Bernstein Nr: 11 - Freie Waldorfschule Eckernförde

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Schienen in Theresienstadt Ende eines Weges raus; die ganze Atmosphäre der Stadt, in der viele Kasernen zwar geräumt sind , aber in der die Gebäude in ihrer unveränderten Realität den Ungeist der damaligen Zeit und die Bedrückung der ghettoisierten Menschen atmosphärisch spüren lassen, wirkte fortwährend. Bezeichnend ist vielleicht, dass eine Schülergruppe abends im Dunkeln noch einmal neugierig ausschwärmte und recht schnell zurückkam. Ein glücklicher Umstand für uns war das Zusammentreffen einer Gruppe amerikanischer Juden mit unserer (deutschen) Klasse vor dem Ghetto-Museum. Die Nachkommen des »Tätervolkes« standen denjenigen des »Opfervolkes« gegenüber (Anführungsstriche wegen der Pauschalisierung). Geschichte wurde Erlebnis. Bald gelang es durch die Schichten der Vorurteile hindurch zur Gegenwart vorzudringen. Manche der sich entfaltenden Gespräche dauerten lange. Für beide Seiten war dieses Zusammentreffen heilsam. Kurze Texte entstanden in der abendlichen Nachbesprechung und -bearbeitung der Eindrücke, Gefühle und Gedanken des Tages, zwei davon geben wir zum Schluss wieder. 10 Erlebnisabend Do. 10. Januar 19.00 Flensburg Grundlagenseminar Fr./Sa. 11./12. Januar Eckernförde, ImPulse Gelbe Häuser mit vergitterten Kellerfenstern in denen Einsamkeit die Sehnsucht nach Liebe und Freude entfachte Leere tote Straßen in deren Staub bunte Blumen wachsen wie die Kraft zum Überleben Angst und Hass versuchten zu vernichten was Mut und Liebe schufen Unmenschlichkeit die das Leben nur stärker macht Finja Das Ausschalten des Ichs ist Lüge, Gewalt der blinde Gehorsam ohne eignen Willen Die Masse macht das Ich zum Wir und noch weniger In der zwanghaften Beengung entsteht aus Hoffnung Kreativität die das Grauen umwandelt und Gegensätze schafft. Hannah Helena Jager ist Schülerin der 11. Klasse; Dirk Wegner ist Lehrer an der FWS Eckernförde bernstein 11 | 2007
Erzählung Ein echt guter Beginn Von Nicolaus Kessener Rinnng, rrrrriiinnnnnnnng, rrrrrriiiinnnnnggggg, das unangenehme Geräusch von sich senkenden Schranken am Bahnübergang machte Angst. Das Rumpeln und Quietschen des herannahenden Zuges kam unheilvoll näher. Er würde ihn zerfetzen, wenn er es nicht schaffte, seinen Fuß aus der verflixten Weiche zu bekommen. Wie konnte hier, am Bahnübergang Schulweg überhaupt eine Weiche sein? Egal, er musste seinen Fuß unbedingt hier herausbekommen, sonst war er verloren. Rrrrriiiinnnnnngggggg, der schrille Ton des Schrankengeläuts wurde lauter, seine Anstrengungen, sich aus der gefährlichen Lage zu befreien, nahmen zu. Warum half ihm niemand? Die Menschen schienen keine Notiz von ihm zu nehmen. Noch wenige Sekunden und der Zug würde ihn erreicht haben ... Mit einer heftigen Drehung des Oberkörpers gelang es ihm, sich von den Geleisen weg zu drehen und ... er fiel aus dem Bett, während er mit seinem rechten Fuß weiter in der Bettdecke verhakt blieb. Was für ein Traum! Nur mühsam schaffte er es, an die Oberfläche seines Bewusstseins zu gelangen, während er mit seinem rechten Fuß strampelte, um ihn aus der Bettdecke zu lösen. „Na, das fängt ja gut an“, seufzte er, während er den Weg ins Badezimmer nahm, seine Brille suchte, die sich wieder einmal unerlaubt von ihrem angestammten Platz von dem mit Büchern und CDs beladenen Nachtschränkchen entfernt hatte. Ich werde am ersten Tag zu spät kommen; dachte er mit Verzweiflung. Die neue Schule wird ein Alptraum werden, wie schon einige Male zuvor. Immer, wenn sein Vater versetzt wurde, musste auch Leander die Schule wechseln. Sein Vater war Offizier bei der Bundeswehr und wurde fast alle drei Jahre innerhalb Europas versetzt. Die Familie hatte beschlossen, so oft es ging, mit dem Vater umzuziehen, damit sie beisammen bleiben konnten. Nun war Leander 14 Jahre alt, hatte bereits drei unterschiedliche Schulen besucht und nun sollte er in der Freien Waldorfschule Eckernförde unterrichtet werden. Stets war es ihm schwer gefallen, seine Mitschüler zu verlassen und sich auf eine neue Schulumgebung einzustellen. Nur die Tatsache, dass in den Waldorfschulen meistens ein sehr ähnlicher Schulrhythmus herrscht, machte ihm das Ein- und Umgewöhnen etwas leichter. Auch die Eingewöhnung in die neue Nachbarschaft fiel ihm schwer; gerade, wenn er es geschafft hatte, Freunde zu finden, musste er wieder gehen. Im Laufe der Zeit hatte er es immer mehr vermieden, Freundschaften einzugehen und war zum Außenseiter geworden. Dabei wünschte er sich sehnlichst einen echten Freund, der ihn in allen Nöten und schwierigen Situationen bedingungslos unterstützen würde. „Du bist spät dran an deinem ersten Tag“, begrüßte ihn sein Vater, der bereits in Uniform an der Haustüre stand. „Einen schönen ersten Tag in der neuen Schule, Leander!“ Er mochte es überhaupt nicht, wenn sein Vater ihn so ansprach. „Dir auch“, murmelte er zurück, schlurfte in die Küche und setzte sich zu Mutter, die müde auf ihrem Stuhl saß und nur kurz aufschaute, als er ins Zimmer kam. Sie hat wieder geweint, dachte er. Und sie zeigt es mir nicht, damit ich mir keine Sorgen mache. Eine heiße Wut stieg in ihm hoch, als er an seinen Vater dachte, der ihnen dieses Umherziehen ohne Bindung an lieb gewonnene Menschen zumutete. Ich hasse dich, schickte er seine Wut Papa hinterher und strich sanft über Mamas Rücken, als er sich setzte. bernstein 11 | 2007 11
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