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»... ich habe gemalt, was sie nur taten« (Leseprobe)

Vieles, was in der dokumentarischen Literatur der 20er Jahre als Innovation galt, ist schon vor dem Ersten Weltkrieg im Werk von Karl Kraus zu finden. Der Essay von Marko Milovanovic verdeutlicht u.a., welchen Einfluss der Autor, der sich selbst als literarisch konservativ bezeichnete, auf Künstler wie Erwin Piscator und Bertolt Brecht hatte. Marko Milovanovic: »... ich habe gemalt, was sie nur taten«. Karl Kraus und die Neue Sachlichkeit. Edition Kritische Ausgabe im Weidle Verlag. Band 4. ISBN 978-3-938803-58-5. 116 Seiten. 16 €.

Vieles, was in der dokumentarischen Literatur der 20er Jahre als Innovation galt, ist schon vor dem Ersten Weltkrieg im Werk von Karl Kraus zu finden. Der Essay von Marko Milovanovic verdeutlicht u.a., welchen Einfluss der Autor, der sich selbst als literarisch konservativ bezeichnete, auf Künstler wie Erwin Piscator und Bertolt Brecht hatte.

Marko Milovanovic:
»... ich habe gemalt, was sie nur taten«. Karl Kraus und die Neue Sachlichkeit.
Edition Kritische Ausgabe im Weidle Verlag. Band 4.
ISBN 978-3-938803-58-5. 116 Seiten. 16 €.

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Bereits in seinem Umgang mit dem Naturalismus erscheint bemerkenswert,<br />

dass s<strong>ich</strong> Kraus immer eher auf einzelne Vertreter als auf die literarische<br />

Strömung im Allgemeinen bezog. Diese Vorgehensweise ist typisch<br />

für die Kraus’sche Kritik, n<strong>ich</strong>t <strong>nur</strong> an Literaturströmungen wie dem<br />

Impressionismus (man beachte die persönl<strong>ich</strong>en Angriffe in Die demolirte<br />

Literatur gegen Hugo von Hofmannsthal, Felix Salten und andere 3 ), sondern<br />

auch an politischen und gesellschaftl<strong>ich</strong>en Themen. Kraus nahm das<br />

Einzelne bzw. den Einzelnen als pars pro toto für das Größere, Umfassende:<br />

Es mag bei Kraus’ Satiren so aussehen, als handelten <strong>sie</strong> ebenso wie seine<br />

Polemiken von lebenden Zeitgenossen, die namentl<strong>ich</strong> genannt werden. Doch<br />

die Gestalten seiner Satiren sind keine individuellen Angriffsziele mehr, die um<br />

ihrer selbst willen Bedeutung <strong>habe</strong>n. Sie dienen nun als Anreiz für die Phanta<strong>sie</strong><br />

und werden bedeutsam erst durch das, <strong>was</strong> der Autor aus ihnen macht. 4<br />

Da s<strong>ich</strong> dieses Prinzip, einzelne Personen zu Archetypen 5 zu stili<strong>sie</strong>ren,<br />

durch Kraus’ gesamtes Werk zieht, fällt es für die folgenden Untersuchungen<br />

le<strong>ich</strong>ter, von seiner Bewertung einzelner Autoren auf sein Urteil über<br />

ganze literarische Strömungen zu schließen, zum Beispiel von Gerhart<br />

Hauptmann auf den Naturalismus.<br />

1. Naturalismus<br />

Der nachweisbar früheste von Kraus veröffentl<strong>ich</strong>te Text ist eine überschwängl<strong>ich</strong><br />

lobende Rezension aus dem Jahr 1892 zu Gerhart Hauptmanns<br />

Theaterstück Die Weber. 6 Kraus war zu dieser Zeit fasziniert von diesem<br />

<strong>»</strong>in dramatische Form gebrachten Stück Leben« 7 eines der bedeutendsten<br />

Vertreter des deutschen Naturalismus. Fünf Jahre später noch schreibt<br />

er empört darüber, dass eine von ihm geplante Aufführung der Weber<br />

durch Wiens Polizeipräsidenten verboten wurde. 8 Im Jahre 1900 formuliert<br />

Kraus in seiner Theaterkritik Vom Wechselgastspiel allerdings eine ver-<br />

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