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Herr über 50 Stiere<br />
Franz Hiesel bringt Stiere aus Tirol,<br />
Südtirol und Vorarlberg über den Sommer<br />
Jahr für Jahr verbringt der urige<br />
Strenger die Zeit von Mitte Juni<br />
bis Mitte September gemeinsam<br />
mit etwa 50 Tieren auf der letzten<br />
Stieralpe Tirols. Besuch wagt<br />
sich in dieser Zeit nur selten in<br />
seine Nähe, wirken seine Schützlinge<br />
nicht gerade einladend auf<br />
Freunde und Bekannte.<br />
Im Jänner 1998 wurde Franz Hiesel<br />
Obmann der Stieralpe Gampernun,<br />
die sich im Eigentum von<br />
15 Gemeinden befindet. Von<br />
Schönwies und Zams übers Stanzertal<br />
bis Kaisers legen die jeweiligen<br />
Bürgermeister seither sämtliche<br />
Verwaltungsaufgaben, die<br />
Rechnungslegung und Obhut der<br />
Hütte in seine Hände. Seit 2002<br />
kümmert er sich zusätzlich als<br />
Hirte um das Wohl der ihm anvertrauten<br />
Stiere, nachdem damals<br />
sein Vorgänger Robert Falch verletzungsbedingt<br />
kurzfristig ausgefallen<br />
ist.<br />
„Stierflüsterer“<br />
Alljährlich zu Sommerbeginn bezieht<br />
der lebenslustige 74-Jährige<br />
seine Hütte auf 1800 m oberhalb<br />
von Flirsch, direkt unterm Riffler<br />
und nimmt die Stiere, die von<br />
ihren Bauern gebracht werden, in<br />
Empfang. Dabei gilt es, bei einem<br />
ersten Kennenlernen, das Wesen<br />
jedes einzelnen Tieres einzuschätzen,<br />
wiegen diese doch zwischen<br />
700 und 1200 kg und verfügen<br />
somit über einen deutlichen „Argumentationsvorsprung“.<br />
„Einem Stier muss man nur in die<br />
Augen schauen und viel mit ihm<br />
reden. Das ist wie bei den Frauen,<br />
da merkt man sofort, ob die Chemie<br />
stimmt oder nicht“, verrät der<br />
gebürtige St. Antoner sein Geheimrezept<br />
mit einem Augenzwinkern.<br />
„Stiere sind nur deshalb gefährlicher,<br />
weil sie unberechenbar sind<br />
und das nicht nur, weil sie auf<br />
Wetterumschwünge empfindlich<br />
reagieren. Sie sind im wahrsten<br />
Sinne des Wortes ‚wetterfühlig‘“,<br />
muss es der selbst im Sternzeichen<br />
Stier Geborene ja wissen. So gilt es,<br />
sich an bestimmte Regeln zu halten,<br />
wie etwa darauf zu achten,<br />
immer gleich angezogen zu sein<br />
und auf ungewohnte Farben zu<br />
verzichten, denn dies mache die<br />
imposante Herde nervös.<br />
Trotz aller Vorsicht kann es natürlich<br />
immer wieder einmal zu Zwischenfällen<br />
kommen, so musste<br />
Hiesel in seiner Zeit als Hirte bereits<br />
viermal den Hubschrauber<br />
rufen, um Verletzte zu bergen. In<br />
einem tragischen Fall endete der<br />
Kontakt mit einem Stier sogar tödlich<br />
für einen Jäger.<br />
Fitnessprogramm<br />
Einer der Hauptgründe, die Bullen<br />
während der warmen Monate auf<br />
einer Stieralm unterzubringen und<br />
nicht im heimischen Stall zu behalten,<br />
liegt in der Fitness, die bis<br />
zum Herbst erlangt wird. Durch<br />
Die Stieralpe Gampernun ist während des Sommers das Zuhause von Franz Hiesel.<br />
den ständigen Aufenthalt im<br />
Freien und die Möglichkeit, sich<br />
frei zu bewegen, nehmen die anfangs<br />
gemästeten Tiere ab und<br />
legen einiges an Kondition zu, die<br />
ihnen dann im Herbst zugute<br />
kommt.<br />
So ähnlich verhält es sich auch bei<br />
Franz Hiesel. Beginnt doch der Tag<br />
des gelernten Elektrikers bereits<br />
um halb sechs und ist von Arbeiten<br />
rund um die Hütte und Fußmärschen<br />
im Gelände geprägt. Außerdem<br />
muss er dafür Sorge tragen,<br />
dass die Stiere die Nächte<br />
nicht in zu großer Höhe verbringen<br />
und notfalls vor Einbruch der<br />
Dunkelheit in tiefere Lagen getrieben<br />
werden. Da kann es schon vorkommen,<br />
dass er im Herbst um 20<br />
bis 30 kg leichter ins Tal zurückkehrt.<br />
Allein, und doch nicht<br />
Auch wenn der umtriebige Familienmensch<br />
den größten Teil seiner<br />
Zeit alleine auf Gampernun verbringt,<br />
kann sich der ehemalige<br />
Feuerwehrler, Jagd- und Schiclub-<br />
Obmann als früherer Schützenhauptmann<br />
noch immer auf die<br />
Schützenkompanie Strengen verlassen,<br />
die beim alljährlichen Almräumtag<br />
tatkräftig mit anpackt.<br />
Und dann bleiben dann natürlich<br />
noch seine Frau Maria, seine drei<br />
Kinder und Enkelkinder und die<br />
vier Urenkel, die zu Hause die anfallenden<br />
Arbeiten erledigen und<br />
an den Wochenenden zu Besuch<br />
kommen. Jeder weitere Besuch ist<br />
natürlich ebenfalls herzlich willkommen,<br />
wobei man vielleicht ein<br />
bisschen Überwindung angesichts<br />
der 50 Stiere rund um Franz Hiesel<br />
mitbringen muss. (ulmi)<br />
Fotos: privat (2), www.bestundpartner.com/ulmi (1)<br />
Franz Hiesel hat bereits im Alter von<br />
acht Jahren alleine Kühe gehütet.<br />
Die Stiere können schon mal gut <strong>10</strong>00 kg auf die Waage bringen. Bei manchem<br />
Wanderer entsteht schon mal ein mulmiges Gefühl.<br />
Foto: privat<br />
4. Juni <strong>2014</strong> 3