„Eisen-Hammer“ in Nuttlar. Die Firma<br />

befindet sich seit 5 Generationen <strong>im</strong> Familienbesitz.<br />

Heute, über 140 Jahre später,<br />

präsentiert sich das Unterneh men als<br />

Immobilienverwaltungs gesell schaft und<br />

als Handelsunternehmen mit einer breiten<br />

Produktpalette an Spiri tuosen und<br />

Weinen.<br />

Die besonderen Marken sind wie eh<br />

und je der Holzfass gelagerte „ Ganz Al-<br />

nen 14-seitigen Abbildungs anhang mit<br />

hervorragenden Darstel lungen unterschiedlicher<br />

Handschriften, Urkunden,<br />

Kunstwerke und Baudenk mäler. Als Beilage<br />

findet man ein farbiges Faks<strong>im</strong>ile<br />

der Karte „Ducatus West phaliae nova repraesentatio<br />

geographica“ von 1757 in<br />

Originalgröße (55 x 45 cm). Erläuterungen<br />

zur Karte auf S. 927 stammen von<br />

Klaus Baulmann.<br />

Insgesamt bleibt festzustellen, dass der<br />

Herausgeber mit dem nun erschienenen<br />

Band 1 ein Werk zur Geschichte des<br />

Herzogtums Westfalen vorlegt, das als<br />

Maßstab für die Erfor schung der Geschichte<br />

dieses Landes teils für die nächsten<br />

Jahrzehnte betrachtet werden kann.<br />

Mit Spannung darf deshalb auf Band 2<br />

des Werkes gewartet werden, der die jüngere<br />

Ge schichte des ehemals kurkölnischen<br />

Sau er landes darstellen wird.<br />

Martin Vormberg<br />

Das Herzogtum Westfalen. Band 1.<br />

Das kurkölnische Herzogtum Westfalen von<br />

den Anfängen der kölnischen Herrschaft <strong>im</strong><br />

südlichen Westfalen bis zur Säkularisation<br />

1803. Herausgegeben von Harm Klueting unter<br />

Mitarbeit von Jens Foken. Aschendorff, Münster<br />

2009. ISBN 978-3-402-12827-5. 29,50 EUR.<br />

Jahrbuch<br />

<strong>Hochsauerlandkreis</strong> 2010<br />

Berichte – Erzählungen – Aufsätze<br />

(26. Ausgabe)<br />

Paul Aust: Eine Schneekristall-Mons -<br />

tranz für Winterberg. Andreas Düppe:<br />

Integration gemeinsam gestalten. Integrationskonzept<br />

<strong>im</strong> Hochsau erlandkreis<br />

ter Schneider“ Edelkorn und der Gipfel -<br />

stürmer, der delikate Halbbitter „Kahler<br />

Asten“ diese werden in Oelde/West -<br />

falen fabriziert und wie es auf dem Etikett<br />

steht, von Nuttlar und Oelde aus<br />

vertrieben. Der Kreis der Freunde für<br />

diese Produkte geht über das Sauerland<br />

hinaus – von Bayern bis zur Nordsee,<br />

von Aachen bis Berlin. Schon seit einiger<br />

Zeit gibt es die Jubiläumsflasche, die<br />

nicht nur dem deutschen Korntrinker<br />

das Gehe<strong>im</strong>nis, den goldgelben Bernstein<br />

glanz, der durch die lange Holzfass -<br />

lagerung entstanden ist, in der klaren<br />

Flasche zeigt.<br />

Das Firmenjubiläum motiviert nicht<br />

zu großen Feiern, aber da wir in einer<br />

„fröhlichen Branche“ arbeiten, haben<br />

wir den Opt<strong>im</strong>ismus, die richtigen Wei -<br />

chen von der Produktion zum Handel<br />

gestellt zu haben. Im Handel soll der Segen<br />

liegen, darauf warten wir!<br />

trägt Früchte. Dr. Karl Schneider:<br />

Ideen, Konzepte, Impulse. Die Kreisverwaltung<br />

als Dienstleister einer lebenswerten<br />

Region. Bärbel Michels: „Durch<br />

Fleiß und Kraft man Großes schafft.“<br />

Das Familien unternehmen Ewers – von<br />

der Stell macherei zum Karosseriebau.<br />

Dr. Hubert Schmidt: 700 Jahre Freiheit<br />

Sundern. Von einer kleinen Acker -<br />

bürgersiedlung zum Zen tral ort. Werner<br />

Saure: 650 Jahre Freiheit Hüsten. Urpfarrei<br />

– Freiheit – Wirt schafts standort.<br />

Theo Hirnstein: Das sauerländische Leben<br />

in der Lokal zeitung. Ein spezieller<br />

Rückblick auf 25 Jahre „Jahrbuch<br />

<strong>Hochsauerlandkreis</strong>“. Dieter Wurm:<br />

Leiko Ikemura – Erste Preis trägerin des<br />

neu geschaffenen August-Macke-Preises.<br />

Wolfgang Meier, Michael Schaefer:<br />

August-Macke-För der preis 2009 an<br />

Marina Zwetzschler. Erste Preisträgerin<br />

des neu geschaffenen August-Macke-<br />

Förderpreises. Dr. Erika Richter: Die<br />

wiedergewonnene Freiheit <strong>im</strong> Blick der<br />

lokalen Presse. 1989/90: Zwanzig Jahre<br />

nach dem Fall der Mauer und der<br />

Wiedervereinigung Deutsch lands. Prof.<br />

Dr. Walter Fritzsch: Das Kreiselektrizitätswerk<br />

Arnsberg 1910 – 1928. Siegfried<br />

Raschke: 110 Jahre Berufsschule/Berufskolleg<br />

für Wirtschaft und Verwaltung<br />

Nehe<strong>im</strong>-Hüsten. Ein Beitrag<br />

zum beruflichen Schulwesen <strong>im</strong><br />

Hochsauerland. Jürgen Uhl: Trauer um<br />

Altlandrat Rolf Füllgräbe. Als einer der<br />

„Architekten“ des <strong>Hochsauerlandkreis</strong>es<br />

hat er bleibende Spuren hinterlassen.<br />

Msgr. Dr. Wilhelm Kuhne: „Es lebe<br />

Christus in deutscher Jugend.“ Tage -<br />

buch-Notizen eines Jugendseelsorgers


SAUERLAND NR. 4/2009 209<br />

in Brilon von 1952 bis 1960. Ann-Katrin<br />

Thomm: Von der Waldeinsamkeit<br />

zum Gemütswald. Ein Beitrag zum „Mythos<br />

Wald“ als romantische Sehnsuchts -<br />

landschaft und Werbemotiv. Werner<br />

Knoche: Die Kriegshandlungen <strong>im</strong><br />

Raum Arnsberg und Fredeburg. Aus<br />

den Erinnerungen eines Zeitzeugen. Dr.<br />

Johanna Junk: Wo Meister Papen den<br />

Alabaster holte. Exkursion des Kloster -<br />

museums Dalhe<strong>im</strong> in die Steinbrüche<br />

bei Giershagen – Drei neue Fundstücke<br />

für das Museum. Ursula Hennecke: Der<br />

Blutegel als Therapeut. Ein wiederentdecktes<br />

altherkömmliches Heilver fah -<br />

ren. Dr. Heike Plaß: Kirchenmalerei aus<br />

Oberschledorn. Das Familienunterneh -<br />

men Bergenthal. Herbert Somplatzki:<br />

Literarische Spurensuche zwischen He<strong>im</strong>at<br />

und Welt. Grenzüberschrei tungen<br />

<strong>im</strong> Wort. Anton Trippe: Von Braunshausen<br />

nach Wien. Die Erfolgs -<br />

geschichte der Brüder Knecht. Norbert<br />

Föckeler: Rückblick aus dem Kreis -<br />

archiv. Zahlen, Daten, Fakten. Ilse<br />

Schneider: Wunderbare Welt<br />

Herausgeber: Der Landrat des <strong>Hochsauerlandkreis</strong>es.<br />

Verlag und Vertrieb: Podszun-Verlag GmbH, Brilon<br />

2009, ISBN 978-3-86133-541-2<br />

Die Chronik eines<br />

Grafschafter Mönchs<br />

1772 – 1832<br />

Ein ganz besonderes<br />

Buch<br />

ist anzuzeigen:<br />

Der Benediktin<br />

e r m ö n c h<br />

Odilo Girsch<br />

hat die bewegte<br />

Zeit vom Ende<br />

des 18. bis<br />

in die ersten<br />

Jahr zehnte des<br />

19. Jahrhunderts<br />

ausführlich aufgezeichnet. Die Geschichte<br />

der Abtei Graf schaft und seine<br />

eigene Le bens geschichte als Geistlicher<br />

in verschiedenen Dörfern des Hochsauerlandes<br />

sind in seinem eng beschriebenen<br />

Tagebuch (467 S.) festgehalten,<br />

das <strong>im</strong> Pfarrarchiv von Kirch rarbach<br />

aufbewahrt wird. Nun hat Alfred Bruns,<br />

seit langem um die Erschließung von<br />

Quellen zur Geschichte des Sauer landes<br />

hochverdient, die Chronik des Odilo<br />

Girsch bearbeitet, und der He<strong>im</strong>at- und<br />

Geschichtsverein Schmallenberger<br />

Sauerland hat das schön gestaltete Buch<br />

für die historisch interessierte Leser -<br />

schaft zugänglich gemacht.<br />

Was zeichnet dieses einzigartige<br />

Werk aus? Zunächst bringt es Nachrichten<br />

über die Abtei Grafschaft, in die Odilo,<br />

1758 <strong>im</strong> hessischen Obertiefenbach<br />

bei L<strong>im</strong>burg geboren, achtzehnjährig<br />

eingetreten war und sich dort bald als<br />

Or gelspieler hervortat. Noch sind seine<br />

Eintragungen sehr knapp, aber sie werfen<br />

ein bezeichnendes Licht auf Span -<br />

nungen zwischen dem Kloster und Teilen<br />

der Schmallenberger Bevölkerung,<br />

die er „Canibalen“ nennt, aber auch auf<br />

die ersten Auseinandersetzungen in den<br />

Revolutionskriegen zwischen den kurkölnischen<br />

Truppen und den Franzosen,<br />

denn 1794 muss er notieren „Nun drohte<br />

auch der verderbliche Krieg mit den<br />

Franzosen den diesseits des Rheins gelegenen<br />

Ländern“ (S. 20). Seitdem ist<br />

seine Chronik ein fortlaufender Bericht<br />

über die Kriegsentwicklung in seiner<br />

Umwelt. Er zeichnet aber nicht nur die<br />

räuberischen, unaufhörlichen Belastungen<br />

der sauerländischen Bevölkerung<br />

durch die Truppen der Kriegführenden<br />

auf, sondern auch das allgemeine<br />

Kriegsge schehen, so dass man sich<br />

fragt, welche Zeitungen dieser aufmerksame,<br />

gut informierte Chronist jeweils<br />

heranziehen konnte. Schon 1797<br />

taucht auch der Name des „in Italien<br />

commandierenden Generals Bounaparte“<br />

auf und seine militärischen Aktionen<br />

gegen die Österreicher, denen Odilos<br />

ganze Sympathie gilt. Neben dem<br />

Kriegsgeschehen notiert er nun auch<br />

ständig die täglichen Wetter -<br />

nachrichten. Über Schnee und Frost lesen<br />

wir viel, auffallend sind besonders<br />

die häufigen Meldungen über außerordentliche<br />

oder schreckliche „Sturmwinde“,<br />

die damals das Sauerland offenbar<br />

<strong>im</strong>mer wieder he<strong>im</strong>gesucht haben. Seit<br />

1801 n<strong>im</strong>mt er eine Pfarrstelle in<br />

Kirchrarbach ein, wo er auch Schulunterricht<br />

erteilt und die Jugend für sich<br />

gewinnt. „Ich behandelte dieselbe so,<br />

wie man ein junges Bäumchen behandelt,<br />

wenn mans zu einem guten Baum<br />

haben will“ (S. 51). Sein Verhältnis zu<br />

den Erwachsenen, diesen „wiederspens -<br />

tigen Menschen“, ist offenbar schwieriger.<br />

1802 wechselt er nach Dorlar und<br />

amtiert dort als Pfarrer bis 1822. Große<br />

Ereignisse verändern in dieser Zeitspanne<br />

die Welt, vor allem das Ende der kurkölnischen<br />

und der Beginn der hessischen<br />

Herrschaft <strong>im</strong> Zuge der Säkularisation,<br />

in der die meisten sauerländischen<br />

Klöster aufgehoben wurden.<br />

Empört vermerkt der Chronist: „Diese<br />

grausame Art, Menschen ohnverdient<br />

von ihrem Eigentume zu verjagen, sich<br />

damit zu entschädigen, mögen jene nur<br />

gutheißen, welche öffentliche Diebstähle<br />

rechtfertigen können“ (S. 53). Auch<br />

den Auf- und Abstieg Kaiser Napoleons<br />

hält er ausführlich fest wie auch die Maß -<br />

nahmen der verhassten Hessen, die, wie<br />

er schreibt, bis zum Schluss die „West -<br />

phälinger“ durch ihre Besteuerung aussaugten.<br />

In einem eigenen Abschnitt<br />

„Bemerkung über das Benehmen der<br />

Hessen und des überhaupt angestellten<br />

Personals während der Besitznahme bis<br />

Ende 1816 den 15ten Julius“ schreibt er<br />

sich seinen Zorn über die herrschsüchtigen<br />

Hessen von der Seele, die nichts anderes<br />

bezweckten „als die Untertanen irre<br />

und die Advokaten gewissenlos zu<br />

machen“. Aber auch die neue preußische<br />

Regierung enttäuscht seine hoffnungsvollen<br />

Erwartungen, er erlebt<br />

nichts als Nachteile für die Geistlichkeit<br />

und die katholische Religion. Auch in<br />

Dorlar klagt er über das „widerspenstige<br />

Betragen des Kirchspiels“, so dass er<br />

von 1822 – 25 noch einmal Pfarrverweser<br />

in Kirchrarbach wird, ehe er dann<br />

mit viel Erfolg die Pfarrstelle in Altastenberg<br />

versieht, bis er 1833 in den Ruhestand<br />

geht. In Dorlar stirbt er hochbetagt<br />

1847. Mit seiner Chronik hat er uns<br />

nicht nur ein einzigartiges Zeugnis der<br />

Zeitge schichte hinterlassen, sondern<br />

auch das eindrucksvolle Bild eines nachdenklichen,<br />

kritisch-aufrechten und<br />

glaubensstarken Gottesmannes geschenkt.<br />

Dr. Erika Richter<br />

Die Chronik des Odilo Girsch 1772 – 1832, bearbeitet<br />

von Alfred Bruns. Herausgeber He<strong>im</strong>at- und Geschichtsverein<br />

Schmallenberger Sauerland e.V. 2009,<br />

175 S.<br />

Schliprüthen – ein<br />

Jubiläums-Kirchenführer<br />

Vor einem strahlendblauen Sommer -<br />

h<strong>im</strong>mel eine weiße Dorfkirche mit kräftigem,<br />

schiefergedecktem Turm – das<br />

farbige Titelbild st<strong>im</strong>mt froh. Es zeigt die


210 SAUERLAND NR. 4/2009<br />

Kirche St. Georg von Schliprüthen und<br />

wurde Pfingsten 2008 zum 700-jährigen<br />

Jubiläum der Pfarrei Schliprüthen<br />

herausgegeben. Schon das Titelbild dokumentiert,<br />

dass wir nicht einen der üblichen<br />

Kirchenführer vor uns haben,<br />

sondern eine Augenfreude der besonderen<br />

Art. Das um 1200 erbaute Gotteshaus<br />

wird uns in Wort und Bild (Texte<br />

Franz-Josef Huß, Fotos und Repro Benedikt<br />

und Franz-Josef Huß) eingehend<br />

dargestellt. Detailliert erfahren wir<br />

zunächst die Baugeschichte, dann die<br />

Innenge staltung in ihren theologischen<br />

und kunstgeschichtlichen Bezügen.<br />

Durch die schönen, klaren Farbaufnahmen<br />

gewinnt die Beschreibung eine seltene<br />

Anschaulichkeit. Da leuchtet der<br />

Hoch altar mit seinen Skulpturen, die<br />

prächtig geschnitzte barocke Kanzel, die<br />

Hei ligen figuren wie St. Jakobus, Georg<br />

oder Katharina, die Orgel oder auch die<br />

Glocken: Alles n<strong>im</strong>mt durch die Erläute -<br />

rungen und die optische Wiedergabe<br />

ausdrucksvoll Gestalt an. Das gilt auch<br />

für Pfarrhaus, Vikarie und das Archiv,<br />

selbst die traditionsreiche Verbindung<br />

zum Kloster Brunnen wird aufgezeigt.<br />

Die schmale Hochglanz-Broschüre vermittelt<br />

insgesamt ein eindrucksvoll farbkräftiges<br />

Bild, das nicht nur für die Pfarrkinder<br />

von St. Georg eine gelungene Erinnerung<br />

an festliche Gottesdienste sein<br />

wird, sondern weit darüber hinaus sauerländische<br />

Interessierte anspricht und<br />

ein schönes Zeugnis dafür ablegt, welche<br />

Schätze in einer abgelegenen Dorfkirche<br />

verborgen sind. Hier haben wir<br />

ein kleines Weihnachtspräsent vor uns,<br />

mit dem sich Freude bereiten lässt und<br />

das vermutlich auch noch manchen Betrachter<br />

erstmals nach Schliprüthen<br />

locken wird.<br />

Dr. Erika Richter<br />

Besuchen<br />

Sie uns <strong>im</strong> Internet:<br />

www.sauerlaender-he<strong>im</strong>atbund.de<br />

Beilagenhinweis<br />

Dieser Ausgabe liegt ein Prospekt<br />

des <strong>Sauerländer</strong> He<strong>im</strong>atbundes bei. Wir<br />

bitten um besondere Beachtung.<br />

PERSONALIEN<br />

Am 19. Oktober 2008 vollendete<br />

Stadtdirektor a. D. Hermann Willeke<br />

aus Sundern das 80. Lebensjahr. „Anwalt<br />

der Bürger und preußischer Staatsdiener“<br />

- diese Überschrift gab die örtliche<br />

Zeitung einer früheren Würdigung.<br />

In der Tat, der „gelernte Verwaltungsfachmann“<br />

sorgte für eine sparsam und<br />

effektiv arbeitende Verwaltung. Gleichzeitig<br />

bemühte er sich mit Erfolg um unmittelbaren<br />

Kontakt mit den Bürgern<br />

seines Amtsbereichs. Das bewährte sich<br />

besonders in den Jahren der kommunalen<br />

Neuordnung, als er zusammen mit<br />

dem unvergessenen Bürgermeister<br />

Franz-Josef Tigges für ein ausgewogenes<br />

Verhältnis zwischen der „Kernstadt“<br />

und den umliegenden Ortschaften sorgte.<br />

Nach dem Aus scheiden aus dem aktiven<br />

Dienst, nach Erreichung der Altersgrenze<br />

übernahm er noch Verantwortung<br />

<strong>im</strong> Kuratorium der Sauerlandklinik<br />

und <strong>im</strong> Verein für Altenpflege. Der<br />

<strong>Sauerländer</strong> He<strong>im</strong>at bund hat ihm für<br />

SAUERLAND<br />

Zeitschrift des <strong>Sauerländer</strong> He<strong>im</strong>atbundes (früher<br />

Trutznachtigall, He<strong>im</strong>wacht und Sauerlandruf)<br />

42. Jahrgang • Heft 4, Dezember 2009<br />

ISSN 0177-8110<br />

Herausgeber und Verlag: <strong>Sauerländer</strong> He<strong>im</strong>atbund<br />

e. V., Postfach 14 65, 59870 Meschede<br />

Vorsitzender: Dieter Wurm, Am Hainberg 8 a,<br />

59872 Meschede, Tel. (02 91) 71 90 p, Fax (02 91)<br />

71 90 p, 94-16 05 d, Fax 94-2 61 71. Stellv. Vorsitzende:<br />

Wilma Ohly, Goerdelerweg 7, 57462 Olpe,<br />

Tel. (0 27 61) 6 16 98.<br />

Ehrenvorsitzender: Dr. Adalbert Müllmann, Jupiterweg<br />

7, 59929 Brilon, Tel. (0 29 61) 13 40<br />

Geschäftsstelle: <strong>Hochsauerlandkreis</strong>, Fachdienst<br />

Kultur/Musikschule, Karin Kraft, Telefon (02 91)<br />

94-14 62, Telefax (02 91) 9 42 61 71, e-mail: kultur<br />

@hochsauerlandkreis.de, Postfach 14 65, 59870<br />

Meschede<br />

Internet: www.sauerlaender-he<strong>im</strong>atbund.de<br />

Konten: Sparkasse Arnsberg-Sundern<br />

(BLZ 466 500 05) 4 000 600.<br />

Jahresbeitrag zum <strong>Sauerländer</strong> He<strong>im</strong>atbund einschließlich<br />

des Bezuges dieser Zeitschrift 15,– EUR.<br />

Einzelpreis 4,00 EUR.<br />

Erscheinungsweise vierteljährlich.<br />

vielfältige Unter stützung seiner Arbeit zu<br />

danken. Der Rat verlieh ihm für seine<br />

Verdienste den Ehrenring der Stadt Sundern.<br />

Red.<br />

Ehrenkanonikus<br />

vom Heiligen Grab<br />

Der Titel „Ehrenkanonikus vom Heiligen<br />

Grab“ wurde unserem He<strong>im</strong>at -<br />

freund Msgr. Prof. Dr. Konrad Schmidt,<br />

Rektor der Landvolkshoch schule Harde -<br />

hausen, verliehen. Er ist bereits Mitglied<br />

des Ritterordens vom Heiligen Grabe zu<br />

Jerusalem, eines päpstlichen Ordens,<br />

dem katholische Geistliche wie auch Laien<br />

angehören. Viele Pädagogen aus<br />

dem kurkölnischen Sauerland haben in<br />

der Vergangenheit an den von Prof. D.<br />

Schmidt betreuten Studienfahrten ins<br />

Heilige Land teilgenommen. Der <strong>Sauerländer</strong><br />

He<strong>im</strong>atbund gratuliert seinem<br />

langjährigen Mitglied zu dieser hohen -<br />

und verdienten - Auszeichnung. Red.<br />

Redaktion: Günther Becker, Lennestadt. Werner Cordes,<br />

Attendorn. Dr. Theo Bönemann, Menden.<br />

Su sanne Falk, Lennestadt. Norbert Föckeler, Brilon.<br />

Professor Dr. Hubertus Halbfas, Drolshagen.<br />

Heinz Lettermann, Bigge-Olsberg. Dr. Adalbert<br />

Müllmann, Brilon. Heinz-Josef Padberg, Meschede.<br />

Dr. Erika Rich ter, Meschede. Michael Schmitt, Sundern.<br />

Dr. Jür gen Schulte-Hobein, Arnsberg. Dieter<br />

Wiethoff, Meschede. Dieter Wurm, Meschede.<br />

Schlussredaktion: Hans Wevering, Schloßstr. 54,<br />

59821 Arnsberg, Tel. (0 29 31) 32 62, Fax (0 29 31)<br />

1 29 83, e-mail: hanswevering@t-online.de,<br />

Martin Reuther, Alter Soestweg 85, 59821 Arnsberg,<br />

Tel. (02 91) 94-14 58, e-mail: martinreuther@t-online.de<br />

Redaktionsanschrift: <strong>Sauerländer</strong> He<strong>im</strong>atbund,<br />

Postfach 14 65, 59870 Meschede<br />

Lithografie, Layout und techn. Redaktion:<br />

Hans Wevering, Schloßstraße 54, 59821 Arnsberg,<br />

Tel. (0 29 31) 32 62, Fax (0 29 31) 1 29 83, e-mail:<br />

hanswevering@t-online.de<br />

Druck: becker druck, F. W. Becker GmbH<br />

Anzeigenverwaltung:<br />

becker druck, F. W. Becker GmbH,<br />

Grafenstr. 46, 59821 Arnsberg,<br />

Ansprechpartner: Eckhard Schmitz,<br />

schmitz@becker-druck.de<br />

Tel. (0 29 31) 52 19-21, Fax (0 29 31) 52 19-6 21.<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 9 vom 1. Jan. 2006.


140 JAHRE<br />

DIE JUBILÄUMSFLASCHE<br />

ei Ganz Alter Schneider handelt es sich um<br />

eine ausgesprochen hochwertige Spezialität,<br />

die sich in ihrem Stammgebiet - dem Sauerland -<br />

traditioneller Beliebtheit erfreut.<br />

ieser Edel-Kornbrand mit 38% vol. lagert<br />

mindestens 2 Jahre in kleinen L<strong>im</strong>ousin-<br />

Eichenholzfässern und bekommt so seinen<br />

besonderen bernsteinfarbenen Glanz und die<br />

milde, feine und weiche Note.<br />

Er wurde 4x mit dem Goldenen Preis der<br />

Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG),<br />

Frankfurt ausgezeichnet.


<strong>Sparkassen</strong>-Finanzgruppe<br />

Gut, wenn man auf der sicheren Seite ist.<br />

� ���<br />

Pfändungsschutz<br />

Insolvenzsicherheit<br />

Hinterbliebenenrente<br />

und vieles mehr<br />

�<br />

Jetzt beraten lassen:<br />

„Rürup-Rente“<br />

Eine Altersvorsorge,<br />

die Steuern spart!<br />

<strong>Sparkassen</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Hochsauerlandkreis</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!