Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Titel:<br />
<strong>Eine</strong> <strong>Nacht</strong>,<br />
kann alles ändern.<br />
Von<br />
Alex Wind
Impressum<br />
1. Aufage<br />
© 2016 Alex Wind<br />
Covergestaltung: Alex Wind<br />
ISBN xxx-x-xxx-xxxxx-<br />
Herstellung und Verlag:<br />
Alex.Wind@gmx.com
Er blickte ihr in die Augen. Er sah nicht die Frau, die er vor einigen<br />
Jahren kennen gelernt hatte. Er zog die Decke weiter herauf, ihn fror<br />
es. Es lag nicht an der Zimmertemperatur, das wusste er zu genüge.<br />
Die Anzeige zeigte 21 Grad, genauso wie er das Thermostat an<br />
diesem wie auch an allen anderen Tagen eingestellt hatte.<br />
Sie lagen nun schon über eine Stunde nebeneinander, niemand sagte<br />
etwas, es herrschte Eiszeit und das passte zu dem Gefühl, was er<br />
empfand.<br />
Damals war alles anders gewesen, dachte er. Er erinnerte sich an die<br />
Zeit, als er sie kennen lernte. Sie, eine junge, so strahlende junge<br />
Frau, so fröhlich, voller Lebensmut und Tatendrang. Er fragte sich<br />
am Anfang oft, ob er bei so einer Frau jemals mithalten könnte.<br />
Er traf sie auf einer Party, bei einem seiner engsten Freunde. Sie viel<br />
ihm erst nicht besonders auf. Erst spät am Abend, als die meisten<br />
Leute dem Alkohol so verfallen waren, dass ein normales Gespräch<br />
nicht mehr möglich war. Er schenkte sich gerade ein Glas Wasser<br />
ein, er musste fahren, denn ihm hatte es nie etwas ausgemacht den<br />
Fahrer zu spielen, doch an diesem Abend war es besonders schlimm.<br />
Sie griff nach der Flasche, als er sie gerade wieder auf den Tisch<br />
stellen wollte, dann trafen sich ihre Blicke.<br />
Im ersten Moment, dachte er, sie wäre betrunken und bräuchte<br />
dringend ein Glas Wasser, vielleicht sei es schon der Nachdurst, der<br />
sich bei ihr meldete. Doch bereits nach den ersten Worten, wurde<br />
ihm klar, sie würde genauso wie er, noch ein Auto nach Hause<br />
fahren.<br />
Sie unterhielten sich Stunden lang, während alle ihre Freunde, bereits<br />
schon schwer betrunken waren, philosophierten über das Deutsche<br />
3
Krankensystem, über die Situation im Irak und weitere Themen aus<br />
Politik und Wirtschaft.<br />
Erst auf dem Weg nach Hause, bemerkte er, dass er noch nie so eine<br />
Frau getroffen hatte. Er war nicht der große Frauen Held gewesen,<br />
hatte aber die ein oder andere in seinem Leben kennen gelernt,<br />
allerdings war nie eine dabei gewesen, mit der man über die großen<br />
Themen der Welt sprechen konnte. Die meisten erzählten ihm etwas<br />
über Stars, Schuhe, Klamotten oder lästerten über sämtliche ihrer<br />
Freundinnen die sie am nächsten Tag freudestrahlend wiedertrafen.<br />
Aber nicht diese Frau.<br />
Sie tauschten ihre Nummern aus, zu der Zeit machte man das so.<br />
Während man heute seine Nummer nicht mehr so einfach raus gibt<br />
und es nur heißt: „ Wie heißt du? Ich klick dich auf Facebook!“<br />
Er zögerte ein paar Tage! Von ihr kam nichts. Da sie ihm, einfach<br />
nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte, schrieb er ihr ein paar Tage<br />
später doch. Sie trafen sich, gingen aus, redeten Stundenlang und<br />
verliebten sich.<br />
Er bewunderte ihre Selbstsicherheit, keine hochnäsige von sich mehr<br />
als überzeugte, sie war eher eine bodenständige Frau. Sie informierte<br />
sich über alles in der Welt. Auch beruflich stand sie mit beiden<br />
Beinen fest im Leben, sie war eine erfolgreiche Bankkauffrau. Nicht<br />
die Sorte die hinter dem Schalter stand, sie brachte es schon früh zu<br />
was, im Hintergrund der Bank durfte sie bereits hohe Beträge<br />
bearbeiten.<br />
Doch alles änderte sich an diesem einen Tag in ihrem Leben.<br />
4
Bereits ein Jahr nach ihrem kennen lernen schwor er ihr seine Liebe.<br />
„In guten wie in schlechten Zeiten, bis das der Tot uns scheidet!“<br />
Das sagte er, vor allen Zeugen, er hätte es vor der ganzen Welt<br />
gesagt und er meinte jedes Wort auch so. Er liebte diese Frau.<br />
Er liebt sie heute immer noch, vielleicht sogar noch etwas mehr als<br />
damals, aber was geschehen war änderte nicht nur ihr, sondern auch<br />
sein Leben.<br />
Ein grauer Tag im November, der erste Schnee fiel noch nicht, es war<br />
trotzdem schon bitter kalt geworden. Für ein wichtiges Seminar<br />
sollte sie in einer Stadt ungefähr 350 km entfernt. Er war stolz auf sie<br />
gewesen. Sie spürte Zweifel zu fahren, aber er ermutigte sie.<br />
Heute, mit all seinem Wissen, würde er sich am liebsten selber einen<br />
Ledergürtel über den Rücken ziehen. Bei dem Gedanken an seine<br />
Worte „Fahr, Baby! Das ist genau das richtige für dich!“ Jedes mal<br />
wenn er daran denkt, treibt es ihm einen Bleiklotz in seinen Magen.<br />
Er wollte das sie fährt.<br />
So weit weg von ihm, umgeben von so vielen Fremden. Sie freute<br />
sich darauf, doch hätte er einmal gesagt, sie soll nicht fahren, dann<br />
wäre nichts passiert. Ihnen wären die letzten drei Jahre erspart<br />
geblieben und alles, wirklich alles wäre anders, davon war er<br />
überzeugt.<br />
Er brachte sie persönlich zum Bahnhof, nahm sich sogar extra frei<br />
um sich von ihr zu verabschieden. Die paar Tage sagte er, werden<br />
wir zwei schon überstehen. Dann fuhr sie.<br />
An ihrem letzten Abend in der Stadt, telefonierten sie kurz, sie war<br />
begeistert und erzählte von ihrem treffen, über die Menschen die sie<br />
5
getroffen hatte. Ihre Stimme klang so überschwänglich wie kaum<br />
zuvor. Er freute sich für sie und verschwieg ihr vom Fehler seines<br />
Abends. Er war von der Polizei angehalten worden und es sah so aus,<br />
als müsste er seinen Führerschein in der nächsten Zeit abgeben. Er<br />
trank ein Bier mehr als sonst, an diesem Abend, vor Einsamkeit oder<br />
einfach weil Zuhause niemand auf ihn wartet. Aber er gab ihr keine<br />
Schuld.<br />
Sie wollte noch ein paar Schritte vor die Tür gehen, er ging direkt<br />
danach ins Bett. Er konnte nicht wissen, dass dies das letzte mal war,<br />
dass er mit dieser Frau sprach.<br />
Mitten in der <strong>Nacht</strong> klingelte sein Handy. Er verstand nicht, was die<br />
Person am anderen Ende zu ihm sagte, er stieg in sein Auto und fuhr<br />
los. Er traf drei Stunden später im Krankenhaus ein. Er fragte an der<br />
Forte wo er hin müsse dabei viel sein Blick auf die Uhr an der Wand,<br />
sie zeigte 5 Uhr. Seine hastigen Schritte hasteten im Einklang mit<br />
seinem Atem. Die ganze Autofahrt verlief wie im Nebel, doch nun<br />
erschien ihm die Welt wieder klarer.<br />
Lampen strahlten von der Decke des Raumes, er trat hinein und sah<br />
sie auf einem Bett liegen. Ihr Augen blickten panisch an die Decke,<br />
sie schlief nicht, aber regen tat sie sich auch nicht. Langsam näherte<br />
er sich ihr.<br />
Er spürte bis vor wenigen Minuten nichts, nun durchfuhr ihn Angst.<br />
Er spürte den Schweiß der sich auf seiner Stirn bildete, dann stand er<br />
neben ihr. Er sah sie an, sagte aber nichts. Ihr Blick hing an der<br />
Decke. Er wollte sie berühren, seine Finger hatten ihre Schulter noch<br />
nicht erreicht, da durchfuhr ihren Körper ein zucken, dicht gefolgt<br />
6
von einem Schrei. Ein Laut so unglaublich schrill, sie schrie und<br />
schrie, er wich zurück, dann traten weiß gekleidete Männer ein und<br />
holten ihn aus dem Raum.<br />
Die <strong>Nacht</strong> oder was davon noch über geblieben war, verbrachte er<br />
dort, schlafen konnte er nicht. Er wollte zu ihr, aber sie ließen ihn<br />
nicht. Sie versuchten ihm zu erklären was geschehen war und das sie<br />
starke Medikamente bekommen hatte. Doch ihm half das nicht.<br />
Am nächsten Tag fuhren sie zusammen nach Hause, allerdings<br />
sprachen sie kein Wort. Er wusste nicht was er sagen sollte und sie<br />
wohl ebenfalls nicht.<br />
Die meisten Informationen aus dieser <strong>Nacht</strong> bezog er aus der<br />
Zeitung. Online rief er sich die Regionalzeitung aus der Stadt auf.<br />
Frau wurde Opfer einer Massenvergewaltigung, lautete der Titel. Er<br />
las viele sehr bestialische Details, über das was seiner Frau<br />
widerfahren war. Dieser Artikel lautete wie viele, die er schon<br />
gelesen hatte. Doch dieser fühlte sich anders an, denn sie schrieben<br />
über seine Frau.<br />
Während er immer wieder, oft 5 mal am Tag, die Zeitung studierte,<br />
lag sie im Bett. Sie hatte Tabletten mitbekommen, die sie nahm.<br />
Meisten lag sie ähnlich wie im Krankenhaus da. Er verbrachte keine<br />
<strong>Nacht</strong> mehr neben ihr, da sie ständig weinte, wenn er in ihrer Nähe<br />
war. Sein Schlafplatz wurde das Sofa.<br />
Nach einer Woche, in der er krankgeschrieben war, musste er wieder<br />
arbeiten. Er wollte sie nicht alleine lassen, auf der anderen Seite<br />
konnte er nichts für sie tun. Er machte ihr Essen, was sie kaum<br />
anrührte. Sprechen tat sie nicht, er versuchte es mit dem Wetter,<br />
7
Politik, Wirtschaft, alles über das sie früher ständig gesprochen<br />
hatten, aber sie Antwortete nicht. Sie lag im Bett, schaute an die<br />
Decke und es schien kein Leben in ihr zu stecken.<br />
Er fuhr sie zu ihrem Hausarzt, kurz darauf zu einem Psychiater.<br />
Diesen besucht sie bis heute. Am Anfang dachte er, es würde besser<br />
werden, aber das wurde es nicht. Sie verlor ihre Stelle in der Bank,<br />
ein Jahr bereits hatte sie diese nicht mehr aufgesucht.<br />
Er schlief weiterhin auf dem Sofa, versuchte alles zu tun, um sie<br />
glücklich zu machen. Er zauberte ihre Lieblingsspeisen, lud gute<br />
Freunde ein, wollte mit ihr raus gehen, sie wollte nicht. Sie verließ<br />
das Haus nicht mehr. Nicht mit ihm und nicht ohne ihn. Sie brach<br />
den Kontakt zu Eltern und Freunden komplett ab. Ihr Leben bewegte<br />
sich fortan zwischen Internet Psychiater und Bett.<br />
Er war kein Teil ihres Lebens mehr. Er hoffte irgendwann wieder ein<br />
Teil sein zu dürfen.<br />
Viele Nächte verbrachte er schlaflos, er hasste sich dafür nicht bei ihr<br />
gewesen zu sein als es passierte, er hasste sich dafür, dass er ihr jetzt<br />
nicht helfen konnte. Er hasste sich weil er ihr Leid nicht lindern<br />
konnte.<br />
Besonders <strong>Nacht</strong>s, aber auch öfter am Tag, traten Bilder in seinen<br />
Kopf, wie die drei Männer, so wie es beschrieben stand, sie in eine<br />
Seitengasse zerrten. Sie bedrohten, sie schlugen und ihr die Kleider<br />
zerrissen. Dann traten sie sie zu Boden. Als sie lag soll der älteste<br />
über sie hergefallen sein, während die anderen sie festhielten. Dann<br />
8
tauschten sie der Reihe nach. Erst als sich alle mindestens zweimal<br />
an ihr vergangen hatten, ließen sie wohl von ihr ab. Sie traten ein<br />
letztes mal zu, genau gegen ihren Kopf. Sie verlor das Bewusstsein,<br />
hörte nur noch das Lachen, als sie gingen.<br />
Man schnappte und verurteilte sie, alle saßen. Während der älteste 3<br />
Jahre bekam, waren die anderen zu 2 Jahre verurteilt worden. Doch<br />
selbst wenn sie alle 100 Jahre bekommen hätten, würde das nichts an<br />
dem Schmerz seiner Frau ändern.<br />
Damals stand er selber kurz vor der Beförderung zum<br />
Abteilungsleiter, er nahm die Stelle nicht an. In den letzten Jahren,<br />
arbeitete er sich immer weiter runter, so konnte man sagen, der<br />
schlechteste Arbeiter den es je gegeben hatte. Seine Krankheitstage<br />
waren auf ein vielfache gestiegen. Ständige Magen Darm Probleme<br />
quälten ihn. Er aß schlecht, verlor 10 kg . Nicht das er vorher dick<br />
gewesen wäre. Auch seine Lebensenergie schwant. Er sah wie sie<br />
nicht aß und so aß er ebenfalls nicht.<br />
Sein Selbsthass stieg im ersten Jahr so sehr, weil er sich immer<br />
wehrloser und hilfloser vorkam, er fing an Geldspiel zu betreiben.<br />
Direkt nach der Arbeit fuhr er in eine Spielhalle. Am Anfang waren<br />
es mal 50 mal 100 Euro. Es wurde schnell mehr. Während er<br />
Zuhause spürte, nicht willkommen zu sein, fand er dort einen Ort des<br />
Friedens.<br />
Am Anfang dachte er oft, ihr wäre es egal ob er da war oder nicht.<br />
Mit der Zeit merkte er, dass es ihr besser ging, wenn er nicht da war.<br />
Und so kam er immer später nach Hause.<br />
9
Nach zwei Jahren verbesserte sich ihr Zustand nicht. Sie schliefen in<br />
einem Bett, mehr gab es nicht. Sie lag einen Meter entfernt am<br />
anderen Ende. Sie lag ihm zugewandt, ihre Augen klebten an ihm,<br />
aber nur um aufzuspringen, falls er die ein Meter Grenze unterschritt.<br />
Dies war die Zeit, wo er sich Rat bei einem Psychologen holte. In<br />
den Gesprächen wurde ihm klar, zwei der Täter waren schon längst<br />
draußen und führten ein normales Leben. Der dritte bei guter<br />
Führung ebenfalls. Bei ihnen beiden, normalisierte sich von damals<br />
bis zu diesem Zeitpunkt noch lange nichts.<br />
Die langen Gespräche halfen ihm, seine Bemühungen sie in eine<br />
Paartherapie zu bekommen scheiterten.<br />
So lag er heute am dritten Jahrestag dieses Ereignisses wieder bei ihr<br />
im Bett. Ein Meter reines Bett trennten sie von einander. Er wusste<br />
nicht, ob ihr bewusst war, dass es heute vor drei Jahren geschehen<br />
war. Sie nahm starke Medikamente und er wusste nicht mal, was sie<br />
überhaupt in ihrem Kopf vor sich ging. Sie redeten seid drei Jahren<br />
nicht mehr mit einander.<br />
In dieser <strong>Nacht</strong> beschloss er zu gehen, denn er hatte drei Jahre<br />
versucht sie irgendwie Glücklich zu machen, er schaffte es nicht. Er<br />
war nicht da gewesen, er hatte sie im Stich gelassen, wie sollte sie es<br />
ihm verzeihen, wenn er es nicht mal konnte.<br />
10
ENDE!<br />
11