Der alte Mann und der selbsternannte Kanake Muhammet Ali Bas, 24 Studiert Deutsch und Geschichte auf Lehramt und ab Oktober Sprachkunst. Er schreibt und liest viel :) 32//<strong>CHAI</strong>
Im Teehaus eines Dorfes irgendwo in der Türkei sitzen sich ein alter Mann und ein junger Kanake gegenüber. Während der Kanake seinen hellen Çay in der Tasse mit drei Würfelzuckern versüßt, trinkt der Mann aus dem kleinen, schlanktaillierten Glas seinen Tee, so wie man ihn mit Hasenblut vergleicht. Sie spielen Backgammon. Der Kopf vieler Österreicher badet richtig in Scheiße! – klagt der Kanake mit halbstarker Stimme: Wenn sie von Ausländern reden, denken alle sofort an die Türken und Muslime. Die Idioten erkennen nicht einmal bosnische Muslime oder irgendwelche Anderen. Die denken, alle Muslime sind Türken, und alle aus der Türkei stammenden sind Türken und Sunniten und und und... Zudem sind wir faule Säcke, Schmarotzer, die sich nur auf die nackte Haut legen, dem Staat in die Tasche greifen, von seiner sozialen Ader Geld raussaugen wie Mücken und Zecken. Gleichzeitig sind wir primitive, jeder Scheißarbeit nachgehende Parasiten, den „Einheimischen“ den Arbeitsplatz wegnehmende Gauner und sich von der Gesellschaft abschottende Intolerante, als würde man uns nicht in Löcher stecken wie Ratten. Die haben allesamt einen in der Birne. Wie soll man es denen Recht machen, diesen Rechten? Sie sagen, sprich Deutsch. Lan sprich du mal meinen Namen richtig aus! Ich heiße weder Tschaan, noch Ötztüak oder sonst was. Heiß mich mal willkommen verdammt, trink einen Çay mit mir, begegne mir offen und herzig du kaltes Stück Schnitzel! Ach – erinnert sich der in seine Heimat Zurückgekehrte an seine jungen Jahre: Wie schön wäre jetzt ein Schnitzel mit Kartoffelsalat der Mama Brigitte. Sie war meine Vermieterin als ich in deinem Alter meinen Koffer packte und nach Österreich ging. Sie war eine herzensnette Person, hatte niemanden mehr, alle ihre Verwandten waren schon verstorben. Sie hat uns das Haus vererbt, in dem ihr jetzt wohnt. Weißt du mein Sohn, die Fremde ist nicht Sucukessen oder Lokumlecken gewesen für uns. Mit Schweiß haben wir unseren Durst gestillt, mit Händen und Füßen Bände gesprochen und bei Gott Halt und Familie gefunden. Mama Brigitte war eine sehr gläubige Frau, so wie sie mit und über Jesus sprach, sprachen unsere Menschen nicht über Gott. Unsere Sorge war das Geld geworden, das Haus im Dorf, der Traktor, dann irgendwann ein Mercedes, natürlich das neueste Modell, die Kinder und so nur noch das Materielle. Wir machen vieles falsch und haben vieles falsch gemacht. Auch sie machen vieles falsch und haben vieles falsch gemacht. Aber zu unserer Zeit waren die Unterschiede noch gravierender. Du bist dort geboren, aufgewachsen. Du solltest denen allen mit deinem Wissen in den Arsch treten! Der alte Mann schlägt mit einem seiner schwarzen Steine einen weißen seines Jünglings. Keine Sorge Opa. Ich bin ein Kanake, selbstbewusst, stark und schlagfertig. Ich weiß meine Faust auf den Tisch zu schlagen, meine Stimme zu erheben gegen den rechten Arm Hebenden, und im Fall der Fälle mich selbst zu verteidigen mit Faust, sowie Stimme. Diesmal meißeln wir unsere Waffen aus Buchstaben der Bücher und treten die Steine auf unserem Bildungsweg mit Ehrgeiz weg. In nur zwei Generationen durchwandern wir die Bildungsschichten. Opa, du Bauer, meine Eltern Arbeiter und ich Akademiker. Und immer noch sagen sie, wir wären bildungsfremd und mittelalterlichen Strukturen ausgesetzt. Das ich nicht lache. Die haben alle ihren Kopf gegessen! Der Jüngling bringt seinen Stein ins Spielfeld und schlägt einen des Alten. Herr Akademiker, was ist los, sie verlieren gegen einen Bauer. Ach ihr Kinder von uns Esel, wenn wir euch nicht den Weg geebnet hätten, würdet ihr heute noch in eure Windeln kacken! Wie Paschas haben wir euch erzogen. Geweine, Geschreie, Gekreische... Während du heute am Flughafen eincheckst, dann auf der Sonnenterasse einen Milchkaffee trinkst und dann zur Boarding Time an den Gate gehst, haben wir früher in überfüllten Zügen mit stickiger und stinkender Luft in der Sommerhitze mit zwei Flaschen Wasser ganze drei Tage verbracht. Und immer noch jammerst du herum und willst dich beweisen. Schon längst bist du ein Österreicher, aber weißt es nicht. Beiden fehlen nur noch 3 Steine zum aufsammeln. Vorteil beim Jüngling. Er würfelt, sammelt zwei Steine, bleibt eine übrig. Der alte Mann braucht ein Pasch. Er sagt Bismillah, würfelt und gewinnt. Der selbsternannte Kanake regt sich über des Alten Glück auf, er erwidert: Glück hast du. <strong>CHAI</strong>//33