Zertifikatskurs Interkulturelle Kompetenz - RAA NRW
Zertifikatskurs Interkulturelle Kompetenz - RAA NRW
Zertifikatskurs Interkulturelle Kompetenz - RAA NRW
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Elementarerziehung<br />
<strong>Zertifikatskurs</strong><br />
<strong>Interkulturelle</strong><br />
<strong>Kompetenz</strong><br />
<strong>Zertifikatskurs</strong> 1<br />
Der <strong>Zertifikatskurs</strong> <strong>Interkulturelle</strong> <strong>Kompetenz</strong> stützt sich auf die Publikation<br />
Bausteine der <strong>RAA</strong> zur Aus- und Fortbildung von Erzieherinnen und Erziehern<br />
für eine interkulturelle Arbeit.* 1)<br />
Die Bausteine sind die Grundlage für den Aufbau einer interkulturellen <strong>Kompetenz</strong> für Pädagoginnen<br />
und Pädagogen, die im interkulturellen Feld arbeiten. Aus der <strong>Kompetenz</strong>erweiterung<br />
sollen sich Handlungsmöglichkeiten ergeben<br />
■ zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien.<br />
■ zur Initiierung interkultureller Prozesse, die das Miteinander fördern und<br />
gegenseitige Ausgrenzung verhindern.<br />
■ zum Einbezug von Eltern als kompetente Partner in diese Prozesse.<br />
■ zur Anpassung von Organisationen auf die Bedürfnisse ihrer Klientel.<br />
Ursprünglich für die Aus- und Fortbildung von Erziehern und Erzieherinnen konzipiert, können<br />
die Bausteine auch für andere im interkulturellen Feld arbeitende Pädagogengruppen umgesetzt<br />
werden. Sie sollen den Verantwortlichen dabei helfen, <strong>Interkulturelle</strong> Erziehung in die herkömmlichen<br />
Angebote der Fort- und Ausbildungsinhalte zu integrieren, denn <strong>Interkulturelle</strong><br />
Erziehung ist kein einmaliger Schwerpunkt, der durch ein gesondertes Angebot oder ein einmaliges<br />
Projekt "abgearbeitet" werden kann, sondern ein durchgängiges Prinzip der vermittelten<br />
Lehrinhalte.<br />
Es gilt nicht die Inhalte zu verändern, sondern sie interkulturell anzulegen. Themenbereiche,<br />
wie z.B. "Kommunikation", "Sozialisation", "Rollenverhalten", "Identitätsbildung", "Stereotypisierungen/Vorurteile",<br />
"Recht", "Religion" oder "Sprachentwicklung und Sprachverhalten" etc.<br />
werden häufig noch unter allgemeinen Gesichtspunkten behandelt; vor dem Hintergrund der<br />
Entwicklungstendenzen einer multikulturellen Gesellschaft sollten interkulturelle Schwerpunkte<br />
zum Standard einer Aus- und Fortbildung gehören.<br />
1. Projektbeschreibung und Projektziele eines <strong>Zertifikatskurs</strong>es<br />
1.1 <strong>Interkulturelle</strong> <strong>Kompetenz</strong><br />
Die Förderung interkultureller <strong>Kompetenz</strong> ist eine zentrale Forderung eines Konzeptes zum<br />
*1) Arbeitskreis IKEEP (<strong>Interkulturelle</strong> Erziehung im Elementar- und Primarbereich) der <strong>RAA</strong> in <strong>NRW</strong><br />
(Hrsg.) o.J. Vielfalt als Chance. Bausteine der <strong>RAA</strong> zur Aus- und Fortbildung von Erzieherinnen und<br />
Erziehern für eine interkulturelle Arbeit, Essen<br />
Regionale Arbeitsstellen<br />
zur Förderung von Kindern<br />
und Jugendlichen<br />
aus Zuwandererfamilien
Elementarerziehung<br />
<strong>Zertifikatskurs</strong> 2<br />
interkulturellen Lernen. <strong>Interkulturelle</strong> <strong>Kompetenz</strong> ist eine berufliche Schlüsselqualifikation und<br />
meint die Fähigkeit<br />
■ interkulturelle Situationen und Zusammenhänge wahrzunehmen, sie mit ihren<br />
Problemstellungen zu erfassen und in ihren Chancen zu begreifen.<br />
■ das eigene Bedingungs-, Bezugs- und Wertesystem zu sehen und eigene<br />
Einstellungen, eigenes Verhalten und Handeln kritisch reflektieren zu können.<br />
■ <strong>Interkulturelle</strong> Prozesse zu initiieren, Diskriminierungen gegenzusteuern und<br />
Benachteiligungen abzubauen.<br />
■ Sensibilität für und in interkulturellen Lernprozessen bei anderen zu fördern und<br />
zu entwickeln.<br />
■ Konflikte im interkulturellen Kontext wahrnehmen und bearbeiten zu können.<br />
■ Wissen anzueignen (Migrationsgeschichte, rechtliche Situation, kulturelle Orientierungen,<br />
Prävention von Abweichung, geeignete Methoden zu kennen)<br />
■ Das Gelernte in die Struktur der eigenen Organisation übertragen zu können.<br />
1.2 Die Rolle und die Fähigkeiten des/der in einer multikulturellen Situation<br />
arbeitenden Multiplikators/Multiplikatorin<br />
Pädagoginnen und Pädagogen, Berater und Beraterinnen sind in ihrem beruflichen Handlungsfeld<br />
sowohl als Initiatorinnen und Initiatoren als auch Moderatorinnen und Moderatoren von<br />
entsprechenden interkulturellen Erziehungs- und Bildungsprozessen Modelle für einander<br />
respektierendes Miteinander. Jeder an einer interkulturellen Interaktionssituation Beteiligte<br />
muss sich der Tatsache bewusst sein, dass er oder sie in seinem oder ihrem Sozialisationsprozess<br />
kulturelle Standards verinnerlicht hat, die Wesen und Werte der Gruppe bestimmen, der er<br />
oder sie angehört. Nach Thomas* 2) (2003, S. 23) sind die eigenen kulturellen Standards nicht<br />
bewusst. Und dennoch beeinflussen sie das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln.<br />
Orientierungssysteme schaffen Handlungsanreize und Handlungsmöglichkeiten, stellen aber<br />
auch Handlungsbedingungen und Handlungsgrenzen dar. In einer interkulturellen Interaktion<br />
gilt es für Multiplikatoren und Multiplikatorinnen genau wie in jeder Interaktionssituation die<br />
eigenen kulturellen Standards zu kennen und Bedingungen und Grenzen des Handelns aufgrund<br />
der eigenen Orientierungsmuster bewusst zu machen sowie die Kulturstandards der<br />
(fremden/anderen) Interaktionspartner herauszufinden, um Verhalten professionell deuten zu<br />
können. (Thomas 2003, S. 29 ff.)<br />
<strong>Interkulturelle</strong>s Lernen zielt auf Vermittlung, ohne dem anderen Werte aufzuzwingen. Der Migrationsprozess<br />
ist von sich aus durch einen ständigen Wandel gekennzeichnet: Dem Verlust von<br />
Heimat folgt ein lang andauernder Einfindungs-, Orientierungs-, Gewöhnungs- und Veränderungsprozess,<br />
der stressbelastet sein kann. Alltägliche Diskriminierungen durch die einheimische<br />
Bevölkerung erschweren den Integrationsprozess. Durch einen pädagogisch intendierten<br />
interkulturellen Lernprozess besteht aber auch die Chance für die einheimischen Beteiligten, ihr<br />
Gewordensein zu hinterfragen und geltende Werte auf den Prüfstand zu stellen. <strong>Interkulturelle</strong>s<br />
Lernen darf nicht von einer defizitären Betrachtungsweise geleitet sein. Nur in einer gleichberechtigten,<br />
gleichwertigen Interaktionssituation kann Lernen als Bereicherung angenommen<br />
werden.<br />
Die Aufforderung zur Auseinandersetzung kann auch die Bearbeitung von Konflikten einschließen,<br />
die durch eine multikulturelle Situation entstehen können. Konfliktfähigkeit ist ein Wert,<br />
*2) Thomas, Alexander u.a. (Hrsg.) 2003, Handbuch <strong>Interkulturelle</strong> Kommunikation und Kooperation,<br />
Band 1: Grundlagen und Praxisfelder. Göttingen
Elementarerziehung<br />
<strong>Zertifikatskurs</strong> 3<br />
den alle an einem Erziehungsprozess Beteiligten erwerben müssen. In der <strong>Interkulturelle</strong>n<br />
Pädagogik oder in einem interkulturellen Beratungsprozess gilt es, Konflikte wahrzunehmen<br />
und sich einer Bearbeitung zu stellen. Die Fähigkeit dazu müssen vor den Jugendlichen die<br />
Pädagogen und Berater erwerben, damit sie in der Lage sind, interkulturelle Konflikte zu bewältigen<br />
und Konfliktfähigkeit seitens ihrer Schülerinnen und Schüler zu entwickeln.<br />
<strong>Interkulturelle</strong>s Lernen und <strong>Interkulturelle</strong>s Handeln erfordern: (s. Meyer, Anne, in Bausteine<br />
der <strong>RAA</strong>, S. 108 )* 3)<br />
Persönliche Fähigkeiten und Einstellungen<br />
(Persönlichkeitsbildung / Soziale <strong>Kompetenz</strong>en)<br />
Grundlagenwissen<br />
(Sach- und Fachkompetenz)<br />
Fertigkeiten und Methoden<br />
(Methoden- und Lernkompetenz)<br />
*3) Meyer, Anne o.J.: Pique – Das Projekt Inerkultruelle Qualfizeirung für Erzieherinnen, in: Arbeitskreis<br />
IKEEP (Hrsg.)o.J: Vielfalt als Chance, Bausteine der <strong>RAA</strong> zur Aus- und Fortbildung von Erzieherinnen<br />
und Erzeihern für eine itnerkulturelle Arbeit. Essen<br />
=<br />
interkulturelle<br />
Handlungskompetenz<br />
Bezogen auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgt der <strong>Zertifikatskurs</strong> vor allem die Ziele,<br />
eine kritische Selbst- und reflektierte Fremdwahrnehmung zu fördern und eine Sicht von interkulturellem<br />
Lernen als personaler Haltung und pädagogischem Prinzip zu entwickeln. Wesentliches<br />
Anliegen ist es, sich selbst (als Multiplikator bzw. Multiplikatorin) als Teil einer interkulturellen<br />
Situation zu begreifen und eigenes Verhalten und Einstellungen auf der Grundlage von<br />
geschulter Wahrnehmung und mehr Wissen (des Eigenen und des Fremden) reflektieren zu<br />
können. Aufgrund dieser Reflexion kann es notwendig sein, Strukturen der Einrichtung, in der<br />
man tätig ist, zu überdenken und evtl. zu verändern, um sie der interkulturellen Situation besser<br />
anzupassen und den Entwicklungsbedürfnissen von zugewanderten Jugendlichen gerecht zu<br />
werden.<br />
2. Die Bausteine des <strong>Zertifikatskurs</strong>es<br />
Der <strong>Zertifikatskurs</strong> setzte sich aus Bausteinen zusammen, die in einem Zeitraum von<br />
zwei Jahren den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vermittelt wurden:<br />
Nachstehend wird der Aufbau eines Kurses exemplarisch<br />
a) für Erzieher und Erzieherinnen und<br />
b) für Pädagogen und Berater und Beraterinnen in der Berufsorientierung dargestellt.<br />
2.1 Der <strong>Zertifikatskurs</strong> für Erzieher und Erzieherinnen<br />
(Ein Angebot des AK IKEEP des Verbundes der <strong>RAA</strong> in <strong>NRW</strong>)<br />
Einführung in die Veranstaltung 1 Tag<br />
Verpflichtung zur Organisationsentwicklung<br />
Abschluss einer Vereinbarung zwischen <strong>RAA</strong> und Teilnehmerin<br />
Baustein 1: <strong>Interkulturelle</strong> Sensibilisierung 2 Tage<br />
Baustein 2: Ausländerrecht und Migration 2 Tage<br />
Baustein 3: Sprache, Sprachentwicklung, Förderung von Mehrsprachigkeit,<br />
Sprachstandserhebung, Sprachprogramme wie Rucksack, Hocus und Lotus,<br />
Wir verstehen uns gut 3 Tage
Elementarerziehung<br />
<strong>Zertifikatskurs</strong> 4<br />
Baustein 4: Arbeit mit Eltern 2 Tage<br />
■ Sensibilisierung für die Situation zugewanderter Eltern<br />
■ Griffbereit und Rucksack<br />
■ Andere Formen der Elternarbeit<br />
Baustein 5: Organisationsentwicklung 2 Tage<br />
■ Einführung in die Organisationsentwicklung<br />
■ Möglichkeiten der Umsetzung in einer Kindertageseinrichtung<br />
■ Möglichkeiten der Entwicklung einer interkulturellen Einrichtung<br />
Baustein 6: Religion in der Migration 2 Tage<br />
■ Islam als Sozialisationsfaktor in der Erziehung von muslimischen Kindern<br />
■ Interreligiöse Erziehung<br />
Baustein 7: Kommunikation und Konfliktbearbeitung 2 Tage<br />
Baustein 8: Antirassistische interkulturelle Ansätze in der Kita 1 Tag<br />
Baustein 9: Praktikum organisiert durch örtliche <strong>RAA</strong> in interkulturell<br />
ausgerichteten Einrichtungen, vorzugsweise in Kitas in Kreis oder Kommune 1 Tag<br />
Baustein 10: Organisationsentwicklung, Präsentation<br />
der für die eigene Einrichtung erarbeiteten Umsetzung 2 Tage<br />
2.2 Der <strong>Zertifikatskurs</strong>es für Pädagogen und Berater und Beraterinnen<br />
in der Berufsorientierung<br />
(durchgeführt im Rahmen des XENOS-Projektes der <strong>RAA</strong> "Der Vielfalt eine Chance") * 4 )<br />
1. Baustein: Einführung in den <strong>Zertifikatskurs</strong>: Vorstellung der Inhalte der 1 Tag<br />
einzelnen Bausteine. Die Einführung endet mit einem Vertrag zwischen<br />
TeilnehmerIn und Veranstaltern, um die Verbindlichkeit der Teilnahme über<br />
die Laufzeit des Kurses zu beschließen<br />
2. Baustein: <strong>Interkulturelle</strong> Sensibilisierung 2 Tage<br />
3. Baustein: Unterschiedliche Werte und Normen bei Zuwanderern und 2 Tage<br />
Einheimischen unter Einbeziehung der Bereiche Sozialisation,<br />
religiöse Aspekte, Familie, peer-group<br />
4.Baustein: Ethnische Vorurteile und rassistisches Denken 2 Tage<br />
5. Baustein: Migrationsgeschichte und rechtliche Situation bezogen auf<br />
die Situation von Jugendlichen aus zugewanderten Familien 1 Tag<br />
6. Baustein: Erster Evaluationsbaustein: Organisationsentwicklung:<br />
Transfer in die Struktur der eigenen Institution 2 Tage<br />
7. Baustein: Potentiale und Zugangsbarrieren beim Übergang in den Beruf 2 Tage<br />
■ bei den Jugendlichen aus Zuwanderungsfamilien<br />
■ in den Institutionen<br />
■ in den Betrieben<br />
8. Baustein: Auslandspraktikum im interkulturellen Feld. (z.B. England) 10 Tage<br />
9. Baustein: Kommunikation, Konfliktlösung und Mediation im<br />
interkulturellen Feld 2 Tage<br />
10.Baustein: Zweiter Evaluationsbaustein: Organisationsentwicklung:<br />
Transfer in die Struktur der eigenen Institution 2 Tage<br />
*4) Fischer V./Springer, M./Zacharaki. I. (Hrsg.)2005, <strong>Interkulturelle</strong> <strong>Kompetenz</strong>, Fortbildung – Transfer-<br />
Organisationsentwicklung, Schwalbach/Ts.
Elementarerziehung<br />
<strong>Zertifikatskurs</strong> 5<br />
Fakultative Bausteine:<br />
11. Baustein: <strong>Interkulturelle</strong> Konzepte im eigenen Arbeitsfeld. 2 Tage<br />
Welche Form der interkulturellen Konzeptgestaltung ist bezogen auf<br />
die Zielgruppe angebracht (Schwerpunkt Didaktik/Methodik)<br />
12. Baustein: Beratung unter dem Aspekt der <strong>Interkulturelle</strong>n <strong>Kompetenz</strong> 2 Tage<br />
13. Baustein: Stadtteil- und Netzwerkarbeit 1 Tag<br />
14. Baustein: Prävention von Abweichung im interkulturellen Feld 2 Tage<br />
Das Praktikum war ein wesentlicher Bestandteil des <strong>Zertifikatskurs</strong>. Durch den Aufenthalt im<br />
Ausland und die Mitarbeit in einer dortigen, interkulturell geprägten Einrichtung sollte ein<br />
Perspektivenwechsel ermöglicht werden. Die Konfrontation mit möglichen anderen Zugängen<br />
sollte die Beschäftigung mit den eigenen Ansätzen fördern.<br />
Die Bausteine Organisationsentwicklung dienen dazu, den Transfer des <strong>Kompetenz</strong>zuwachses<br />
für die eigene Organisation nutzbar zu machen. Diese Bausteine, jeweils in der Mitte und am<br />
Ende der Fortbildungsreihe platziert, sollen verhindern, dass die aus einer Organisation für eine<br />
Fortbildung abgeordnete Kraft mit ihrem Wissenszuwachs auf sich gestellt bleibt. Sie soll<br />
Hilfestellung erfahren, wie sie den Wissens- und Erkenntniszuwachs für die eigene Praxis und<br />
Organisation fruchtbar machen kann.<br />
Die fakultativen Bausteine ermöglichen den Teilnehmern, die Bausteine auszuwählen, die am<br />
ehesten den Bedürfnissen ihres Arbeitsfelds entsprechen.<br />
Der oben dargestellte <strong>Zertifikatskurs</strong> schloss mit einem Zertifikat der Fachhochschule<br />
Düsseldorf ab.<br />
Das Zertifikat der Fachhochschule Düsseldorf wurde nach Absolvierung von mindestens zehn<br />
Bausteinen, einer schriftlichen Arbeit und einer mündlichen Prüfung erteilt. In der schriftlichen<br />
Arbeit wurden die Transferprojekte dargestellt, in der mündlichen Prüfung wurden die Anlage<br />
und der Prozess des Transfers vertieft.<br />
Evaluation<br />
Dieser <strong>Zertifikatskurs</strong> wurde in seiner Wirksamkeit in Bezug auf den <strong>Kompetenz</strong>aufbau und<br />
die Nutzbarmachung für die eigene Berufspraxis bzw. Organisation durch die Fachhochschule<br />
Düsseldorf wissenschaftlich evaluiert.* 5)<br />
Der Kurs bestand anfänglich aus 26 Teilnehmenden, von denen vier im Kursverlauf<br />
ausschieden.<br />
Alle Bausteine wurden von den Teilnehmern und Teilnehmerinnen des <strong>Zertifikatskurs</strong>es als für<br />
die Praxis bedeutsam eingestuft. Den höchsten Wert erhielt der Baustein 10, "Zweiter Evaluationsbaustein:<br />
Organisationsentwicklung: Transfer in die Struktur der eigenen Institution".<br />
Bis auf zwei Personen haben alle übrigen einen Wissenszuwachs bzw. eine Aktualisierung<br />
vorhandenen Wissens erfahren. Hier kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass es in<br />
*5) Fischer V./Krumpholz D./Eichener V., 2005, <strong>Kompetenz</strong>entwicklung Transfer, Ausgewählte<br />
Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation des "<strong>Zertifikatskurs</strong>es <strong>Interkulturelle</strong> <strong>Kompetenz</strong> für<br />
BeraterInnen und PädagogInnen im Bereich B erufsorientierung",S. 82 – 133, in: Fischer V./Springer,<br />
M./Zacharaki. I. (Hrsg.) 2005, <strong>Interkulturelle</strong> <strong>Kompetenz</strong>, Fortbildung – Transfer-Organisationsentwicklung,<br />
Schwalbach/Ts.
Elementarerziehung<br />
<strong>Zertifikatskurs</strong> 6<br />
Zukunft Sinn machte, den Wissensbestand der Teilnehmer zu Beginn des Kurses zu erheben,<br />
um Kursangebote mit unterschiedlichem Niveau zu konzipieren, die passgenauer auf die<br />
Vorkenntnisse und <strong>Kompetenz</strong>en der Teilnehmenden abgestimmt sind.<br />
Die Mehrheit der Teilnehmenden hat durch den Kurs Impulse bekommen, über die eigenen<br />
Werte und Normen nachzudenken, Selbst- und Fremdbilder miteinander zu vergleichen und ein<br />
selbstkritischeres Verhältnis zur eigenen Berufsrolle zu bekommen. Nur drei Personen nahmen<br />
keine Auswirkungen an sich wahr.<br />
Zwanzig Personen haben während des Kurses Impulse zur Selbstreflexion bekommen, sich mit<br />
ihrem eigenen Wert- und Normsystem auseinander gesetzt, Wahrnehmungsbarrieren, Vorurteile<br />
und Stereotypen entdeckt und versucht abzubauen. Diese Selbstprüfung hat sowohl bei den<br />
deutschen Teilnehmenden als auch bei den Befragten mit Migrationshintergrund stattgefunden.<br />
Die teilnehmende Beobachtung der Wissenschaftler lässt die Schlussfolgerung zu, dass<br />
interkulturelle <strong>Kompetenz</strong> nicht nur theoretisch vermittelt werden kann, sondern zwingend auf<br />
Übungen zur Selbsterfahrung angewiesen ist. Allerdings konfligieren die Übungen mit den<br />
konventionellen Erwartungen der Teilnehmenden. Sinnvoll ist, an die jeweiligen Übungen<br />
Reflexionsphasen anzuschließen, um den Sinn und den Lernerfolg zu verdeutlichen.<br />
Als ein wichtiges Ziel des <strong>Zertifikatskurs</strong>es wurde der Transfer des Gelernten in die Struktur der<br />
eigenen Organisation bezeichnet. Die besondere Leistung, die den Kursabsolventinnen und<br />
–absolventen abverlangt wurde, bestand in einer Abschlussprüfung, die aus einem schriftlichen<br />
(Projektskizze) und mündlichen Teil (Erläuterung und Verteidigung des Entwurfs) bestand. Die<br />
Teilnehmenden sollten einen Projektentwurf einreichen, aus dem hervorging, dass sie imstande<br />
waren, das Gelernte auf ihr eigenen Arbeitsfeld zu übertragen und auf die Ziele, Zielgruppen,<br />
Methoden und Rahmenbedingungen ihrer Organisation zuzuschneiden. Damit sollte der Transfer<br />
des Wissens, also die Nutzung des im Kurs Gelernten für die eigene Arbeitssituation überprüft<br />
werden. Insgesamt 17 Zertifikatsarbeiten lagen am Ende des Kurses vor, fünf Teilnehmende<br />
gaben keine Arbeit ab. In 15 unterschiedlichen Einrichtungen sind Veränderungsprozesse<br />
angestoßen worden. Die Arbeitsergebnisse beziehen sich hauptsächlich auf die Verbesserung<br />
des Kommunikationsklimas im Team und eine veränderte Haltung zur Klientel.<br />
Kontaktadresse:<br />
Hauptstelle <strong>RAA</strong><br />
Dr. Monika Springer-Geldmacher<br />
Tiegelstr. 27<br />
45141 Essen<br />
Tel. 0201 / 83 28 304<br />
e-mail: springer-geldmacher.hauptstelle@raa.de<br />
Für das Projekt PIQUE (Das Projekt <strong>Interkulturelle</strong><br />
Qualifizierung für Erzieherinnen)<br />
Ein Kooperationsprojekt für eine zertifizierte Weiterbildung<br />
für Erzieherinnen der <strong>RAA</strong> Remscheid –<br />
Solingen – Wuppertal:<br />
<strong>RAA</strong> Wuppertal<br />
Anne Meyer<br />
Gathe 6<br />
42107 Wuppertal<br />
Tel. 0202 / 5 63 46 78
Elementarerziehung<br />
Rucksack-Projekt<br />
Ein Konzept zur Sprachförderung und<br />
Elternbildung im Elementarbereich<br />
Rucksack 1<br />
Durch die gesamte Schullaufbahn vieler Kinder aus Zuwandererfamilien zieht sich<br />
die Feststellung, dass ihre Sprachkenntnisse in Deutsch unzureichend sind. Für<br />
den Erfolg in der Zweitsprache kommt der Erstsprache aber eine große Bedeutung<br />
zu. Verfügt ein Kind in seiner Muttersprache über ausgebildete Sprachstrukturen,<br />
so kann es auch eine Zweitsprache erfolgreich erlernen.<br />
Entwicklungsphasen der Kinder nutzen<br />
Die Kleinstkindforschung hat uns in Zusammenarbeit mit der Hirnforschung Erkenntnisse vermittelt,<br />
dass früh, aber nur kurzzeitig geöffnete Zeitfenster für das optimale Aufnehmen von<br />
Sprache(n) dafür sprechen, die pädagogischen Anstrengungen zu intensivieren und zwischen<br />
Familie und Bildungseinrichtung aufeinander auszurichten, um Kindern so früh wie möglich<br />
Sprache(n) zu vermitteln. Dieser Lernprozess ist nicht auf eine Sprache begrenzt. Die optimalen<br />
Lernphasen enden aber früh. So genannte Entwicklungsfenster bestimmen, welche Fähigkeiten<br />
ein Kind wann erlangt. Nach drei Jahren endet der erste Entwicklungsschub, der zweite geht<br />
bis zur Pubertät. Entscheidend für die Zukunft eines Kindes ist also, was es in den ersten Jahren<br />
erlebt, um daraus zu lernen. Verpasste Momente für den Spracherwerb beispielsweise lassen<br />
sich nur sehr schwer nachholen. Kinder brauchen also eine an Entwicklungsverläufen orientierte<br />
Gestaltung von Bildungs- und Lernmöglichkeiten. Sie benötigen für ihre Entwicklung<br />
Anregungen und Erwachsene, die sich um sie kümmern.<br />
Regionale Arbeitsstellen<br />
zur Förderung von Kindern<br />
und Jugendlichen<br />
aus Zuwandererfamilien<br />
Mütter und Erzieherinnen<br />
werden<br />
Partner für die<br />
Sprachförderung<br />
der Kinder.
Elementarerziehung<br />
Methodische Vorgehensweise<br />
Das Programm "Rucksack" geht die Förderung von Kindern im Elementarbereich<br />
mehrdimensional und systemisch an: Es berücksichtigt die Entwicklung der Kinder<br />
in Bezug auf ihre Lebenswelt und ihre Familie. Es hat ebenso das Bildungssystem<br />
"Kindertagesstätte" und die in ihm Agierenden im Blick. Mütter, Erzieher<br />
und Erzieherinnen werden Partner für die Sprachförderung der Kinder. Rucksack<br />
zielt auf die Förderung der Muttersprachenkompetenz, auf die Förderung des<br />
Deutschen und auf die Förderung der allgemeinen kindlichen Entwicklung ab. Dabei werden<br />
die Mütter als Expertinnen für das Erlernen der Erstsprache angesprochen, nicht orientiert an<br />
ihren Defiziten, sondern an ihren Stärken. Durch Anleitung und mit Hilfe von Arbeits-materialien<br />
werden sie auf die Förderung der Muttersprache vorbereitet. Mütter werden so in ihrer Sozialisationskompetenz<br />
gestärkt. Sie treffen sich einmal in der Woche für zwei Stunden und machen<br />
gemeinsam Aktivitäten, die sie in der Woche mit ihren Kindern zu Hause durchführen sollen.<br />
Während dieser Treffen lernen sie den Wert von Literatur, Bilderbüchern, Liedern, den Wert des<br />
Spielens und Malens sowie der Verbindung von Sprache und Handeln für die Entwicklung ihres<br />
Kindes in der alltäglichen Beschäftigung kennen. In der Regel gehören die am Programm beteiligten<br />
Mütter der bildungsfernen Schicht an. Mit der kontinuierlichen Vermittlung des Programms<br />
über neun Monate wächst auch ihre muttersprachliche <strong>Kompetenz</strong> – ein Zuwachs, der<br />
sich unmittelbar für die Sprachentwicklung ihrer Kinder auswirkt.<br />
Die Anbindung an die Kindertagesstätte ist sehr wichtig und für die <strong>RAA</strong>´s eine Bedingung für<br />
die Weitergabe des Programms, denn hier soll die Förderung in der deutschen Sprache parallel<br />
zu der Arbeit mit den Müttern erfolgen. Die Kindertages-stätten verpflichten sich, das Programm<br />
der Mütter mit ihrem Konzept der Zweitsprachenvermittlung zu koordinieren. Die Erzieherinnen<br />
kennen das Programm genauso wie die Eltern und sollen möglichst parallel das Thema<br />
der Woche sprachlich in ihren Kindergartenalltag integrieren. Die Erzieherinnen werden<br />
durch die <strong>RAA</strong> mit Fortbildungsangeboten auf ihre Aufgabe vorbereitet.<br />
Die Programme sind nicht nur Sprach- und Lernprogramme, sondern reflektieren soziokulturelle<br />
Themen aus den Erfahrungsfeldern der Migrantenfamilien, Schule, Alltag, Freizeit, Feiertage,<br />
Feste und Religion. Die soziokulturell aufbereiteten Themenfelder sind gleichzeitig Anregung für<br />
die Kindertageseinrichtung, ihren Alltag interkulturell zu gestalten.<br />
Elternbegleiterinnen, Mütter und Erzieherinnen sind in dem Projekt Lernende und Gebende<br />
zugleich.<br />
Der Blick über den Zaun: Das Rucksack-Projekt aus Rotterdam<br />
Rucksack 2<br />
Der Arbeitskreis IKEEP (<strong>Interkulturelle</strong> Erziehung im Elementar- und Primarbereich) der Regionalen<br />
Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien<br />
(<strong>RAA</strong>) in <strong>NRW</strong> hat das aus den Niederlanden stammende Programm adaptiert und für den Einsatz<br />
in Deutschland übersetzt bzw. überarbeitet. Der interkulturelle und interaktive Ansatz wurde<br />
herausgearbeitet und der Lebensweltbezug für die Bedingungen in Deutschland hergestellt.<br />
Seit 1999 steht ein Materialpaket in Deutsch, Türkisch, Italienisch, Griechisch, Spanisch und<br />
Russisch zur Verfügung. Die arabische Überarbeitung steht ab Herbst 2005 bereit.
Elementarerziehung<br />
Rucksackmodelle (Typen)<br />
In <strong>NRW</strong> haben sich seit Beginn des Rucksackprojektes im Jahre 1999 zwei<br />
unterschiedliche Modelle bewährt.<br />
In dem Modell 1 werden Mütter, die sowohl ihre Muttersprache als auch die<br />
deutsche Sprache gut beherrschen, zu Stadtteilmüttern bzw. Elternbegleiterinnen<br />
ausgebildet, die jeweils eine Müttergruppe, deren Kinder die Kindertageseinrichtung<br />
besuchen, für Sprach- und Entwicklungsaktivitäten anleiten.<br />
In dem Modell 2 führen als Erzieherin ausgebildete Migrantinnen das Programm mit den Müttern<br />
durch.<br />
Die Elternbegleiterinnen werden durch Honorarmittel, ABM-Mittel oder ähnliche Programme<br />
finanziert.<br />
In der Regel erfolgt die Anleitung in der Muttersprache der Teilnehmerinnen, nur in heterogenen<br />
Gruppen kann die Anleitung auch in Deutsch erfolgen mit der Empfehlung an die Mütter, die<br />
Aufgaben zu Hause in ihrer Muttersprache durchzuführen.<br />
Die Umsetzungsstruktur des Rucksackprogramms ist abhängig von den örtlichen Bedingungen,<br />
wie z.B. den finanziellen und personellen Ressourcen. Vor diesem Hintergrund haben sich<br />
in der praktischen Umsetzung auch andere Rucksacktypen entwickelt und bewährt.<br />
Grundsätzlich ist die Durchführung des Programms für die Dauer von neun Monaten vorgesehen.<br />
Eine Rucksackgruppe setzt sich im Idealfall aus sieben bis zehn Müttern zusammen.<br />
Zielsetzungen des Rucksackprogramms<br />
Rucksack 3<br />
1. Die Förderung von Mehrsprachigkeit bei Migrantenkindern:<br />
Die Wertschätzung der Muttersprache bedeutet auch Erziehung zu Respekt vor anderen<br />
Werten. Die Förderung der Erstsprache ist Voraussetzung für den Erwerb der Zweitsprache.<br />
Mehrsprachigkeit ist eine Schlüsselqualifikation für soziale und berufliche Teilhabe in dieser<br />
Gesellschaft.<br />
2. Die Stärkung der Erziehungskompetenz:<br />
Die Mütter sollen als Erziehungsexpertinnen gestärkt werden und Verantwortung für Erziehung<br />
und Bildung ihrer Kinder übernehmen.<br />
3. Die Stärkung des Selbstwertgefühls der zugewanderten Mütter und deren Kinder:<br />
Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl der zugewanderten Mütter werden durch das eigene<br />
Lernen und die Übernahme von Aufgaben gestärkt, und das Anknüpfen an ihre Stärken wird<br />
angeregt. Ihnen wird der Wert der vorschulischen Förderung ihrer Kinder vermittelt. Das<br />
gestärkte Selbstbewusstsein der Mütter drückt sich in einer verantwortlichen Mitarbeit und in<br />
einer Auseinandersetzung mit den Erzieherinnen über die Ziele der Einrichtung aus. Die Kontaktaufnahme<br />
zu Müttern bzw. Eltern der eigenen kulturellen Gruppe und der Mehrheitsgesellschaft<br />
wird dadurch erleichtert. Damit geht eine Stärkung in der Entwicklung der Kinder einher.<br />
4. Die Stärkung der <strong>Interkulturelle</strong>n Pädagogik und des Mehrsprachenkonzepts der<br />
Einrichtung:<br />
Die Einrichtung übernimmt die Verantwortung für die Entwicklung der Kinder in Bezug auf ihre<br />
Mutter- und Zweitsprache. Sie entwickelt ein Konzept für Mehrsprachigkeit und Interkulturalität.<br />
In diesem Rahmen öffnet sie sich für ein interkulturelles Team und die teilhabende Rolle
Elementarerziehung<br />
der Eltern. Ein gleichbedeutender Schritt ist die Öffnung des Teams bzw. des Trägers<br />
für die Beschäftigung von muttersprachlichen Kräften in der Einrichtung.<br />
Evaluation/ Ergebnisse<br />
In <strong>NRW</strong> sind seit Beginn des Rucksackprojektes im Jahre 1999 bis Oktober 2004<br />
insgesamt 145 ”Rucksack I - Gruppen” in 22 Kommunen und Kreisen in <strong>NRW</strong><br />
entstanden. In ihnen wurden ca. 1.300 Mütter über neun Monate hinweg auf die spielerische<br />
Sprach- und Entwicklungsarbeit mit ihren Kindern vorbereitet. Inzwischen wird auch außerhalb<br />
von <strong>NRW</strong>, wie z.B. in Mannheim, Weinheim, Ludwigsburg, Augsburg, Kreis Oberschwaben und<br />
Lübeck mit diesem Programm gearbeitet. Alle beteiligten Kommunen bzw. Kooperationspartner<br />
haben aufgrund der guten Erfahrungen und der regen Inanspruchnahme des Projekts im<br />
zweiten Jahr ihr finanzielles Engagement erhöht. Die Erfahrungen der <strong>RAA</strong> mit der Umsetzung<br />
des Rucksackprojektes sind in die Richtlinien des Landes <strong>NRW</strong> über die Gewährung von<br />
Zuwendungen für Angebote zur Sprachförderung im Elementarbereich eingeflossen.<br />
Das Projekt wird in einer breiten Öffentlichkeit positiv wahrgenommen. Es ist in der Zwischenzeit<br />
mit zwei Preisen ausgezeichnet worden. Im Rahmen einer formativen Evaluation in<br />
den Jahren 2000 und 2002 wurden in der Stadt Essen alle Projektbeteiligten schriftlich zu den<br />
Auswirkungen des Projektes befragt ( 1 ). Die Ergebnisse spiegeln die guten Erfahrungen aus den<br />
verschiedenen Kommunen und Kreisen wider; sie sind deshalb tendenziell auch auf andere<br />
Rucksackgruppen übertragbar.<br />
Die wichtigsten Ergebnisse aus dieser Evaluation:<br />
Rucksack 4<br />
1. Verhältnis zwischen Müttern und Erzieherinnen:<br />
Die Mütter beurteilen das Projekt äußerst positiv. Sie beschreiben Veränderungen sowohl im<br />
Verhältnis zur Tagesstätte als auch zu ihrem Kind und innerhalb der Familie. Die Mehrzahl von<br />
ihnen tritt nun selbstbewusster auf und traut sich, ihre Meinung zu äußern. Von der Mehrheit<br />
der befragten Erzieherinnen wird ein größeres Interesse der beteiligten Mütter wahrgenommen.<br />
Bei fast Zweidrittel der Erzieherinnen hat das Projekt zu einem besseren Verständnis für die<br />
Situation nicht-deutschsprachiger Kinder und ihrer Familien geführt.<br />
2. Sprachentwicklung:<br />
Die Mütter wie auch die Erzieherinnen gaben an, dass die Sprachkompetenz sowohl in der<br />
Mutter- als auch in der Zweitsprache Deutsch deutlich besser geworden ist.<br />
3. Interaktion Mutter-Kind:<br />
Das Verhältnis zwischen den am Projekt teilnehmenden Müttern und ihren Kindern hat sich<br />
positiv entwickelt, was sich u. a. in häufigerer Beschäftigung mit dem Kind äußert. Die Mütter<br />
haben die Bedeutung von Sprache erkannt, d.h. Sprechen in Alltagssituationen hat einen höheren<br />
Stellenwert bekommen. Die Kinder werden jetzt an alltäglichen Dingen wie Hausarbeit oder<br />
Backen beteiligt oder gehen seither mit der Mutter einkaufen.<br />
1 Stadtteilmütter-Projekt <strong>Interkulturelle</strong> Sprachförderung und Elternbildung im Elementarbereich, Teil II,<br />
Evaluationsergebnisse der Modellphase, Stadt Essen <strong>RAA</strong>/Büro für interkulturelle Arbeit, Januar 2004
Elementarerziehung<br />
4. Weitere Wirkungen:<br />
■ Aus der Elternbildungsarbeit sind neue Aktivitäten mit Eltern/Müttern<br />
erwachsen, wie z.B.: Vorlesepaten, Sportgruppen, Gesprächskreise.<br />
■ Bei 77 Prozent der Mütter wurde Interesse für das Erweitern der eigenen<br />
Deutschkenntnisse geweckt.<br />
■ Die Lernfreude der Kinder hat zugenommen.<br />
■ Eltern trauen sich mehr, Ideen und Wünsche zu äußern und suchen das<br />
Gespräch.<br />
■ Eltern werden von den Mitarbeiterinnen der Kitas stärker akzeptiert.<br />
■ Mitarbeiterinnen der Kitas nehmen vermehrt an Fort- und Weiterbildungen zum Spracherwerb<br />
und zur interkulturellen Pädagogik teil.<br />
■ Das eigene Sprachverhalten wird bewusster beobachtet.<br />
■ Grundschulen nehmen eine Verbesserung in der (Sprach)entwicklung der am Programm<br />
beteiligten Kinder wahr.<br />
■ Der anfängliche Widerstand der Kitas gegen das ”verschulte” Material hat sich in positive<br />
Akzeptanz gewandelt.<br />
■ Die Kindergartenarbeit ist für Migranteneltern transparenter geworden.<br />
Einige Stimmen aus der Praxis:<br />
■ ”Vorher habe ich nicht daran gedacht, dass die frühe Förderung von Kindern so notwendig<br />
ist”<br />
■ ”...ich möchte, dass unsere Kinder einmal das gleiche Niveau erreichen wie deutsche<br />
Kinder”<br />
■ ”Vor Rucksack haben wir nur darauf geachtet, dass unsere Kinder genug essen, schlafen<br />
und trinken, jetzt achten wir mehr auf die Bedürfnisse unserer Kinder und die psychologischen<br />
Aspekte”<br />
■ ”Die Sprachkompetenz der ”Rucksackkinder” wird besser”<br />
■ ”Der Kontakt zu den Müttern ist offener und intensiver geworden”<br />
Ergänzende Programme:<br />
Rucksack 5<br />
a.) ”Griffbereit”, Mütter-Kind-Gruppen für Kleinkinder von ein bis maximal vier Jahren; anzusiedeln<br />
in Familienbildungs- und Kindertageseinrichtungen.<br />
b.) ”Rucksack II” für Grundschulkinder, Eltern und Lehrer; derzeit erfolgreiche Erprobung in<br />
einigen Essener Grundschulen.<br />
Kontaktadresse:<br />
Hauptstelle <strong>RAA</strong><br />
Dr. Monika Springer-Geldmacher<br />
Tiegelstraße 27<br />
45141 Essen<br />
Tel. 0201 / 83 28 304<br />
Fax: 0201 / 83 28 333<br />
e-mail: springer-geldmacher.hauptstelle@raa.de<br />
www.raa.de
Elementarerziehung<br />
Hocus und Lotus<br />
Wie kleine Kinder eine zweite Sprache<br />
lernen können<br />
Hocus und Lotus 1<br />
Warum wird ein Kind eine neue Sprache lernen? Weil sie so schön klingt? Weil sie<br />
ihm gefällt? Nein, ein Kind wird eine neue Sprache lernen wollen, weil ihm der<br />
Mensch gefällt, der sie spricht. Jedes Kind mit einer anderen Muttersprache, das<br />
in der Kindertageseinrichtung mit einer neuen Sprache konfrontiert wird, hat das<br />
Bedürfnis nach einem Kommunikationsmittel, mit dem es sich die umgebende<br />
Umwelt erschließen und neue Bindungen eingehen kann. Die Lust, jemandem,<br />
den man mag, etwas zu sagen, ist eine Grundvoraussetzung zum Sprechen.<br />
Man spricht, damit ein anderer etwas tut oder über etwas informiert ist.<br />
In den Geschichten von Hocus und Lotus geht es immer auch um Bindungen zum anderen und<br />
dem Wunsch nach Kommunikation. Hocus und Lotus sind zwei Dino-kroks, eine Mischung aus<br />
Dinosaurier und Krokodil. Hocus kommt aus einem Ei geschlüpft und ist plötzlich da. Die Kinder<br />
erleben sein Werden mit. Hocus trifft Lotus, und die beiden leben miteinander. Gerade aus<br />
dem Ei geschlüpft, erleben sie die Welt aus Kindersicht. Die Suche nach dem eigenen Ich spielt<br />
eine große Rolle. Sie probieren viel aus, lernen andere Wesen und die Naturgewalten kennen,<br />
schließen Freundschaften, erleben Abenteuer und machen Dummheiten, sie zanken und<br />
vertragen sich.<br />
Regionale Arbeitsstellen<br />
zur Förderung von Kindern<br />
und Jugendlichen<br />
aus Zuwandererfamilien
Elementarerziehung<br />
Die Geschichten sind in sechs Formate für die Dauer eines Jahres aufgeteilt. In der deutschen<br />
Sprache existiert das Programm für insgesamt fünf Jahre. Die Formate sind so aufeinander<br />
aufgebaut, dass die Sprachdifferenziertheit von Format zu Format zunimmt.<br />
Die Abenteuer von Hocus und Lotus wurden an der Universität La Sapienza in Rom von Prof.<br />
Traute Taeschner und ihrem Team entwickelt und durch die finanzielle Unterstützung aus dem<br />
Lingua und Sokrates Programm der EU in den Niederlanden, Großbritannien, Spanien und Italien<br />
erprobt. Das Programm will europäische Sprachen schon im Frühkindalter verbreiten helfen.<br />
Vom handelnden Nachahmen zum sprachlichen Begreifen<br />
Eine Hocus und Lotus Stunde ist eine “magische Lernzeit”. Die Erzieherin versammelt die<br />
Kinder um sich und zieht sich ein “magisches” T-Shirt über. Das ist das Zeichen für die Kinder,<br />
dass das Format beginnt. Ab jetzt wird nur noch in der anderen Sprache kommuniziert. Alle<br />
fassen sich an der Hand und sprechen eine magische Formel, z.B. zählen alle gemeinsam in<br />
der fremden Sprache bis zehn, dann rückwärts bis eins: Nun kann die Magie der Sprache<br />
wirken. Das Ritual bewirkt, dass die Kinder ganz ruhig und aufmerksam werden. Sie sind jetzt<br />
bereit, die Geschichte von Hocus und Lotus in einer fremden Sprache zu erleben.<br />
Die Geschichte ist ein Wechsel von Erzählung und aktivem Spiel. Taeschner nennt die Methode<br />
“Mimisches Theater”, mithilfe dessen das Kind tatsächlich direkte Erfahrungen in der neuen<br />
Sprache machen kann, die helfen, die neue Sprache zu verinnerlichen. Alles, was gesprochen<br />
wird, wird mimisch und gestisch unterstützt. Auf das mimische Erzählen der Erzieherin folgt die<br />
Wiederholung durch die Kinder. Sie erfahren die Sprache und ihre Bedeutung durch Tun.<br />
Ein Format wird in mehreren Versionen durchgeführt:<br />
■ Mimisch-gestisch-lautmalerisch als Erzählung<br />
■ Singend-pantomimisch-tanzend als Musical<br />
■ Visualisiert mit dem Bilderbuch und dem Zeichentrickfilm<br />
■ Gestalterisch-reproduzierend durch Malen, Tonarbeiten, Domino spielen etc.<br />
■ Das Erzählen und Aufschreiben (mit Hilfe der Erzieherin) eigener Hocus und<br />
Lotus-Geschichten.<br />
Durch die Wiederholung in vielfältiger, immer variierter Form kann das Kind seine eigene Erfahrung<br />
mit der neuen Sprache machen. In der Erzählsequenz übernimmt das Kind gestisch und<br />
mimisch untermalt verschiedene Rollen. Es lernt die dazu gehörenden Dialoge spielerisch zu<br />
verstehen. Das Singen zur Musik mit der pantomimischen – tänzerischen Unterstützung wird<br />
zum Festiger der Sprachmelodie und des Sprachschatzes. Das Anschauen des Bilderbuchs<br />
und des Videos entwickelt und festigt Bilder und Zusammenhänge. Im gestalterisch-reproduzierenden<br />
Tun kann das Kind das Gelernte generalisieren. Der Übertragungsprozess auf den<br />
Alltag kann beginnen.<br />
Deutsch für Kinder mit einer anderen Muttersprache<br />
Hocus und Lotus 2<br />
Obwohl Hocus und Lotus eigentlich für das Erlernen einer Fremdsprache im frühkindlichen<br />
Alter konzipiert ist, empfehlen wir Hocus und Lotus als Deutschlernprogramm für Kinder aus<br />
Zuwandererfamilien ab dem Alter von drei, die als Sprachanfänger in der Zweitsprache in die<br />
Kindertageseinrichtungen kommen. Durch rhythmisch-musikalische Bewegung werden
Elementarerziehung<br />
Atmung, Sprachmotorik und Bewegungskoordination aktiviert, ein Zusammenspiel, was schon<br />
bei der Entwicklung der Erstsprache hilfreich ist. Durch das handelnde Nachahmen der Zweitsprache<br />
erwächst das Begreifen der Kinder. So früh wie möglich eingesetzt, eingebettet in eine<br />
ansonsten sprachanregend gestaltete alltägliche Kindergartenarbeit, erwarten wir eine gute<br />
Sprachentwicklung in der Zweitsprache, weil die Kinder mit Hocus und Lotus handelnd und<br />
nachahmend die Sprachmelodie und den Sprachaufbau des Deutschen spielerisch aufnehmen.<br />
Das Bildungsgeschehen wird durch sensorisch-motorische Prozesse unterstützt. Gestik,<br />
Tanz, Gesang und Pantomime beschleunigen das Sprachenlernen. Die Kinder werden zum<br />
Zuhören, Verstehen und Sprechen animiert. Aus dem was sie aufnehmen, erfassen sie die<br />
Prinzipien der neuen Sprache und konstruieren aus diesen Prinzipien neue Sätze. Durch ihre<br />
gewonnene Sensibilität für die neue sie in der Einrichtung umgebenden Sprache wird schneller<br />
die aktive Reproduktion im Alltag befördert.<br />
Das Konzept des Formats – Wiederholung fördert Bindung,<br />
fördert Kommunikationsbedürfnis<br />
Ein Format von Hocus und Lotus wird circa 15 mal wiederholt. Taeschner definiert das Format<br />
als ein gemeinsames Erleben unter zwei (oder mehr) Menschen. Die Erwartungen dem anderen<br />
gegenüber haben das Bedürfnis nach Kommunikation zur Folge. Gemeinsame Gewohnheiten<br />
bilden die Basis zum Verständnis und des Kommunikationsbedürfnisses von Kindern und<br />
Erwachsenen. Taeschner erinnert an das Format der sich immer wiederholenden Tätigkeiten<br />
des Trinkens oder des Windelwechselns, das das Kind im Säuglingsalter an eine Person, in der<br />
Regel an die Mutter bindet. Die Erwartungen bezüglich des Verhaltens des anderen wird von<br />
den gemeinsamen, sich wiederholenden Handlungen bestimmt, eben dem Format.<br />
Mit den gemeinsamen Aktionen mit Hocus und Lotus (Erzählen, Singen, Spielen, Bilderbuch<br />
anschauen, Video sehen etc.) wächst die Bindung unter den Agierenden und das Kommunikationsbedürfnis.<br />
Die Bedeutungen der Worte entwickeln sich.<br />
Die “magische” Erzieherin<br />
Hocus und Lotus 3<br />
Im Training für Hocus und Lotus erwirbt die Erzieherin die Fähigkeit für “magisches Erzieherverhalten”.<br />
Taeschner hat Erzieherverhalten analysiert und herausgefunden, wann es erfolgreich<br />
für das Erlernen von etwas Neuem und wann hinderlich ist. Zwischen Kind und Erwachsenem<br />
muss ein Verhältnis gegenseitiger Zuneigung bestehen, muss eine Beziehung zueinander aufgebaut<br />
werden.<br />
Beziehung beginnt mit dem Blickkontakt. Helfer zum Verständnis der Wörter sind Gesten,<br />
gespielte Aktionen, Gesichtsausdruck, Körperhaltung und der Ton der Stimme, der die Gefühle<br />
wiedergibt, mit denen die Wörter interpretierbar werden. Taeschner unterstreicht die Wichtigkeit<br />
des Blickkontakts und des Lächelns für eine gelingende Kommunikation. Der Blick sollte<br />
sich auf die Kinder richten und in einem stetigen sinnvollen Wechsel auf ein imaginiertes<br />
Objekt.<br />
Die magische Erzieherin spricht langsam, in einem kontinuierlichen Erzählfluss, mit ruhigem<br />
Rhythmus; sie begleitet und unterstützt das Erzählen durch narrative Gesten. Diese Verhaltensweisen<br />
erzeugen in der Interaktion mit den Kindern eine emotionale und phantastische<br />
Komplizenschaft und vereint die Erzieherin, die Kinder und die Figuren der erzählten<br />
Geschichte miteinander.
Elementarerziehung<br />
Wissenschaftliche Erkenntnisse<br />
Kontaktadresse:<br />
Hauptstelle <strong>RAA</strong><br />
Dr. Monika Springer-Geldmacher<br />
Tiegelstr. 27<br />
45141 Essen<br />
Tel. 0201 / 83 28 304<br />
e-mail: springer-geldmacher.hauptstelle@raa.de<br />
www.raa.de<br />
und auf der italienischen website<br />
www.hocus-lotus.edu<br />
Hocus und Lotus 4<br />
Traute Taeschner hat umfassend die Wirkungsweise von Hocus und Lotus erforscht. Die<br />
linguistische Analyse der mündlichen Erzählungen der Kinder ergab, dass 68 Prozent der<br />
Kinder in der Lage waren, Geschichten mit mehr als 100 Wörtern zu erzählen. Die Kinder waren<br />
tatsächlich in der Lage, die Geschichten nachzuerzählen. Es wurden durchschnittlich 87 Prozent<br />
der Ereignisse wiedergegeben. Die Episoden der Geschichten wurden zu 68 Prozent in<br />
mehr als einem Satz wiedergegeben.<br />
In gemischten Gruppen im Alter von drei, vier und fünf Jahren ergaben die Sprachproben, dass<br />
die größeren Kinder nach einem Jahr Arbeit mit den Formaten eine größere Zahl von Sätzen zu<br />
gebrauchen wissen. Sechsjährige verwenden bereits komplexe Sätze, während solche Sätze<br />
bei den Vierjährigen praktisch völlig fehlen.<br />
Kinder, die der soziokulturellen Unterklasse zuzurechnen sind, lernen die Fremdsprache mit<br />
gutem Erfolg und zeigen somit, dass sie nicht benachteiligt worden sind. Alle Kinder drücken<br />
sich auf ähnliche Weise aus, sowohl hinsichtlich des Verhältnisses zwischen vollständigen und<br />
unvollständigen Strukturen.<br />
Durchführung in <strong>NRW</strong><br />
Hocus und Lotus wird in Kindergärten mit Anfängern der Zweitsprache Deutsch durchgeführt.<br />
Die Erzieherinnen berichten von einem Lernfortschritt, den sie mit keiner anderen Maßnahme<br />
in vergleichbarem Umfang erreicht haben.<br />
In einer Grundschule wird Hocus und Lotus in vier ersten Parallelklassen in den Sprachen<br />
Deutsch, Italienisch, Französisch und Türkisch durchgeführt.<br />
Das Material besteht aus:<br />
MATERIAL DEUTSCH<br />
1) Materialpaket für die Erzieherin/LehrerIn LEVEL 1<br />
PREIS<br />
(Lehrerheft + DVD + T-shirt für Erwachsene + Tasche)<br />
2) Für das Kind: SING ALONG level 1 DEUTSCH<br />
€ 60,00<br />
(CD + Bilderbüchlein mit 6 Geschichten) € 9,95<br />
3) Für das Kind: VIDEOCARTOON (6 Cartoons von Hocus und Lotus) € 9,95<br />
4) Für das Kind: Zauber (oder Magisches) Dino T-shirt + Dinotasche<br />
dito Level 2, 3, 4 und 5<br />
€ 9,95<br />
Verfügbare Sprachen sind Deutsch, Italienisch, Französisch, Englisch und Spanisch