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Short Stories 1-3

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Ingriied Nordinstrøm <strong>Short</strong> <strong>Stories</strong> 1-3<br />

Denn sie würden den blanken Hass ihrer Freunde auf sich ziehen, wenn sie sich für das Ausbrüten<br />

eines Klugscheißerkindes entschieden. Niemand mag Klugscheißerkinder! N i e m a n d .<br />

Klugscheißerkinder werden auch nur ganz selten entführt. Und wenn dann nicht sehr lang. Der<br />

Entführer schmeißt es entweder ein paar Straßen weiter entnervt aus seinem Kleinbus mit<br />

getönten Scheiben, oder bringt es recht zügig um und legt es mit roter Schleife und<br />

Glückwunschkarte vorm Haus der Eltern ab. Wenn er nett ist. Da die wenigsten Kindesentführer<br />

allerdings nett sind, kehren die meisten Klugscheißerkinder aus einer Entführung recht bald und<br />

zum Leidwesen der Eltern unbeschadet nach Hause zurück. Wer will denn sowas?<br />

Der kleine Kevin -schon allein der Name zeigt doch, wie wenig ihn seine Eltern geliebt habenwohnte<br />

irgendwo in meinem Vorort. Ich begenete ihm hin und wieder im Supermarkt. Plappernd<br />

schlurfte er hinter seiner völlig entkräfteten Mutter her, die sich mit einem Auge zuckend und<br />

hervorquellender Ader auf der Stirn am Einkaufswagen festkrallte. Der kleine Klugscheißerkevin<br />

stierte mit hochgezogenen Augenbrauen durch seine lächerliche Kinderbrille (mit Autos drauf. In<br />

rot.) und versuchte seiner armen Mutter irgendeinen Irrsinn zu erklären, den keiner hören wollte.<br />

Ich sah in den gequälten Augen seiner Mutter, dass sie ihn gerne an der Fleischtheke gegen einen<br />

schönen saftigen Braten eingetauscht hätte. Und dass sie sich und den Vater von Kevin erneut<br />

verfluchte, sich für Kinder -dieses Kind- und gegen ein erfülltes Leben entschieden zu haben.<br />

Ich hätte ihr gern mal mitfühlend auf die Schulter geklopft. Aber ich bin nicht so gut mit<br />

zwischenmenschlichem Gedöns.<br />

Kevin hatte ja keine Freunde. Wen wundert´s. Und deshalb schlich er immer einsam durch den<br />

Vorort, auf der Suche nach einem Opfer. Wenn Kevin unterwegs war, dann leerten sich die Straßen.<br />

Die Rollläden rasselten reihenweise abwärts und panische Eltern rissen ihre eigenen Kinder von<br />

Kreidezeichnungen fort ins schützende Haus. Hunde wurden von den Leinen gelassen und<br />

geiferten angestachelt hinter Gartentoren. Nachbarn zogen aus. Einsam zurückgelassene Fußbälle<br />

kullerten über die Bordsteine und die Vögel stellten furchtsam das Singen ein.<br />

Wenn Kevins Eltern ihren Spross abends mal -hahaha- allein zu Haus ließen, stellte der Vater den<br />

Gasherd an und pustete die Flamme aus.<br />

Doch Kevin wollte nicht sterben. Er hing an seinem einsamen Dasein.<br />

Ich saß viele Male abends auf der Terrasse und schaute, auf der Suche nach Zuspruch den<br />

Keramikpudel an. Er und ich hatten schon einmal eine erbärmliche Seele erlöst...<br />

Nun, es kam wie es kommen musste. Kevin endete in meiner Tiefkühltruhe. Angelockt mit<br />

Süßigkeiten, deren negative Auswirkung auf die Zähne selbstverständlich erst einmal von ihm<br />

erklärt werden musste, um schlußendlich doch gierig in seinem Mund zu verschwinden. Da saß er<br />

auf meiner Couch. Schokolade kauend und Milch trinkend. Aber da man mit vollem Munde nicht<br />

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