Materialien Leselust- Frauen a. - Evang. Frauen im Kirchenkreis ...
Materialien Leselust- Frauen a. - Evang. Frauen im Kirchenkreis ...
Materialien Leselust- Frauen a. - Evang. Frauen im Kirchenkreis ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
- 24 –<br />
Caritas Pirckhe<strong>im</strong>er<br />
Nach all den Anhängerinnen der Reformation möchte ich Ihnen noch ein vorstellen, die eben altgläugig<br />
war und blieb. Und die das Klosterleben las Erfüllung fand. – Caritas Pirckhe<strong>im</strong>er, die Schwester des<br />
Humanisten und Lutherfreunds Wolfram Pirckhe<strong>im</strong>er.<br />
Auch sie ist eine Frau der Reformation; auf die normalerweise nicht genannt wird, wenn evangelische<br />
Theologen über <strong>Frauen</strong> der Reformationszeit schreiben- Caritas Pirckhe<strong>im</strong>er aus Nürnberg. Wie<br />
Katharina Zell stammte sie aus dem Bürgertum einer mächtigen Reichsstadt. 1467 geboren, wurde sie<br />
wie Katharina von Bora <strong>im</strong> Kloster erzogen, wurde später Nonne und von ihrem Konvent schließlich <strong>im</strong><br />
Jahre 1503 zur Äbtissin gewählt. Doch anders als von Bora wurde ihr das Klosterleben nie zum<br />
Problem. Auch sie kannte reformatorisches Gedankengut, aber sie blieb dem Weg, für den sie sich als<br />
16-jähriges Mädchen entschieden hatte, zeitlebens treu.<br />
Ein Bild, das von ihr existiert, zeigt sie als Schwester in Ordenstracht in der typischen Gebetshaltung mit<br />
gefalteten Händen. Ihr Wunsch, hinter den Mauern des Nürnberger Klarissenklosters ein beschauliches<br />
und abgeschiedenes, vor allem dem Gebet zugewandtes Leben zu führen, wurde durch die<br />
Reformation durchkreuzt. Seit Anfang 1525 wurden die Schwestern von Sankt Klara mehr und mehr on<br />
der reformatorisch gesinnten Mehrheit der Reichsstadt bedrängt und bedroht. Es kam zu gewaltsamen<br />
Übergriffen, fast wie auf Lukas Cranachs Bild. Nürnberger Familien holten mit Gewalt ihre erwachsenen<br />
Töchter aus dem Kloster, gegen deren Willen, und den Schwestern wurde die Betreuung durch<br />
Franziskanerpriester verwehrt. Sie mussten gegen ihren Willen reformatorische Predigten anhören.<br />
Pirckhe<strong>im</strong>er verteidigte sich und ihren Konvent selbstbewusst mit zahlreichen Briefen und Eingaben und<br />
in öffentlichen Disputen. Bibelkundig und theologisch gebildet widersprach sie den gegen das<br />
Klosterleben gerichteten reformatorischen Einwänden. Dass sie als Frau das Wort ergriff, das konnte<br />
man ihr, der Äbtissin, nicht verwehren. Wie Luther berief sie sich auf ihr Gewissen und verwahrte sich<br />
gegen die Übergriffe, indem sie auf die tolerante Haltung der Türken verwies, die doch Andersgläubige<br />
unter ihrer Religion duldeten.<br />
Es gelang Pirckhe<strong>im</strong>er schließlich, Philipp Melanchthon dazu zu gewinnen, <strong>im</strong> November 1525 das<br />
Kloster zu besuchen und sich die Lage schildern zu lassen. Darauf erwirkte Melanchthon be<strong>im</strong> Rat der<br />
Stadt den Verzicht auf Gewaltmaßnahmen, und der Klarissenkonvent wurde fortan in der evangelischen<br />
Reichsstadt geduldet. Allerdings mussten die Schwestern auf geistliche Betreuung und damit auch auf<br />
alle Sakramente verzichten, sie durften keine Novizinnen mehr aufnehmen. Der 250 Jahre alte Konvent<br />
war also zum Aussterben verurteilt. Caritas Pirckhe<strong>im</strong>er schloss <strong>im</strong> Jahre 1532 die Augen, die letzte<br />
Nonne verstarb 1596. Danach wurde das Nürnberger Klarakloster aufgelöst.<br />
Das Schicksal des Nürnberger Klaraklosters und seiner Äbtissin erinnert an die dunklen Kapitel der<br />
Reformationsgeschichte. Es ist ein Stück Schuldgeschichte des Christentums, dass auch von<br />
Anhängern der neuen Lehre <strong>im</strong> Namen des <strong>Evang</strong>eliums Gewissenszwang und Gewalt ausgeübt<br />
wurden. Als Kontrastmodell zu Katharina von Bora und ihrer Klosterflucht zeigt dieses Beispiel, dass es<br />
auch <strong>Frauen</strong> gab, die an der frei gewählten klösterlichen Lebensform festhalten wollten, und dass nicht<br />
überall hinter Klostermauern Heuchelei, Verdienstdenken und Werkgerechtigkeit herrschten.<br />
Die Bedeutung der Reformation für die Frau - was hat sich verändert?<br />
Die Reformation hat vielschichtige Konsequenzen für die <strong>Frauen</strong>, für ihr Leben in der Familie und in der<br />
Gesellschaft und für die Praktizierung weiblicher Spiritualität.<br />
Auf dem Hintergrund einer biblisch begründeten Schöpfungstheologie bezog Martin Luther energisch<br />
Stellung gegen die damals verbreitete Verspottung und Verachtung des weiblichen Geschlechts. Er<br />
lehrte die Gleichwertigkeit von Mann und Frau als Geschöpfe des einen Gottes. Verbunden mit diesen<br />
schöpfungstheologischen Gedanken war auch eine gegenüber dem Mittelalter positive Neubewertung<br />
der Sexualität als Teil des menschlichen Lebens.<br />
Der reformatorische Zentralgedanke des “allgemeinen Priestertums“ trug entscheidend dazu bei, das<br />
Selbstbewusstsein von <strong>Frauen</strong> zu stärken. Diese Lehre besagte, dass alle Menschen einen gleichen<br />
und unmittelbaren Zugang zu Gott hätten, also keine Priester als Gnadenmittler bedürften. Für <strong>Frauen</strong><br />
24