Materialien Leselust- Frauen a. - Evang. Frauen im Kirchenkreis ...
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<strong>Materialien</strong> <strong>Materialien</strong> <strong>Materialien</strong> <strong>Materialien</strong><br />
&&&&<br />
Gruppenstunden<br />
Gruppenstunden<br />
Gruppenstunden<br />
Gruppenstunden<br />
Kampagne der<br />
Hauptamtlichen <strong>Frauen</strong>beauftragten<br />
in der EKiR<br />
Informationen:<br />
www.ev-frauen.de
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
- 2 –<br />
Seite<br />
Vorwort 3<br />
Ideenaustauschbörse Lesen bildet 4<br />
Ideen zu einem Quiznachmittag über Literatur 7<br />
Buchstabenspiele 10<br />
Thematisches zu Mütterbilder 13<br />
Informationen zu: <strong>Frauen</strong> in der Reformation 18<br />
Thema „Gewalt gegen <strong>Frauen</strong> und Mädchen“ 27<br />
Lesung „Zwei Alte <strong>Frauen</strong>“ 32<br />
2
Vorwort<br />
Vorwort<br />
- 3 –<br />
Eine Kampagne der hauptamtlichen <strong>Frauen</strong>beauftragten in der evangelischen Kirche <strong>im</strong> Rheinland<br />
Die Lust am Lesen ist bei <strong>Frauen</strong> seit Jahren unvermindert hoch, wir stellen jedoch fest,<br />
dass insbesondere in Romanen und in der Trivialliteratur vermehrt wieder <strong>Frauen</strong>- und<br />
Familienbilder transportiert werden, die wir durch die <strong>Frauen</strong>bewegung längst<br />
überwunden geglaubt hatten.<br />
Von alternativen Rollenmodellen, Vielfalt und Wahlfreiheit meist keine Spur, oft eher<br />
traditionelle Stereotypen.<br />
Gleiches gilt für die Bereiche Spiritualität bzw. Religiosität.<br />
Wir haben deshalb diesen „Lese-Trolley“ gefüllt mit Büchern, die moderne<br />
Rollenbilder und/oder moderne gelebte Spiritualität und Religiosität anbieten.<br />
Bücher, die <strong>im</strong> Urlaub, wie <strong>im</strong> Alltag die <strong>Leselust</strong> herausfordern.<br />
Wir wissen, dass es weit mehr Bücher gibt, die es wert wären, in diesem Trolley<br />
aufgenommen zu werden, aber der Trolley hat Grenzen und wir wollen anregen und<br />
nicht überfordern. Wenn sie noch weitere Vorschläge habe, dann melden sie uns doch<br />
ihre, wir können sie dann in weitere Bücherlisten aufnehmen.<br />
Neben den Büchern finden Sie außerdem noch verschiedenen literarische Anregungen,<br />
Gruppenstunden und thematische Auseinandersetzungen in dem Koffer.<br />
Diese Material und weitere Ideen und Sammlungen finden sie auch unter der<br />
Internetadresse: www.ev-frauen.de/lesen<br />
Wir wünschen Ihnen viel Freude be<strong>im</strong> Lesen und Stöbern.<br />
Heike von Hagen, S<strong>im</strong>one Pfitzner, Christina Schlarp<br />
<strong>Frauen</strong>beauftragte in Köln und Wetzlar/Braunfels<br />
3
- 4 –<br />
Ideenaustauschbörse Ideenaustauschbörse Lesen Lesen bildet<br />
bildet<br />
Einheiten Inhalte Zeit Mitte<br />
Begrüßung,<br />
Einstieg<br />
1. Einheit<br />
Infoeinheit: Geschichte<br />
der Mädchen- und<br />
<strong>Frauen</strong>bildung<br />
2. Einheit: Impulse für das<br />
Gespräch über’s Lesen<br />
3. Einheit Lesespiele – ein<br />
Spielnachmittag rund um’s<br />
Lesen<br />
Pause<br />
Rede mit Adjektiven<br />
Ablauf vorstellen<br />
Wann und in welcher Kultur<br />
waren Lesen und schreiben<br />
<strong>Frauen</strong>sache?<br />
Konzept als Hand out<br />
Bilder von lesenden <strong>Frauen</strong><br />
als Gesprächseinstieg<br />
‚Wie wo und wann lese ich?<br />
Stefan Bollmann; <strong>Frauen</strong>, die<br />
lesen, sind gefährlich; ISBN<br />
978-3-938045-06-0<br />
Fragen zum eigenen<br />
Leseverhalten aus dem<br />
Buch:<br />
Sabrina Melandri; Lesende<br />
<strong>Frauen</strong> – Anmut und<br />
Verzauberung; ISBN 978-3-<br />
85179-004-7<br />
Ratespiel zu Buchanfängen<br />
berühmter Bücher<br />
Geschichte lesen und<br />
spontan<br />
Spielen lassen<br />
Mit Geräuschen unterlegen<br />
Genannte Gegenstände um<br />
die Wette hochhalten<br />
Komisches Theaterstück mit<br />
Regieanweisungen lesen und<br />
gleichzeitig spielen<br />
‚fehlende’ Adjektive in einem<br />
Text blind durch Zuruf<br />
ergänzen und dann vorlesen<br />
Tee und Muffins<br />
Russischbrot<br />
Austausch eigener Ideen<br />
Konzepte und Adressen<br />
4. Einheit: die Kunst des<br />
Vorlesens<br />
5. Einheit Kurzbiographien Die Nobelpreisträgerinnen<br />
der Nobelpreisträgerinnen für und ausschnitte aus ihren<br />
Literatur<br />
werken vorstellen<br />
6. Einheit: Wie organisiere Vorbereitung, was muss ich<br />
ich eine Lesung<br />
beachten, wie finde ich die<br />
15 Min. Tuch<br />
Buchstaben aus<br />
Zeitungen<br />
Nudelbuch-<br />
staben<br />
10 – 15 Min Bücher<br />
Lesebrille<br />
15 Min Lupe<br />
Konzept-blätter<br />
15 Min Skrabblebuchstaben<br />
30 Min. Russ. Brot<br />
15 Min Kassette<br />
Mikrophon<br />
oder<br />
15 Min Photos<br />
10 Min.<br />
4
- 5 –<br />
richtige Autorin, Kosten,<br />
Werbung etc.<br />
Sisters of Cr<strong>im</strong>e<br />
Bibliothekarin oder<br />
Buchhändlerin einladen<br />
Zu Begrüßung:<br />
Die Begrüßungsrede ist vorbereitet, jedoch werden alle Adjektive herausgenommen, so dass ein<br />
Lückentext entsteht. Diese Lücken werden dann durch Adjektive gefüllt, die vorher in der Runde wahllos<br />
gesammelt wurden.<br />
Zu Kunst des Vorlesens:<br />
- Auswahl des Textes muss sich fürs Hören eignen. (Klare Struktur, gute Verständlichkeit)<br />
- Kennen des Textes (Inhalt und Eigenart)<br />
- für den Text angemessenes, dynamische Sprechen (Ausdruck - Meditation / Erlebnisbericht, nicht<br />
monoton)<br />
- Sensibiliät gegenüber dem Text, eigene Person bleibt jedoch <strong>im</strong> Hintergrund<br />
- Langsam, deutlich und strukturiert lesen.<br />
- Kontakt zu den HörerInnen halten.<br />
(weitere Informationen: Broschüre: Hessisches Kultusministerium - Lese-Info 5 - Vorlesen? Vorlesen!)<br />
Zu Literaturnobelpreisträgerinnen:<br />
In der Geschichte des Literaturnobelpreises gab es bis her 11 Preisträgerinnen:<br />
1909 Selma Lagerlöf / Schweden<br />
1926 Grazia Deledda / Italien<br />
1928 Sigrid Undset / Norwegen<br />
1938 Pearl S. Buck / USA<br />
1945 Gabriela Mistral /Chile<br />
1966 Nelly Sachs / deutschstämmige Jüdin mit schwedischer Staatsbürgerschaft<br />
1991 Nadine Gord<strong>im</strong>er / Südafrika<br />
1993 Toni Morrisson / USA<br />
1996 Wislawa Szymborska / Polen<br />
2004 Elfriede Jelinek / Österreich<br />
2007 Doris Lessing / Großbritannien<br />
Biographien und Inforamtionen aus dem Internet ziehen. (Wikipedia, Google oder andere<br />
Suchmaschinen)<br />
Zu Organisation einer Lesung:<br />
1. Frage nach dem Beweggründen klären, warum, mit welchem Ziel veranstalte ich diese Lesung?<br />
2. Welche Zielgruppe möchte ich erreichen?<br />
3. Einzelveranstaltung oder Veranstaltungsreihe?<br />
4. Kosten / Eintritt / Sponsoren<br />
5
- 6 –<br />
Kosten für AutorIn, Raum, Reisekosten, Druckkosten für Werbung, Verpflegung, Dekoration, …<br />
5. mögliche KooperationspartnerInnen<br />
6. Veranstaltungsort<br />
7. Terminabsprachen<br />
Zeitplan<br />
6 Monate vorher – AutorInnenkontakt – schriftliche Vereinbarungen – Sponsorensuche –<br />
Veranstaltungsort<br />
3 Monate vorher - Werbung<br />
1-2 Monate vorher - Hotel buchen, Anreisemöglichkeiten für AutorIn, Buchtisch bei einer<br />
Buchhandlung reservieren,<br />
4 Wochen vorher - Presseankündigungen, Informationen von Veranstaltungskalendern,<br />
Bewirtung organisieren, evtl Kartenvorverkauf klären<br />
2 Wochen vorher - Pressearbeit - Anmeldung der Veranstaltung bei der Stelle, die die Rechte<br />
der AutorInnen, verwaltet (mitunter fallen Kosten an)<br />
Tag selber - AutorInnenbetreuung, Veranstaltungsort herrichten, Presseinformationen<br />
2 Stunden vor - Sprechprobe ggf mit Mikrophon, ….<br />
Begrüßung<br />
Schlusswort - Dank an alle Beteiligte<br />
6
- 7 –<br />
Ideen Ideen zu zu einem einem Quiznachmittag Quiznachmittag über über Literatur<br />
Literatur<br />
1. Wer bin ich?<br />
Schreiben Figuren aus bekannten Büchern auf Zettel. Jede Frau bekommt einen Zettel auf den Rücken<br />
geheftet. Durch herumgehen und befragen der anderen Teilnehmerinnen versucht sie herauszufinden<br />
wer sie ist. Sie darf nur Fragen stellen, die die andere mit Ja oder nein beantworten kann.<br />
Beispiele: Dorian Grey; Kapitän Ahab, Robinson Crusoe, Werther, Pippi Langstrumpf, Daisy Duck …<br />
2. Literarische Gruppen bilden<br />
Die nächsten Spiele werden als Gruppenspiele durchgeführt. Zur Bildung der Gruppen werden Zettel<br />
verteilt. (Zettel für 2 – 4 Gruppen, je nach Teilnehmerinnenzahl) Auf den Zettel stehen je Gruppe: Ein(e)<br />
Autor(in), verschiedene bekannte Werke, bekannte Figuren aus diesen Werken, die Literaturgattung<br />
falls bekannt (z.B. Kr<strong>im</strong>i), die Epoche in der der Autor gelebt hat oder lebt.<br />
Durch lautes zurufen versuchen sich die Gruppen zu finden. Gewonnen hat die Gruppe, die zuerst<br />
komplett ist.<br />
3. Buchanfänge berühmter Bücher – wer kennt sich aus?<br />
Im Anhang finden Sie eine Liste der ersten Sätze aus einigen berühmten Werken der Weltliteratur.<br />
Ordnen Sie die Anfänge den richtigen Buchtiteln zu.<br />
Spiel in Kleingruppen durchführen lassen.<br />
4. Heiteres Autorinnen raten<br />
Ähnlich wie ‚heiteres Berufe’ raten. Jede Gruppe erhält eine Kurzbiographie einer bekannten Autorin.<br />
Jede Biographie sollte die Lebensdaten, das Herkunftsland, einige berühmte Werke und<br />
Besonderheiten der Autorin enthalten.<br />
Gute Vorlagen findet man in dem Buch Superfrauen Bd.8 – Literatur von Ernst Probst oder <strong>im</strong> Internet.<br />
Ziel ist es eine Autorin einer anderen Gruppe herauszufinden. Die Fragen müssen so gestellt werden,<br />
dass man sie mit ja oder nein beantworten kann. Jede Gruppe darf so lange fragen, bis eine Frage mit<br />
‚Nein’ beantwortet wird. Wer als erstes eine Autorin erkannt hat, hat gewonnen. Es können mehrere<br />
Runden gespielt werden.<br />
5.Berühmte Paare der Weltliteratur.<br />
Die Spielleiterin nennt eine bekannte eine bekannte Figur aus einem Buch. Die Gruppen, die am<br />
schnellsten den zweiten Teil des Paares nennen kann, hat gewonnen.<br />
Beispiele: Pünktchen und Anton; Romeo und Julia; Don Quichotte und Sancho Pansa, Hänsel und<br />
Gretel, Heidi und Peter, Sherlock Holmes und Dr. Watson; etc.<br />
Die Spiele können auch als Einstieg in das Thema Lesen – eigenes Leseverhalten – Lieblingsbücher<br />
benutzt werden.<br />
7
Zu 3: Buchanfänge<br />
Autor<br />
- 8 –<br />
Titel Anfang<br />
Wilhelm Busch Max und Moritz Mancher gibt sich viele Müh'<br />
Mit dem lieben Federvieh;<br />
Einesteils der Eier wegen,<br />
Welche diese Vögel legen;<br />
Zweitens: Weil man dann und wann<br />
Einen Braten essen kann;<br />
Theodor Fontane Effi Briest<br />
Johann Wolfgang von<br />
Goethe<br />
Heinzelmännchen zu Köln<br />
Wie war zu Köln es doch vordem<br />
Mit Heinzelmännchen so bequem<br />
In Front des schon seit Kurfürst Georg Wilhelm von der Familie<br />
von.... bewohnten Herrenhauses zu Hohen-Cremmen fiel heller<br />
Sonnenschein auf die mittagsstille Dorfstraße....<br />
Die Leiden des jungen<br />
Werter Am 4. Mai 1771 Wie froh bin ich, daß ich weg bin! Bester Freund,<br />
was ist das Herz des Menschen! Dich zu verlassen, den ich so<br />
liebe, von dem ich unzertrennlich war, und froh zu sein! Ich weiß,<br />
du verzeihst mir's. ...<br />
Brüder Gr<strong>im</strong>m Frau Holle Eine Witwe hatte zwei Töchter, davon war die eine schön und<br />
fleißig, die andere hässlich und faul<br />
Heinrich Heine Deutschland – ein<br />
Wintermärchen<br />
Thomas Mann Die Buddenbrooks<br />
.<br />
Caputi<br />
Im traurigen Monat November war's,<br />
Die Tage wurden trüber,<br />
Der Wind riß von den Bäumen das Laub,<br />
Da reist ich nach .... hinüber.<br />
„Was ist das. – Was – ist das...“ „Je, den Düwel ook, c’estz la<br />
question, ma chére demoiselle !“<br />
Günther Grass Die Blechtrommel Der weite Rock<br />
Zugegeben ich bin Insasse einer Heil und Pflegeanstalt. Mein<br />
Pfleger beobachtet mich, ...<br />
Boris Leonidowitsch<br />
Pasternak<br />
Dr. Schiwago Man ging und ging und sang “Ewiges Gedenken” und wenn die<br />
St<strong>im</strong>men verstummten, tönte der Trauergesang fort <strong>im</strong> Rhythmus<br />
der Schritte, <strong>im</strong> Geklapper der Pferdehufe und <strong>im</strong> Wehen des<br />
Windes.<br />
Umberto Ecco Der Name der Rose « Am 16. August 1968 fiel mir ein Buch aus der Feder eines<br />
gewissen Abbé Vallet in die Hände: Le manuscript de Dom Adson<br />
de Melk, traduit en français d'après l'édition de Dom J. Mabillon<br />
(Aux Presses de l'Abbaye de la Source, Paris 1842)."<br />
Genesis<br />
Im Anfang schuf Gott H<strong>im</strong>mel und Erde<br />
Friedrich Schiller Die Räuber Franz. Aber ist Euch auch wohl, Vater? Ihr seht so blaß aus.<br />
D.a. Moor. Ganz wohl, mein Sohn, - was hattest du mir zu sagen?<br />
Franz. Die Post ist angekommen – ein Brief von unserm<br />
Correspondenten in Leipzig – D. a. Moor(begierig). Nachrichten<br />
8
- 9 –<br />
von meinem Sohne Karl?<br />
William Shakespeare MacBeth Drei Hexen treten auf.<br />
ERSTE HEXE:<br />
Wann treffen wir drei uns das nächste mal<br />
Bei Regen, Donner, Wetterstrahl?<br />
Wenn der Wirrwarr ist zerronnen,<br />
ZWEITE HEXE:<br />
Schlacht verloren und gewonnen.<br />
DRITTE HEXE: Noch vor Untergang der Sonnen.<br />
Lew Tolstoi Krieg und Frieden »Nun, Fürst, hat die Familie Bonaparte auch Genua und Lucca in<br />
Besitz genommen? Ich sage Ihnen, Sie sind nicht mehr mein<br />
Freund, mein getreuer Sklave, wie Sie sagen, wenn Sie noch<br />
ferner die Notwendigkeit des Krieges leugnen und noch länger die<br />
Greuel verteidigen wollen, welche dieser Antichrist begeht, denn es<br />
ist der Antichrist selbst, davon bin ich überzeugt<br />
Arthur Conan Doyle Der Hund von Baskerville Mr....., der morgens sehr spät aufzustehen pflegte – wenn man<br />
einmal von jenen nicht seltenen Gelegenheiten absah, da er die<br />
ganze Nacht aufblieb -, saß am Frühstückstisch, während ich auf<br />
dem Kaminvorleger stand und den Spazierstock aufhob, den unser<br />
Besucher vergangene Nacht vergessen hatte.<br />
Karl May Winnetou 1 Lieber Leser, weißt du, was das Wort Greenhorn bedeutet? Eine<br />
höchst ärgerliche und despektierliche Bezeichnung für<br />
denjenigen, auf welchen sie angewendet wird. Green heißt grün,<br />
und unter horn ist Fühlhorn gemeint.<br />
Miguel de Cervantes<br />
Saavedra<br />
Mark Twain Tom Sayer und<br />
Huckleberry Finn<br />
Molière<br />
Don Quichote An einem Orte der ...., an dessen Namen ich mich nicht erinnern<br />
will, lebte vor nicht langer Zeit ein Junker, einer von jenen, die<br />
einen Speer <strong>im</strong> Lanzengestell, eine alte Tatsche, einen hagern<br />
Gaul und einen Windhund zum Jagen haben.<br />
"Tom!" Keine Antwort.<br />
"Tom!" Alles still.<br />
"Soll mich doch wundern, wo der Bengel wieder steckt! Tom!"<br />
Die alte Dame schob ihre Brille hinunter und schaute darüber<br />
hinweg; dann schob sie sie auf die Stirn und schaute darunter weg.<br />
Selten oder nie schaute sie nach einem so kleinen Ding, wie ein<br />
Knabe ist, 'durch' die Gläser dieser ihrer Staatsbrille, die der Stolz<br />
ihres Herzens war<br />
Der eingebildete Kranke ARGAN Drei und zwei sind fünf, und fünf sind zehn, und zehn sind<br />
zwanzig; drei und zwei sind fünf. – »Item, den vierundzwanzigsten<br />
ein insinuatives, präparatives und erweichendes kleines Klistier für<br />
Herrn Argan, zur Schmeidigung, Anfeuchtung und Erfrischung der<br />
Eingeweide<br />
9
Buchstabenspiele:<br />
Buchstabenspiele:<br />
ABCdarium<br />
ABCdarium<br />
- 10 –<br />
Herkunft des Wortes: ABCD und die Endung für wissenschaftliche Sammlungen (wie in Aquarium, Herbarium).<br />
Ein ABCdarium ist ein Text, der am Zeilenanfang die Buchstaben des ABCs verwendet.<br />
Übung<br />
Wenn du mal sauer bist, dann schreibe ein Sch<strong>im</strong>pfwort-ABC.<br />
Anagramm<br />
Anagramm<br />
Herkunft des Wortes: griech. ‚auf, hinauf; über ... hin, durch, in, entlang’ und griech. ‚der Buchstabe’.<br />
Ein Anagramm ist jede Neukombination von Buchstaben eines bestehenden, festgelegten Wortes,<br />
Textes, oder Namens. Prinzipiell ist jede Neukombination erlaubt; als Anagramm <strong>im</strong> eigentlichen Sinne<br />
bezeichnen wir aber nur eine bedeutungstragende Kombination, die zu einem anderen Wort, Text oder<br />
Namen führt, oder wenigstens etwas Bekanntes anklingen lässt. Ein Anagramm von Otto ist also<br />
beispielsweise Toto.<br />
Ein berühmtes Anagramm ist biblischen Ursprungs: „Was ist Wahrheit?“, fragt Pilatus in Johannes<br />
18,38: „Quid est veritas?“ und die einzig mögliche Antwort „Est vir qui adest!“. Anagramme zu erstellen,<br />
ist ein beliebter Spaß in breiten Bevölkerungsschichten. Andere Anagramme:<br />
Belgrad/Bargeld<br />
Personen, die unter einem Pseudonym bekannt sind, verwenden oft Anagramme. Der Lyriker Paul<br />
Anczel ist unter dem Namen Paul Celan weltberühmt geworden (wobei hier ein z verschwunden ist).<br />
Auch der französische Aufklärer Voltaire (eigentl. Marie Arouet le jeune) nennt sich anagrammatisch.<br />
Eine wichtige Rolle spielen Anagramme ferner in der Nomenklatur, z.B. in der wissenschaftlichen<br />
Nomenklatur der Pflanzen. Botanische (nicht ‚lateinische’!) Gattungsnamen wie Míla, Lobívia<br />
(Kakteenarten) oder Alóna (ein Glockenwindengewächs) sind Anagramme von Líma, Bolívia und<br />
Nolána.<br />
Übung<br />
Suche ein Anagramm zu deinem Vornamen und deinem Nachnamen.<br />
Beispiel: Stefan Leichsenring ergibt Ich Lesterfan, übrig bleibt sening.<br />
Roland Latscha ergibt Old Scharlatan.<br />
Akro Akronym Akro nym<br />
Herkunft des Wortes: griech. ‚äußerster, oberster’ und griech. ‚Name’.<br />
Akronyme sind uns aus dem täglichen Leben bestens vertraut: Es sind – umgangssprachlich –<br />
Abkürzungen; jeweils der erste Buchstabe der Wörter oder Namen, aus denen sich das Akronym<br />
zusammensetzt, wird verwendet. S.B.B. ist ein Akronym, das sich aus den Bestandteilen 1)<br />
Schweizerische 2) Bundes und 3) Bahnen zusammensetzt. Das Akronym vernebelt oft seine<br />
Bestandteile. Wir verwenden Akronyme als normale Wörter; zwar sind Akronyme völlig unverständlich<br />
ohne Kenntnis ihrer Einzelbestandteile, jedoch dürfte bei vielen Akronymen kaum jemand an ihre<br />
Herkunft denken: Der Laser, der – z. B. als Laserpointer – jedem bekannt ist, wird meistens nicht als<br />
Akronym von Light Amplification by St<strong>im</strong>ulated Emission of Radiation wahrgenommen. Wer auf<br />
korrekten Sprachgebrauch achtet, behält Numerus und Genus des Akronyms bei (was für manche<br />
hyperkorrekt wirken mag). So sollte man <strong>im</strong> Dativ Plural von den SBB und nicht von der SBB sprechen.<br />
10
- 11 –<br />
Die SBB bewegen die Schweiz, liest man auf der Website des Departementes für Umwelt, Verkehr,<br />
Energie und Kommunikation. Wie inkonsequent der Plural gehandhabt wird, sieht man weiter unten in<br />
demselben Dokument, wo man folgendes liest: Die SBB ist ein wichtiger Teil der Transportkette des<br />
öffentlichen Verkehrs in der Schweiz.<br />
Übung<br />
Untersuche, welches Akronym sich hinter deinem Vorname oder Nick verbergen könnte.<br />
Beispiel: Stefan ergibt Selten Törichter Entertainer Für Andere Nichtkönner<br />
Akrostichon<br />
Akrostichon<br />
Herkunft des Wortes: griech. ‚äußerster, oberster’ und griech. ‚Reihe, Linie, Vers, Zeile’.<br />
Das Akrostichon ist nahe mit dem Akronym verwandt, jedoch ist es – <strong>im</strong> Gegensatz zum Akronym –<br />
eine ausschließlich literarische Gattung. Akrostichoi sind Wörter, Namen oder Texte, die sich aus den<br />
Anfangsbuchstaben von Gedichtversen ergeben. Schon in der Antike, und später insbesondere <strong>im</strong><br />
Barock, wurden kunstvolle, auch typografisch ausgefeilte Akrosticha erdichtet. Beispiele:<br />
• Laure<br />
Le ciel, qui la sauva de son propre penchant,<br />
A la beauté du corps unite celle de l’âme<br />
Un seul de ses regards, par un pouvoir touchant,<br />
Rendait à la vertu le coeur de son amant.<br />
Elle embellit son amour en épurant sa flamme.<br />
Besonders kunstvoll: ein doppeltes Akrostichon:<br />
• Anna<br />
Amour parfait dans mon coeur <strong>im</strong>pr<strong>im</strong>A<br />
Nom très-heureux d’une que j’a<strong>im</strong>e bieN<br />
Non, non, jamais cet amoureux lieN<br />
Autre que mort défaire ne pourrA<br />
Ein einfacheres Beispiel ist der bekannte Merksatz für die Reihenfolge der Planeten:<br />
• Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten. (für Merkur, Venus, Erde, Mars,<br />
Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun, Pluto)<br />
Übung<br />
Schreibe ein Satz-Akrostichon aus den Buchstaben deines Vornamens.<br />
Beispiel: Stefan Torkelte Einst Fast Am Naheufer (ziemlicher Quatsch, aber was solls?)<br />
Akrosticha gehören übrigens zu den Kryptogrammen – zu Texten, aus denen sich neue Inhalte ableiten<br />
lassen. Texte, bei denen ein Text <strong>im</strong> Text versteckt ist - z.B in den Anfangsbuchstaben der Wörter –<br />
haben große Bedeutung für die Kryptographie, also für Gehe<strong>im</strong>botschaften.<br />
Palindrom<br />
Palindrom<br />
Herkunft des Wortes: griech. ‚zurück; rückwärts’ und griech . ‚Lauf’.<br />
Das Palindrom ist eine Zeichenkombination, die auch rückläufig gleich lautet. Wörter, Sätze und ganze<br />
Texte, aber auch Zahlen und Rechnungen können palindromisch sein. Palindrome <strong>im</strong> weiteren Sinne<br />
sind auch Verse, die „Wort für Wort rückläufig angeordnet denselben oder einen anderen Sinn und auch<br />
Vers ergeben.“ Es war „in religiösen und magischen Texten des Mittelalters stark vertreten“. Beispiele:<br />
• Nipson anomämata, mä monan opsin (griechisch).<br />
• Ein Neger mit Gazelle zagt <strong>im</strong> Regen nie. (Schopenhauer).<br />
• In girum <strong>im</strong>us nocte et consum<strong>im</strong>ur igni.<br />
11
- 12 –<br />
Palindrome sind entweder natürlich oder konstruiert. Dem ersteren Typ ist der oben zitierte Satz<br />
zuzuordnen sowie in der deutschen Sprache natürlicherweise nicht vorkommende Wörter wie z.B.<br />
Reliefpfeiler. Natürlich Palindrome sind die (schon unter Anagramme angetroffenen) EN Anna und Otto,<br />
aber auch das jedem Fußballfan ein Begriff Seiende (F.C. Neufchâtel) Xamax. Nach der opinio<br />
communis ist das finnische saippuakauppias das längste natürliche palindromische Wort der Welt; es<br />
bedeutet ‚Seifenverkäufer’. Schriftsteller haben kunstvolle, beeindruckend lange Anagramme erstellt<br />
(z.B. Perec).<br />
Pangramm<br />
Pangramm<br />
Herkunft des Wortes: griech. ‚ganz, all-’ und griech. ‚der Buchstabe’.<br />
Ein Pangramm ist ein Textstück – vorzugsweise ein Satz –, in dem alle Buchstaben des Alphabetes<br />
vorkommen. Ein Pangramm ist gewissermaßen der positive Gegenpol zum Leipogramm (s.u.).<br />
Pangramme sind jedem PC-User bekannt. Um das zu erwartende Schriftbild zu präsentieren, zeigt der<br />
Windows Font-Viewer (unter Start\Einstellungen\Systemsteuerung\Schriftarten) die Schriftarten, die<br />
üblicherweise unter C:\WINNT\Fonts gespeichert sind, als pangrammatischen Satz in verschiedenen<br />
Schriftgrössen. Auf Deutsch lautet dieses Pangramm: „Franz jagt <strong>im</strong> komplett verwahrlosten Taxi quer<br />
durch Bayern.“ Eine englische Version ist: „Jackdaws love my big sphinx of quartz.“ Noch berühmter:<br />
“The quick brown fox jumps over the lazy dog.” Wenn möglich, sollte ein Pangramm (opt<strong>im</strong>alerweise)<br />
jeden Buchstaben nur einmal verwenden.<br />
Tautogramm<br />
Tautogramm<br />
Herkunft des Wortes: ταὐτό 'dasselbe' und griech. τὸ γράµµα ‚der Buchstabe’.<br />
Andere Sprachen: paromoion – paranomoeon (lat.-griech.) ‚Gleichartiges’. vers lettrisés (franz.).<br />
Das Tautogramm ist einfacher als das Leipogramm und das Pangramm: Ein Tautogramm ist ein Satz<br />
oder Textstück, in dem jedes Wort mit dem selben Buchstaben beginnt. Man könnte es also auch<br />
einfach als Alliteration bezeichnen. 20 Beispiele: „O Tite, tute, Tati, tibi tanta, tyranne, tulisti.“ (Quintus<br />
Ennius, * 239 v. Chr., + 169 v. Chr). Übersetzt: "Oh Titus Tatius, Du Tyrann, so Großes hast Du Dir<br />
selbst angetan!" Ennius unterstreicht hier durch das Tautogramm, der Häufung an T, den Vorwurf an<br />
Titus so sehr, dass der Eindruck entsteht, er wolle dem Tyrann den Satz förmlich ins Gesicht spucken.<br />
Dieses Tautogramm wird von Curtius äußerst ungnädig beurteilt. „Es handelt sich hier nicht um<br />
Alliteration in dem Sinne, den wir <strong>im</strong> Germanischen kennen, sondern um eine barbarisch-naive<br />
Kunstform. [...] Geta veranstaltete Gastmähler, bei denen alle Gerichte mit denselben Buchstaben<br />
anfingen. [...] Im Mittelalter wird die Sache ein ziemlich beliebtes Virtuosenstück. Den Vogel schoss<br />
Hucbald mit seiner an Karl den Kahlen gerichteten Ekloge über die Kahlköpfigkeit ab. Sie besteht aus<br />
hundertsechzig Versen, in denen jedes Wort – zu Ehren des Königs – mit c anfängt. Die Spielerei ging<br />
früh in die Volkssprachen über, so in das Provenzalische. Sie wurde <strong>im</strong> 15. Jahrhundert von den<br />
Grands Rhétoriqueurs gepflegt und von diesen den Dichtern des 15. Jahrhunderts vererbt. In Spanien<br />
hält sie sich noch <strong>im</strong> 17. Jahrhundert.“ Curtius begründet also seine Ablehnung dieser Stilform damit,<br />
dass die germanischen alliterierenden Stabre<strong>im</strong>e der Form „über Stock und Stein“ oder „mit Kind und<br />
Kegel“ wertvoller, weil der Volksseele entsprungen, Ennius’ Exper<strong>im</strong>ent und das seiner Nachfolger<br />
dagegen manieriert und künstlich sei. Aber weshalb sollte nicht Ennius ebenfalls von der Volksdichtung<br />
(griechisch oder römisch) zu seiner Stilfigur inspiriert worden sein? Das bleibe dahingestellt.<br />
12
- 13 –<br />
Thematisches Thematisches zu zu Mütterbilder<br />
Mütterbilder<br />
Die meisten <strong>Frauen</strong>, in der Bibel sind Mütter. Wir finden viele unterschiedliche Mütter - Mütter, mit der<br />
Mutterschaft als Lebensaufgabe. Späte Mütter, ungewollte Mütter, vielfache Mütter, Mütter mit einem<br />
Einzelkind. Verzweifelte Mütter, glückliche Mütter, eifersüchtige Mütter. Mütter, die nicht loslassen<br />
können oder wollen. Enttäuschte Mütter, selbstbewusste Mütter, Mütter in Konkurrenzsituationen,<br />
Mütter in Patchworkfamilien, Mütter mit großem Ehrgeiz, Mütter mit großem Herzen, Mütter mit<br />
Träumen für sich und ihre Kinder, völlig desillusionierte Mütter, Mütter mit Söhnen und Mütter mit<br />
Töchtern.<br />
Unsere Liste ist hier sicherlich noch nicht am Ende. Und wir haben ja, auch noch keine Namen genannt.<br />
Deshalb lassen, sie uns doch einmal sammeln, welche biblischen Mütter wir kennen. Aber vielleicht<br />
können wir nicht nur den Namen nennen, sondern die jeweilige Frau auch <strong>im</strong>mer gleich mit einer<br />
Eigenschaft belegen – sie ein bisschen einordnen.<br />
(Sammeln)<br />
Wir kennen eine Menge Mütter aus der Bibel. Und wir haben <strong>im</strong>mer auch ein konkretes Bild von dieser<br />
Mutter. Doch unser Bild von den Biblischen <strong>Frauen</strong> ist geprägt und unseren eigenen Idealen des<br />
Mutterseins, von unserem eigenen Erleben als Tochter und als Mutter, von dem was mal<br />
gesellschaftliche Norm war, oder jetzt ist, aber auch geprägt von unseren Erfahrung der Auslegung der<br />
biblischen Texte.<br />
Nur mit der gesellschaftlichen Situation in biblischer Zeit hat unser Blick wohl wenig gemein. Und auch<br />
in der Auslegungstradition hat sich in den vergangenen Jahren ja einiges geändert. Ich sage das nicht<br />
mit erhobenem Zeigefinger, ich möchte nur, dass wir uns dessen bewusst sind, wenn wir uns den<br />
biblischen Müttern nähern, wenn wir uns heute einer biblischen Mutter nähern.<br />
Es wird wohl <strong>im</strong>mer einen Unterschied geben, zwischen dem Blick aus der heutigen Sicht und dem<br />
Blick aus der damaligen Sicht, und wenn wir dann noch des Pudels Kern der Geschichte betrachten,<br />
also das, was die Verfasser mit dem Erzählen der Geschichte bezweckten, dann werden wir unsere<br />
Beurteilungen, unsere Einordnungen vielleicht überdenken, oder den Horizont genauer beschreiben auf<br />
dem sich uns dieses Bild bietet.<br />
Heute möchte ich mit Ihnen, mich der Rebekka nähern. Der Frau von Isaak, der Mutter von Esau und<br />
Jacob, oder Jacob und Esau.<br />
Ihr Name ist vorhin<br />
- schon gefallen. Sie haben sie bezeichnet als …..<br />
- gar nicht gefallen. Aber mir war sie <strong>im</strong>mer sehr präsent, weil ich als Tochter an Rebekka etwas<br />
gelernt habe, was mir in der Beziehung zu meiner Mutter sehr geholfen hat, zu verstehen.<br />
Mir wurde sie auch lange vorgestellt als Mutter, die ein Lieblingskind hat, aber schauen wir mal, ob<br />
dieses Urteil st<strong>im</strong>mt.<br />
Wir müssen einen etwas größeren Bogen spannen, deshalb lesen wir die Geschichte der Rebekka aus<br />
der Güterloher Erzählbibel.<br />
Aber lassen sie mich die Vorgeschichte in wenigen Worten zusammenfassen:<br />
Rebekka, sie ist die Frau von Isaak, Mutter von Esau und Jacob.<br />
Woher kommt sie? Der biblischen Überlieferung nach, wollte Abraham für seinen Sohn keine<br />
Kanaaniterin, sondern eine Frau aus dem Zweistromland Mesopotanien, damit die Götter und Göttinnen<br />
Kanaans nicht in der Familie verehrt würde.<br />
So holt Isaak sich eine Frau aus weiter Ferne - Rebekka.<br />
13
- 14 –<br />
Lange bleiben ihnen Kinder verwehrt und als Rebekka schwanger ist, erlebt sie eine schwierige<br />
Schwangerschaft. Sie klagt Gott an: „Warum ich? Womit habe ich das verdient?“<br />
Sie erhält eine eigenartige Antwort:<br />
Aus den beiden Kindern in deinem Bauch werden zwei große Völker, zwei die verschiedene Wege<br />
gehen werden - der Größere wird dem Kleineren dienen.<br />
Der erste erhielt den Namen Esau, das bedeutet Roter, sein äußeren Kennzeichen, waren seine roten<br />
Haare. Der Zweite hielt sich an der Ferse des Bruders fest und wurde Jacob, das bedeutet<br />
Fersenhalter, genannt.<br />
Beide sind von Aussehen und Statur, aber auch von Interessen unterschiedlich. Der Ältere, Größere<br />
geht am liebsten auf die Jagd, der Jüngere hält sich bei den <strong>Frauen</strong> auf und hilft bei den Arbeiten der<br />
<strong>Frauen</strong>, also der Landwirtschaft, der Viehhaltung, … in der Nähe der Zelte.<br />
Gütersloher Erzählbibel<br />
Isaak war alt geworden, er war fast blind und blieb in seinem Zelt. Eines Tages beobachtete Rebekka,<br />
dass er Esau zu sich rief. Sie hörte ihn sagen: „Jeden Tag kann es mit mir zu Ende gehen. Geh doch für<br />
mich auf die Jagd und koch mir dann mein Lieblingsessen. Danach will ich dich segnen und dir<br />
versprechen, dass du mein Nachfolger wirst.“ Esau nickte und ging hinaus.<br />
Rebekka erschrakt: „Was nun? Esau darf nicht unser neues Familienoberhaupt werden!“<br />
Sie rief Jacob: „ Stell jetzt keine Fragen, hör auf mich: Dein Vater will Esau, wenn er von der Jagd<br />
zurück ist, zu seinem Nachfolger machen. Los, lauf und hol mir zwei Ziegenböcke aus unserer Herde.<br />
Ich koch Isaak sein Lieblingsessen daraus, du bringst es ihm und dann wird er nach dem Essen dich<br />
segnen.“ „Wie soll das gehen?“, fragte Jacob. „Esau und mich kann man nicht verwechseln. Ich mache<br />
mich lächerlich. Mein Vater wird mich nicht segnen, sondern mich verfluchen, wenn ich tue, was du<br />
sagst.“ Rebekka wurde ungeduldig. „ Das nehme ich schon auf mich. Tu einfach, was ich dir sage.“<br />
Als Jacob mit den Ziegenböcken zurückkehrte, kochte Rebekka sie, verkleidete Jacob mit Esaus besten<br />
Kleidern, band ihm noch die Ziegenfelle um, um seine glatte Haut zu verstecken, drückte ihm das Essen<br />
in die Hände und schob ihn zum Zelteingang. Dann konnte sie nur noch abwarten und hoffen, dass<br />
alles gut ging.<br />
Jacob ging zu Isaak hinein und sprach ihn an: „Vater!“ „Wer bist du, mein Sohn?“ fragte Isaak. Jetzt<br />
kam es drauf an. Jacob holte noch einmal tief Luft. „Ich bin es, Esau. Komm, iss, was ich dir bringe, und<br />
dann segne mich.“ Isaak fragte verwundert: „Aber wie hast du denn so schnell etwas jagen können?“<br />
„GOTT hat mir geholfen“, stotterte Jacob.<br />
„Komm her zu mir!“ Isaak betastete Jacob, roch an seinen Kleidern und hörte auf seine St<strong>im</strong>me.<br />
Schließlich sagte er: „Du sprichst wie Jacob, aber du fühlst dich an und riechst wie Esau. Bist du es<br />
wirklich?“ „Ich bin es.“ Endlich aß und trank Isaak. Dann küsste er Jacob und sprach: „Du riechst wie ein<br />
Mann, der auf den Feldern arbeitet. Genauso soll es bleiben. Deine Felder sollen reiche Ernte bringen.<br />
GOTT soll dir dabei helfen. Dein Bruder und alle anderen sollen tun, was du befiehlst. Wer für dich ist,<br />
dem soll es gut gehen. Wer aber gegen dich ist, dem soll es schlecht gehen.“<br />
Jacob ging schnell aus dem Zelt hinaus. Rebekka hatte ihr Ziel erreicht. Als Esau von der Jagd<br />
zurückkam und mit seinem Essen zu Isaak hineinging, erschrak Isaak fürchterlich: „Ich habe doch<br />
gerade gegessen und gesegnet. Warst das denn nicht du? Wer war derjenige, dessen Essen ich<br />
gegessen habe? Wer derjenige, den ich gesegnet habe?“<br />
Esau schrie auf, er weinte und tobte: „Das war Betrug! Segne auch mich!“ Isaak sprach:“ Du sollst Anteil<br />
am Segen Jacobs haben, von der Fruchtbarkeit des Bodens etwas abgekommen. Doch obwohl du<br />
best<strong>im</strong>men solltest, wirst du tun müssen, was Jacob dir sagt. Eines aber sage ich dir fest zu: Wenn dein<br />
Bruder dich schlecht behandelt, wirst du dich von ihm befreien können!“<br />
14
- 15 –<br />
Esau kochte vor Wut. Immer wieder murmelte er vor sich hin. „Na warte, kleiner Bruder! Fürs Erste hast<br />
du gewonnen. Aber bald, wenn unser Vater tot ist, dann werden wir ja sehen, wer der Stärkere von uns<br />
beiden ist! Dann werde ich dich umbringen!“<br />
Rebekka hörte davon und erschrak: Jacob musste weg von hier, sie musste ihn in Sicherheit bringen!<br />
Es war wie vorher: Er musste tun, was sie sagte. Sonst würde er sterben. Sie rief Jacob: „Esau würde<br />
dich am liebsten umbringen! Du musst weg von hier, und zwar schnell! Geh nach Haran zu meiner<br />
Familie, zu meinem Bruder Laban. Ich hole dich zurück, wenn Esaus Zorn sich gelegt hat.“ Sie<br />
überzeugte auch Isaak davon, dass er Jacob gehen lassen musste - und zwar mit seinem Segen. Denn<br />
sie überzeugte ihn davon, dass Jacob auch eine Frau aus Haran brauchte und deshalb in das Land der<br />
Väter zurückkehren sollte, um sich dort eine Frau zu suchen. So rief Isaak Jacob zu sich, segnete ihn<br />
und sprach. „Geh, GOTT wird mit dir sein und dich segnen. GOTT wird dich zu einem großen Volk<br />
machen, damit du, wenn du zurückkommst, hier, in diesem Land zu Hause sein kannst, das ER schon<br />
deinem Großvater Abraham versprochen hat.“<br />
Da ging Jacob weg von seiner Familie und machte sich auf den langen Weg nach Haran zur Familien<br />
Rebekkas.<br />
Gen 24,1 -33.50-67; 25 19-34; 26,34-35; 27,1-45<br />
Rebekka, die Mutter, die einen Lieblingssohn hat. So könnte ein schnelles Urteil lauten, so habe ich,<br />
haben wir sie oft vorgestellt bekommen. Aber schauen wir uns das noch mal genauer an.<br />
Würde eine Mutter ihren Lieblingssohn bewusst in Gefahr bringen? Doch wohl eher nicht. Und wusste<br />
Isaak nichts von dem Tausch. Ich glaube, wir können zumindest den Verdacht nicht ausräumen, dass er<br />
es geahnt hat und durch sein Tun eingewilligt hat in diesem Tausch.<br />
Woher mir dieser Verdacht kommt. Ich lese Isaak Worte.<br />
Diesmal in der Lutherübersetzung: Genesis 25, 26 -29<br />
26 Und Isaak, sein Vater, sprach zu ihm: Komm her und küsse mich, mein Sohn!<br />
27 Er trat hinzu und küsste ihn. Da roch er den Geruch seiner Kleider und segnete ihn und sprach:<br />
Siehe, der Geruch meines Sohnes ist wie der Geruch des Feldes, das der HERR gesegnet hat.<br />
28 [a]Gott gebe dir vom Tau des H<strong>im</strong>mels und von der Fettigkeit der Erde und Korn und Wein die Fülle.<br />
a) (28-29) Hebr 11,20<br />
29 Völker sollen dir dienen, und Stämme sollen dir zu Füßen fallen. Sei [a]ein Herr über deine Brüder,<br />
und deiner Mutter Söhne sollen dir zu Füßen fallen. [b]Verflucht sei, wer dir flucht; gesegnet sei, wer<br />
dich segnet!<br />
Und zu Esau spricht er: Genesis 25, 37-40<br />
37 Isaak antwortete und sprach zu ihm: Ich habe ihn zum Herrn über dich gesetzt, und alle seine Brüder<br />
hab ich ihm zu Knechten gemacht, mit Korn und Wein hab ich ihn versehen; was soll ich nun dir noch<br />
tun, mein Sohn?<br />
38 Esau sprach zu seinem Vater: Hast du denn nur einen Segen, mein Vater? Segne mich auch, mein<br />
Vater! Und er erhob seine St<strong>im</strong>me und weinte.<br />
39 Da antwortete Isaak, sein Vater, und sprach zu ihm: Siehe, du wirst wohnen ohne Fettigkeit der Erde<br />
und ohne Tau des H<strong>im</strong>mels von oben her.<br />
40 Von deinem Schwerte wirst du dich nähren, und deinem Bruder sollst du dienen.<br />
Isaak riecht den Geruch des bestellten Feldes – das konnte nicht Esau sein, das musste Jacob sein.<br />
Und sein Segen lautet auch dahin. Es ist der Segen für den Boden und die Früchte des Feldes, nicht<br />
der Segen für die Jagd und das Umherziehen.<br />
Und Isaak n<strong>im</strong>mt seinen Segen nicht zurück, als Esau zu ihm kommt. Nein er bestätigt diesen Segen<br />
noch einmal mal und weist Esau seine Aufgabe und seinen Platz zu, weiterhin auf die Jagd zu gehen<br />
und Anteil zu haben an Jacobs Früchte.<br />
15
- 16 –<br />
Also jeder kann das tun, woran sein Herz hängt, der eine das Feld bestellen und <strong>im</strong> Zeltlager leben bzw.<br />
über Kurz oder Lang in einem festen Dorf, der andere auf die Jagd gehen und umherziehen. Wäre das<br />
mit dem Leben eines Familienoberhauptes vereinbar gewesen? Wohl kaum, das Oberhaupt, es muss<br />
präsent sein, um seine Pflicht zu erfüllen.<br />
Wäre Esau glücklich geworden, wenn er den Segen bekommen hätte?<br />
Ja, ich glaube wirklich Isaak hat eingewilligt in dieses „Spiel“. Vielleicht wäre er nicht von allein drauf<br />
gekommen, weil die Tradition sagt, der Erste ist es.<br />
Aber als Rebekka dies so eingefädelt hatte, dann hat er eingewilligt.<br />
Eingewilligt, für das Leben, das Leben beider Söhne. Auch wenn Esau es zunächst nicht verstehen<br />
kann, denn er ist ja in der anderen Tradition aufgewachsen, verhaftet in dem alten Leben.<br />
Also schauen wir noch einmal genau auf Rebekka:<br />
Ich glaube: Rebekka weiß/ spürt, das Esau die Verantwortung für die Familie nicht tragen kann oder will<br />
- er geht lieber auf Jagd, während Jacob sich als der Geeignetere erweist.<br />
Ich glaube, sie kennt ihre beiden Söhne so gut, dass sie instinktiv weiß, dass es die bessere<br />
Entscheidung ist, wenn Jacob den Erstgeburtssegen erhält. Sie liebt sie beide, jeden auf seine Weise<br />
und kann auch die Eigenheiten akzeptieren und achten.<br />
Sie wollte verhindern, dass Esau später das Oberhaupt der Familie wird und damit er und die Familie<br />
unglücklich wird. Und da war ja auch noch die Antwort Gottes auf ihre Klage damals in der<br />
Schwangerschaft: Aus den beiden Kindern in deinem Bauch werden zwei große Völker, zwei die<br />
verschiedene Wege gehen werden - der Größere wird dem Kleineren dienen.<br />
Das war, was sie in der Hand hatte.<br />
Sie weiß, dass es ein Traditionsbruch sein wird, aber sie tut es in der Gewissheit, dass es<br />
Schlussendlich das Beste für alle sein wird - wenn sich alle Gemüter beruhigt haben, wenn, alle<br />
Abstand von der Situation haben. Und die Geschichte zeigt es. Jeder der beiden wird glücklich. Esau<br />
sogar schneller und einfacher als Jacob. Der wird lange das Gefühl nicht los, sein Glück auf dem<br />
Unglück des Bruder aufgebaut zu haben und den Segen gar nicht verdient zu haben. Er muss erst mit<br />
Gott kämpfen um die Gewissheit zu haben, dass Gott mit seiner Segnung einverstanden ist.<br />
Rebekka ist für mich eine sehr kluge Frau und Mutter. Sie kennt ihre Söhne. Sie weiß, was gut für alle.<br />
Sie ist die Handelnde, und sie ist bereit, die Folgen des Tuns auf sich zu nehmen. (Dein Fluch komme<br />
auf mich, mein Sohn 27,13) Wobei Isaak gar keinen Fluch ausspricht.<br />
Sie ist es auch, die eine Lösung weiß, als Esau seinem Bruder wegen des gestohlenen Segens<br />
zunächst in der ersten Enttäuschung und Wut nach dem Leben trachtet (27,42 ff). Dabei n<strong>im</strong>mt sie in<br />
Kauf, dass ihr geliebter Sohn auf unabsehbare Zeit von ihr getrennt wird.<br />
Rebekka ist für mich eine mutige Frau und Mutter, die bereit ist, Einiges aufs Spiel zu setzen. Die sich<br />
Traditionen verpflichtet weiß, aber auch dem eigentlichen, tieferen Sinn des Glaubens. Und wenn Jesus<br />
viele Jahre später fragt: „Ist das Gesetz für den Menschen da, oder sind die Menschen für das Gesetz<br />
da.“, dann handelt Rebekka schon in diesem Sinn.<br />
Sie sieht, für die Zukunft des Volkes und des Glaubens ist es besser, wenn Jacob die Geschicke<br />
weiterführt.<br />
Zwei Bemerkungen noch an dieser Stelle:<br />
Die historisch-kritische Exegese ordnet die Geschichte um den Erstgeburtssegen heute in den<br />
geschichtlichen Zusammenhang ein, dass das Volk Israel sich in einer Situation befindet, in der einige<br />
Teile weiter wie die Väter umherziehen wollen und als Nomaden leben, andere Teile sesshaft werden<br />
wollen. Für die Ersteren steht Esau, für die Letzteren steht Jacob.<br />
Das Buch Genesis, das 1. Buch Mose, erzählt die Geschichte der Entstehung des Volkes Israel, von<br />
der Schöpfung bis zur Zeit der Väter/ Mütter Israels (Abraham und Sara, Isaak und Rebekka sowie<br />
Jacob. Lea und Rahel). Und die Geschichte von Esau und Jacob erzählt die Epoche in der das Volk<br />
16
- 17 –<br />
langsam sesshaft wurde, erzählt, dass ein neues Kapitel aufgeschlagen wurde, mit dem Einverständnis<br />
von Gott.<br />
Die zweite Bemerkung: Wenn wir genau lesen. Dann werden wir eigenartiger Weise feststellen, das in<br />
den Väter- / Müttergeschichten Auflehnung gegen die bestehende gesellschaftliche Ordnung, wo sie<br />
zum Unrecht wird, <strong>im</strong>mer von <strong>Frauen</strong> ausgeht. Und in jedem Fall wird solchem Sich-Wehren von Gott<br />
recht gegeben.“<br />
Aber auch in der Geschichte Jesu finden sich solche <strong>Frauen</strong>geschichten, ich möchte an dieser Stelle<br />
nur von der Kanaaniterin sprechen, die Jesus um Hilfe bittet. Wo Jesus zunächst ablehnt, sie aber nicht<br />
aufgibt, weil sie seine Argumente kennt und für sich weiß, dass er auch ihr helfen kann. Und sie<br />
überzeugt ihn mit ihrer Antwort auf seine Ablehung: „Ja, aber auch die Hunde werden satt von<br />
Brotkrumen die vom Tisch der Herren fallen.“<br />
Rebekka, die kluge, mutige Frau und Mutter, die weiß, was die Stunde geschlagen hat, die sich den<br />
Traditionen verpflichtet weiß, den Traditionen, die tragen, aber die auch bereit ist, neue Seiten <strong>im</strong> Buch<br />
der Geschichte aufzuschlagen, wenn es um das Wohl der Menschen geht, wenn es um die Zukunft der<br />
Menschen und des Glaubens geht.<br />
Rebekka – eine unter vielen klugen, mutigen Müttern der Bibel. Eine Frau, die uns heute noch leiten<br />
kann, wenn wir unsere Traditionen prüfen, und bewahren, was seit alters her trägt und das<br />
weiterentwickeln, was sich überlebt hat, damit wir und unsere Kinder auch in Zukunft ein auf Gott<br />
ausgerichtetes Leben führen, das in und durch die Gemeinschaft trägt und unser<br />
Schöpfungsverantwortung Rechnung trägt.<br />
Amen<br />
Gebet:<br />
Du Gott, unserer Mütter und Väter seit biblischen Zeiten,<br />
Du Gott, auch für uns, wir sehnen uns:<br />
nach deinem Segen, der uns Kraft gibt und Fülle des Lebens;<br />
dass wir lachen können, singen und tanzen<br />
in den Stunden der Freude und des Gelingens;<br />
dass wir den langen Atem bekommen<br />
in den Stunden der Öde und Leere;<br />
dass wir Trost finden und dass Hoffnung wächst<br />
in den Stunden der Trauer und Verzweiflung,<br />
dass wir bewahren, was bis heute trägt,<br />
dass wir mutig, verändern, was nur noch Vergangenheit ist,<br />
dass wir mit unserem Tun und Lassen,<br />
das Leben aller fördern.<br />
Du Gott unserer Mütter und Väter seit biblischen Zeiten,<br />
Du Gott, auch für uns, wir sehnen uns:<br />
nach deiner Gerechtigkeit, die uns Vertrauen gibt und Mut zum Leben:<br />
dass wir uns und andere nicht überfordern<br />
mit ausgesprochenen und unausgesprochenen Erwartungen,<br />
dass wir uns an- und miteinander freuen können<br />
in den Stunden des Festes,<br />
dass wir an- und miteinander wachsen und reifen können<br />
in den Stunden des Alltags,<br />
dass wir einander halten und aufrichten können<br />
in den Stunden der Angst und Niedergeschlagenheit.<br />
17
Darum bitten wir dich um deinen Segen,<br />
um deine Gerechtigkeit, du Gott unseres Heils.<br />
Amen<br />
- 18 –<br />
Informationen Informationen zu: zu: <strong>Frauen</strong> <strong>Frauen</strong> in in der der der Reformation<br />
Reformation<br />
Es mag uns wundern, weil wir es nicht besser wissen, aber <strong>Frauen</strong> waren am Reformationsgeschehen<br />
aktiv beteiligt: Sie haben als Schriftstellerinnen und Regentinnen, als Mütter und Nonnen zur<br />
Kirchenerneuerung beigetragen und dabei eigene Akzente gesetzt. Sie waren also weniger<br />
schweigenden Weiber als prophetische Töchter.<br />
<strong>Frauen</strong> waren von der Reformation auch stark betroffen: Ihr Selbstbewusstsein wurde nachhaltig<br />
gefördert und ihre Lebensperspektiven wurden, allerdings auf höchst ambivalente Weise, verändert.<br />
Die theologische Wissenschaft hat sich traditionell wenig um den Beitrag von <strong>Frauen</strong> zur Reformation<br />
und um die Bedeutung der Reformation für <strong>Frauen</strong> gekümmert. Historikerinnen und Germanistinnen<br />
haben in den vergangenen Jahren den Blick auf vergessene Ereignisse und unbeachtete Textzeugnisse<br />
gelenkt. Auch in Theologie und Kirche findet die Thematik inzwischen aber Beachtung.<br />
1999 wurde das Katharina von Bora-Jahr gefeiert, und so trat wenigstens eine ins Rampenlicht.<br />
Doch was war der Beitrag von <strong>Frauen</strong> zur Reformation?<br />
Die Reformation war in den frühen zwanziger Jahren des 16. Jahrhunderts keine Gelehrten-, sondern<br />
eine Massenbewegung, die <strong>Frauen</strong> vielfältige Möglichkeiten der Mitwirkung bot und die auf die<br />
Beteiligung von <strong>Frauen</strong> angewiesen war, Denn <strong>Frauen</strong> machten damals - wie sollte es auch anders sein<br />
- rund die Hälfte der Bevölkerung aus, und ganz grundsätzlich gilt die Feststellung: Ohne die<br />
Unterstützung durch <strong>Frauen</strong> hätte es keine Reformation gegeben.<br />
Die Reformation war nicht nur ein Wortgeschehen, bei dem Theologen in lateinischer Sprache um die<br />
rechte Lehre gekämpft haben. Der Disput wurde schriftlich und mündlich auch in deutscher Sprache<br />
ausgetragen, öffentlich und in den Familien, in den Schulen und in den Klöstern. Und vielerorts wurden<br />
sogar Hände und Waffen benutzt, um reformatorischen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Auch “mit<br />
den Füßen“ wurde abgest<strong>im</strong>mt, indem die Menschen best<strong>im</strong>mte Gottesdienste besuchten und andere<br />
mieden. Wer zum reformatorischen Prediger ging, unterstützte damit die Reformation. Das alles bot<br />
<strong>Frauen</strong>, die sich in aller Regel an gelehrten Streitgesprächen nicht beteiligen konnten, die Chance, sich<br />
in die Auseinandersetzungen um den künftigen Weg der Kirche und die rechte Lehre einzumischen.<br />
Von Lukas Cranach d. Ä, dem wichtigsten Maler der Reformationszeit, gibt es ein interessantes Bild,<br />
das diese Beteiligung von <strong>Frauen</strong> am Reformationsgeschehen unterstreicht. Es zeigt <strong>Frauen</strong>, die<br />
altgläubige Kleriker angreifen. Sie benutzen dabei Gegenstände ihres Alltags: Dreschflegel,<br />
Waschzuber und Astgabeln. Das Bild ist ein Zeugnis für die große Unzufriedenheit, ja für den großen<br />
Hass, der sich bei vielen Menschen und eben auch bei vielen <strong>Frauen</strong> gegen die alte Kirche und ihre<br />
Vertreter angesammelt hatte und manchmal sogar zu Gewaltausbrüchen führte. Die aktive, mitunter<br />
führende Rolle von <strong>Frauen</strong> bei solchen Aktionen ist durch Quellen bezeugt. Gelegentlich hatten <strong>Frauen</strong><br />
die Möglichkeit, als politische Obrigkeit oder als Patrone die Einführung der Reformation in einem<br />
best<strong>im</strong>mten Gebiet zu unterstützen. So förderte die Witwe Margareta von Treskow in den dreißiger<br />
Jahren in Bukow <strong>im</strong> Havelland die Reformation, indem sie ihren Pfarrer zur evangelischen Predigt und<br />
zur Abendmahlsfeier unter beiderlei Gestalt anhielt. Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg führte als<br />
regierende Herzogin 1542 in ihrem Land die Reformation ein. Nur selten hatten <strong>Frauen</strong> die Möglichkeit,<br />
auf diese Weise politisch für die Reformation tätig zu werden. Aber für jede Ehefrau gab es, sofern sie<br />
Kinder besaß, die Gelegenheit, bei der christlichen Erziehung ihrer Kinder für die reformatorischen<br />
Überzeugungen zu wirken. Reformatorische Lehren zogen ja konkrete Konsequenzen nach sich für die<br />
praktizierte Frömmigkeit - auch <strong>im</strong> ganz elementaren Bereich. Zum Beispiel wird eine evangelisch<br />
gesinnte Mutter ihre Kinder nicht mehr dazu angeleitet haben, in der Not zu den Heiligen zu rufen und<br />
sie anzubeten, wie sie es selbst gewohnt war. Besonders großen Anteil an der Reformation hatten die<br />
<strong>Frauen</strong>, die mit herausragenden Männern der Reformation verheiratet waren. Am bekanntesten ist<br />
18
- 19 –<br />
Katharina von Bora, die Ehefrau Martin Luthers. Aber weitere Reformatorenfrauen, die heute<br />
weitgehend vergessen sind, wären zu nennen. Katharina Melanchthon, Anna Zwingli, Idelette Calvin,<br />
Elisabeth Bucer, Margarete Brenz und andere. <strong>Frauen</strong> bedeutender Männer gehören <strong>im</strong>mer zu den<br />
bedeutenden <strong>Frauen</strong> der Geschichte, denn das Lebenswerk dieser Männer wäre nie denkbar ohne die<br />
Mithilfe ihrer <strong>Frauen</strong>, selbst wenn diese Mithilfe nur darin bestand, ihnen den Rücken freigehalten, sie<br />
versorgt, gestärkt und getröstet zu haben. Die aus Basel gebürtige Wibrandis Rosenblatt war mit<br />
insgesamt drei Reformatoren verheiratet und dadurch indirekt an der Reformation in Basel, in Straßburg<br />
und in England beteiligt.<br />
Viele <strong>Frauen</strong> der Reformationszeit ergriffen mutig und unter Inkaufnahme möglicher persönlicher<br />
Konsequenzen Partei für die Reformation. Dazu gehörten vor allem Nonnen wie Katharina von Bora, die<br />
unter dem Einfluss reformatorischer Gedanken ihre Klöster verließen und ihre Gelübde brachen. Sie<br />
setzten sich damit der Verfolgung durch die kirchliche und die weltliche Macht aus, und selbst wenn sie<br />
nicht “eingefangen‘ und in das Kloster zurückgebracht wurden, sahen sie einer ungewissen Zukunft in<br />
der “Welt“ entgegen. Eine mutige Parteinahme für die Reformation war es auch, wenn sich eine<br />
angesehene Frau wie die Straßburger Bürgerstochter Katharina Zell entschied, einen Priester zu<br />
heiraten, der damit sein Versprechen brach, ehelos zu leben.<br />
Herausragende Beiträge zur Reformation leisteten die <strong>Frauen</strong>, die in Schriften öffentlich und<br />
ungeschützt Partei ergriffen für die Erneuerung der Kirche:<br />
Argula von Grumbach, Katharina Zell, Ursula Weida und Margareta von Treskow. Schriftstellerisch<br />
traten auch noch andere <strong>Frauen</strong> an die Seite der Reformation:<br />
Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg verfasste Gebetbücher und Erbauungsschriften, Elisabeth<br />
Cruciger machte sich als erste evangelische Liederdichterin einen Namen.<br />
Wir sehen also ohne die <strong>Frauen</strong> wäre es nicht gegangen. Aber wie <strong>im</strong>mer gibt es wenige Quellen - und<br />
von den einfachen <strong>Frauen</strong> leider gar keine. Wir können uns also nur den etwas besser gestellten<br />
Damen näher.<br />
Wie schon gesagt, es sind <strong>Frauen</strong> der Reformatoren, gebildete <strong>Frauen</strong> und Regentinnen.<br />
Schauen wir uns die Damen in kurzen Biographien doch etwas genauer an.<br />
Katharina von Bora<br />
1499 – 1552,<br />
Nonne, verheiratet, 5 Kinder<br />
Am Anfang soll eine Frau stehen, die alle kennen und die eingangs schon erwähnt wurde: Katharina<br />
von Bora, die Ehefrau Luthers. Sie wurde 1499 in einem sächsischen Adelshaus geboren, und wie es<br />
damals <strong>im</strong> Adel weit verbreitet war, wurde sie, nachdem sie eine Zeitlang in einem Kloster die Schule<br />
besucht hatte, mit sechzehn Jahren Nonne. Sie legte die Gelübde ab - Armut, Keuschheit, Gehorsam,<br />
Ortsbeständigkeit - und lebte fortan streng abgeschlossen von der Welt hinter Klostermauern in<br />
N<strong>im</strong>bschen bei Leipzig. Doch die reformatorische Botschaft drang mündlich und vielleicht sogar durch<br />
Schriften in das Zisterzienserinnenkloster Marienthron ein. Von Bora war bereits oder wurde nunmehr<br />
unzufrieden mit ihrem Lebensweg, und sie beschloss gemeinsam mit anderen Nonnen zu fliehen. Mit<br />
Helfershelfern gelang zwölf <strong>Frauen</strong> ohne größere Probleme die Flucht. Einige der entlaufenen Nonnen<br />
kamen <strong>im</strong> April 1523 nach Wittenberg, und nun mussten für die <strong>Frauen</strong> Ehemänner gefunden werden.<br />
Eine selbstständige Existenz als Frau war kaum denkbar, schon aus wirtschaftlichen Gründen, und<br />
außerdem wurde von den Reformatoren die Ehe als die anzustrebende Lebensform angesehen. Nach<br />
verschiedenen gescheiterten Versuchen, Katharina von Bora "unter die Haube zu bringen", entschloss<br />
sich Martin Luther <strong>im</strong> Bauernkriegsjahr 1525 dem Teufel zum Trotz, die entlaufene Nonne selbst zu<br />
ehelichen. Katharina von Boras Weg wurde zum Vorbild für viele andere Nonnen, und ihr Leben an der<br />
Seite Luthers wurde zum Leitbild der protestantischen Pfarrfrau und prägte über Jahrhunderte das<br />
<strong>Frauen</strong>bild in den evangelischen Kirchen und in der von ihnen best<strong>im</strong>mten Gesellschaft. Als Ehefrau<br />
Luthers war sie zuständig für die Hauswirtschaft und die Finanzen, sie gebar und erzog sechs Kinder<br />
und war auch für deren religiöse Elementarbildung verantwortlich. Sie war berühmt, blieb aber doch<br />
19
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deutlich <strong>im</strong> Hintergrund ihres Mannes. In der Öffentlichkeit erhob sie nicht die St<strong>im</strong>me, nur an den<br />
berühmten Tischgesprächen nahm sie gelegentlich teil, und zwar nicht nur als Zuhörerin, sondern auch<br />
als Rednerin. Die überlieferten Quellen zeigen ihre Bildung und lassen erkennen, dass sich von Bora<br />
auch mit theologischen Fragen beschäftigte. Allerdings fährt ihr ihr Ehegemahl regelmäßig über den<br />
Mund, stellt alles richtig und hat natürlich <strong>im</strong>mer Recht. Ob es so war, oder ob nur die Aufzeichner der<br />
Tischgespräche, die jungen Studenten, es so gesehen haben oder sehen wollten, kann leider nicht<br />
entschieden werden.<br />
Von Bora überlebte ihren Mann, der 1546 starb, um sechs Jahre. Doch nach dem Tod des Reformators<br />
lebte sie zurückgezogen, wenig geachtet und ohne öffentliche Wirksamkeit. Katharina von Bora ist die<br />
bekannteste Frau der Reformationszeit, doch wer sie eigentlich war, was sie dachte, was in ihr vorging,<br />
bleibt uns weitgehend verborgen. Umso mehr hat sie sich deshalb dafür geeignet, gedeutet und<br />
verwertet zu werden für ein <strong>Frauen</strong>ideal, das Männer zeichneten. Wer das Bild betrachtet, das sich von<br />
Katharina von Bora erhalten hat und das wiederum Lukas Cranach, und zwar <strong>im</strong> Jahre 1526,<br />
gezeichnet hat, sieht eine zweifellos selbstbewusste Frau, wie das ja auch bei einer Adelstochter zu<br />
erwarten ist. Indirekt wird dieser Charakterzug auch von Martin Luther bestätigt; er hat sie nämlich - vor<br />
der Heirat - als hochnäsig bezeichnet. Ihre Gesichtszüge - die betonten Backenknochen - erinnern<br />
auffallend an die Bilder, die uns von Luther überliefert sind. Ob hier wirklich, zufällig, eine körperliche<br />
Entsprechung, eine Ähnlichkeit der Gesichtszüge, vorliegt, oder aber der Maler von Bora als von Luther<br />
geprägt gezeichnet hat, lässt sich nicht entscheiden.<br />
Sie merken, selbst wenn wir wie bei der Lutherin verschieden Portraits haben, können wir uns nur<br />
schwer ein Bild machen. Und auch die vielen Bücher, die zum Katharina von Bora-Jahr erschienen sind,<br />
zeichnen sie mit viel Phantasie.<br />
Lied: Einsam bist du klein.<br />
Katharina Zell,<br />
1497/8 - 1562,<br />
verheiratet,<br />
keine Kinder<br />
Katharina Zell ist wie die Lutherin eine Frau an der Seite eines Reformators, doch <strong>im</strong> Gegensatz zu ihr<br />
hat sie eigenen Schriften verfasst. Diese liegen auch noch in einigen Archiven, leider gibt es aber kein<br />
Bild von ihr.<br />
Katharina Zell, geborene Schütz. aus Straßburg, geboren <strong>im</strong> Jahre 1497 oder 1498. Sie war keine<br />
Adlige, sondern stammte aus dem Bürgertum der Freien Reichsstadt. Ihr Vater war Handwerker. da es<br />
in Straßburg schon vor der Reformationszeit Mädchenschulen gab, konnte auch sie Lesen und<br />
Schreiben lernen. Schon als Kind war sie stark mit religiösem Gedankengut beschäftigt. Sie war eine<br />
eifrige Predigthörerin und konnte in jungen Jahren noch den berühmten Straßburger Prediger Johannes<br />
Geiler von Kaysersberg hören. Vielleicht hing es mit ihren frommen Neigungen zusammen, dass sie<br />
zunächst ehelos blieb. Im Rückblick auf ihr Leben berichtete sie später von den “Anfechtungen um des<br />
H<strong>im</strong>melreichs willen“, die sie als junge Freu erlitten habe. Trotz frommer Werke, Sakramente und<br />
asketischer Leibesübungen habe sie keinen Trost und keine Ruhe empfunden, denn sie sei sich “der<br />
Lieb und Gnade Gottes“ nicht sicher gewesen und “an Seel und Leib ... bis auf den Tod krank und<br />
schwach“ geworden. Dies ist ein aufschlussreiches Selbstzeugnis. Luthers Ängste, so sieht man an<br />
dieser Frau, waren tatsächlich auch die Ängste seiner Zeit.<br />
Auf diesem Hintergrund ist es ohne weiteres verständlich, dass sich Katharina Zell sofort für die<br />
Reformation begeisterte und sich durch die neuen Gedanken “aus dem Erdreich herauf ... in das lieblich<br />
süß H<strong>im</strong>melreich“ gezogen fühlte. Als in Straßburg durch Predigten und Schriften reformatorische<br />
Gedanken verbreitet wurden, ergriff sie sofort Partei. An den altgläubigen Bischof schrieb sie scharfe<br />
Briefe und griff damit auf eine für eine Frau ungewöhnliche Weise in die Auseinandersetzungen ein.<br />
20
- 21 –<br />
Der erste Straßburger Reformator, der Priester Matthäus Zell, begehrte sie schon <strong>im</strong> Jahre 1521 zur<br />
Ehe, und sie ging auf den Vorschlag des <strong>im</strong>merhin schon zwanzig Jahre älteren Mannes zwei Jahre<br />
später ein. Anders als Luthers Frau beschränkte sie sich aber nicht auf Haus und Hof und führte kein<br />
zurückgezogenes Leben <strong>im</strong> Hintergrund, sondern sie engagierte sich in der Öffentlichkeit in einer<br />
Weise, dass andere Reformatoren sogar abschätzig äußerten, Matthäus Zell werde von seiner Frau<br />
beherrscht. Katharina Zell veröffentlichte insgesamt mindestens sechs Bücher. Drei Schriften<br />
erschienen gleich nach ihrem Eheschluss, <strong>im</strong> Jahre 1524. Die 27-jährige Frau verteidigte in einer<br />
Flugschrift den Zölibatsbruch ihres Mannes; ohne sein Wissen hat sie dieses Werk geschrieben. Für<br />
evangelisch gesinnte <strong>Frauen</strong> in der Breisgaustadt Kenzingen, deren Männer verbannt worden waren,<br />
schrieb sie einen Trostbrief, der <strong>im</strong> Druck verbreitet wurde. Schließlich griff sie möglicherweise noch mit<br />
einer weiteren Schrift in die reformatorischen Auseinandersetzungen in Straßburg ein.<br />
Später gab sie ein Gesangbuch mit Liedern der Böhmischen Brüder heraus, veröffentlichte eigene<br />
Psalmenauslegungen und eine Vaterunserinterpretation und schließlich eine anspruchsvolle<br />
theologische Streitschrift, in der es um den rechten Umgang mit Täufern. Zwingli- Anhängern und mit<br />
dem Spiritualisten Caspar Schwenckfeld von Ossig geht.<br />
Katharina Zells Werke, die aus heutiger Sicht sehr interessant sind, fanden damals nur wenig Widerhall.<br />
Die meisten erlebten nur eine einzige Auflage. bas hängt wohl damit zusammen, dass Katharina Zell<br />
nicht nur die Altgläubigen angriff und Dinge sagte, die allen Reformatoren angenehm waren. Sie vertrat<br />
vielmehr eigene, auch radikale Gedanken, insbesondere plädierte sie für Toleranz unter den<br />
verschiedenen Flügeln der Reformation. Und damit geriet sie bei Lutheranern in den Verdacht, selbst<br />
eine Anhängerin von “Irrlehren“ zu sein.<br />
Katharina Zell betätigte sich nicht nur schriftstellerisch, sondern sie entfaltete auch breite soziale<br />
Aktivitäten. Sie engagierte sich in Straßburg für Bildungseinrichtungen und für ein Armenhaus, sie<br />
besuchte Gefangene und Trauernde und versorgte Flüchtlinge. Auf Reisen pflegte sie Kontakt zu<br />
führenden Köpfen der Reformation. Nach dem Tod ihres Mannes <strong>im</strong> Jahre 1548 zog sie sich nicht<br />
zurück, sondern steigerte noch ihr Engagement. Dre<strong>im</strong>al hat sie sogar gepredigt, zwar nicht <strong>im</strong> Münster,<br />
aber bei Trauergottesdiensten auf dem Friedhof. Einmal bei der Beerdigung ihres Mannes 1548, und<br />
zwe<strong>im</strong>al 1562, als die Straßburger Pfarrer verstorbenen Täufer-<strong>Frauen</strong> eine christliche Bestattung<br />
verweigerten.<br />
Eine Voraussetzung dieses großartigen Engagements darf freilich nicht übersehen werden. bas<br />
Ehepaar Zell war kinderlos. Zwei Kinder hatte Katharina Zell zwar geboren, doch beide waren bereits<br />
früh verstorben, sodass sie sich nicht in gleicher Weise wie Katharina Luther um die Familie kümmern<br />
musste. Ein Bild gibt es von ihr nicht, weder ein Porträt noch ein stilisiertes. Erhalten aber ist ihre<br />
Handschrift. Die schwungvolle Schrift zeugt. wie auch die von ihr gedruckten Texte, von großem<br />
5elbstbewusstsein.<br />
Katharina Zell ist die interessanteste Frau der Reformationszeit. Dennoch gab es bis vor kurzem weder<br />
eine detaillierte Biographie noch eine kritische Untersuchung ihrer interessanten theologischen und<br />
erbaulichen Veröffentlichungen. Nicht einmal ihre Werke waren in Nachdrucken oder auch in<br />
auszugsweisen Editionen leicht zugänglich. Das zweibändige, englischsprachige Werk von Elsie Anne<br />
McKee, das 1999 erschienen ist, hat diese missliche Situation beseitigt. Eine Übersetzung ins Deutsche<br />
wäre wünschenswert.<br />
Die Straßburger Pfarrfrau und Laientheologin reflektierte häufig über ihre Rolle als Frau in Kirche und<br />
Gesellschaft. Ihr Auftreten rechtfertigte sie durch den Lutherschen Gedanken vom allgemeinen<br />
Priestertum und bediente sich ebenso konsequent des Grundsatzes “sola scriptura“: Sie argumentierte<br />
mit der Bibel, in der sie sich vorzüglich auskannte. Kurz vor ihrem Lebensende bezeichnete sie sich<br />
selbst <strong>im</strong> Rückblick auf ihr langes Leben mehrfach als eine “Kirchenmutter“. Sie wollte sich damit nicht<br />
an die Seite der altkirchlichen Kirchenväter, zum Beispiel an die Seite Augustins, stellen, sondern sie<br />
wollte mit diesem Wort ausdrücken, dass sie sich um die Straßburger Christengemeinde gekümmert<br />
und für diese Gemeinde gelebt habe wie eine Mutter für ihre Kinder. Katharina Zell starb 1562.<br />
21
- 22 –<br />
Es ist auffallend, dass <strong>im</strong> englischsprachigen Raum mehr Literatur zu den <strong>Frauen</strong> der Reformationszeit<br />
gibt, als in dem Sprachraum, in dem die Reformation ihren Anfang genommen hat.<br />
Von den <strong>Frauen</strong> der Reformatoren wollen wir uns kurz noch Wibrandis Rosenblatt anschauen, sie hat<br />
die Reformation in Basel, Straßburg und England erlebt, weil sie mit 3 Reformatoren verheiratet war.<br />
Von ihr wissen wir nicht viel, aber es gibt ein Bild von ihr.<br />
Die Frau mit dem duftenden Namen ist heut kaum noch bekannt, und doch begegnet uns in ihr eine der<br />
wichtigen <strong>Frauen</strong>gestalten der Reformationszeit. Geboren in Säckingen, da jedoch der Vater ständig für<br />
den Kaiser Max<strong>im</strong>ilian unterwegs war, wuchs sie mit ihrem Bruder in Basel, der Geburtsstadt ihrer<br />
Mutter auf. Ihren ausgefallenen Namen hat sie von einer Heiligen, deren Reliquien in ihrem Geburtsjahr<br />
nach Basel gebracht worden waren. Wibrandis war eine gebildete Frau. Sie insgesamt 4mal verheiratet.<br />
Mit 20 Jahren heiratete sie 1524 den Humanisten Ludwig Keller. Dieser war nur ein paar Jahre älter als<br />
sie. Eine Tochter Wibrandis wurde geboren und schon nach 3 Jahren Ehe verstarb Ludwig. Nach dem<br />
Tod ihres ersten Mannes war sie noch mit drei bedeutenden süddeutschen und schweizer<br />
Reformatoren verheiratet, die sie alle überlebte. Es waren Johannes Oekolampad, Wolfgang Capito und<br />
Martin Bucer. Sie gebar noch 10 weiter Kinder, die mitunter aber auch früh verstarben. Sei lebte in<br />
Basel, Straßburg und Cambridge, England. Durch ihre Männer lernte sie auch weitere Reformatoren<br />
und ihre <strong>Frauen</strong> kennen. Auch sie füllte ähnlich die die Lutherin die Rolle der Pfarrfrau aus. An ihrem<br />
Tisch wurde Ideen entwickelt und Gespräche geführt, Freundschaften entwickelt und gepflegt, auch zu<br />
so berühmten Männern wie Luther, Zell und Zwingli.<br />
Sie war eine Frau die Höhen und Tiefen erlebt haben muss, und die trotz aller Widerstände treu zu<br />
ihrem neuen Glauben stand.<br />
Wir haben von ihr noch ein Bildnis, 1999 entstand aus den dürftigen Quellen eine Romanbiographie.<br />
Katharina Melanchthon<br />
Bis 1557,<br />
verheiratet, 4 Kinder<br />
Anna Zwingli,<br />
2 x verheiratet, 7 Kinder, 4 von Zwingli<br />
Argula von Grumbach<br />
1492 – nach 1563,<br />
verheiratet, 4 Kinder<br />
Nach den <strong>Frauen</strong> der Reformatoren möchte wir ihnen eine Frau nahe bringen, die unabhängig von<br />
ihrem Mann eine Streiterin für die Reformation war.<br />
Die Frau, die vorgestellt werden soll, war wie Katharina von Bora eine Adlige. Doch anders als diese<br />
wurde sie berühmter als ihr Mann und kostete ihm sogar seine berufliche Stellung. Argula von<br />
Grumbach war eine geborene von Stauff. Geboren wurde sie auf der Burg Ehrenfels in der Oberpfalz <strong>im</strong><br />
Jahre 1492, und sie erhielt wie von Bora eine rud<strong>im</strong>entäre Bildung, lernte lesen und schreiben und<br />
besaß, schon vor der Reformationszeit, eine deutsche Bibel, die sie eifrig studierte. Sie wurde nicht in<br />
das Kloster geschickt, sondern das junge Mädchen lebte und arbeitete als Hofdame am Münchener<br />
Hof. Später, nach ihrer Heirat, wohnte sie in Dietfurt <strong>im</strong> Altmühltal. Auch sie wurde von<br />
reformatorischem Gedankengut erfasst und begeisterte sich für die neue Lehre.<br />
Als <strong>im</strong> Jahre 1523 in Ingolstadt ein junger Theologiestudent, bei dem man reformatorische Thesen<br />
gefunden hatte, von der Universität gemaßregelt, zum Widerruf gezwungen und in ein Kloster verbannt<br />
wurde, griff von Grumbach voller Empörung zur Feder und verfasste insgesamt acht reformatorische<br />
Flugschriften, die durch zahlreiche Nachdrucke in ganz Deutschland verbreitet wurden, mit einer<br />
geschätzten Gesamtauflage von 30 000 Exemplaren.<br />
22
- 23 –<br />
Ihre Texte sind Beispiele dafür, wie Luthers Erkenntnisse von normalen Menschen ohne theologische<br />
Ausbildung aufgegriffen und angewendet wurden. Von Grumbach muss sich verteidigen, denn auch sie<br />
weiß, dass es einer Frau eigentlich nicht geziemt, öffentlich das Wort zu ergreifen. Aber die Mutter von<br />
vier Kindern verteidigt sich unter Berufung auf die Heilige Schrift und ihr Gewissen. Das hat sie von<br />
Luther gelernt. Das Sola-Scriptura-Prinzip und die Lehre vom allgemeinen Priestertum werden von ihr<br />
umgesetzt. In ihren Schriften reiht sie Bibelstelle an Bibelstelle, um die altgläubigen Theologen von<br />
Ingolstadt zu widerlegen. Eine ihrer Schriften gipfelt in dem Angebot, nach Ingolstadt zu kommen und<br />
vor der versammelten Fakultät den Disput auszutragen, eine für die gelehrte Männergesellschaft<br />
unerträgliche Vorstellung: von einer Frau belehrt zu werden. Argula von Grumbach stellte nur eine<br />
Bedingung: Die gelehrten Herren sollten ihr in deutscher Sprache Rede und Antwort stehen, denn des<br />
Lateinischen war sie nicht mächtig. Der öffentliche Disput kam jedoch nicht zustande, von Grumbach<br />
wurde von den Theologen nicht einmal einer Antwort gewürdigt. Nur ein Student verfasste ein Spottlied<br />
auf sie, in dem er das Weibergeschwätz zurück- und von Grumbach an das Spinnrad verwies.<br />
Ein Holzschnitzer hat die von Argula von Grumbach angestrebte öffentliche Auseinandersetzung in<br />
einem fiktiven Bild dargestellt, das als Titelblatt ihrer wichtigsten Flugschrift mehrfach gedruckt wurde.<br />
Es zeigt, wie von Grumbach aus der Heiligen Schrift argumentiert, die Theologen aufmerksam zuhören<br />
und die altgläubigen Theologie- oder Gesetzbücher auf dem Boden liegen. Die Szene erinnert<br />
auffallend an Bilder, die Luthers Rede vor dem Wormser Reichstag <strong>im</strong> Jahre 1521 darstellen. Vielleicht<br />
wollte der Bildschnitzer eben dies ausdrücken- Wie Luther in Worms allein vor Kaiser und<br />
Reichsständen stand und sich auf die Bibel und sein Gewissen berief, so ergreift nun eine christliche<br />
Frau vom Adel das Wort, um Luthers Werk zu unterstützen.<br />
Argula von Grumbach verfasste ihre Schriften unter ihrem Mädchennamen, von Stauff, sicherlich<br />
deshalb, um ihren Ehemann, der ein hoher Beamter <strong>im</strong> Dienst der katholischen bayerischen Herzöge<br />
war, in seiner beruflichen Stellung zu schonen. Doch es sollte anders kommen. Friedrich von Grumbach<br />
verlor wegen des Engagements seiner Frau seine Stelle und verstarb wenige Jahre später.<br />
Von Argula von Grumbach haben wir authentische Dokumente - die von ihr selbst verfassten Schriften -<br />
die einen Einblick geben in ihr Denken, auch in ihr theologisches Denken, in ihr Selbstverständnis als<br />
Christin und als Frau, auch in ihre Biographie und ihre geistliche Entwicklung. Allerdings ist sie für uns<br />
nur in einer recht kurzen Lebensspanne greifbar. Über ihr späteres Leben ist wenig bekannt. Sie soll<br />
1554 - nach anderen Quellen erst nach 1563 - verstorben sein.<br />
Sie geriet später nicht in Vergessenheit, sondern ihr Andenken wurde, wegen ihres Bekennermuts,<br />
gewahrt, zum Beispiel von den Pietisten. Dennoch ist ihr Auftreten später nicht zum Vorbild geworden<br />
für das Engagement von <strong>Frauen</strong> in Kirche und Gesellschaft.<br />
Mit Elisabeth von Brandenburg und Elisabeth von Braunschweig haben wir noch zwei Regentinnen in<br />
unserer Liste. Mutter und Tochter – sie waren Anhängerinnen der reformatorischen Lehren und<br />
während die Mutter noch scheiterte, führte Elisabeth von Braunschweig die Reformation in ihrem Riech<br />
durch und die protestantische Kirchen ein.<br />
Elisabeth von Brandenburg,<br />
1485 – 1555,<br />
verheiratet, 5 Kinder<br />
Elisabeth von Braunschweig,<br />
1510 – 1558,<br />
verheiratet, 4 Kinder<br />
23
- 24 –<br />
Caritas Pirckhe<strong>im</strong>er<br />
Nach all den Anhängerinnen der Reformation möchte ich Ihnen noch ein vorstellen, die eben altgläugig<br />
war und blieb. Und die das Klosterleben las Erfüllung fand. – Caritas Pirckhe<strong>im</strong>er, die Schwester des<br />
Humanisten und Lutherfreunds Wolfram Pirckhe<strong>im</strong>er.<br />
Auch sie ist eine Frau der Reformation; auf die normalerweise nicht genannt wird, wenn evangelische<br />
Theologen über <strong>Frauen</strong> der Reformationszeit schreiben- Caritas Pirckhe<strong>im</strong>er aus Nürnberg. Wie<br />
Katharina Zell stammte sie aus dem Bürgertum einer mächtigen Reichsstadt. 1467 geboren, wurde sie<br />
wie Katharina von Bora <strong>im</strong> Kloster erzogen, wurde später Nonne und von ihrem Konvent schließlich <strong>im</strong><br />
Jahre 1503 zur Äbtissin gewählt. Doch anders als von Bora wurde ihr das Klosterleben nie zum<br />
Problem. Auch sie kannte reformatorisches Gedankengut, aber sie blieb dem Weg, für den sie sich als<br />
16-jähriges Mädchen entschieden hatte, zeitlebens treu.<br />
Ein Bild, das von ihr existiert, zeigt sie als Schwester in Ordenstracht in der typischen Gebetshaltung mit<br />
gefalteten Händen. Ihr Wunsch, hinter den Mauern des Nürnberger Klarissenklosters ein beschauliches<br />
und abgeschiedenes, vor allem dem Gebet zugewandtes Leben zu führen, wurde durch die<br />
Reformation durchkreuzt. Seit Anfang 1525 wurden die Schwestern von Sankt Klara mehr und mehr on<br />
der reformatorisch gesinnten Mehrheit der Reichsstadt bedrängt und bedroht. Es kam zu gewaltsamen<br />
Übergriffen, fast wie auf Lukas Cranachs Bild. Nürnberger Familien holten mit Gewalt ihre erwachsenen<br />
Töchter aus dem Kloster, gegen deren Willen, und den Schwestern wurde die Betreuung durch<br />
Franziskanerpriester verwehrt. Sie mussten gegen ihren Willen reformatorische Predigten anhören.<br />
Pirckhe<strong>im</strong>er verteidigte sich und ihren Konvent selbstbewusst mit zahlreichen Briefen und Eingaben und<br />
in öffentlichen Disputen. Bibelkundig und theologisch gebildet widersprach sie den gegen das<br />
Klosterleben gerichteten reformatorischen Einwänden. Dass sie als Frau das Wort ergriff, das konnte<br />
man ihr, der Äbtissin, nicht verwehren. Wie Luther berief sie sich auf ihr Gewissen und verwahrte sich<br />
gegen die Übergriffe, indem sie auf die tolerante Haltung der Türken verwies, die doch Andersgläubige<br />
unter ihrer Religion duldeten.<br />
Es gelang Pirckhe<strong>im</strong>er schließlich, Philipp Melanchthon dazu zu gewinnen, <strong>im</strong> November 1525 das<br />
Kloster zu besuchen und sich die Lage schildern zu lassen. Darauf erwirkte Melanchthon be<strong>im</strong> Rat der<br />
Stadt den Verzicht auf Gewaltmaßnahmen, und der Klarissenkonvent wurde fortan in der evangelischen<br />
Reichsstadt geduldet. Allerdings mussten die Schwestern auf geistliche Betreuung und damit auch auf<br />
alle Sakramente verzichten, sie durften keine Novizinnen mehr aufnehmen. Der 250 Jahre alte Konvent<br />
war also zum Aussterben verurteilt. Caritas Pirckhe<strong>im</strong>er schloss <strong>im</strong> Jahre 1532 die Augen, die letzte<br />
Nonne verstarb 1596. Danach wurde das Nürnberger Klarakloster aufgelöst.<br />
Das Schicksal des Nürnberger Klaraklosters und seiner Äbtissin erinnert an die dunklen Kapitel der<br />
Reformationsgeschichte. Es ist ein Stück Schuldgeschichte des Christentums, dass auch von<br />
Anhängern der neuen Lehre <strong>im</strong> Namen des <strong>Evang</strong>eliums Gewissenszwang und Gewalt ausgeübt<br />
wurden. Als Kontrastmodell zu Katharina von Bora und ihrer Klosterflucht zeigt dieses Beispiel, dass es<br />
auch <strong>Frauen</strong> gab, die an der frei gewählten klösterlichen Lebensform festhalten wollten, und dass nicht<br />
überall hinter Klostermauern Heuchelei, Verdienstdenken und Werkgerechtigkeit herrschten.<br />
Die Bedeutung der Reformation für die Frau - was hat sich verändert?<br />
Die Reformation hat vielschichtige Konsequenzen für die <strong>Frauen</strong>, für ihr Leben in der Familie und in der<br />
Gesellschaft und für die Praktizierung weiblicher Spiritualität.<br />
Auf dem Hintergrund einer biblisch begründeten Schöpfungstheologie bezog Martin Luther energisch<br />
Stellung gegen die damals verbreitete Verspottung und Verachtung des weiblichen Geschlechts. Er<br />
lehrte die Gleichwertigkeit von Mann und Frau als Geschöpfe des einen Gottes. Verbunden mit diesen<br />
schöpfungstheologischen Gedanken war auch eine gegenüber dem Mittelalter positive Neubewertung<br />
der Sexualität als Teil des menschlichen Lebens.<br />
Der reformatorische Zentralgedanke des “allgemeinen Priestertums“ trug entscheidend dazu bei, das<br />
Selbstbewusstsein von <strong>Frauen</strong> zu stärken. Diese Lehre besagte, dass alle Menschen einen gleichen<br />
und unmittelbaren Zugang zu Gott hätten, also keine Priester als Gnadenmittler bedürften. Für <strong>Frauen</strong><br />
24
- 25 –<br />
hieß das, dass sie nicht nur keine Mittler, sondern zugespitzt keine Männer als Mittler mehr brauchten.<br />
Die Lehre vom allgemeinen Priestertum war <strong>im</strong> Kein ein radikaler Gleichheitsgedanke, der nach<br />
Konsequenzen für das kirchliche und gesellschaftliche Leben drängte. Luther folgerte beispielsweise<br />
daraus, dass den <strong>Frauen</strong> prinzipiell auch das Recht zustünde zu predigen, wie ihnen ja bereits die<br />
mittelalterliche Kirche das Recht zur Nottaufe zugebilligt hatte.<br />
Auch eine zweite Zentrallehre der Reformation, das Schriftprinzip, war für <strong>Frauen</strong> noch wichtiger als für<br />
Männer. Das Schriftprinzip besagte, dass sich alle christliche Lehre auf die Bibel und nur auf die Bibel<br />
stützen müsse. Die kirchliche Tradition, die man sich in mühsamen Studien aneignen musste, wurde<br />
damit sekundär, ja überflüssig. Die Heilige Schrift konnten nach und nach auch <strong>Frauen</strong> lesen und<br />
auslegen, die keine höhere Bildung genossen hatten. Sie waren damit befähigt, sich an den<br />
Auseinandersetzungen um Fragen der kirchlichen Lehre und des kirchlichen Lebens zu beteiligen,<br />
indem sie auf der Grundlage der Schrift argumentierten.<br />
Die von Luther und anderen Reformatoren propagierte “Freiheit eines Christenmenschen“ hatte<br />
ebenfalls entscheidende Konsequenzen für <strong>Frauen</strong>. Die gepredigte freie Gnade Gottes und der damit<br />
verbundene Gewissenstrost stärkte ihr Selbstbewusstsein. Viele <strong>Frauen</strong>, die unfreiwillig und widerwillig<br />
in Klöstern lebten, wurden infolge dieser Botschaft befreit oder befreiten sich selbst.<br />
Die neue reformatorische Berufsethik führte zu einer Aufwertung der Ehe, der Hausarbeit und der<br />
Kindererziehung. Die Menschen des Mittelalters hatten Hausarbeit verachtet. Adlige <strong>Frauen</strong>, die es sich<br />
leisten konnten, haben nicht selbst gekocht, ihre Kinder nicht selbst gewickelt und nicht einmal ihre<br />
Säuglinge gestillt, sondern dafür gar es Mägde und Ammen. Aber auch die Arbeit <strong>im</strong> Beruf, zum<br />
Beispiel als Bauer oder Handwerker, stand <strong>im</strong> Mittelalter nicht hoch <strong>im</strong> Kurs. Hatte man nicht aus der<br />
Bibel gehört, dass Arbeiten eine Sündenstrafe sei? Das hohe, für die Mehrheit der Menschen aber<br />
unerreichbare Ideal war es, <strong>im</strong> Kloster zu leben, ohne für den eigenen Lebensunterhalt arbeiten zu<br />
müssen.<br />
Luther hat mit seiner Theologie die Perspektiven und Wertvorstellungen radikal verändert. Er hat den<br />
Grund gelegt für die moderne .Berufsethik. Luther meinte, jeder Mensch solle in seinem konkreten Beruf<br />
eine ihm von Gott gegebene wichtige Aufgabe erkennen. Ganz gleich, ob er Professor oder<br />
Handwerker, Bauer oder Hausfrau sei. Alles, was ein Mensch arbeite, sei ein hohes, göttliches Werk,<br />
wenn es nur <strong>im</strong> Glauben und in der Liebe geschehe. Luther ging sogar so weit, fast modern an einen<br />
Rollentausch zwischen Mann und Frau zu denken. Er sagte einmal. Wenn ein Mann Windeln wäscht<br />
und ein kleines Kind wickelt und versorgt, wird er von seinen Mitmenschen verlacht, aber Gott freut sich<br />
über diesen Mann, wenn er diese Arbeit in Liebe zu seinem Kind und in Liebe zu seiner Frau tut.<br />
Doch Luther hat nicht wirklich eine neue Rollenverteilung propagiert, aber er wollte mit diesem<br />
Gedankenspiel die Hausarbeit gegenüber der Arbeit außer Haus aufwerten und den <strong>Frauen</strong> ein neues<br />
Selbstbewusstsein geben. Die Existenz als Ehefrau, Mutter und Hausfrau wurde von den Reformatoren<br />
deutlich höher bewertet, als es <strong>im</strong> Mittelalter der Fall war. Eine Frau in diesen Rollen konnte gewiss<br />
sein, vor Gott und in der Gesellschaft geachtet zu werden.<br />
Schließlich stärkte die reformatorische Forderung nach Allgemeinbildung, auch für Mädchen, die<br />
Stellung der <strong>Frauen</strong>. Aber bis diese realisiert war und bis außer der Grundausbildung auch eine höhere<br />
Schulbildung für junge <strong>Frauen</strong> möglich wurde, sollten Jahrzehnte, ja Jahrhunderte vergehen. Bildung<br />
war aber die wichtigste Voraussetzung für Emanzipation, wie schon die Lebensgeschichten der<br />
öffentlich engagierten <strong>Frauen</strong> der Reformationszeit zeigen.<br />
Schattenseiten der Reformation<br />
Doch was in der Theorie angelegt und in Teilen auch umgesetzt wurde, hatte auch Schattenseiten.<br />
Negative Folgen der Reformation für <strong>Frauen</strong><br />
Die geschilderten Veränderungen hatten auch eine Kehrseite. Die Folgen der Reformation für die<br />
<strong>Frauen</strong> waren nicht nur positiv, sondern höchst ambivalent.<br />
Zunächst muss darauf hingewiesen werden, dass das in der reformatorischen Botschaft angelegte<br />
emanzipatorische Potential nicht wirklich entfaltet wurde. Insbesondere wurden aus der Lehre vom<br />
25
- 26 –<br />
allgemeinen Priestertum nicht wirklich Konsequenzen gezogen. Außerdem haben die Reformatoren<br />
viele haarsträubende Ansichten und Vorurteile über <strong>Frauen</strong> nachhaltig zementiert, zum Beispiel die mit<br />
der Paradiesgeschichte begründete Behauptung, <strong>Frauen</strong> seien durch den Teufel leicht verführbar und<br />
hatten den Drang und die Kraft, ihrerseits die Männer zur Sünde zu verführen. Auch von einer<br />
angeborenen, gottgewollten Schwäche der <strong>Frauen</strong> <strong>im</strong> Leiblichen und <strong>im</strong> Geistigen wurde weiter<br />
gesprochen.<br />
Besonders schwer wiegt, dass die Reformation für <strong>Frauen</strong> keine Ämter in der Kirche geschaffen hat und<br />
sogar die bestehenden beseitigt hat. In den Reformationskirchen gab es keine <strong>Frauen</strong> in<br />
Leitungsfunktionen mehr, wie sie in der katholischen Kirche Äbtissinnen inne hatten und haben. Über<br />
weibliche Diakone wurde zwar in Straßburg in den Jahren 1532/33 diskutiert, aber der Vorschlag konnte<br />
sich nicht durchsetzen. Vergeblich war auch Katharina Zells Vorstoß <strong>im</strong> Jahre 1557, <strong>im</strong> “Blatternhaus“,<br />
einem He<strong>im</strong> für Alte und Kranke, nicht nur einen “Hausvater“, sondern auch eine “Hausmutter“<br />
einzusetzen. Nur in der von der alten Kirche und den Reformationskirchen gleichermaßen verfolgten<br />
Täuferbewegung waren die <strong>Frauen</strong> relativ gleichberechtigt. In dieser frommen Laienbewegung ohne<br />
Amtshierarchien spiegelte sich der Gleichheitsgedanke sogar in der Sprache. In Täufertexten fällt der<br />
Gebrauch einer inklusiven Sprache auf, in einer Zeit, als das noch ganz unüblich war. Bei den Täufern<br />
sprach man nicht von “Brüdern“ und meinte damit Männer und <strong>Frauen</strong>, sondern ausdrücklich von<br />
“Brüdern und Schwestern“.<br />
Durch die Auflösung der Klöster wurde in den Ländern der Reformation eine Möglichkeit für <strong>Frauen</strong>, ihr<br />
Leben zu gestalten, beseitigt. Ein Leben in autonomen, nicht von Männern dominierten weiblichen<br />
Gemeinschaften war nicht mehr möglich, und auch die selbstständige Existenz einer unverheirateten<br />
Frau in der Stadt, wie sie <strong>im</strong> späten Mittelalter von vielen Handwerkerswitwen geführt worden war, fand<br />
keine Akzeptanz mehr. Das Leben in der Ehe und unter der damit verbundenen strengen Unterordnung<br />
unter den Mann wurde für evangelische <strong>Frauen</strong> zur absoluten Norm. Das ehelose Leben war verpönt.<br />
Vor- und außereheliche Sexualkontakte wurden, vor allem in Gegenden, wo sich der reformierte<br />
Gedanke der Kirchenzucht durchsetzen konnte, streng sanktioniert.<br />
Witwen pflegten rasch wieder zu heiraten. Die <strong>Frauen</strong> wurden kategorisch und strenger als <strong>im</strong><br />
Mittelalter an die Arbeit <strong>im</strong> Haushalt gebunden.<br />
Kurz- und mittelfristig brachte die Reformation für <strong>Frauen</strong> also mindestens ebensoviel Nach- wie<br />
Vorteile und Jahrzehnte, ja Jahrhunderte der Stagnation. Die katholische Kirche dagegen konnte <strong>im</strong> 16.<br />
und 17. Jahrhundert an das Modell der <strong>Frauen</strong>orden anknüpfend für das kirchliche und gesellschaftliche<br />
Engagement von <strong>Frauen</strong> zukunftsweisende Perspektiven entwickeln. In den neuen Orden und<br />
Kongregationen engagierten sich <strong>Frauen</strong> in der Sozial- und Bildungsarbeit, womit sie den Gedanken der<br />
Berufstätigkeit der Frau förderten und indirekt der <strong>Frauen</strong>emanzipation Vorschub leisteten. Die<br />
protestantischen Kirchen ließen sich erst <strong>im</strong> 19. Jahrhundert von diesem Vorbild anregen, als die<br />
weibliche Diakonie begründet wurde.<br />
Im Pietismus waren <strong>Frauen</strong> allerdings schon <strong>im</strong> 18. Jahrhundert neue Chancen eröffnet worden. Hier<br />
wurde auf die Aufbrüche der Reformationszeit zurückgegriffen, und zahlreiche <strong>Frauen</strong> entfalteten<br />
selbstständige Aktivitäten in der neuen Frömmigkeitsbewegung. Man bediente sich der alten<br />
Argumente, unter anderem der Lehre vom allgemeinen Priestertum, und erinnerte sich der alten<br />
Vorbilder: Katharina Zell und Argula von Grumbach. Gleichberechtigte <strong>Frauen</strong>ämter in<br />
Kirchengemeinden entstanden <strong>im</strong> Herrnhuter Pietismus. Auch <strong>im</strong> Bereich der Mädchenbildung hat der<br />
Pietismus Bahnbrechendes geleistet.<br />
Fazit:<br />
Wir dürfen also mit Fug und Recht sagen, dass die Reformation auch die Geschichte von <strong>Frauen</strong>, in<br />
dieser Zeit war. <strong>Frauen</strong>, die Aktiver waren, als wir das vielleicht bisher wussten. Die Grundgedanken<br />
vom Priestertum aller Gläubigen und vom Schriftenprinzip führten zu der Legit<strong>im</strong>ation der <strong>Frauen</strong> sich<br />
aktiv zu beteiligen. Wenn gleich ähnlich, wie zu den Zeiten Jesu das Potential nicht wirklich ausgelebt<br />
werden konnte.<br />
Forschen wir also weiter in den Archiven und lassen uns von den Kirchenmüttern dieser Zeit inspirieren.<br />
26
- 27 –<br />
Thema Thema „Gewalt „Gewalt gegen gegen <strong>Frauen</strong> <strong>Frauen</strong> und und Mädchen“<br />
Mädchen“<br />
Bei der Bearbeitung dieses Themas muss der Leiterin bewusst sein, dass in der Gruppe <strong>Frauen</strong> sein<br />
können, die in unterschiedlicher Weise selbst von Gewalt betroffen waren/sind. Es ist wichtig, deutlich<br />
zu machen, dass dieser Abend keine Therapie darstellen kann. Es geht vielmehr um die<br />
Sensibilisierung für das Thema „Gewalt gegen <strong>Frauen</strong> und Mädchen“.<br />
Zeitaufwand: etwa zweieinhalb Stunden<br />
Raumgestaltung: Stuhlkreis um gestaltete Mitte (Blumenstrauß und großes farbiges Tuch)<br />
Gruppengröße: etwa 15 <strong>Frauen</strong><br />
Ablauf:<br />
- Begrüßung und ggf. Vorstellungsrunde<br />
- Einstieg:<br />
Vor Beginn des Workshops legt die Leiterin etwa 30-40 verschiedene Gegenstände <strong>im</strong> Raum<br />
aus (Schnuller, Seife, Feder, Blumen, Steine, Messer, Kochlöffel, Barbiepuppe, Bibel,<br />
Bierflasche...der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt).<br />
Die Teilnehmerinnen werden gebeten sich einen Gegenstand auszusuchen mit der<br />
Aufgabenstellung „Das hat für mich mit Gewalt zu tun? - Das erinnert mich an Gewalt“.<br />
Kurzes Gespräch über die ausgewählten Gegenstände und die Assoziationen dazu. Die<br />
Gegenstände sollen <strong>im</strong> Anschluss in die Mitte gelegt werden<br />
Dauer: ca. 30 Minuten<br />
- „Brainstorming“ zur Frage „Was ist Gewalt gegen <strong>Frauen</strong> und wo beginnt sie?“ Auf farbige<br />
Zettel werden die Äußerungen notiert, die dann auf eine Flipchart gehängt werden.<br />
Dauer: ca. 20 Minuten<br />
- Info-Block:<br />
Grundlegende Informationen zum Thema Gewalt gegen <strong>Frauen</strong> und Mädchen (siehe Anhang)<br />
Dauer: ca. 30 Minuten<br />
- Plenumsgespräch:<br />
Möglichkeit für Rückfragen, eigene Erfahrungen, Kommentare<br />
Dauer: ca. 20 Minuten<br />
- Kleingruppenarbeit (3 – 4 <strong>Frauen</strong>) zur Fragestellung: „Was kann jede Einzelne von uns tun,<br />
um Betroffene zu unterstützen? Gibt es für uns Möglichkeiten Gewalt an <strong>Frauen</strong> und Mädchen<br />
zu verhindern?“ Sammlung der Ergebnisse auf farbigem Papier gegebenenfalls mit<br />
Ergänzungen der Teilnehmerinnen. Die Papiere werden in die Mitte gelegt.<br />
Zeitaufwand: 30 min.<br />
- Abschlussrunde: Wieder mit Gegenständen (neue oder alte) zur Frage „Was verbinden Sie<br />
auf dem Hintergrund des Abends jetzt mit diesen Gegenstand und welchen Wunsch haben Sie<br />
für <strong>Frauen</strong> in Gewaltsituationen?“<br />
Dauer: ca. 15 Minuten<br />
27
- 28 –<br />
- Brauchbitten von Carola Moosbach (siehe Anhang) werden vorgelesen und <strong>im</strong> Anschluss als<br />
Kopie an die Teilnehmerinnen verteilt.<br />
Das Auslegen oder Verteilen von Infomaterial zum Thema und einer Adressenliste mit regionalen<br />
Beratungsangeboten wird empfohlen!<br />
Informationen zum Thema Gewalt gegen <strong>Frauen</strong> und Mädchen<br />
Einleitung<br />
Gewalt gegen <strong>Frauen</strong> und Mädchen hat viele Gesichter. Sie äußert sich auf ganz unterschiedliche<br />
Weise.<br />
Schlagen und prügeln fallen genauso unter diesen Begriff wie sexuelle Nötigung und Vergewaltigung,<br />
sexuelle Gewalt gegenüber Mädchen in der Familie oder durch Freunde ebenso wie die sexuelle<br />
Belästigung am Arbeitsplatz, die sich häufig in Anspielungen, Witzen und Betatschen äußert.<br />
Zwangsheirat, Zwangsprostitution, Sextourismus, rituelle Genitalverstümmelung.<br />
Außerdem zählen einseitige und verdinglichende Darstellung von <strong>Frauen</strong> in der Werbung wie auch<br />
pornographisches Material dazu.<br />
Weitere Formen der Gewaltanwendung gegen <strong>Frauen</strong> sind: Das Nichterwähnen von <strong>Frauen</strong> in der<br />
Sprache, abwertendes Sprachverhalten gegenüber <strong>Frauen</strong>, das Abwerten von Redebeiträgen von<br />
<strong>Frauen</strong>, die Ungleichbewertung von <strong>Frauen</strong> auf dem Arbeitsmarkt usw.<br />
Eine repräsentative Studie des Bundesministeriums für Familien, Senioren, <strong>Frauen</strong> und Jugend bringt<br />
das Ausmaß der Gewalt gegen <strong>Frauen</strong> in Deutschland zum Ausdruck (veröffentlicht Ende September<br />
2004, Befragung von Februar bis Oktober 2003):<br />
10.264 <strong>Frauen</strong> befragt, aller Schichten, <strong>im</strong> Alter von 16 bis 85 Jahre. Gefragt wurde nur nach folgenden<br />
Gewaltformen: körperliche Gewalt, sexuelle Gewalt, sexuelle Belästigung und psychische Gewalt.<br />
Ergebnis:<br />
37% der Befragten gaben an, schon körperliche Gewalt erlebt zu haben; 13 % gaben an, seit ihrem 16.<br />
Lebensjahr Formen von sexueller Gewalt erlebt zu haben; 58 % der Befragten hat unterschiedliche<br />
Formen der sexuellen Belästigung erlebt und 42 % haben psychische Gewalterfahrungen wie<br />
Demütigung, Ausgrenzung, Drohung und Psychoterror.<br />
Jede vierte Frau ist <strong>im</strong> Laufe ihres Lebens schon mindestens einmal von ihrem Partner angegriffen<br />
oder misshandelt worden. Zwei von fünf <strong>Frauen</strong> haben seit ihrem 16. Lebensjahr schon körperliche<br />
oder sexuelle Gewalt erleben müssen.<br />
Dabei nehmen viele <strong>Frauen</strong> ihre Gewalterfahrungen als solche gar nicht wahr. Besonders dann nicht,<br />
wenn es sich um strukturelle Gewalt handelt, also um Benachteiligungen jeder Art (berufliches<br />
Fortkommen, geringere Entlohnung bei gleichwertiger Arbeit, Vereinbarkeit Familie und Beruf,<br />
Rollenerwartungen...)..<br />
Grundlegendes zum Thema Gewalt gegen <strong>Frauen</strong> und Mädchen<br />
Man unterscheidet unterschiedliche Arten der Gewalt:<br />
28
- 29 –<br />
• Personale Gewalt – ist in zerstörerischrer oder verletzender Weise gegen körperliche, seelische<br />
oder soziale Integrität von Menschen gerichtet. - weiter Unterscheidung: Häusliche Gewalt –<br />
sexualisierte Gewalt<br />
• Psychische Gewalt – in indirekter Weise, symbolisch, sprachlich, gestisch, durch abwerten,<br />
Beleidigen, Belästigen, Herabsetzen, Demütigen oder Drohen<br />
• Strukturelle Gewalt –Bei struktureller Gewalt gibt es keine personalen Täter, sondern diese Art der<br />
Gewalt wird von Institutionen und Systeme ausgeübt. Es muss die Frage nach sozialer und<br />
politischer Verantwortung gestellt werden, nach sozialer Gerechtigkeit<br />
Die verschiedenen Formen der Gewaltausübung erfolgen unter Ausnutzung von Machtunterschieden<br />
gegen den Willen der Person. Männer demonstrieren durch die Ausnutzung von Gewalt, dass sie<br />
Mädchen und <strong>Frauen</strong> in unserer Gesellschaft überlegen sind. Die Gewalt geschieht individuell, ist aber<br />
Folge eines gesamtgesellschaftlichen Machtgefälles zwischen <strong>Frauen</strong> bzw. Mädchen und Männern.<br />
Einige weitere Fakten:<br />
- Gewalt gegen <strong>Frauen</strong> und Mädchen geschieht in allen Lebensbereichen: Arbeit, Schule,<br />
Kirche, therapeutische Einrichtungen<br />
- <strong>Frauen</strong> und Mädchen werden Opfer von Gewalt überwiegend <strong>im</strong> sozialen Nahbereich, oft in<br />
den eigenen vier Wänden<br />
- Täter sind Männer aus allen Gesellschaftsschichten<br />
- Mit körperlicher, psychischer, sexualisierter Gewalt oder sexuellem Missbrauch demonstrieren<br />
Männer in unserer Gesellschaft ihre Macht, ihren Herrschaftsanspruch und ihre<br />
körperliche Überlegenheit über das „schwache Geschlecht“.<br />
Das Selbstverständnis <strong>im</strong> Handeln der Täter bzw. ihr fehlendes Unrechtsbewusstsein wird deutlich<br />
u.a. in folgender Aussagen:<br />
„<strong>Frauen</strong> wollen aufreizen...seien wir doch ehrlich, wenn Sie in ein Gartenbad gehen und Sie sehen so<br />
eine junge, gut gewachsene Frau..., da muss einem ja irgendwas passieren, wenn man ein halbwegs<br />
normaler Mann ist.“ oder: „Sie soll sich anständig benehmen, dann bin ich der sanfteste Ehemann.“<br />
Die Täter betrachten ihr Verhalten als normal, sehen ihre Tat als Liebesbeweis, meinen, dass es ihr<br />
Recht als Mann sei, ihre Bedürfnisse zu befriedigen.<br />
Was haben Täter davon?<br />
Ein Täter hat mit den sexualisierten Handlungen während des Übergriffs in der Regel eine gewisse<br />
sexuelle Befriedigung, die eng verknüpft ist mit dem Gefühl von Macht und Stärke.<br />
Bemerkung: Auch <strong>Frauen</strong> üben Gewalt in allen oben genannten Formen aus, und auch sie tun dies ,<br />
weil sie dadurch ein Gefühl der Macht und Stärke gewinnen. Auch Männer und Jungen werden Opfer<br />
von Gewalt, aber prozentual verschwindend gering.<br />
Zahlen zum Thema Missbrauch (2000):<br />
- ca. 70% der Opfer von Kindesmissbrauch sind weiblichen Geschlechts<br />
- Sexueller Missbrauch wird zu ca. 95% von Männern verübt<br />
- be<strong>im</strong> Missbrauch von Jungen sind ca. 80% der Täter Männer.<br />
Wieso sind es überwiegend Männer, die sexualisierte Gewalt ausüben?<br />
29
- 30 –<br />
Es ist festgestellt worden, dass Männer in Angstsituationen ihre Angst am besten unterdrücken können,<br />
wenn sie Gewalt ausüben und ihre Stärke spüren. Angstauslösende Verhältnisse sind z.B.<br />
Arbeitslosigkeit oder Orientierungslosigkeit.<br />
„Aus meiner Sicht gibt es unterschiedliche geschlechtsspezifische Verarbeitungsformen von schweren<br />
inneren Konflikten: <strong>Frauen</strong> verarbeiten ihre psychischen Konflikte eher, indem sie sich zurückziehen<br />
und ihre Agressionen nach innen gegen sich selber richten. Sie reagieren u.a. mit Depressionen,<br />
Eßstörungen oder auch mit selbstverletzendem Verhalten. Die gesellschaftlichen Machtverhältnisse<br />
erlauben es offensichtlich, dass Männer ihre Konflikte auf Kosten der <strong>Frauen</strong> austragen.“<br />
(Sigrid Buber, Leiterin der Beratungsstelle „Gewalt in Familien“, gehört zum Jugendhilfe Verbund der<br />
Diakonie in Düsseldorf, Vortrag „Sexualisierte Gewalt gegen <strong>Frauen</strong> und Kinder“, Landessynode 2000)<br />
Warum lassen <strong>Frauen</strong> das mit sich machen?<br />
<strong>Frauen</strong> wird noch <strong>im</strong>mer vermittelt, dass sie vom Mann abhängig sind, dass sie sich für einen Mann zu<br />
entscheiden haben, der sie schützt und versorgt, dass dieser Mann der Mittelpunkt ihres Lebens ist. Sie<br />
sind finanziell von ihm abhängig, sie sind emotional von ihm abhängig (Liebe), sie fühlen sich für den<br />
Zusammenhang der Familie verantwortlich, nehmen auf ihre Kinder Rücksicht. Die Gesellschaft und die<br />
Kirche (Familienethik) vermitteln ihnen, dass sie etwas Verkehrtes tun, wenn sie sich von ihrem Mann<br />
abwenden. Sie haben Angst vor den Reaktionen von der Familie und Nachbarschaft.<br />
Auswirkungen für die Opfer von sexualisierter Gewalt:<br />
Schwaches Selbstbewusstsein, negatives Selbstbild, sie geben sich sehr häufig die Mitschuld an der<br />
Tat, empfinden große Scham über das, was sie mit sich haben machen lassen. Dabei haben sie oft<br />
nicht <strong>im</strong> Blick, dass der Täter eine Machtposition hatte und sie in Abhängigkeit von ihm standen.<br />
Gesundheitliche Folgen: Ängste, psychosomatische Beschwerden, sexuelle und Beziehungsstörungen,<br />
Ekelgefühle bei körperlicher Berührung, Veränderungen <strong>im</strong> Verhältnis zum eigenen Körper,<br />
Depressionen.<br />
30
Brauchbitten<br />
Wir brauchen welche<br />
die weinen können<br />
die trauern um alle<br />
die nicht überlebt haben<br />
um alle<br />
die gebrochen wurden in ihrer Würde<br />
vergewaltigt verstümmelt und zu Tode gequält<br />
Wir brauchen welche<br />
die schreien können<br />
die das Urecht be<strong>im</strong> Namen nennen<br />
laut und deutlich<br />
für alle<br />
die zum Schweigen gebracht wurden<br />
die sprachlos geworden sind in ihrem Schmerz<br />
- 31 –<br />
Wir brauchen welche<br />
die kämpfen können<br />
die nicht davonlaufen be<strong>im</strong> ersten Geruch des Schreckens<br />
wir brauchen welche<br />
die hoffen können<br />
die Dein Mund sind Dein Ohr und Dein Schrei<br />
denen schick Deine Kraft Gott<br />
die lass ansteckend sein<br />
Carola Moosbach<br />
(aus: Carola Moosbach, Lobet die Eine. Schweige – und Schreigebete, Matthias-Grünewald-Verlag,<br />
Mainz 2000)<br />
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Lesung Lesung „Zwei „Zwei alte alte <strong>Frauen</strong>“<br />
<strong>Frauen</strong>“<br />
Diese Lesung wurde uns zur Verfügung gestellt von der <strong>Evang</strong>elischen <strong>Frauen</strong>hilfe <strong>im</strong> Rheinland, sie<br />
stammt aus der Materialsammlung Fundus 2/2002<br />
Dauer ca. 90 min<br />
Einführung:<br />
Die von Velma Wallis erzählte Legende eignet sich wunderbar zum Vorlesen und Erzählen in<br />
<strong>Frauen</strong>gruppen. Die bewegende und gleichzeitig mutmachende Geschichte von den beiden alten<br />
<strong>Frauen</strong> regt zum Nachdenken und zum Gespräch über das eigene Altern und über den Umgang mit<br />
alten Menschen in unserer Gesellschaft an. Die Geschichte wird durch ausgewählte Texte des Buches<br />
und zusammenfassende Nacherzählungen der Gruppen vorgetragen. Wir empfehlen, dass die Texte<br />
von zwei <strong>Frauen</strong> gelesen werden: eine Liest die Buchtexte, die andere die Nacherzählung. Es sollte<br />
ausreichend Zeit für das anschließende Rundgespräch eingeplant werden.<br />
Da es mittlerweile verschieden Ausgaben des Buches gibt, sind die Textangaben jeweils zu überprüfen.<br />
Die angegebenen Textangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Velma Wallis - Zwei alte <strong>Frauen</strong> -<br />
Heyne-Verlag, München.<br />
Lesung<br />
1. Vorleserin: 1. Kapitel (Seiten 17-29)<br />
2. Vorleserin:<br />
Trotz ihrer schrecklichen Situation und der fruchtbaren Erfahrung, einfach zurückgelassen zu werden,<br />
überwinden die beiden <strong>Frauen</strong> an diesem Tag den Schock und werden aktiv. „Lass uns handelnd<br />
sterben“, haben sie sich gesagt und so bemühen sie sich zunächst um die überlebensnotwendigen<br />
Dinge: sie gehen Holz sammeln um das Feuer in Gang zu halten und sie stellen Tierfallen auf. Zu ihrer<br />
eigenen Überraschung gelingt es ihnen sogar ein Kaninchen und ein Eichhörnchen zu fangen, so dass<br />
sie zu essen haben.<br />
Aber ihre Ängste vor dem, was mit ihnen geschieht und ihre tiefen Zweifel, ob es ihnen gelingen wird,<br />
völlig auf sich gestellt, den bitteren Winter Alaskas zu überleben, sind fast übermächtig.<br />
Am nächsten Morgen ist Chìdzigyaak jedoch schon in der Lage auch ihren Anteil an der Situation zu<br />
erkennen:<br />
„Wir sind hilflos wie Kinder“ … so spricht sie zu ihrer Gefährtin Sa`. „Wir haben in unserem langen<br />
Leben eine Menge gelernt. Und dann sind wir alt geworden und haben geglaubt, wir hätten unseren Teil<br />
<strong>im</strong> Leben geleistet. Also hörten wir auf, einfach so. Wir haben nicht mehr weiter gearbeitet wie früher,<br />
obwohl unsere Körper noch <strong>im</strong>mer gesund genug sind, um ein wenig mehr zu leisten, als wir ihnen<br />
zugetraut haben. … Wir beklagen uns, sind nie zufrieden. Wir reden davon, dass es nichts zu essen<br />
gibt, und davon, wie gut es früher war, obwohl es in Wirklichkeit nicht besser war. … Und jetzt,<br />
nachdem wir so viele Jahre damit verbracht haben, die jüngeren Leute davon zu überzeugen, dass wir<br />
hilflos sind, glauben sie, dass wir in dieser Welt nicht mehr von Nutzen sind.“ (S.40)<br />
Die beiden <strong>Frauen</strong> bekräftigen noch einmal, was sie schon am Vortag gesagt haben: Sie wollen nicht<br />
sterben, sondern leben und dafür wollen sie kämpfen.<br />
Da sie wissen, dass sie an diesem Lagerplatz keine Chance haben zu überwintern - denn es gibt nicht<br />
genug Nahrung dort, beschließen sie ein ehemaliges Winterquartier des Stammes aufzusuchen.<br />
Sie erinnern sich ihrer alten Fähigkeiten und stellen selbst Schneeschuhe und Schlitten auf Tierhäuten<br />
her, denn es ist niemand mehr da, der ihnen diese schwere Arbeit abn<strong>im</strong>mt. Dann packen sie ihre Zelte<br />
und Habseligkeiten zusammen und ziehen los. Sie kommen nur langsam weiter. Die bittere Kälte und<br />
die schwere Last, die sie ziehen müssen, machen ihnen zu schaffen. Schmerzhaft spüren sie Tag für<br />
Tag ihren alten Körper, aber sie geben ihr Ziel nicht auf. Ihr Überlebenswille trägt sie <strong>im</strong>mer weiter. Sie<br />
wundern sich über ihre Kräfte und schmunzelnd erinnern sie sich daran, wie sie vor nicht allzu langer<br />
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Zeit noch Stöcke als Gehilfen benötigt haben. Und nun ziehen sie schwere Schlitten hinter sich her,<br />
jagen am Tage nach Tieren und bauen jeden Abend ihr Zelt selber auf.<br />
Aber es gibt auch Moment auf ihrer Reise, wo sie glauben es nicht zu schaffen. Wenn ihre alten<br />
Gelenke nach einem schweren Tag unerträglich schmerzen und sie sich kaum noch bewegen können,<br />
sind beide so verzweifelt, dass sie am liebsten liegen bleiben und sich dem Sterben überlassen<br />
möchten. Aber dann sprechen sich die beiden <strong>Frauen</strong> gegenseitig Mut zu. So erreichen sie nach vielen<br />
Tagen tatsächlich den Platz, an dem sie schon einmal mit ihrem Stamm überwintert haben.<br />
Hier schlagen sie endgültig ihre Zelte auf und beginnen, für ihr Überleben zu sorgen: Sie isolieren ihre<br />
Behausung gegen die Kälte, gehen jeden Tag auf die Jagd, um möglichst viele Nahrungsvorräte<br />
anzulegen und abends sitzen sie vor ihrem Zelt und verarbeiten die Tierfelle zu warmer Kleidung.<br />
An solchen Abenden beginnen die beiden <strong>Frauen</strong> sich in ihrer Einsamkeit gegenseitig von ihrem Leben<br />
zu erzählen:<br />
1. Vorleserin: Kapitel 4 (Seite 67-69)<br />
Von „Chìdzigyaak begann zu sprechen: „Einstmals, als ich noch ein kleines Mädchen war,“ ….bis<br />
….“Denn beide hatten einander neu kennengelernt, und beide hatten schon vorher harte Zeiten<br />
durchgestanden.“<br />
2. Vorleserin:<br />
Jeden Abend sitzen sie jetzt so beieinander und unterhalten sich. Damit gelingt es ihnen ihre<br />
Einsamkeit und ihre Ängste zu vertreiben und sie entwickeln eine Achtung voreinander in dem Maße,<br />
wie eine jede von der vergangenen Not der anderen erfährt. So vergehen die Tage und Wochen. Viele<br />
vergessene Fähigkeiten, die sie in ihrer Jugend gelernt haben und die sie zum Überleben in der Wildnis<br />
nötig sind, stellen sich bei ihnen wieder ein und so kommen sie <strong>im</strong>mer besser allein zurecht.<br />
Und eines Tages, sie können es selbst kaum fassen, ist der Winter vorbei und das Frühjahr hält Einzug.<br />
Jetzt wird das Leben für die beiden <strong>Frauen</strong> leichter. Den Sommer verbringen sie damit, zu jagen, zu<br />
fischen und Holz zu sammeln und mit der Zeit gelingt es ihnen, riesige Vorräte anzulegen. Sie können<br />
sorgenfrei dem Winter entgegensehen, der bald schon wieder kommt. Die Tage werden rasch kürzer,<br />
die Kälte zieht zunehmend in das Zelt und in die alten Knoch. Die beiden <strong>Frauen</strong> suchen nach<br />
Beschäftigung. Die nutzen die Zeit und nähen viele Kleidungsstücke. Und dennoch: sie spüren, wie<br />
einsam sie eigentlich sind.<br />
1. Vorleserin: Kapitel 6 (Seite 93-99)<br />
Von „Der Häuptling stand und musterte“ … bis … „Und vielleicht war es das, worauf er am meisten<br />
hoffte.“<br />
2. Vorleserin:<br />
Die vier Männer ziehen los und suchen nach den Spuren der <strong>Frauen</strong>. Die jungen Männer kommen<br />
jedoch sehr bald zu dem Schluss, dass es ein sinnloses Unternehmen ist. Sie sind überzeugt, davon,<br />
dass die beiden, die sie so hilflos in Erinnerung haben, längst tot sind. Die drängen den Anführer Daaqq<br />
wieder umzukehren. Aber der ist nicht bereit, so schnell aufzugeben.<br />
Er, der selber nicht mehr jung ist, ahnt vielleicht etwas von dem starken Überlebenswillen und den<br />
Fähigkeiten der <strong>Frauen</strong>.<br />
Und schließlich findet es tatsächlich eine Spur: er entdeckt Bäume, an denen die <strong>Frauen</strong> Rinde für ihr<br />
Lagerfeuer abgelöst haben. Es n<strong>im</strong>mt den Geruch des Feuers der <strong>Frauen</strong> wahr. So dauert es nicht<br />
lange, bis die Männer den Lagerplatz von Chìdzigyaak und Sa`entdecken.<br />
1. Vorleserin: Kapitel 7 (Seite 107-113)<br />
Von „Chìdzigyaak und Sa` hatten sich zur Ruhe begeben“ … bis … Und auf seltsame Weise begriff er,<br />
dass er sich selbst nie mehr für alt und schwach halten würde. Niemals!“<br />
33
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2. Vorleserin:<br />
Die beiden <strong>Frauen</strong> überlegen gemeinsam wie sie sich verhalten sollen und sie kommen zu dem<br />
Entschluss, wieder Kontakt mit ihrem Volk aufzunehmen. Sie spüren durch die Begegnung mit den<br />
Männern, dass trotz allem, was ihnen angetan wurde, die Menschen fehlen. Vor allen Chìdzigyaak will<br />
ihrem Enkel zu liebe dem hungernden Volk helfen. Sie tun dies jedoch nicht ohne Bedingungen_<br />
„Wir werden mit dem Volk teilen“, so teilen sie den Männern mit, „doch wehe es wird jemand gierig und<br />
entwendet unsere Nahrung! Denn wir werden bis zu unserem Tod für das kämpfen, was unser ist.“<br />
Mit dieser Nachricht kehren die Männer zu ihrem Volk zurück.<br />
1. Vorleserin: Kapitel 8 (Seiten 119-125)<br />
Von „Bevor die Männer am nächsten Tag aufbrachen, packten die <strong>Frauen</strong> ihnen große Bündel mit<br />
getrocknetem Fisch ein,“ ... bis … „Und die zwei Alten, die ihnen als die Schwächsten und Hilflosesten<br />
erschienen waren, hatten sich als stark erwiesen.“<br />
2. Vorleserin:<br />
Eines Tages gelingt es auch Chìdzigyaak und ihrer Tochter wieder aufeinander zuzugehen und sich zu<br />
versöhnen.<br />
1. Vorleserin: Kapitel 8 (Seite 129, letzter Abschnitt)<br />
Von „Es folgten noch manch bittere Zeiten der Not“ … bis … „bis jede von ihnen als wahrhaftig<br />
glückliche alte Frau starb.“<br />
Weitere Informationen<br />
Die evangelischen <strong>Frauen</strong> in Hessen und Nassau haben zu diesem Buch auch eine Materialsammlung<br />
erstellt.<br />
„Zwei alte <strong>Frauen</strong>“ - <strong>Evang</strong>elische <strong>Frauen</strong> in Hessen und Nassau - Bestellung unter:<br />
www.evangelischefrauen.de<br />
Für weitere Buchlesungen und Literaturgesprächskreise empfehlen wir die Handreichung „Theolit -<br />
erlesene Lebenswelten“ vom Bistum L<strong>im</strong>burg. Bestellung: verlag@bistuml<strong>im</strong>burg.de<br />
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