Warum Terror nie gewinnen kann
Der Terror scheint der letzte, der schlagende Beweis zu sein, dass die Welt unweigerlich zum Teufel gehen muss. Muss sie nicht. Eine Aufklärung. Von Matthias Horx Um ein erfolgreicher („berühmter”) Selbstmordterrorist zu werden, muss man eine ganze Reihe von Bedingungen erfüllen. Das eine ist dieser Treibstoff der tiefen Verletzung. Ginge es allerdings danach, wäre die Welt voller Killerterroristen, und die Menschheit hätte sich tatsächlich längst gegenseitig umgebracht. Demütigung, Missbrauch, Vernachläsigung, Gewalt in der Kindheit – das haben viele erlebt. Doch ein Trauma kann kompensiert werrden – auch positiv. Steve Jobs war ein abgelehntes Kind, das davon träumte, mit intelligenten Menschen zu leben, auf die man sich verlassen kann. Wie viele großartige Schauspieler, Poeten, Schriftsteller, Rockstars, Architekten, Wissenschaftler, haben diesen „Knacks” in ihrer Kindheit erlebt? Ich kenne keinen ohne! Neue Erkenntnisse der Resilienzforschung zeigen, dass rund ein Drittel aller Kindheitstraumatisierten eine ganz besondere Widerstandskraft entwickeln. Krisen können uns unter bestimmten Voraussetzungen unglaublich stark und stabil machen. Um als Terrorist zu reüssieren, braucht man – zweitens – einen fundamentalen Mangel an Intelligenz. Zeugen aus den islamischen Geiselcamps beschreiben ihre Peiniger als „ständig zu Scherzen aufgelegte Typen mit großem Maul und einer enormen Dummheit”. Effektive Terroristen müssen außergewöhnlich emotional verkrüppelt und dabei gleichzeitig schlau sein. Diese spezifische Kombination kommt vor allem bei echten Psychopathen vor. In allen menschlichen Kulturen liegt die Anzahl der Psychopathen bei rund einem Prozent. Forscher wie Niels Bierbaumer, Robert Hare und Simon Baron-Cohen sehen den wahrscheinlich angeborenen Mangel an Empathiefähigkeit als wichtigen Faktor für die Kriminalitätsentwicklung. Rund 30 Prozent aller Gewaltstraftäter und so gut wie alle Serienmörder sind echte Psychopathen. Mit diesen Bedingungen hat man zunächst eine hohe Chance, zum Gangster oder Großbetrüger im Finanzsektor zu werden. Suizidärer Terrorist jedoch wird erst derjenige, der im Resonanzfeld eines starken, faszinierenden Opfernarritivs „erweckt” wird. Der eigentliche Treibstoff, den der Terrorist braucht, um seine Ekstase zu steigern (und seine fragile Existenz noch eine Weile am Leben zu halten), ist Resonanz. Die Angst der anderen ist sein mentales Heroin. Ein Terrorist, der von niemandem wahrgenommen wird, verschwindet irgendwann aus dem realen Universum. Die mediale Öffentlichkeit bietet dem Dschihad erst jenen gigantischen Resonanzraum, auf dem er seine Schlachtenfantasien inszenieren kann. Nach dem Attentat von Paris schafften es die hiesigen Medien, eine Million Menschen wie einen Elefanten auf der Bühne zum Verschwinden zu bringen. Die Flüchtlinge – sie waren plötzlich nicht mehr existent! Einfach weg! Bis sie dann, eine Woche nach dem 13. September, wieder auftauchten – in einem völlig anderen Kontext. Als Hintergrund für terroristische Gefahren. Terrorberichterstattung ist ein exzellentes Beispiel für das selbstreferenzielle Prinzip moderner Medienkulturen. Angst wächst aus dem Reden über die Angst. Unentwegt treten „Experten” auf, die das Bedrohungsszenario ausmalen und ausweiten. Moderierende Stimmen werden kaum gehört. Die Standardfrage der Fernsehjournalisten und Talkshowmoderatoren: Aber müssen wir nicht Angst haben??? Die Antwort kann immer nur redundant sein: Ja, wir müssen Angst haben! Ohne Angst ist der Mensch nicht lebensfähig. Angst ist die evolutionäre Natur des Menschen, unser Überlebensvorteil, unsere innere Prägung. „Angst ist immer auch egoistisch”, sagte neulich eine kluge Psychologin in einer der wenigen Talkshows im deutschen Fernsehen, in der ausnahmsweise nich der Hysterie gefrönt wurde. Wir sehen nicht mehr wie reich und vielfältig das Leben ist, wie robust, erfinderisch, resilient menschliche Prisma Winter 20<strong>15</strong> 9