„Auf dem Land daheim“ - Kirche im Aufbruch - Evangelische Kirche ...
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6 37/2011 epd-Dokumentation<br />
Eröffnung<br />
Nicht auf Pump leben!<br />
<strong>Kirche</strong> in der Fläche als Herausforderung des Evangeliums<br />
Ansprache zur Eröffnung der 1. <strong>Land</strong>-<strong>Kirche</strong>n-Konferenz / Von Dr. Thies Gundlach<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
liebe Schwestern und Brüder,<br />
»Und je<strong>dem</strong> Anfang wohnt ein Zauber inne, der<br />
uns beschützt und der uns hilft zu leben«, so<br />
schreibt es Hermann Hesse in seinem berühmten<br />
Abschiedsgedicht »Stufen«.<br />
Die 1. <strong>Land</strong>-<strong>Kirche</strong>n-Konferenz trägt so einen<br />
Zauber in sich, ein <strong>Aufbruch</strong>, ein Neuanfang, bei<br />
<strong>dem</strong> noch nicht entschieden ist, was wir sein<br />
werden (vgl. 1. Joh 3,2). Sicher bin ich mir nur,<br />
dass er keineswegs nur einige besonders schwere<br />
Probleme unserer <strong>Kirche</strong> auf <strong>dem</strong> <strong>Land</strong>e und in<br />
der Fläche zu lösen sich vorgenommen hat, etwa<br />
nach <strong>dem</strong> Motto: Die <strong>Kirche</strong> in der Fläche hat<br />
Probleme, da kommen wir doch mal aus Hannover<br />
und lösen die. Umgekehrt wird ein Schuh<br />
daraus: Unsere <strong>Kirche</strong> (übrigens wohl auch die<br />
römisch-katholische Geschwisterkirche) steht<br />
überall vor zentralen Herausforderungen, die sich<br />
auch auf <strong>dem</strong> <strong>Land</strong>, auch in der Fläche, auch hier<br />
in dieser <strong>Land</strong>-<strong>Kirche</strong>n-Konferenz spiegeln. Nicht<br />
die <strong>Land</strong>kirchen haben ein Problem, sondern<br />
unsere <strong>Kirche</strong> hat auch auf <strong>dem</strong> <strong>Land</strong> ein Problem.<br />
Ich versuche dieses Problem, diese »Großwetterlage«<br />
(Ernst Lange) einmal so zu beschreiben:<br />
Der Kern ist zweifellos auch eine finanzielle und<br />
eine konzeptionelle, sicher auch eine organisatorische<br />
und ressourcenmäßige, aber zuerst und<br />
vor allem stehen wir vor einer geistlichen, einer<br />
mentalen, einer theologischen Herausforderung.<br />
Diese »Glaubens- oder Frömmigkeitskrise« ist<br />
keineswegs auf das <strong>Land</strong> oder in der Fläche beschränkt,<br />
sie prägt Stadt und <strong>Land</strong>, oben und<br />
unten, Diakonie und Parochie, Aka<strong>dem</strong>ie und<br />
Theologie. Deswegen erlauben Sie mir einige<br />
erste Grundüberlegungen zu dieser »Großwetterlage«,<br />
damit wir dann während der <strong>Land</strong>-<strong>Kirche</strong>n-<br />
Konferenz die Frage bearbeiten können, was diese<br />
gemeinsame Krise konkret für die Situation der<br />
<strong>Kirche</strong> in der Fläche bedeutet.<br />
These 1 – Vom Leben auf Pump<br />
Wir leben in einer Welt, die seit vielen Jahren<br />
über ihre Verhältnisse lebt. Griechenland ist eine<br />
Art »Menetekel«, biblisch gesehen also ein Zeichen<br />
Gottes an der Wand (Dan 5,25). An Griechenland<br />
wird deutlich, was unsere gegenwärtige<br />
Gesellschaft insgesamt auszeichnet: ein Leben auf<br />
Pump. Wir stecken in einem Gebirge aus Schulden:<br />
nicht nur finanziell (jeder Bundesbürger ist<br />
mit etwa 21.000 Euro verschuldet), sondern auch<br />
energetisch (der Atommüllberg bleibt den nächsten<br />
Generationen erhalten) und konzeptionell<br />
(wie geht gutes Leben ohne höher, schneller,<br />
weiter?).<br />
Nun halte ich es für außerordentlich unwahrscheinlich,<br />
dass nur die anderen auf Pump leben,<br />
aber wir als <strong>Kirche</strong> nicht. Wir sind zwar nicht<br />
ganz so verschuldet wie der Staat, die Kommunen<br />
und Städte, aber konzeptionell leben wir m.E.<br />
ebenso über unsere Verhältnisse wie die anderen:<br />
Wir halten Strukturen, Arbeitsformen und Zustände<br />
aufrecht, die für etwa doppelt so viele<br />
<strong>Kirche</strong>nmitglieder aufgebaut wurden. Wir klammern<br />
an einer Routine, die die Zahl der burn-out-<br />
Mitarbeiter kontinuierlich nach oben treibt. Wir<br />
halten fest an aufwendigen Leitungs- und Institutionsstrukturen<br />
(jawohl, wir haben zu viel <strong>Kirche</strong>nleitung),<br />
wir leisten uns eine »gremiale Übersteuerung«<br />
der <strong>Kirche</strong> und finanzieren unseren<br />
Nachwuchs ziemlich schlecht. Dies – und vieles<br />
andere, was schon 2006 <strong>im</strong> Impulspapier »<strong>Kirche</strong><br />
der Freiheit« angesprochen wurde – ist Ausdruck<br />
eines mentalen Schuldenberges: Wir haben zu<br />
wenig Alternativen entwickelt, wir haben zu lange<br />
an <strong>im</strong>mer der gleichen Routine und an den<br />
gleichen Strukturen festgehalten, wir haben lange<br />
Zeit nur eine einzige Energieform gefördert und<br />
gefordert, wir leben auch als <strong>Kirche</strong> konzeptionell<br />
auf Pump.<br />
These 2 – Neue Biedermeierzeit<br />
Scheinbar anders und in der Sache doch tief verknüpft<br />
ist eine zweite Grundherausforderung<br />
unserer Tage: Je komplizierter das Leben wird, je