07.04.2016 Aufrufe

Mixology - Magazin für Barkultur 2-16

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

BACK TO BASIC<br />

ACH,<br />

WIE SÜSS!<br />

Text Gabriel Daun<br />

Nachdem wir uns in der letzten Ausgabe mit der Basis eines Drinks<br />

auseinandergesetzt haben, wollen wir uns heute der ersten von fünf<br />

elementaren Geschmacksqualitäten widmen. Es wird süß!<br />

Schauen wir zunächst auf die gustatorische<br />

Wahrnehmung, wenn man so will auf »die<br />

Biologie des Geschmacks«: Wie schmecken<br />

wir? Und was schmecken wir wo? Die <strong>für</strong> das<br />

Schmecken zuständigen Rezeptorzellen sind in<br />

Geschmacksknospen angeordnet. Diese befinden<br />

sich auf der Zunge in den Geschmackspapillen,<br />

aber auch in den Schleimhäuten von<br />

Mundhöhle, Rachen und Schlund. Dabei sind<br />

ungefähr 25 % der Geschmacksknospen auf<br />

den vorderen zwei Dritteln der Zunge angeordnet<br />

sowie etwa 50 % auf dem hinteren Drittel.<br />

Die übrigen verteilen sich auf Gaumensegel,<br />

Nasenrachen, Kehlkopf und die obere Speiseröhre.<br />

Entgegen der immer wieder geäußerten<br />

Theorie, die Zunge sei in Regionen aufgeteilt,<br />

in denen jeweils nur bestimmte Geschmacksqualitäten<br />

erschmeckt werden können, gilt<br />

es heute als gesichert, dass alle elementaren<br />

Geschmacksempfindungen an allen Punkten<br />

der Geschmackszone empfunden werden können.<br />

Allerdings – und daher rührt das Missverständnis<br />

der geschmacklichen Spezialisierung<br />

der Zungenpartien – in unterschiedlicher<br />

Intensität, d. h. die absoluten Reizschwellen<br />

<strong>für</strong> die Empfindung der Grundgeschmäcker<br />

sind je nach Region unterschiedlich hoch.<br />

Dennoch kann »süß« somit nicht nur mit der<br />

Zungenspitze, sondern überall im Mundraum<br />

geschmeckt werden.<br />

Das soll uns an dieser Stelle, was die Physiologie<br />

des Schmeckens anbetrifft, schon genügen.<br />

Betrachten wir nun einmal genauer,<br />

welche Rolle die Geschmacksqualität »süß«<br />

generell und an der Bar insbesondere spielt.<br />

Zucker überall!<br />

Egal, ob Old Fashioned oder Daiquiri, ob<br />

Champagner Cocktail, Bee’s Knees, Last Word,<br />

Tommy’s Margarita oder Gin Tonic: Eine<br />

Zutat – manchmal ganz offensichtlich, hin und<br />

wieder in versteckter Form – haben all diese<br />

Drinks gemein, nämlich Zucker in irgendeiner<br />

Form oder allgemeiner: Süße. Egal, ob Zuckerwürfel<br />

oder -sirup, Honig, Agavendicksaft,<br />

Demerarazucker, Rohrzucker, Ahornsirup,<br />

Palmzucker, Liköre oder Crèmes, Süßweine<br />

oder sogar frisch gepresster Zuckerrohrsaft<br />

(um nur einige Quellen zu nennen): Süße Zutaten,<br />

die den Drink gefälliger machen, finden<br />

sich mannigfaltig hinter allen Tresen überall<br />

auf der Welt.<br />

Zucker an der Bar ist en vogue – und war niemals<br />

out. Schon die alte Punch-Formel »One of<br />

sour, Two of Sweet, Three of Strong and Four<br />

of Weak. A Dash of Bitter and a Sprinkle of<br />

Spice served well chilled with plenty of ice«<br />

fordert die Verwendung von Süßem. Generell<br />

ist ein süßer Geschmack <strong>für</strong> uns vor allem mit<br />

positiven Konnotationen verknüpft. Süßes galt<br />

im Gegensatz zu Bitterem oder Saurem bereits<br />

unseren Ahnen in grauer Vorzeit als Indikator<br />

da<strong>für</strong>, dass ein vorgefundenes Nahrungsmittel<br />

gegessen werden konnte. Wahrnehmungsphysiologisch<br />

gesehen sind wir Süßem und umami<br />

gegenüber sehr aufgeschlossen, da diese<br />

Geschmäcker seit jeher als nahrhaft interpretiert<br />

werden.<br />

Schmutzige Tricks<br />

Seit geraumer Zeit macht sich die Lebensmittelindustrie<br />

diesen evolutionsgeschichtlichen<br />

Aspekt schamlos zunutze. Da unser<br />

neuronales System die Aufnahme von Zucker<br />

positiv interpretiert, werden nahezu alle weiterverarbeiteten<br />

und zum Kauf angebotenen<br />

Lebensmittel gesüßt.<br />

Laut Schätzungen konsumieren Menschen<br />

in westlichen Gesellschaften bis zu 40 kg Zucker<br />

pro Jahr. Dabei spielt vor allem eben der<br />

viele versteckte Zucker eine Rolle. Denn nicht<br />

nur Kuchen und Kekse, süße Brotaufstriche,<br />

Süßwaren als Naschereien, Zucker in Kaffee<br />

oder Tee und andere gesüßte Getränke schlagen<br />

hier zu Buche. Vor allem die versteckten<br />

Zuckermengen in Fertiggerichten, Saucen,<br />

68<br />

Illustration: studio grau

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!