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2014 10 impuls

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Herr über 50 Stiere<br />

Franz Hiesel bringt Stiere aus Tirol,<br />

Südtirol und Vorarlberg über den Sommer<br />

Jahr für Jahr verbringt der urige<br />

Strenger die Zeit von Mitte Juni<br />

bis Mitte September gemeinsam<br />

mit etwa 50 Tieren auf der letzten<br />

Stieralpe Tirols. Besuch wagt<br />

sich in dieser Zeit nur selten in<br />

seine Nähe, wirken seine Schützlinge<br />

nicht gerade einladend auf<br />

Freunde und Bekannte.<br />

Im Jänner 1998 wurde Franz Hiesel<br />

Obmann der Stieralpe Gampernun,<br />

die sich im Eigentum von<br />

15 Gemeinden befindet. Von<br />

Schönwies und Zams übers Stanzertal<br />

bis Kaisers legen die jeweiligen<br />

Bürgermeister seither sämtliche<br />

Verwaltungsaufgaben, die<br />

Rechnungslegung und Obhut der<br />

Hütte in seine Hände. Seit 2002<br />

kümmert er sich zusätzlich als<br />

Hirte um das Wohl der ihm anvertrauten<br />

Stiere, nachdem damals<br />

sein Vorgänger Robert Falch verletzungsbedingt<br />

kurzfristig ausgefallen<br />

ist.<br />

„Stierflüsterer“<br />

Alljährlich zu Sommerbeginn bezieht<br />

der lebenslustige 74-Jährige<br />

seine Hütte auf 1800 m oberhalb<br />

von Flirsch, direkt unterm Riffler<br />

und nimmt die Stiere, die von<br />

ihren Bauern gebracht werden, in<br />

Empfang. Dabei gilt es, bei einem<br />

ersten Kennenlernen, das Wesen<br />

jedes einzelnen Tieres einzuschätzen,<br />

wiegen diese doch zwischen<br />

700 und 1200 kg und verfügen<br />

somit über einen deutlichen „Argumentationsvorsprung“.<br />

„Einem Stier muss man nur in die<br />

Augen schauen und viel mit ihm<br />

reden. Das ist wie bei den Frauen,<br />

da merkt man sofort, ob die Chemie<br />

stimmt oder nicht“, verrät der<br />

gebürtige St. Antoner sein Geheimrezept<br />

mit einem Augenzwinkern.<br />

„Stiere sind nur deshalb gefährlicher,<br />

weil sie unberechenbar sind<br />

und das nicht nur, weil sie auf<br />

Wetterumschwünge empfindlich<br />

reagieren. Sie sind im wahrsten<br />

Sinne des Wortes ‚wetterfühlig‘“,<br />

muss es der selbst im Sternzeichen<br />

Stier Geborene ja wissen. So gilt es,<br />

sich an bestimmte Regeln zu halten,<br />

wie etwa darauf zu achten,<br />

immer gleich angezogen zu sein<br />

und auf ungewohnte Farben zu<br />

verzichten, denn dies mache die<br />

imposante Herde nervös.<br />

Trotz aller Vorsicht kann es natürlich<br />

immer wieder einmal zu Zwischenfällen<br />

kommen, so musste<br />

Hiesel in seiner Zeit als Hirte bereits<br />

viermal den Hubschrauber<br />

rufen, um Verletzte zu bergen. In<br />

einem tragischen Fall endete der<br />

Kontakt mit einem Stier sogar tödlich<br />

für einen Jäger.<br />

Fitnessprogramm<br />

Einer der Hauptgründe, die Bullen<br />

während der warmen Monate auf<br />

einer Stieralm unterzubringen und<br />

nicht im heimischen Stall zu behalten,<br />

liegt in der Fitness, die bis<br />

zum Herbst erlangt wird. Durch<br />

Die Stieralpe Gampernun ist während des Sommers das Zuhause von Franz Hiesel.<br />

den ständigen Aufenthalt im<br />

Freien und die Möglichkeit, sich<br />

frei zu bewegen, nehmen die anfangs<br />

gemästeten Tiere ab und<br />

legen einiges an Kondition zu, die<br />

ihnen dann im Herbst zugute<br />

kommt.<br />

So ähnlich verhält es sich auch bei<br />

Franz Hiesel. Beginnt doch der Tag<br />

des gelernten Elektrikers bereits<br />

um halb sechs und ist von Arbeiten<br />

rund um die Hütte und Fußmärschen<br />

im Gelände geprägt. Außerdem<br />

muss er dafür Sorge tragen,<br />

dass die Stiere die Nächte<br />

nicht in zu großer Höhe verbringen<br />

und notfalls vor Einbruch der<br />

Dunkelheit in tiefere Lagen getrieben<br />

werden. Da kann es schon vorkommen,<br />

dass er im Herbst um 20<br />

bis 30 kg leichter ins Tal zurückkehrt.<br />

Allein, und doch nicht<br />

Auch wenn der umtriebige Familienmensch<br />

den größten Teil seiner<br />

Zeit alleine auf Gampernun verbringt,<br />

kann sich der ehemalige<br />

Feuerwehrler, Jagd- und Schiclub-<br />

Obmann als früherer Schützenhauptmann<br />

noch immer auf die<br />

Schützenkompanie Strengen verlassen,<br />

die beim alljährlichen Almräumtag<br />

tatkräftig mit anpackt.<br />

Und dann bleiben dann natürlich<br />

noch seine Frau Maria, seine drei<br />

Kinder und Enkelkinder und die<br />

vier Urenkel, die zu Hause die anfallenden<br />

Arbeiten erledigen und<br />

an den Wochenenden zu Besuch<br />

kommen. Jeder weitere Besuch ist<br />

natürlich ebenfalls herzlich willkommen,<br />

wobei man vielleicht ein<br />

bisschen Überwindung angesichts<br />

der 50 Stiere rund um Franz Hiesel<br />

mitbringen muss. (ulmi)<br />

Fotos: privat (2), www.bestundpartner.com/ulmi (1)<br />

Franz Hiesel hat bereits im Alter von<br />

acht Jahren alleine Kühe gehütet.<br />

Die Stiere können schon mal gut <strong>10</strong>00 kg auf die Waage bringen. Bei manchem<br />

Wanderer entsteht schon mal ein mulmiges Gefühl.<br />

Foto: privat<br />

4. Juni <strong>2014</strong> 3

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