Klima im Wandel
Klima im Wandel: Wie die globale Erwärmung unser Leben verändert
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Münchner Stadtgespräche Nr. 72 09/2015<br />
21<br />
den Humusgehalt erheblich erhöhen. Das ist<br />
nicht nur gut für‘s <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>, sondern auch für<br />
den Ertrag. In Bayern bindet ein Hektar Bio-<br />
Acker pro Jahr durchschnittlich 400 Kilogramm<br />
CO 2<br />
dauerhaft <strong>im</strong> Boden. Ökologische<br />
Landwirtschaft ist praktizierter <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>schutz –<br />
auch weil <strong>im</strong> Ökolandbau ohne Pestizide und<br />
synthetische Stickstoffdünger gearbeitet wird<br />
und kaum Futtermittel aus Südamerika <strong>im</strong>portiert<br />
werden müssen.<br />
<strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>killer Kuh?<br />
Eine intensive Debatte dreht sich um die Rinderhaltung,<br />
denn Rinder produzieren bei der<br />
Verdauung Methan, das besonders kl<strong>im</strong>aschädlich<br />
ist. Umgekehrt aber können sie<br />
Nahrungsmittel für Menschen auf Wiesen und<br />
Weiden erzeugen, die anders nicht bewirtschaftet<br />
werden könnten. Würde alles ackerfähige<br />
Grünland gepfl ügt und zum Getreideanbau<br />
genutzt, ginge sehr viel Kohlenstoff aus<br />
dem Boden in die Atmosphäre über. Ist das<br />
Rind nun ein <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>killer oder nicht?<br />
Die Kuh, die auf der Weide steht oder Heu von<br />
den Wiesen der Umgebung frisst, ist nicht für<br />
den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel verantwortlich. Aber Kühe<br />
stehen nicht <strong>im</strong>mer auf der Weide und fressen<br />
<strong>im</strong> Winter nur Heu, auch wenn uns das die Bilder<br />
auf den Verpackungen suggerieren wollen.<br />
Tiere, die Soja und Getreide fressen, sind<br />
Nahrungskonkurrenten zu uns Menschen und<br />
treiben mit ihrem Futterbedarf Landnutzungsänderungen<br />
voran. Rinder sind unter diesen –<br />
realistischen – Umständen besonders ineffi zient.<br />
Weniger Tiere zu halten wäre wichtig, um<br />
den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel zu begrenzen.<br />
Wassermangel in Westafrika<br />
Ganz verhindern lässt sich der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel<br />
heute nicht mehr. Schon jetzt ist er zu spüren,<br />
zum Beispiel bei WinzerInnen in Deutschland,<br />
die heute völlig andere Rebsorten pfl anzen<br />
können als noch vor zwanzig Jahren.<br />
Das klingt erst einmal positiv, doch die für uns<br />
bislang eher gering anmutenden Veränderungen<br />
und die Zunahme von extremen Wetterereignissen<br />
sind für die Landwirtschaft eine<br />
enorme Bedrohung. Im US-Bundesstaat Kalifornien<br />
herrscht beispielsweise seit 2011 eine<br />
extreme Dürre, durch die die Landwirtschaft<br />
einen Verlust von über zwei Milliarden Dollar<br />
erlitten hat.<br />
Am schl<strong>im</strong>msten aber trifft es oft die Menschen,<br />
die in der Vergangenheit am wenigsten<br />
zum <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel beigetragen haben. So wird<br />
zum Beispiel die Wasserverfügbarkeit <strong>im</strong> südlichen<br />
Mali in diesem Jahrhundert um rund<br />
zehn Prozent zurückgehen.<br />
Schuld daran sind der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel und<br />
seine Folgen: Dürren werden häufi ger und die<br />
Landwirtschaft damit unsicherer. Die Wüste<br />
Sahara droht, sich langsam in Richtung Süden<br />
auszubreiten. Die Menschen verlieren<br />
ihre Lebensgrundlage und müssen ihre He<strong>im</strong>at<br />
verlassen.<br />
Vielfalt ist die Fähigkeit, sich<br />
anzupassen<br />
Ob Deutschland, Amerika oder Westafrika:<br />
Die Beispiele zeigen, dass die Landwirtschaft<br />
überall betroffen ist – unabhängig davon, wie<br />
viel Geld, Chemikalien und Maschinen wir einsetzen.<br />
Die Landwirtschaft muss also fi t werden<br />
für den <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel. Das zentrale Konzept<br />
dafür nennt sich Resilienz.<br />
Als Resilienz wird die Fähigkeit eines<br />
Systems bezeichnet, auf Veränderungen zu<br />
reagieren und gleichzeitig stabil zu funktionieren.<br />
Der Schlüssel zu Stabilität unter wechselhaften<br />
Bedingungen ist Vielfalt. Das gilt für<br />
einzelne Betriebe ebenso wie für ganze Ökosysteme<br />
und menschliche Gesellschaften.<br />
Doch die industrielle Landwirtschaft zerstört<br />
die Vielfalt der Ökosysteme. Die Intensivierung<br />
verdrängt die Vielfalt der Landschaften.<br />
Pestizide, Überdüngung und Monokulturen töten<br />
die Bodenlebewesen, Insekten, Vögel und<br />
Pfl anzen, die in landwirtschaftlichen Flächen<br />
und um diese herum ihren Lebensraum haben.<br />
Während der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel den Ökosystemen,<br />
von denen wir leben, eine große Anpassungsleistung<br />
abfordert, n<strong>im</strong>mt die Vielfalt und<br />
damit die Resilienz dieser Systeme ab.<br />
Gleichzeitig geht auch in der industriellen<br />
Landwirtschaft die Vielfalt von Nutzpfl anzen<br />
und Nutztieren zurück. Fast alle Legehennen<br />
in Deutschland stammen von nur zwei Zuchtlinien<br />
ab. Der Saatgutmarkt in Europa wird von<br />
lediglich fünf Unternehmen dominiert.<br />
Sie verkaufen vor allem Saatgut, das bei der<br />
Verwendung von synthetischem Dünger und<br />
Pestiziden sehr hohe Erträge bringt. Diese<br />
Form der Landwirtschaft ist nicht in der Lage,<br />
sich an die geringere Stabilität der Ökosysteme<br />
anzupassen, die der <strong>Kl<strong>im</strong>a</strong>wandel mit<br />
sich bringt.<br />
Eine andere Landwirtschaft<br />
ist möglich<br />
Längst gibt es alternative Formen der Landwirtschaft,<br />
die kl<strong>im</strong>afreundlicher und anpassungsfähiger<br />
sind: Die Biobetriebe machen<br />
es vor. Und dank der globalen Vernetzung<br />
können wir heute von alten und neuen Ideen<br />
aus allen Erdteilen profi tieren. Aus Australien<br />
kommen die Grundlagen der Permakultur, die<br />
Kreisläufe und Beständigkeit von Systemen<br />
betont. Die Idee einer solidarischen Landwirtschaft,<br />
die VerbraucherInnen und ProduzentInnen<br />
direkt zusammenbringt, wurde in den<br />
USA entwickelt.<br />
Was können wir von Kuba lernen, das Jahrzehntelang<br />
unter dem US-Wirtschaftsembargo<br />
stand und während dieser Zeit eine Landwirtschaft<br />
entwickeln musste, die weitgehend<br />
unabhängig von Erdöl ist?<br />
Unter welchen Umständen bringt es etwas,<br />
Tiere, Gemüse und Getreide unter Bäumen<br />
zu züchten, oder Pfl anzenkohlereste in<br />
den Boden einzubringen? Traditionelle landwirtschaftliche<br />
Systeme in Südamerika arbeiten<br />
damit. In einem Berliner Forschungsinstitut<br />
schlagen Tomaten ihre Wurzeln in Süßwasser,<br />
in dem Fische gezüchtet werden.<br />
Die Alternativen sind quicklebendig. Damit sie<br />
sich durchsetzen, brauchen sie die Politik, die<br />
die Regeln vorgibt und Ressourcen verteilt.<br />
Doch Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt<br />
und EU-Agrarkommissar Hogan fördern lieber<br />
weiterhin die Agrarindustrie und suchen<br />
nach Absatzmärkten für Schweinefl eisch und<br />
Milchpulver, das aus Ställen kommt, die südamerikanische<br />
Gensoja verfüttern.<br />
TEXT<br />
FOTO<br />
Karl Bär<br />
Fotolia