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Materialien Leselust- Frauen a. - Evang. Frauen im Kirchenkreis ...

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Caritas Pirckhe<strong>im</strong>er<br />

Nach all den Anhängerinnen der Reformation möchte ich Ihnen noch ein vorstellen, die eben altgläugig<br />

war und blieb. Und die das Klosterleben las Erfüllung fand. – Caritas Pirckhe<strong>im</strong>er, die Schwester des<br />

Humanisten und Lutherfreunds Wolfram Pirckhe<strong>im</strong>er.<br />

Auch sie ist eine Frau der Reformation; auf die normalerweise nicht genannt wird, wenn evangelische<br />

Theologen über <strong>Frauen</strong> der Reformationszeit schreiben- Caritas Pirckhe<strong>im</strong>er aus Nürnberg. Wie<br />

Katharina Zell stammte sie aus dem Bürgertum einer mächtigen Reichsstadt. 1467 geboren, wurde sie<br />

wie Katharina von Bora <strong>im</strong> Kloster erzogen, wurde später Nonne und von ihrem Konvent schließlich <strong>im</strong><br />

Jahre 1503 zur Äbtissin gewählt. Doch anders als von Bora wurde ihr das Klosterleben nie zum<br />

Problem. Auch sie kannte reformatorisches Gedankengut, aber sie blieb dem Weg, für den sie sich als<br />

16-jähriges Mädchen entschieden hatte, zeitlebens treu.<br />

Ein Bild, das von ihr existiert, zeigt sie als Schwester in Ordenstracht in der typischen Gebetshaltung mit<br />

gefalteten Händen. Ihr Wunsch, hinter den Mauern des Nürnberger Klarissenklosters ein beschauliches<br />

und abgeschiedenes, vor allem dem Gebet zugewandtes Leben zu führen, wurde durch die<br />

Reformation durchkreuzt. Seit Anfang 1525 wurden die Schwestern von Sankt Klara mehr und mehr on<br />

der reformatorisch gesinnten Mehrheit der Reichsstadt bedrängt und bedroht. Es kam zu gewaltsamen<br />

Übergriffen, fast wie auf Lukas Cranachs Bild. Nürnberger Familien holten mit Gewalt ihre erwachsenen<br />

Töchter aus dem Kloster, gegen deren Willen, und den Schwestern wurde die Betreuung durch<br />

Franziskanerpriester verwehrt. Sie mussten gegen ihren Willen reformatorische Predigten anhören.<br />

Pirckhe<strong>im</strong>er verteidigte sich und ihren Konvent selbstbewusst mit zahlreichen Briefen und Eingaben und<br />

in öffentlichen Disputen. Bibelkundig und theologisch gebildet widersprach sie den gegen das<br />

Klosterleben gerichteten reformatorischen Einwänden. Dass sie als Frau das Wort ergriff, das konnte<br />

man ihr, der Äbtissin, nicht verwehren. Wie Luther berief sie sich auf ihr Gewissen und verwahrte sich<br />

gegen die Übergriffe, indem sie auf die tolerante Haltung der Türken verwies, die doch Andersgläubige<br />

unter ihrer Religion duldeten.<br />

Es gelang Pirckhe<strong>im</strong>er schließlich, Philipp Melanchthon dazu zu gewinnen, <strong>im</strong> November 1525 das<br />

Kloster zu besuchen und sich die Lage schildern zu lassen. Darauf erwirkte Melanchthon be<strong>im</strong> Rat der<br />

Stadt den Verzicht auf Gewaltmaßnahmen, und der Klarissenkonvent wurde fortan in der evangelischen<br />

Reichsstadt geduldet. Allerdings mussten die Schwestern auf geistliche Betreuung und damit auch auf<br />

alle Sakramente verzichten, sie durften keine Novizinnen mehr aufnehmen. Der 250 Jahre alte Konvent<br />

war also zum Aussterben verurteilt. Caritas Pirckhe<strong>im</strong>er schloss <strong>im</strong> Jahre 1532 die Augen, die letzte<br />

Nonne verstarb 1596. Danach wurde das Nürnberger Klarakloster aufgelöst.<br />

Das Schicksal des Nürnberger Klaraklosters und seiner Äbtissin erinnert an die dunklen Kapitel der<br />

Reformationsgeschichte. Es ist ein Stück Schuldgeschichte des Christentums, dass auch von<br />

Anhängern der neuen Lehre <strong>im</strong> Namen des <strong>Evang</strong>eliums Gewissenszwang und Gewalt ausgeübt<br />

wurden. Als Kontrastmodell zu Katharina von Bora und ihrer Klosterflucht zeigt dieses Beispiel, dass es<br />

auch <strong>Frauen</strong> gab, die an der frei gewählten klösterlichen Lebensform festhalten wollten, und dass nicht<br />

überall hinter Klostermauern Heuchelei, Verdienstdenken und Werkgerechtigkeit herrschten.<br />

Die Bedeutung der Reformation für die Frau - was hat sich verändert?<br />

Die Reformation hat vielschichtige Konsequenzen für die <strong>Frauen</strong>, für ihr Leben in der Familie und in der<br />

Gesellschaft und für die Praktizierung weiblicher Spiritualität.<br />

Auf dem Hintergrund einer biblisch begründeten Schöpfungstheologie bezog Martin Luther energisch<br />

Stellung gegen die damals verbreitete Verspottung und Verachtung des weiblichen Geschlechts. Er<br />

lehrte die Gleichwertigkeit von Mann und Frau als Geschöpfe des einen Gottes. Verbunden mit diesen<br />

schöpfungstheologischen Gedanken war auch eine gegenüber dem Mittelalter positive Neubewertung<br />

der Sexualität als Teil des menschlichen Lebens.<br />

Der reformatorische Zentralgedanke des “allgemeinen Priestertums“ trug entscheidend dazu bei, das<br />

Selbstbewusstsein von <strong>Frauen</strong> zu stärken. Diese Lehre besagte, dass alle Menschen einen gleichen<br />

und unmittelbaren Zugang zu Gott hätten, also keine Priester als Gnadenmittler bedürften. Für <strong>Frauen</strong><br />

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