Gleichstellung im Blick
„Gleichstellung im Blick“ ist der neue Informationsdienst rund um die Arbeit der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten. Unser aktueller Beratungs- und Informationsdienst, der Ihnen unabhängige ausgewählte Informationen über rechtliche und politische Entwicklungen und den Rat von Gleichgesinnten an die Hand gibt – für Ihre erfolgreiche und anerkannte Gleichstellungsarbeit!
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F E B R U A R 2 0 1 6<br />
<strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Blick</strong><br />
Aktuelle Rechtsinformationen für Ihre erfolgreiche <strong>Gleichstellung</strong>sarbeit Nr. 3<br />
Arglistige Täuschung kann schwere<br />
Folgen haben<br />
Immer wieder stellt sich in der Praxis die Frage, inwieweit falsche Angaben<br />
bei einer Einstellung oder wie hier vorliegend einer Verbeamtung zu einer<br />
Aufhebung der Verbeamtung bzw. des Arbeitsverhältnisses führen können.<br />
Das sagt das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt in seinem Beschluss vom<br />
25.9.2015 dazu (Az. 1 L 657/15.NW).<br />
Der Fall<br />
Im Vorliegenden ging es um einen Polizisten, der einen Fragebogen bei einer<br />
amtsärztlichen Untersuchung <strong>im</strong> Jahre 2007 falsch beantwortet hatte. Er hatte<br />
eine Frage bezüglich bestehender Krankheiten wahrheitswidrig beantwortet,<br />
nämlich angegeben, dass er keine der abgefragten Krankheiten hätte. Tatsächlich<br />
war es aber so, dass der Polizist in psychotherapeutischer Behandlung<br />
war und diese Tatsache bei der amtsärztlichen Untersuchung nicht hätte verschweigen<br />
dürfen.<br />
Dem Polizisten war durchaus klar, dass er seine psychischen Probleme und<br />
Beschwerden bei der Feststellung seiner gesundheitlichen Eignung für eine<br />
Verbeamtung auf Lebenszeit hätte angeben müssen und dass diese psychischen<br />
Beschwerden tatsächlich auch für die Verbeamtung relevant waren.<br />
Als sein Dienstherr <strong>im</strong> Nachhinein von den psychischen Beschwerden und<br />
der Behandlung erfuhr, widerrief er die Ernennung des Polizisten zum Beamten<br />
auf Lebenszeit.<br />
Der Polizist klagte vor dem VG, da er davon ausging, dass die Rücknahme der<br />
Ernennung rechtswidrig war.<br />
Die Entscheidung<br />
Das VG Neustadt hält die Zurücknahme der Ernennung zum Beamten für<br />
rechtswirksam. In der entsprechenden Vorschrift des Landesbeamtengesetzes<br />
sei vorgesehen, dass eine Rücknahme der Verbeamtung dann erfolgen könne,<br />
wenn diese Verbeamtung durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung<br />
zustande gekommen sei.<br />
Fortsetzung auf Seite 2 <br />
In dieser Ausgabe lesen Sie unter anderem:<br />
So überzeugen Sie <strong>im</strong> Amt! 3<br />
Organisieren Sie sich <strong>im</strong> Team 4–5<br />
Schwerbehinderte zum Vorstellungsgespräch einladen 7<br />
Sonntags gehen Kündigungen nicht zu 8<br />
So arbeiten Sie <strong>im</strong> Team<br />
Liebe LeserInnen,<br />
ich hoffe, Sie sind<br />
gut ins neue Jahr gestartet,<br />
und wünsche<br />
Ihnen ein erfolg -<br />
reiches Jahr 2016!<br />
Wie mir häufig berichtet wird,<br />
macht vielen <strong>Gleichstellung</strong>s -<br />
beauftragten die Position der Einzelkämpferin<br />
zu schaffen. Machen<br />
Sie sich den Schwung des neuen<br />
Jahres zu eigen und verändern Sie<br />
diese missliche Situation. In einem<br />
Team lässt es sich leichter arbeiten<br />
– halten Sie daher Ausschau nach<br />
weiteren „Teamplayern“.<br />
Wie das gehen kann, habe ich<br />
Ihnen auf unseren Schwerpunkt -<br />
seiten (Seiten 4–5) zusammen -<br />
gestellt. Muster-Schreiben,<br />
praktische Tipps und Hinweise<br />
unterstützen Sie dabei, die eigene<br />
Teamarbeit zu organisieren.<br />
Nutzen Sie die Chancen, die in<br />
einer gelungenen Teamarbeit<br />
stecken!<br />
Ich wünsche Ihnen hierbei viel<br />
Erfolg.<br />
Mit den besten Grüßen aus der<br />
Bremer Überseestadt<br />
Rechtsanwältin Inge Horstkötter<br />
Chefredakteurin<br />
Rechtsanwälte Korzus, Piewack,<br />
Horstkötter und Partner<br />
Rechtsanwältin Inge Horstkötter<br />
begleitet seit Jahren Frauenund<br />
<strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte<br />
bei ihrer Arbeit<br />
www.rain-horstkoetter.de<br />
<strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Blick</strong> Februar 2016 1
AKTUELLE URTEILE FÜR IHRE GLEICHSTELLUNGSARBEIT<br />
Anfechtung des<br />
Arbeitsvertrags –<br />
Voraussetzungen<br />
Wie die nebenstehende Entscheidung<br />
zeigt, können Falschangaben<br />
<strong>im</strong> Rahmen eines Beamtenverhältnisses<br />
zu unangenehmen<br />
Konsequenzen führen. Wie sich<br />
das bei Tarifbeschäftigten verhält,<br />
habe ich Ihnen hier zusammengefasst.<br />
Falsche Angaben =<br />
Anfechtung<br />
Beantwortet eine Tarifbeschäftigte<br />
oder ein Tarifbeschäftigter eine<br />
zulässige Frage z. B. <strong>im</strong> Bewerbungsgespräch<br />
bewusst falsch, so<br />
kann dies zur Anfechtung des Arbeitsvertrages<br />
wegen arglistiger<br />
Täuschung führen.<br />
Hat der Arbeitgeber Kenntnis von<br />
der Lüge, so muss er die Anfechtung<br />
innerhalb eines Jahres, nachdem<br />
er von der Täuschung erfahren<br />
hat, erklären. Hat er dies getan,<br />
so führt das dazu, dass das<br />
Arbeitsverhältnis quasi rückwirkend<br />
als nichtig angesehen wird.<br />
Folge: Arbeitsvertrag nichtig<br />
Da aber eine Arbeitsleistung nicht<br />
rückabgewickelt, das heißt, nicht<br />
zurückgegeben werden kann,<br />
wirkt die Anfechtung <strong>im</strong> Arbeitsverhältnis<br />
nur in die Zukunft. Das<br />
Arbeitsverhältnis ist daher bei der<br />
Anfechtung – wie bei einer fristlosen<br />
Kündigung – sofort beendet.<br />
Natürlich können sich Beschäftigte<br />
auch gegen eine Anfechtung arbeitsgerichtlich<br />
wehren.<br />
Fazit<br />
Eine Anfechtung wirkt wie eine<br />
fristlose Kündigung <strong>im</strong> Arbeitsverhältnis.<br />
Sie kann vom Arbeitgeber<br />
erklärt werden, wenn zulässige<br />
Fragen wahrheitswidrig<br />
beantwortet wurden.<br />
Fortsetzung von Seite 1<br />
Wann eine arglistige Täuschung anzunehmen ist<br />
Das Gericht führt in seiner Begründung aus, dass eine arglistige Täuschung<br />
anzunehmen sei, wenn der zu Ernennende durch<br />
Angaben, deren Unrichtigkeit ihm bewusst sind oder<br />
Angaben, deren Unrichtigkeit er für möglich hielt oder<br />
Verschweigen wahrer Tatsachen<br />
bei einer der an der Ernennung maßgeblich beteiligten Personen der Ernennungsbehörde<br />
einen Irrtum hervorrief, um diese durch Täuschung zu einer<br />
günstigen Entschließung zu best<strong>im</strong>men.<br />
Übersetzt heißt dies: Wer bewusst wahrheitswidrig antwortet oder aber auch<br />
einen Irrtum durch Verschweigen von Tatsachen hervorruft, begeht eine „arglistige<br />
Täuschung“.<br />
Das Gericht führte hier weiter aus, dass der Beamte mit seinen bewusst unvollständigen<br />
und unrichtigen Angaben eine arglistige Täuschung herbeigeführt<br />
habe, und hielt insoweit die Rücknahme der Ernennung für rechtlich<br />
in Ordnung.<br />
Recht des Arbeitgebers auf wahrheitsgemäße Beantwortung<br />
Im Beamten- wie auch Arbeitsrecht gilt der Grundsatz, dass Fragen, an denen<br />
dem Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse zuzubilligen ist, wahrheitsgemäß<br />
beantwortet werden müssen. Wenn z. B. eine Erkrankung für die in Aussicht<br />
genommene Stelle oder Position von Bedeutung ist, darf der Arbeitgeber bzw.<br />
Dienstherr hiernach fragen. Und der oder die Bewerber/-in muss die Frage<br />
wahrheitsgemäß beantworten. Gelogen werden darf nur bei Fragen, die rechtlich<br />
unzulässig sind.<br />
So gehen Sie am besten vor<br />
Veröffentlichen Sie diese Entscheidung an Ihrem Schwarzen Brett oder auf<br />
Ihrer Intranet-Seite.<br />
Weisen Sie Beschäftigte in Beratungen ggf. darauf hin, dass Falschangaben zu<br />
einer Rücknahme der Verbeamtung führen können oder bei den Tarifbeschäftigten<br />
zur Anfechtung eines Arbeitsvertrags. Was diese hierbei zu beachten<br />
haben, erfahren Sie in der Randspalte.<br />
Fazit<br />
Eine aus meiner Sicht nachvollziehbare Entscheidung. Wahrheitswidrig<br />
geantwortet werden darf tatsächlich nur auf Fragen, die <strong>im</strong> Rahmen eines<br />
Einstellungsverhältnisses oder hier Verbeamtungsverhältnisses unzulässig<br />
waren.<br />
Entscheidend: Berechtigtes Interesse<br />
Bekannterweise ist es aber erlaubt, vor der Verbeamtung die gesundheitliche<br />
Eignung mittels Abfragen festzustellen. Auch hier darf selbstverständlich<br />
nicht über gesundheitlich für die Tätigkeit relevante Beeinträchtigungen<br />
getäuscht werden. Dem Arbeitgeber ist hier ein berechtigtes<br />
Interesse zuzubilligen, zu erfahren, inwieweit der Polizeibeamte tatsächlich<br />
auch für die Tätigkeit gesundheitlich geeignet ist.<br />
2 <strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Blick</strong> Februar 2016
PRAKTISCHE GLEICHSTELLUNGSARBEIT<br />
Schulen Sie Ihre Überzeugungskraft<br />
Sie als <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte müssen <strong>im</strong> Rahmen Ihres Amtes ja häufig genug Überzeugungsarbeit leisten.<br />
Nicht <strong>im</strong>mer ist es letztlich einfach, die eigene Auffassung durchzusetzen und das Gegenüber zu überzeugen. Welche<br />
Tricks Sie hierbei beachten sollten, habe ich Ihnen in diesem Beitrag zusammengestellt.<br />
Das Prinzip der kleinen Schritte<br />
Sie kennen das ja vielleicht auch: Ihre Dienststellenleitung<br />
weigert sich beharrlich, etwas für Frauen in Führungspositionen<br />
zu tun. Nun könnte man auf die Idee kommen,<br />
diese halsstarrige Dienststellenleitung durch eine beharrliche<br />
Wiederholung der eigenen Forderung zu überzeugen,<br />
Superargumente vorzubringen oder einfach auch<br />
verschärft zu fordern. All das wird Sie allerdings nicht<br />
weiter bringen und Sie unnötig Kraft <strong>im</strong> Amt kosten.<br />
Weitaus effektiver und in der Regel auch klüger ist es, das<br />
Prinzip der kleinen Schritte zu verfolgen und Ihr Gegenüber<br />
weg von der Verweigerung hin<br />
1. zum Zuhören,<br />
2. zum Inbetrachtziehen,<br />
3. zur Bereitschaft und<br />
4. zum Tun<br />
zu führen.<br />
Geben Sie Ihrem Gegenüber Zeit<br />
Dies bedeutet in der Konsequenz: Es kommt gar nicht so<br />
sehr darauf an, sofort etwas durchzusetzen, sondern zunächst<br />
Zeit zu geben, in Ruhe zuzuhören, sich zu vergegenwärtigen,<br />
dass Ihr Gegenüber erst einmal Zeit<br />
braucht, das Vorbringen auch in Betracht zu ziehen, und<br />
abzuwarten, inwieweit sich hier eine Bereitschaft entwickelt,<br />
das Gesagte dann auch umzusetzen.<br />
In Gesprächen sollten Sie sich <strong>im</strong>mer wieder klarmachen,<br />
in welchem Stadium der Überzeugungsarbeit Sie sich gerade<br />
befinden, und sich nicht durch eigene Befindlichkeiten<br />
von diesem Mehrschrittsystem abbringen lassen.<br />
Lassen Sie sich nicht zum Sch<strong>im</strong>pfen hinreißen<br />
Natürlich verärgert es einen, wenn man beharrlich <strong>im</strong>mer<br />
wieder versuchen muss, den Gesprächspartner zu überzeugen,<br />
und dabei auf Desinteresse oder gar Aggression<br />
stößt. Dennoch dürfen Sie sich nicht dazu hinreißen lassen,<br />
Ihrem Ärger oder Ihrer Wut oder gar Verzweiflung freien<br />
Lauf zu lassen. Wenn Sie sch<strong>im</strong>pfen müssen, dann tun Sie<br />
es innerlich. Experten raten hier zu sogenannten innerlichen<br />
Kraftausdrücken, um wieder runterzukommen.<br />
Offenheit hilft<br />
Nur wenn Sie sich selbst öffnen, wird Ihr Gegenüber offen<br />
für das sein, was Sie zu vermitteln haben. Sie sollten<br />
sich bemühen, Ihr Gegenüber einmal aus einer anderen<br />
Perspektive zu betrachten, und nicht die eigenen Vorurteile<br />
pflegen. Überprüfen Sie hier außerdem einmal, welche<br />
Vorurteile Sie tatsächlich gegen Menschen haben, bei<br />
denen Sie <strong>im</strong>mer wieder mit Ihren Argumenten auf Granit<br />
beißen.<br />
Tipp<br />
Hilfreich kann es hier sein, sich vorzustellen, was die<br />
Gründe sein könnten, warum Ihr Gegenüber dichtmacht<br />
und Ihren Argumenten nicht folgen will.<br />
Ein Ja hilft stets weiter<br />
In vielen Situationen haben Sie vielleicht auch schon erfahren<br />
müssen, dass Personen, mit denen Sie nicht so<br />
richtig klarkommen, stets ein „Nein“ oder ein „Aber“ auf<br />
den Lippen haben.<br />
Sollte dies der Fall sein, dann versuchen Sie mal diesen kleinen<br />
Trick: Entlocken Sie Ihrem Gegenüber ein „Ja“, z. B.<br />
mit einer Frage, bei der Sie vermuten, dass er/sie diese<br />
positiv bestätigen wird. Damit können Sie die unzähligen<br />
Neins durchbrechen und so die Gesprächssituation positiv<br />
gestalten.<br />
Seien Sie wertschätzend<br />
Auch wenn Sie sich über Ihren Widersacher / Ihre Widersacherin<br />
häufig ärgern, überlegen Sie dennoch einmal,<br />
welche Dinge Sie an dieser Person auch wertschätzen<br />
können. Eine wertschätzende Haltung macht jede Gesprächssituation<br />
angenehmer und kann dazu führen, dass<br />
Ihr Gegenüber Ihre Argumente wohlwollender in Betracht<br />
zieht.<br />
Hiermit ist allerdings nicht bloße Schmeichelei gemeint,<br />
sondern es muss sich tatsächlich um eine echte Wertschätzung<br />
handeln – diese darf also keinesfalls unehrlich<br />
gemeint sein.<br />
Aber: keine Manipulation!<br />
Hier sollten Sie allerdings mit aller Vorsicht vorgehen;<br />
leicht wird ein solches Vorgehen auch als Manipulation<br />
missverstanden.<br />
Im Rahmen des Zeigens von Wertschätzung geht es vielmehr<br />
darum, die eigene Einstellung ein Stück weit von<br />
negativ zu positiv zu verändern, auf sein Gegenüber<br />
ebenfalls einen positiven und nicht negativen <strong>Blick</strong> zu<br />
werfen und dies eben auch deutlich zu machen.<br />
<strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Blick</strong> Februar 2016 3
GLEICHSTELLUNGSTEAMS BILDEN<br />
So organisieren Sie Ihr Team<br />
Sie als <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte <strong>im</strong> Amt haben ja zunächst <strong>im</strong>mer eine Einzelkämpferinnenposition, so sehen<br />
es jedenfalls die Frauengleichstellungsgesetze in Bund und Ländern regelhaft vor. Dennoch gibt es Möglichkeiten,<br />
dass Sie <strong>im</strong> Team arbeiten. Wie das funktionieren kann, können Sie hier erfahren.<br />
Teamarbeit – warum sich das lohnt!<br />
Vielleicht schielen Sie manchmal neidisch zum Personalrat<br />
hinüber – dieser kann ja <strong>im</strong> Gremium arbeiten und<br />
muss nicht jegliche Entscheidung alleine treffen. Ihm stehen<br />
<strong>im</strong>mer Kolleginnen und Kollegen zur Seite, was nicht<br />
nur die Alltagsarbeit entlastet, sondern auch das einzelne<br />
Personalratsmitglied weniger angreifbar macht. Viele Vorteile<br />
also, die Teamarbeit bieten kann.<br />
Nutzen Sie also die Möglichkeit, sich gleichermaßen als<br />
Team aufzustellen. Die Regelungen in den Frauengleichstellungsgesetzen<br />
in Bund und Ländern sind hier allerdings<br />
recht unterschiedlich. Nicht alle Gesetze erlauben<br />
es, dass tatsächlich ein Team gebildet wird.<br />
Ihre Stellvertreterin als Teamplayerin<br />
Zunächst einmal können Sie Ihre Stellvertreterin aktiv<br />
mit in das <strong>Gleichstellung</strong>steam einbeziehen. Dies setzt<br />
natürlich voraus, dass Sie sich mit Ihrer Stellvertreterin<br />
gut verstehen und insoweit vertrauensvoll zusammenarbeiten<br />
können.<br />
Ist dies der Fall, so könnte es aber folgende rechtliche<br />
Hindernisse geben: In der Regel ist die Stellvertretung der<br />
<strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragten als sogenannte Abwesenheitsvertretung<br />
konzipiert. Das heißt, die Stellvertreterin<br />
darf nur <strong>Gleichstellung</strong>sarbeit machen, wenn Sie als<br />
<strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte selber nicht <strong>im</strong> Amt sind.<br />
Die Praxis zeigt aber, dass viele Dienststellen durchaus<br />
daran interessiert sind, auch die Stellvertreterin mit in die<br />
<strong>Gleichstellung</strong>sarbeit einzubeziehen, und sich insoweit<br />
verhandlungsbereit zeigen. Für die Dienststelle hat dies<br />
den Vorteil, dass die <strong>Gleichstellung</strong>sarbeit schneller vorangeht,<br />
als wenn nur Sie als <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte<br />
alleine vor den zahlreich zu bearbeitenden Fällen sitzen.<br />
Verhandeln Sie!<br />
Sie sollten daher, wenn Sie an Teamarbeit interessiert<br />
sind, Ihrer Dienststellenleitung vorschlagen, dass auch<br />
Ihre Stellvertreterin in die laufende <strong>Gleichstellung</strong>sarbeit<br />
einbezogen wird. Diese würde Sie dann wie eine Mitarbeiterin<br />
unterstützen. In vielen Fällen wird dies allerdings<br />
vom Goodwill des Arbeitgebers abhängen, insoweit ist<br />
Ihr Verhandlungsgeschick gefragt.<br />
Weiter müssen Sie damit rechnen, dass Ihr Arbeitgeber,<br />
wenn er die Stellvertreterin freistellt, darauf pocht, dass die<br />
Freistellung von Ihrer eigenen Freistellung abgezogen wird.<br />
Trotzdem kann eine Zusammenarbeit für Sie beide viele<br />
Vorteile haben. Nutzen Sie das folgende Muster-Schreiben,<br />
wenn Sie mit dem Gedanken spielen, mit Ihrem Arbeitgeber<br />
hierüber in Verhandlung zu treten.<br />
Muster-Schreiben:<br />
Freistellung der Stellvertreterin<br />
Die <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte<br />
<strong>im</strong> Hause<br />
An die<br />
Dienststellenleitung<br />
<strong>im</strong> Hause<br />
Freistellung der stellvertretenden<br />
<strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragten<br />
Sehr geehrte Frau …, / Sehr geehrter Herr …,<br />
Ort/Datum<br />
<strong>im</strong>mer wieder stelle ich in meiner Praxis fest, dass ich mit<br />
einer Vielzahl von Vorgängen täglich zu kämpfen habe<br />
und die Bearbeitung dadurch manchmal nicht zügig genug<br />
erfolgen kann. Ich habe mir daher überlegt, dass es<br />
für beide Seiten sinnvoll wäre, meine Stellvertreterin, Frau<br />
…, mit einem Zeitanteil von 2 Nachmittagen in der Woche<br />
für die <strong>Gleichstellung</strong>sarbeit ebenfalls freizustellen.<br />
Meine Stellvertreterin würde insoweit wie eine Mitarbeiterin<br />
für mich tätig werden.<br />
Für die Dienststelle hätte dies den Vorteil, dass die <strong>Gleichstellung</strong>sarbeit<br />
zügiger vorangetrieben werden könnte und<br />
meine Stellvertreterin <strong>im</strong> Vertretungsfall auch eingearbeitet<br />
wäre.<br />
Mit meiner Stellvertreterin habe ich bereits gesprochen,<br />
sie ist grundsätzlich damit einverstanden, dass sie an<br />
2 Nachmittagen <strong>im</strong> <strong>Gleichstellung</strong>sbüro mitarbeitet.<br />
Selbstverständlich müsste sie dann aber <strong>im</strong> Rahmen ihrer<br />
Hauptleistungspflichten aus ihrem Arbeitsvertrag entlastet<br />
werden.<br />
Ich würde diesbezüglich gern ein Gespräch mit Ihnen führen.<br />
Bitte teilen Sie mir doch mit, wann ein solches stattfinden<br />
kann.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Die <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte<br />
4 <strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Blick</strong> Februar 2016
GLEICHSTELLUNGSTEAMS BILDEN<br />
Übertragen Sie Aufgaben zur eigenständigen<br />
Erledigung<br />
Das Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) wie auch manche<br />
Ländergesetze sehen zudem vor, dass Sie Ihrer Stellvertreterin<br />
Aufgaben zur eigenständigen Erledigung übertragen<br />
können.<br />
Wenn Sie Ihrer Vertreterin Aufgaben zur eigenständigen<br />
Erledigung übertragen, so wird dies allerdings dazu führen,<br />
dass diese zwar freigestellt wird, diese Freistellung<br />
aber von Ihrer eigenen Freistellung abzuziehen ist.<br />
Wenn Aufgaben zur eigenständigen Erledigung übertragen<br />
werden, so hat in diesen Aufgabenbereichen die Stellvertreterin<br />
den Hut auf. Sie als <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte<br />
können dann auf etwaige Entscheidungen Ihrer Stellvertreterin<br />
keinen Einfluss mehr nehmen. Sie tritt damit in<br />
diesen übertragenen Bereichen in Ihr Amt ein.<br />
Installieren Sie Vertrauensfrauen<br />
Das BGleiG wie auch manche Ländergesetze sehen vor,<br />
dass die <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte in entfernten Dienststellen<br />
oder auch Dienststellenteilen Vertrauensfrauen installieren<br />
kann.<br />
Tipp<br />
Schauen Sie einmal in Ihre gesetzliche Grundlage, inwieweit<br />
es möglich ist, dass Sie Vertrauensfrauen installieren.<br />
Vertrauensfrau = Vermittlerin zwischen<br />
den Welten<br />
Die Aufgabenstellung der Vertrauensfrau beschränkt sich<br />
aber regelmäßig nur auf eine Vermittlungsfunktion.<br />
Die Vertrauensfrau dient hier als Informantin zwischen<br />
den Beschäftigten in der entfernten Dienststelle bzw.<br />
Dienststellenteilen sowie der zuständigen <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragten.<br />
Aufgabenübertragung an Vertrauensfrauen<br />
Manche Gesetze sehen auch vor, dass den Vertrauensfrauen<br />
Aufgaben zur eigenständigen Erledigung übertragen<br />
werden können. Unabhängig davon sind aber Vertrauensfrauen<br />
stets nach der Neuregelung <strong>im</strong> BGleiG gemäß<br />
§ 28 Abs. 6 <strong>im</strong> Umfang von mindestens 1/10 bis hin zu<br />
25 % freizustellen.<br />
Sie als <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte des Bundes können daher,<br />
wenn Sie in einer größeren Dienststelle mit mehreren<br />
Dienststellen oder aber Dienststellenteilen arbeiten, hier<br />
ein größeres <strong>Gleichstellung</strong>steam aufbauen. Nutzen Sie<br />
das folgende Muster-Schreiben, wenn Sie überlegen, Vertrauensfrauen<br />
bestellen zu lassen.<br />
Muster-Schreiben:<br />
Bestellung von Vertrauensfrauen<br />
(Bundesbehörde)<br />
Die <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte<br />
<strong>im</strong> Hause<br />
An die<br />
Dienststellenleitung<br />
<strong>im</strong> Hause<br />
Bestellung von Vertrauensfrauen<br />
Sehr geehrte Frau …, / Sehr geehrter Herr …,<br />
Ort/Datum<br />
gemäß § 20 Abs. 4 BGleiG sind auf Vorschlag der <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragten<br />
Vertrauensfrauen in räumlich weit<br />
entfernten Dienststellen oder Teilen von Dienststellen zu<br />
bestellen.<br />
In den Dienststellen …, … und … habe ich Frau B, Frau<br />
A und Frau K angesprochen. Diese sind bereit, als Vertrauensfrau<br />
vor Ort zu fungieren und mich zu unterstützen.<br />
Ich bitte Sie daher, diese 3 Beschäftigten als Vertrauensfrau<br />
für die jeweilige Dienststelle zu bestellen, sie jeweils<br />
mit einem Umfang von 10 % freizustellen und von ihren<br />
Hauptleistungspflichten zu entlasten.<br />
Bei der 10-%-Freistellung handelt es sich um eine gesetzliche<br />
Mindestfreistellung. Auch hiermit sind die 3 Beschäftigten<br />
einverstanden.<br />
Sollten Sie diesbezüglich noch Fragen haben, können Sie<br />
sich natürlich gern an mich wenden.<br />
Ich bitte um Ihre Entscheidung bis zum …<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Die <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte<br />
Fazit<br />
Sie müssen als <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte nicht Einzelkämpferin<br />
bleiben, sondern haben entweder gesetzlich<br />
oder auf dem Verhandlungsweg die Möglichkeit,<br />
Ihre Stellvertreterin in die aktive <strong>Gleichstellung</strong>s -<br />
arbeit einzubeziehen und/oder Vertrauensfrauen in<br />
anderen Dienststellenteilen oder auch Dienststellen<br />
zu bestellen.<br />
Nutzen Sie die Chancen, die in der Bildung eines<br />
<strong>Gleichstellung</strong>steams liegen, und setzen Sie sich dafür<br />
ein, dass Sie <strong>im</strong> Team arbeiten können.<br />
<strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Blick</strong> Februar 2016 5
PRAKTISCHE GLEICHSTELLUNGSARBEIT<br />
Kleines Lexikon der<br />
<strong>Gleichstellung</strong><br />
Mutterschutzfristen<br />
Werdende Mütter haben 6 Wochen<br />
vor der Geburt und 8 Wochen<br />
bzw. 12 Wochen (bei Frühund<br />
Mehrlingsgeburten) nach der<br />
Geburt ein Beschäftigungsverbot.<br />
6-wöchiges<br />
Beschäftigungsverbot ist<br />
nicht zwingend!<br />
Die 6-wöchige Frist vor der Geburt<br />
ist in § 3 Abs. 2 Mutterschutzgesetz<br />
(MuSchG) geregelt,<br />
ist aber keine zwingende Vorschrift.<br />
Wenn die Mutter es will,<br />
kann sie auf das 6-wöchige Beschäftigungsverbot<br />
verzichten.<br />
Anders verhält es sich aber bei<br />
dem Beschäftigungsverbot nach<br />
der Geburt eines Kindes bzw.<br />
mehrerer Kinder.<br />
8- bzw. 12-wöchiges<br />
Beschäftigungsverbot ist<br />
absolut<br />
Das in § 6 Abs. 1 MuSchG geregelte<br />
Beschäftigungsverbot nach der<br />
Geburt ist ein absolutes – eine<br />
Frau kann hierüber nicht entscheiden.<br />
Es muss zwingend eingehalten<br />
werden. Falls dies nicht<br />
beachtet wird, ist mit einem Bußgeld<br />
zu rechnen.<br />
Erlaubt sind allerdings in dieser<br />
Zeit die Teilnahme an Prüfungen,<br />
der Besuch des Berufsschulunterrichts<br />
sowie auch eine eigenwirtschaftliche<br />
Betätigung.<br />
Impressum:<br />
TKMmed!a Mitbest<strong>im</strong>mung – ein Unternehmensbereich des<br />
VNR Verlags für die Deutsche Wirtschaft AG, Theodor-Heuss-<br />
Straße 2–4, 53095 Bonn • Telefon: 02 28/9 55 01 50 • Fax:<br />
02 28/36 96 480 • E-Mail: kundendienst@tkmmedia.de • ISSN<br />
2191-7884 • Herausgeberin: Denise Hartmann, Bonn • Chefredakteurin:<br />
Inge Horstkötter, RAin, Bremen • Produktmanagement:<br />
Linda S. Ababio, Bonn • Satz & Layout: Deinzer Grafik,<br />
Lüneburg • Druck: ADN, Battenberg • Er schei nungs weise: 12<br />
x pro Jahr • Alle Angaben in „<strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Blick</strong>“ wurden<br />
mit äußerster Sorgfalt ermittelt und überprüft. Sie basieren jedoch<br />
auf der Richtigkeit uns erteilter Auskünfte und unterliegen<br />
Veränderungen. Eine Gewähr kann deshalb nicht übernommen<br />
werden. • © 2016 by TKMmed!a Mitbest<strong>im</strong>mung, Bonn, Bukarest,<br />
Johannesburg, London, Madrid, Manchester, Melbourne,<br />
Paris, Warschau • Fax der Redaktion: 02 28/82 05 53 50 • E-<br />
Mail: redaktion@gleichstellung-<strong>im</strong>-blick.de<br />
Stillzeiten: „Darf“ eine Mutter länger<br />
als ein Jahr stillen?<br />
Der Arbeitgeber muss stillende Mütter für das Stillen freistellen – die Frage<br />
ist aber: wie lange? Darum geht es auch in der folgenden Leserfrage, die für<br />
viele <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte von Interesse sein dürfte.<br />
Frage einer Leserin: Ich bin <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte in einer Bundesbehörde.<br />
Aktuell befasse ich mich mit dem Thema Stillzeiten und habe hierzu eine Frage:<br />
Eine unserer Mitarbeiterinnen möchte ihr Kind länger als 12 Monate stillen. Sie<br />
hat nun von der Personalabteilung mitgeteilt bekommen, dass ein weiteres Stillen<br />
nicht mehr möglich sei und auch nicht bezahlt würde.<br />
Nun gibt das Mutterschutzgesetz (MuSchG) keine wirklichen Obergrenzen an,<br />
aber jeder geht davon aus, dass ein Jahr Stillen „gesetzt“ ist. Meine Frage ist deshalb,<br />
ob Sie aktuelle Informationen oder Urteile zum Thema Stillzeiten haben.<br />
Ich habe jetzt nur die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation und ein Urteil<br />
vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg von 1989. Dieses Urteil besagt,<br />
dass sich aus dem MuSchG keine Obergrenze der Stillperiode ergibt, während derer<br />
die Mutter eine Freistellung ohne Verdienstausfall vom Arbeitgeber beanspruchen<br />
kann.<br />
Rechtsanwältin Horstkötter: Gemäß § 7 MuSchG müssen Arbeitgeber die<br />
für das Stillen erforderlichen Zeiten als bezahlte Freistellung gewähren. Dies<br />
ist mindestens 2-mal täglich eine halbe Stunde oder einmal täglich eine Stunde.<br />
Bei einer zusammenhängenden Arbeitszeit von mehr als 8 Stunden erhöhen<br />
sich die Zeiten auf 2-mal 45 Minuten oder 90 Minuten insgesamt.<br />
Keine Obergrenze gesetzlich vorgesehen<br />
Tatsächlich sieht das Gesetz keine Obergrenze in Bezug auf den Zeitpunkt<br />
des Abstillens bzw. den Zeitpunkt vor, bis wann der Arbeitgeber die bezahlte<br />
Freistellung zum Zwecke des Stillens gewähren muss. Aus dem Selbstbest<strong>im</strong>mungsrecht<br />
der Mutter heraus kann ein fester Zeitpunkt, wie lange die Stillzeit<br />
zu gewähren ist, nicht festgelegt werden. Hier sind sich Literatur und Recht -<br />
sprechung relativ einig.<br />
Die Personalabteilung hat insoweit aus meiner Sicht keine rechtliche Handhabe,<br />
die Stillzeit der Mutter einzuschränken bzw. diese nicht mehr zu bezahlen.<br />
Ein Verbot des weiteren Stillens bzw. die Androhung, die Stillzeit nicht mehr<br />
zu bezahlen, dürfte gegen § 7 MuSchG verstoßen.<br />
Tipp<br />
Weisen Sie Ihre Personalabteilung darauf hin, dass es keine Obergrenze<br />
gibt, mit der festgelegt wird, bis wann die Freistellung zum Zweck des<br />
Stillens erfolgen muss. Versucht die Personalabteilung tatsächlich ernsthaft,<br />
das Stillen während der Arbeitszeit zu untersagen oder aber die<br />
bezahlte Freistellung nicht mehr gewähren, so sollte die stillende<br />
Beschäftigte ggf. ihre Rechte gerichtlich geltend machen. Unter Um -<br />
ständen könnte sie auch einen einstweiligen Antrag (Eilverfahren) bei<br />
Gericht einreichen. Sie sollte sich aber in jedem Fall anwaltlich unterstützen<br />
lassen.<br />
6 <strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Blick</strong> Februar 2016
URTEILE ZUR GLEICHSTELLUNG<br />
Schwerbehinderte zum<br />
Vorstellungsgespräch einladen<br />
Immer wieder kommt es zu Klagen von schwerbehinderten Beschäftigten,<br />
die <strong>im</strong> Rahmen der Vergabe von Arbeitsplätzen nicht berücksichtigt wurden.<br />
Was das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in seiner Entscheidung<br />
vom 9.9.2015 jüngst hierzu gesagt hat, habe ich hier für Sie aufbereitet<br />
(Az. 3 Sa 36/15).<br />
Der Fall<br />
Bei einem öffentlichen Arbeitgeber, der Ausbildungsplätze für duale Studiengänge<br />
ausgeschrieben hatte, bewarb sich unter anderem auch ein schwerbehinderter<br />
Mann. Er nahm an einem schriftlichen Eignungstest teil, bestand<br />
diesen jedoch nicht. Daraufhin erteilte ihm der Arbeitgeber eine Absage und<br />
lud ihn nicht mehr zum Vorstellungsgespräch ein.<br />
Der Bewerber legte Klage wegen einer Diskr<strong>im</strong>inierung aufgrund seiner Behinderung<br />
nach § 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz ein und verlangte<br />
eine Entschädigung.<br />
Er berief sich darauf, dass ein fachlich geeigneter schwerbehinderter Bewerber<br />
vom öffentlichen Arbeitgeber stets zum Vorstellungsgespräch einzuladen ist.<br />
Da der öffentliche Arbeitgeber dies nicht getan hatte, wertete der Bewerber<br />
dies als Indiz für eine Diskr<strong>im</strong>inierung wegen seiner Behinderung.<br />
Die Entscheidung<br />
Das Gericht gab dem Schwerbehinderten Recht und verurteilte den Arbeitgeber<br />
zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 2 Bruttomonatsverdiens -<br />
ten.<br />
Eignungstest ersetzt nicht Vorstellungsgespräch<br />
Das Gericht führte in seiner Begründung aus, dass ein Eignungstest nicht das<br />
Vorstellungsgespräch ersetzen kann. Es hätte dem Bewerber die Chance gegeben<br />
werden müssen, etwaige Defizite, die auch mit der Behinderung <strong>im</strong><br />
Zusammenhang stehen können, ggf. in einem Vorstellungsgespräch ausgleichen<br />
zu können.<br />
Diese Chance hatte der Arbeitgeber dem Bewerber nicht eingeräumt und diesen<br />
insoweit wegen seiner Behinderung diskr<strong>im</strong>iniert. Der Bewerber hätte<br />
eingeladen werden müssen.<br />
Weisen Sie Ihre Personalverwaltung auf diese Entscheidung hin<br />
Werden auch in Ihrer Dienstelle <strong>im</strong> Vorfeld von Einstellungsgesprächen Eignungstests<br />
gemacht? Falls ja, sollten Sie auf diese Entscheidung hinweisen,<br />
denn dies kann für Ihren Arbeitgeber in Bezug auf schwerbehinderte Menschen<br />
teuer werden.<br />
Fazit<br />
Die Entscheidung leuchtet ein – sollen doch durch das Gebot zur Einladung<br />
von schwerbehinderten Menschen zum Vorstellungsgespräch die<br />
Chancen von schwerbehinderten Menschen am Arbeitsmarkt erhöht<br />
werden, jedenfalls dann, wenn sie die erforderliche Eignung für eine<br />
Stelle aufweisen.<br />
So können Sie<br />
reagieren, wenn<br />
Schwerbehinderte<br />
benachteiligt werden<br />
Wie die nebenstehende Entscheidung<br />
zeigt, haben es Schwerbehinderte<br />
unter Umständen nicht<br />
<strong>im</strong>mer leicht, am Arbeitsmarkt<br />
Fuß zu fassen. Wie Sie als <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte<br />
reagieren<br />
können, lesen Sie hier.<br />
Zunächst kann man sich fragen,<br />
ob Sie als <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte<br />
überhaupt für eine solche<br />
wie der nebenstehenden Entscheidung<br />
zugrunde liegende Benachteiligung<br />
zuständig wären. Grundsätzlich<br />
sind Sie <strong>im</strong> Rahmen Ihres<br />
Amtes ja nur für Diskr<strong>im</strong>inierungen<br />
wegen des Geschlechts zuständig,<br />
für andere Diskr<strong>im</strong>inierungsmerkmale<br />
aber der Personalrat.<br />
Im vorliegenden Fall hatte aber<br />
der Arbeitgeber schwerbehinderte<br />
Bewerber/-innen durch einen vorweggeschalteten<br />
Einstellungstest<br />
aussortiert.<br />
Sie sind auch für<br />
schwerbehinderte Frauen<br />
zuständig!<br />
Diese Vorgehensweise betrifft<br />
schwerbehinderte Frauen und<br />
auch Männer in gleicher Weise –<br />
daher sind auch Sie hierbei <strong>im</strong><br />
Boot. In so einem Fall sind sowohl<br />
das Merkmal Schwerbehinderung<br />
als auch das Geschlecht betroffen<br />
und daher ist Ihre Zuständigkeit<br />
gegeben. Nutzen Sie auch hier Ihre<br />
Beteiligungsrechte!<br />
Termine/Seminare<br />
Rechtsanwältin Horstkötter,<br />
Bremen<br />
16.–17.2.2016: Basics 1 –<br />
Die <strong>Gleichstellung</strong>sbeauftragte<br />
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<strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Blick</strong> Februar 2016 7
URTEILE ZUR GLEICHSTELLUNG<br />
Pausen sind nicht<br />
zu bezahlen<br />
Wer kennt das nicht auch? In der<br />
Pause kommt ein Anruf und den<br />
erledigt man schnell noch oder<br />
man checkt noch einmal die eigenen<br />
E-Mails. Dass aber Pause<br />
Pause ist, das hat das Landesarbeitsgericht<br />
Hamm in seiner Entscheidung<br />
vom 19.6.2015 klargestellt<br />
(Az. 13 Sa 270/15).<br />
Es ging um einen Beschäftigten <strong>im</strong><br />
Sicherheitsdienst für Schienenfahrzeuge,<br />
der bisher alle Pausen<br />
bezahlt bekam, da er sich in den<br />
Pausen arbeitsbereit halten muss -<br />
te. Der Arbeitgeber änderte dieses<br />
Verfahren und wies nun Pausen<br />
explizit <strong>im</strong> Schichtplan aus. In diesen<br />
Pausen wurde nunmehr keine<br />
Arbeitsbereitschaft mehr erwartet.<br />
Der Beschäftigte klagte und wollte<br />
nach wie vor die Pausen bezahlt<br />
haben.<br />
Hiermit konnte er sich jedoch gerichtlich<br />
nicht durchsetzen. Das<br />
Gericht entschied, der Beschäftigte<br />
habe keinen Anspruch auf die Bezahlung<br />
der Pausen, da nunmehr<br />
keine Arbeitsbereitschaft mehr bestehe.<br />
Tipp<br />
Weisen Sie Beschäftigte darauf<br />
hin, dass Pause Pause ist und der<br />
Arbeitgeber nicht verpflichtet ist,<br />
Pausen zu bezahlen. Auch dann<br />
nicht, wenn in der Pause gearbeitet<br />
wird.<br />
Das lesen Sie in der nächsten<br />
Ausgabe:<br />
Mitarbeitertypen – das sollten<br />
Sie wissen!<br />
Was bei werdenden und<br />
stillenden Müttern beachtet<br />
werden muss<br />
Urteile mit gleichstellungs -<br />
bezogenen Inhalten<br />
Sonntags gehen Kündigungen nicht zu<br />
In der Praxis gibt es <strong>im</strong>mer wieder Probleme, inwieweit tatsächlich Kündigungen<br />
rechtswirksam zum richtigen Zeitpunkt zugestellt worden sind.<br />
So auch <strong>im</strong> vorliegenden Fall, mit dem sich das Landesarbeitsgericht (LAG)<br />
Schleswig-Holstein in seiner Entscheidung vom 13.10.2015 auseinanderzusetzen<br />
hatte (Az. 2 Sa 149/15).<br />
Der Fall<br />
Im Vorliegenden ging es um eine Kündigung, die von einer Anwaltskanzlei<br />
ausgesprochen wurde. Es handelte sich hier um eine Kündigung innerhalb<br />
der Probezeit, die von der Arbeitgeberin innerhalb der Frist von 14 Tagen<br />
ausgesprochen werden konnte.<br />
Die Arbeitgeberin kündigte am letzten Tag der Probezeit, nämlich dem<br />
30.11.2014. Der 30.11.2014 war ein Sonntag, die Kanzlei behalf sich damit,<br />
dass sie den Brief am Sonntag in den Briefkasten der Arbeitnehmerin einwarf.<br />
Die Arbeitnehmerin hatte tatsächlich aber den Brief erst am Montag aus dem<br />
Briefkasten genommen und machte dann <strong>im</strong> Rahmen ihrer Klage bei Gericht<br />
geltend, dass die längere Frist, nämlich 4 Wochen zur Monatsmitte oder zum<br />
Monatsende, hier Anwendung finden müsse. Nach ihrer Auffassung konnte<br />
das Arbeitsverhältnis erst zum 31.12.2014 beendet werden. In der ersten Instanz<br />
gewann die Arbeitnehmerin.<br />
Die Entscheidung<br />
Das LAG bestätigte das Urteil der ersten Instanz und gab der Arbeitnehmerin<br />
Recht. Es führte hierzu aus, dass die Anwaltskanzlei verspätet gekündigt habe.<br />
Niemand sei verpflichtet, am Sonntag den Briefkasten zu leeren, insoweit sei<br />
der Brief mit dem Kündigungsschreiben erst am Montag, den 1.12.2014, zugegangen.<br />
Das Arbeitsverhältnis der Beschäftigten sei somit erst zum 31.12.2014 beendet.<br />
Fazit<br />
Wie diese Entscheidung zeigt, kann ein Zugang eines Schreibens, wie<br />
hier des Kündigungsschreibens, nur <strong>im</strong> Rahmen der üblichen Zeiten erfolgen.<br />
Bekannterweise wird am Sonntag keine Post ausgetragen, insoweit<br />
war dieses Kündigungsschreiben rechtlich gesehen nicht an diesem<br />
Tag zugegangen, da an einem Sonntag keine Pflicht zur Kontrolle des<br />
Briefkastens besteht.<br />
Was bedeutet diese Entscheidung für Sie in der Praxis?<br />
Aus dieser Entscheidung ergibt sich, dass, wenn Ihnen Schreiben außerhalb<br />
der Dienstzeit, nämlich beispielsweise am späten Freitagnachmittag, in Ihr<br />
Postfach gelegt werden, die etwaig einzuhaltenden Fristen erst ab dem nächs -<br />
ten Werktag, nämlich dem kommenden Montag, zu Laufen beginnen. Es kann<br />
schließlich nicht unterstellt werden, dass Sie am späten Freitagnachmittag<br />
noch <strong>im</strong> Dienst sind, es sei denn, das Schreiben wird innerhalb der Dienstzeit<br />
zugestellt.<br />
Um allerdings Streit um den Zugang zu vermeiden, sollten Sie fristgebundene<br />
Schreiben <strong>im</strong> Zweifel <strong>im</strong>mer zum früheren Termin – ggf. fristwahrend – einreichen.<br />
8 <strong>Gleichstellung</strong> <strong>im</strong> <strong>Blick</strong> Februar 2016