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Daniela Kohnen im Gespräch mit Elahiu von ... - Schott Music

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Interview<br />

Was ist <strong>mit</strong> Medienrechten?<br />

Selbst wenn es die geben würde, hätten sie keine Kraft. Man sagt<br />

in China: Regeln sind tot, der Mensch ist lebendig. Das Notenmaterial<br />

z. B. besteht nur aus Kopien – es gibt in China kaum<br />

Notenmaterial zu kaufen! Jetzt ändert sich dies vielleicht durch<br />

die neuen Möglichkeiten des Internets. Aber das Freche daran<br />

ist eigentlich, dass die Bibliotheken dadurch unglaublich verdienen:<br />

Da werden einfach horrende Summen für das Kopieren<br />

<strong>von</strong> Notenmaterial verlangt. Das Gleiche passiert bei den Orchestern:<br />

Wenn ein anderes Orchester nach Noten fragt, dann<br />

ist so ein Satz Noten nicht billig. Am florierendsten sind aber<br />

die gefälschten CDs. Wenn ich in Europa in einen CD-Laden<br />

gehe, dann sehe ich, dass das Hochpreis-CDs sind, für die ich in<br />

China 60 Eurocent bezahle. Die Händler zählen die CDs auch<br />

gar nicht mehr, die wiegen die und best<strong>im</strong>men so den Preis.<br />

Man kauft CDs wie Gemüse. Man fragt sich nicht: Was brauche<br />

ich noch, sondern: Was habe ich noch nicht? Es hilft natürlich<br />

enorm für das eigene Dirigieren und Lernen fremder Literatur,<br />

wenn man <strong>von</strong> manchen Werken zehn bis zwanzig verschiedene<br />

Einspielungen hat.<br />

Wie ist <strong>im</strong> Allgemeinen Ihr Kontakt zu den chinesischen Musikerinnen<br />

und Musikern?<br />

Er ist durch und durch herzlich. Es ging sogar so weit, dass mir<br />

bei meinem Abschied vom Kunming Symphony Orchestra der<br />

Orchesterdirektor sagte, dieses Orchester sei doch meine Familie,<br />

niemand würde in mir einen Ausländer sehen. Und wenn<br />

ich mich irgendwie später in Peking nicht wohlfühlen sollte, solle<br />

ich doch einfach wieder „nach Hause“ zurückkehren.<br />

In Ihrem Lebenslauf habe ich gelesen, dass Sie dort die großen<br />

Werke der Weltliteratur dirigieren – u. a. Schostakowitschs 9.<br />

Sinfonie, „Schwanensee“, „Don Quixote“, Bruckners Sinfonie<br />

Nr. 7, Saint-Saëns’ Orgelsinfonie. Es war aber auch zu lesen, dass<br />

die Proben- und Konzertorganisationen oftmals chaotisch und<br />

mehrfache Programmänderungen bis hin zum Konzerttag nicht<br />

unüblich sind. Kann man sich denn so tiefer gehend interpretatorisch<br />

<strong>mit</strong> Werken auseinander setzen oder handelt es sich meistens<br />

um besseres Blattspiel?<br />

Die großen Werke habe ich meistens nur bei den großen Orchestern<br />

dirigiert, und da hat man Zeit zu proben.<br />

Wie ist es <strong>mit</strong> dem musikalischen Verständnis der Musiker?<br />

Wird z. B. historische Aufführungspraxis beachtet oder klassische<br />

Musik anders gespielt als romantische?<br />

Barockmusik wird eigentlich kaum gespielt, ebenso wenig wie<br />

moderne Musik. Den Hauptteil der Literatur bilden die romantischen<br />

Werke ergänzt durch die Klassik. Doch wird klassische<br />

Musik <strong>von</strong> der Art und Weise her genauso gespielt wie romantische.<br />

Sehr beliebt sind die russischen Komponisten –Tschaikowsky,<br />

Rachmaninow etc.–, da es auch russische Musiker un-<br />

Das Orchester 11/02<br />

ter den Orchestermusikern gibt. Außerdem haben viele der führenden<br />

chinesischen Musiker und Pädagogen in Russland studiert.<br />

Ich habe in Ihren Unterlagen gelesen, dass oft Konzerte vor einem<br />

Publikum <strong>von</strong> 15 000 oder noch mehr Leuten gegeben werden.<br />

Haben Sie den Eindruck, sinfonische westliche Musik wird<br />

als ernste Kunst angesehen, oder ist dies eher eine Massenabspeisung<br />

in Unterhaltungsform?<br />

Es gibt Leute, die in Konzerte gehen, um ihre Neugier zu stillen<br />

und diese Art <strong>von</strong> Musik mal live gehört zu haben. Es gibt auch<br />

Leute, die Konzerte besuchen, weil es zum guten Ton gehört.<br />

Weiterhin gibt es auch gutes Fachpublikum. Das Gros des Publikums<br />

besteht jedoch sicherlich aus Leuten, die ähnlich wie <strong>im</strong><br />

Kino wegen der Unterhaltung ins Konzert gehen. Stille <strong>im</strong> Publikum<br />

während eines Konzerts ist dort auch fremd, dort wird<br />

geflüstert und sich unterhalten, sich zugewunken, gegessen und<br />

getrunken. Neuerdings ändert sich aber auch das. Besonders in<br />

den Konzerthallen der großen Städte gibt es nun Regeln, die<br />

Handys auszuschalten oder Speisen und Getränke nicht in den<br />

Saal zu nehmen. Auch werden dort Kinder unter 1,20 Meter<br />

Körpergröße nicht mehr eingelassen.<br />

Wie werden Musiker gesellschaftlich eingeschätzt?<br />

Oh, das ist eine gute Frage, ich weiß es nicht. Die Musiker der<br />

führenden Orchester sind, glaube ich, sehr hoch angesehen. Was<br />

die kleineren Orchester angeht, weiß ich es nicht. Insgesamt ist<br />

die Musikerwelt recht klein in China und das Land sehr groß.<br />

Habe ich das richtig verstanden, sind Sie der erste ausländische<br />

Chefdirigent eines Orchesters in China?<br />

Ich bin der erste ausländische Chefdirigent eines chinesischen<br />

Orchesters. Im März 1998 wurde ich Chefdirigent des Yunnan<br />

Province Symphony Orchestras, und seit Oktober 1998 bin ich<br />

offiziell vom chinesischen Kulturministerium engagiert als<br />

Chefdirigent des Orchestra of the National Ballett of China und<br />

inzwischen auch durch die zahlreichen Fernsehauftritte bekannt<br />

wie ein bunter Hund. Die Fernsehauftritte reichen <strong>von</strong> Liveübertragungen<br />

der Kunminger Neujahrskonzerte über Filme<br />

verschiedener Fernsehsender über meine Arbeit in China bis hin<br />

zu einer Teilnahme an einer Talkshow der Yunnan Television<br />

<strong>im</strong> Februar 2000.<br />

Welche Pläne haben Sie für Ihre Zukunft?<br />

Langfristig gesehen habe ich vor, wieder nach Deutschland<br />

zurückzukommen, auch da ich als Dirigent in China nicht allzu<br />

viel verdiene. Ein großes Plus meiner Arbeit in China ist jedoch<br />

die Tatsache, dass ich in den vergangenen Jahren sehr viel zum<br />

Dirigieren gekommen bin, Routine erworben und mir dadurch<br />

mehr Erfahrung habe anlernen können, als wenn ich beispielsweise<br />

in Deutschland geblieben wäre. Das ist ein nicht zu unterschätzender<br />

Vorteil. ■<br />

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