LUX Spezial Windenergie
Die Sonderbeilage der Süddeutschen Zeitung zur Windenergie
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Bürgerwindpark<br />
Widerstände hierzulande immer noch zu überwinden<br />
sind.<br />
Querschüsse aus der Politik<br />
Denn obwohl in jeder Sonntagsrede der Ausbau<br />
erneuerbarer Energien gefordert wird, sieht<br />
die Realität ziemlich anders aus. Politiker fast<br />
jeder Couleur schießen quer, zentrale Eckwerte<br />
einer jeden Planung wie Einspeisevergütung<br />
oder Netzvorrang stehen immer wieder zur<br />
Diskussion. Mal erwägt Umweltminister Altmaier<br />
eine Deckelung der Windkraf, wenig<br />
später fordert Bayerns Ministerpräsident Seehofer,<br />
den Mindestabstand zwischen Windrädern<br />
und Wohnhäusern massiv zu vergrößern.<br />
Die Konsequenz wäre, so eine Berechnung der<br />
Windkraf-Initiative „Rückenwind für Bayern“,<br />
dass nur noch 0,05 Prozent der Landesfläche<br />
für die Windkraf zur Verfügung stünden.<br />
Schon jetzt verzögerten sich wegen dieser Politik-gemachten<br />
Verunsicherung bundesweit<br />
bereits mehrere Windparks, berichtet Nils Boenigk<br />
von der Agentur für Erneuerbare Energien.<br />
Die andauernde Diskussion irritiert auch<br />
die Banken. „Unser größter Wunsch an die<br />
Politik ist Kontinuität“, sagt der Windbauer<br />
Pulte. „Die Leute werden nervös“, weiß auch<br />
Verbandschefin Pilarsky-Grosch, denn was da<br />
gerade in der politischen Diskussion passiere,<br />
das sei schon „sehr fatal“. Selbst professionelle<br />
Windpark-Planer und -Betreiber leiden unter<br />
der Unberechenbarkeit von Politik und Behörden:<br />
„Zumindest bis zum ersten Spatenstich<br />
ist jedes Projekt ein Flug ins Blaue“, sagt Dirk<br />
Woldrich, Bereichsleiter Wind bei der Münchner<br />
Green City Energy. Bis zu 80.000 Euro je<br />
Windrad sind dann schon an Vorleistungen<br />
erbracht.<br />
Gerade wegen der vielen Hürden auf dem<br />
Weg zum eigenen Windpark bieten zahlreiche<br />
Unternehmen Planung, Bau und Betrieb als<br />
Dienstleistung oder verkaufen gar schlüsselfertige<br />
Windparks an Bürger oder große Investoren.<br />
„Die Menschen alleine können die<br />
Energiewende nicht stemmen“, sagt Christoph<br />
Markl-Meider vom Regensburger Windkraf-<br />
Projektierer Ostwind. So bieten zahlreiche Planungsbüros<br />
schlüsselfertige Windparks zum<br />
Kauf – und nehmen für Genehmigung, Vorfinanzierung,<br />
Bau und diverse Projektierungs-<br />
Risiken auch einen entsprechenden Aufschlag.<br />
Die Menschen müssen dennoch nicht außen<br />
vor bleiben, meint Verbandschefin Pilarsky-<br />
Grosch: „Ich kenne keinen Projektierer, der die<br />
Bürger nicht in irgendeiner Form beteiligt.“<br />
Fertigprodukt windpark<br />
Doch ist das noch ein „echter“ Bürgerwind-<br />
Park? Eine offizielle Definition fehlt. Bürger<br />
sollten Mitsprache-berechtigte Anteilseigner<br />
sein. „Doch nicht überall, wo groß Bürgerwindpark<br />
draufsteht, ist auch einer drin“, sagt<br />
Nils Boenigk von der Agentur für Erneuerbare<br />
Energien.<br />
Rothaarwind-Macher Pulte warnt gar vor<br />
„Pseudo-Bürgerwindparks“: Überregionale<br />
Projektierer böten den Landbesitzern üppige<br />
Pachtzahlungen, sie planten zu optimistisch<br />
und verkaufen am Ende den fertigen Park zu<br />
teuer. Eine Rendite sei dann nicht mehr möglich.<br />
Sein Rat: einen Windpark nicht als schlüsselfertiges<br />
Endprodukt kaufen, sondern vom<br />
Planungsbüro lediglich den Planungs- und<br />
Bauservice beziehen, so dass alle Rechte von<br />
Anfang an bei den Bürgern liegen.<br />
So macht das etwa der Biobauer Dirk Ketelsen<br />
aus den nordfriesischen Reußenkögen.<br />
Ketelsen startete 1990 mit einem Windrad<br />
direkt neben seinem Hof. Und hörte nicht<br />
mehr auf: Allein in den Reußenkögen stehen<br />
inzwischen fünf Bürgerwindparks mit 70 Anlagen.<br />
Und Ketelsen selbst ist längst als erfolgreicher<br />
Windkraf-Berater unterwegs: Mit seiner<br />
Dirkshof Group und über 20 angestellten<br />
Experten berät er bundesweit jene Bürger, die<br />
selbst einen Windpark aufziehen wollen.<br />
Doch anders als andere verkauf er nicht<br />
schlüsselfertig, sondern arbeitet gegen Stundenhonorar.<br />
Und die Anlagen werden zum<br />
Einkaufspreis weitergereicht. „Der Gewinn“,<br />
sagt Ketelsen, „verbleibt so bei den Menschen<br />
vor Ort.“ Gegenüber den Stromkonzernen<br />
und großen Projektierern, denen in den Bürgerwindparks<br />
viele neue kleine Konkurrenten<br />
erwachsen, sieht sich Ketelsen in kritischem<br />
Widerstand: „Wir sind die Gallier im Markt“,<br />
sagt er, „wir sind die Guten.“<br />
Doch wer sind die Bösen? Sicher ist: Projektierer,<br />
die einen ganzen Windpark betriebsbereit<br />
verkaufen und deshalb in Vorleistung gehen,<br />
stehen in einem unternehmerischen Risiko –<br />
und wollen dafür auch bezahlt werden. Und<br />
ob ein Park zu teuer ist oder nicht, lässt sich<br />
32 <strong>LUX</strong> <strong>Spezial</strong> 2013