SLT_BR_Festakt_H_54_27.1
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terland bin [...]. Wir befinden uns im Charkower Gebiet, nahe der Stadt Isjuma.<br />
Damit beende ich meinen Brief. Ich wünsche allen Gesundheit und<br />
Erfolge in Eurem Leben, lebt glücklich. Schreibt öfter mal. Schreibt mir alle<br />
Neuigkeiten, schreibt auch über alle bekannten Jungen, wo sie sich befinden.<br />
Mit Gruß Euer Sohn und Bruder Michail.«<br />
Im Oktober 1943 wurde auch der zweite Sohn, Nikolai, vermisst. Sein weiteres<br />
Schicksal ist uns bis heute unbekannt.<br />
Tantchen Anjuta, wie wir sie nannten, ihre Mutter, wartete ihr ganzes Leben<br />
auf die Rückkehr ihrer Söhne, immer hoffend, dass sie noch am Leben sind.<br />
Die letzten Jahre lebte Tantchen in einer Familie gütiger Leute im gleichen<br />
Dorf, sie überschrieb ihnen ihr Haus, das sie umbauten und in dem<br />
sie ihr ein gesondertes Zimmer einrichteten. Sie war sehr beliebt wegen<br />
ihres friedlichen Charakters. Zuletzt wohnte sie bei uns, sie starb in den<br />
Armen meiner Mutter. 2011 war ich am Grab der Eltern Michail Trofimows.<br />
Ich plane, nach dem Besuch an seinem Grab etwas Erde davon mit in die<br />
Heimat zu nehmen und eine gemeinsame Gedenkstätte zu errichten. Das<br />
ist meine Pflicht, da nach mir dies keiner mehr tun kann.«<br />
Aus den Erinnerungen von Oberleutnant Otto Kluge, Wachsoldat im Kriegs -<br />
gefangenenlager Zeithain 1941/42:<br />
»Es waren beklemmende Eindrücke. Ich sehe noch heute den Elendszug<br />
der halbtoten, ausgemergelten, wie Gespenster mit schweren Balken- und<br />
Bretterlasten daherwankenden Gefangenen [...].<br />
Die nächtlichen Kontrollen der sämtlichen Wachposten rings um das<br />
Gefangenlager, am Stacheldrahtzaun mit den maschinengewehrbesetzten<br />
Wachtürmen entlang und mitten durch die endlosen Barackenstraßen,<br />
hatte etwas ebenso Schauerliches wie auch Romantisches an sich, besonders<br />
in kalten, mondbeglänzten Winternächten. Aus den ungeheizten<br />
Baracken drangen gruselerregende Geräusche heraus, ähnlich dem Grollen<br />
eines unterirdischen Vulkans und dem hungrigen Knurren ungebändigter<br />
Raubtiere. Kein Wunder: Diese verhungernden und erfrierenden ›Untermenschen‹<br />
kämpften gegen den Erfrierungstod durch dauernde Bewegung,<br />
dabei aber dem Tod durch Entkräftung umso mehr in die Hände<br />
arbeitend, da sie am Tage [...] schwer arbeiten mussten [...].«<br />
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