Leseprobe grow! 6-15
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N r. 6 / <strong>15</strong> · november /dezember · 3 € · österreich 3,40 € · schweiz 5,90 sFr · luxemburg 3,60 € · PVST D12005F<br />
magazin<br />
magic mushrooms<br />
herbstzeit, pilzzeit!<br />
<strong>grow</strong>! testet:<br />
medizinische hanfsorten<br />
von bedrocan<br />
änderungen im suchtmittelgesetz<br />
wird kiffen in österreich<br />
bald legal?<br />
großer digitalwaagen-test<br />
wer nicht wägt,<br />
der nicht gewinnt!<br />
fraag haag spezial<br />
cannabis preise weltweit
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Winni Fleckner<br />
Chef-Redakteurin (v.i.S.d.P.)<br />
Klaudia Kolks<br />
<strong>grow</strong>! redAktion<br />
Klaudia Kolks<br />
Winni Fleckner<br />
Geronimo Kolks<br />
Tilo Clemeur<br />
Chantale Kolks<br />
Holger Voncken<br />
Autoren & Fotografen<br />
Winni Fleckner<br />
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Stefan Haag<br />
Klaudia Kolks<br />
Holger Voncken<br />
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Tilo Clemeur<br />
Ganja Ninja<br />
Oliver Uhrig<br />
Henrie Schnee<br />
Mr. José<br />
Markus Berger<br />
Mike<br />
Günther Gras<br />
Professor Lee<br />
Jack Candy Press<br />
David Rosse<br />
Franjo Grotenhermen<br />
Dschinni Rosini<br />
Mag. Gottfried Hudl<br />
Mag. Dr. Martin Feigl<br />
Grafikerin<br />
Chantale Kolks<br />
Lektor<br />
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Nächster RedAktions-Schluss:<br />
16.11.20<strong>15</strong><br />
Es gilt Anzeigenpreisliste 20<strong>15</strong><br />
Die nächste <strong>grow</strong>! erscheint:<br />
16.12.20<strong>15</strong><br />
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Eigentum des Absenders, bis sie dem Gefangenen<br />
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Sinne des Vorbehaltes. Wird die Zeitschrift dem Gefangenen<br />
nicht persönlich ausgehändigt, ist sie mit<br />
dem Grund der Nichtaushändigung zurückzusenden.<br />
Achtung:<br />
Cannabis ist als Droge genauso missbrauchbar,<br />
wie jede andere Droge auch. Jeder Missbrauch von<br />
Drogen ist gefährlich! Wir wollen niemanden dazu<br />
animieren, Drogen zu konsumieren!<br />
Tilo<br />
Geronimo<br />
Chanti<br />
Klaudia<br />
Phil<br />
Winni<br />
Markus<br />
Holger<br />
Editorial<br />
Der Sommer ist nun definitiv vorüber, das machte der erste<br />
Schnee dieses Winters, der uns zur Drucklegung dieser<br />
Ausgabe Mitte Oktober überraschend ereilte, unmissverständlich<br />
deutlich. Wer die Outdoor-Ernte bereits eingefahren hat, kann<br />
sich deshalb glücklich schätzen. Und angesichts des tollen<br />
Sommers dürfte man sich auch über die Qualität freuen können.<br />
Auch Leute mit einem Indoorgarten können sich freuen, lässt<br />
sich damit die kalte und dunkle Jahreszeit doch etwas leichter<br />
ertragen. Denn dort ist es warm und hell, und die Pflanzen blühen,<br />
genau wie im Sommer.<br />
Das alles könnte so schön sein, wenn nicht die Politik immer noch<br />
an den sinnlosen und schädlichen Drogengesetzen festhalten<br />
würde, die den Anbau von Pflanzen wie Cannabis mit heftigen<br />
Strafen sanktionieren. Betrachtet man die potentielle Gefahr,<br />
die von einer blühenden Hanfpflanze ausgeht und vergleicht<br />
die dafür verhängten Strafen mit anderen Delikten, dann fällt<br />
schnell auf, dass da ein großes Missverhältnis besteht. Während<br />
man mit „richtigen“ Straftaten (wo andere konkret geschädigt<br />
werden), wie Raub, Betrug, Körperverletzung oder auch<br />
Steuerhinterziehung, relativ glimpflich davon kommt, wandern<br />
harmlose Cannabis-Kleingärtner oft für viele Jahre ins Gefängnis.<br />
Immerhin findet aktuell eine öffentliche Diskussion über die<br />
Freigabe von Cannabis statt, die, verglichen mit früheren Jahren,<br />
geradezu offen und vorurteilsarm ist. Wenn sich die Vorteile<br />
von Cannabis immer mehr herumsprechen und die möglichen<br />
Gefahren auch von offizieller Seite richtig eingeschätzt werden,<br />
wird ein vernünftiger Umgang mit dieser Pflanze hoffentlich<br />
möglich. Das Verbot nutzt weder den Jugendlichen, die damit<br />
vor Drogenmissbrauch geschützt werden sollen, noch den<br />
Konsumenten oder den Behörden. Am ehesten wohl noch den<br />
Drogendealern und dem Schwarzmarkt, der dem Verbot seine<br />
großen Gewinne verdankt.<br />
Auch in dieser Ausgabe haben<br />
wir für euch interessante<br />
Berichte und Artikel aus der<br />
vielfältigen Welt des Cannabis<br />
zusammengestellt. Wir wünschen<br />
euch viel Spaß und Unterhaltung<br />
und freuen uns über Resonanz.<br />
Free the weed and let it <strong>grow</strong>!<br />
Eure <strong>grow</strong>!-Redaktion
19<br />
Inhalt<br />
magazin<br />
6-<strong>15</strong><br />
schmuggel-abenteuer:<br />
erlebnisse in<br />
nord-pakistan II<br />
24<br />
wer nicht wägt, der nicht<br />
gewinnt: waagen-test<br />
78<br />
<strong>grow</strong> testet:<br />
medizinisches<br />
cannabis von bedrocan<br />
92<br />
guerilla <strong>grow</strong>ing:<br />
unter led - leserreport<br />
94<br />
<strong>grow</strong>ing: fortschrittliche<br />
techniken zur steigerung<br />
von potenz und ertrag II<br />
3 editorial<br />
4 inhalt<br />
8 news & facts<br />
11 events<br />
12 produktvorstellungen<br />
16 fraag haag spezial: cannabispreise weltweit<br />
19 schmuggel-abenteuer: erlebnisse in nord-pakistan II<br />
24 <strong>grow</strong>! testet: wer nicht wägt, der nicht gewinnt!<br />
30 hanf-aktion: neueröffnung hemp embassy in wien<br />
32 hanf-event: cultiva in wien<br />
36 media-tipps: musik & literatur<br />
38 hanf in den medien: gefährliches gerede & klare worte<br />
40 comic: urlaubserinnerung<br />
41 kolumne: gespräche im treppenhau- viel lärm um hanf<br />
44 medizin: das endocannabinoidsystem – teil II<br />
46 patienteninterview: cannabis zur linderung der heroinsucht<br />
50 psychedelische therapien teil 2<br />
54 politik: liebe in zeiten der gender-studies<br />
60 politik: konsequenzen maximaler prohibition - malaysia<br />
62 justiz österreich: stellungnahme zur novelle<br />
des österreichischen suchtmittelgesetzes 2016<br />
64 safer use: magic mushrooms herbstzeit, pilzzeit!<br />
68 psychonautik: changa the evolution of ayahuasca<br />
72 aufklärung: erziehung in sachen hanf- elternerfahrungen<br />
76 weiterverarbeitung: von der blüte<br />
zum shatter in wenigen sekunden<br />
78 <strong>grow</strong>! testet: medizinisches cannabis von bedrocan<br />
82 leserpflanzen<br />
84 seeds & genetics: sorten vorstellungen<br />
88 <strong>grow</strong>-report: Nebula<br />
90 <strong>grow</strong>ing mit mr. josé: anbau auf kleinstem raum<br />
92 guerilla <strong>grow</strong>ing unter led - leserreport<br />
94 <strong>grow</strong>ing: steigerung von potenz und ertrag teil2<br />
100 underground <strong>grow</strong>ing: was tun, wenn mama in rente muss?<br />
Zu schade für den Altenteil: Ausgediente Mutterpflanzen<br />
106 fragen & antworten mit professor lee<br />
109 <strong>grow</strong>! archiv, nachbestellungen & produkte<br />
112 <strong>grow</strong>! verkaufsstellen<br />
114 inserentenverzeichnis
Drogen Basiswissen<br />
Magic Mushrooms<br />
Herbstzeit, Pilzzeit!<br />
Jedes Jahr aufs Neue gedeihen in Wald, Feld und Flur die Schwämme. Auch die von<br />
Psychonauten so geliebten Psilocybin haltigen Pilze erfreuen uns dabei jährlich mit ihrer<br />
Anwesenheit, nur haben viele ein fundamentales Problem: Sie haben zwar schon oft von<br />
den zauberhaften Pilzen gehört oder gelesen und Fotos gesehen – wie die Pilzorganismen<br />
aber tatsächlich live aussehen und wie man sie von den anderen unterscheidet, davon haben<br />
sie keinen Schimmer. Deshalb wollen wir in diesem Artikel eine Art kleiner Bestimmungshilfe<br />
für die Identifikation einheimischer Psilocybin-Pilze liefern, ohne aber einen Anspruch auf<br />
Vollständigkeit der Arten zu erheben.<br />
Psilocybe cyanescens - Ak ccm CC BY-SA 3.0<br />
Es ist für den Laien und den Anfänger<br />
schwierig genug, Pilze einwandfrei und<br />
sicher zu bestimmen. Anders als bei den<br />
meisten Pflanzen (Pilze zählen nicht zu<br />
den Pflanzen, sondern bilden ein eigenständiges<br />
Reich) können die diversen<br />
wegweisenden Merkmale verschiedener<br />
Pilzarten einander recht ähnlich sein,<br />
was für den Einsteiger ein gewisses Gefahrenpotenzial<br />
darstellt. Manche Pilze<br />
sollte man gar nicht zu sammeln versuchen,<br />
zum Beispiel die psychoaktiven<br />
Vertreter der Gattung Galerina (also Exemplare<br />
der Spezies Galerina steglichii,<br />
eine Häublingsart), denn die Verwechslungsgefahr<br />
mit Spezies dieser Gattung,<br />
die höchst gefährliche, ja lebensbedrohliche<br />
Giftstoffe enthalten, ist groß. Daher<br />
beschränken wir uns hier auf die sichereren<br />
Psilocybe-Arten und einige wenige<br />
andere Gattungen. Außerdem haben wir<br />
einen „neuen“ Psilocybe-Pilz dabei – ein<br />
überaus spannendes Thema!<br />
64<br />
Vorweg: Was ist eine Blauung?<br />
Es wird bei einzelnen Pilzen immer wieder<br />
von einer sogenannten Blauung die<br />
Rede sein. Dies ist ein Phänomen, das<br />
Psilocybin enthaltende Pilze charakterisiert.<br />
Denn die Fruchtkörper der entsprechenden<br />
Arten verfärben sich bei Druck<br />
oder Verletzung bläulich (in verschiedenen<br />
Farbnuancen von hell- bis dunkelblau)<br />
oder auch grünlich. Trotzdem gibt<br />
es immer wieder Exemplare diverser Psilocybe-Arten,<br />
die trotz Wirkstoffgehalts<br />
nicht blauen. Der Grund hierfür liegt noch<br />
im Dunkeln. Ein hundertprozentiger Indikator<br />
ist das Nicht-Blauen von Pilzen also<br />
keineswegs.<br />
Psilocybe semilanceata,<br />
Spitzkegeliger Kahlkopf<br />
Der Spitzkegelige Kahlkopf ist einer der<br />
gängigsten Psilocybinpilze im deutsch-<br />
sprachigen Gebiet. Er wächst auf Wiesen,<br />
Waldwegen, auf Kuh- und Pferdeweiden<br />
sowie in der Nähe von Rehkot und kommt<br />
auf Weideflächen gern in weitläufigen Populationen<br />
vor. Die eher kleinwüchsige<br />
Art bildet glockige und, wie der Name<br />
schon sagt, spitzkegelige Hüte aus, an<br />
denen zuoberst meist die typische Papille<br />
erscheint (sieht häufig aus wie eine Mammille,<br />
also eine Brustwarze). Mit zunehmendem<br />
Alter breiten sich die Hüte dieser<br />
Art gern aus. Die Hutgröße liegt zwischen<br />
0,5 und drei Zentimetern, der häufig wellig<br />
gebogen wachsende Stiel erreicht eine<br />
Höhe von vier bis <strong>15</strong>, in seltenen Fällen<br />
sogar bis zu etwa 21 Zentimetern. Die<br />
Sporen sind länglich-elliptisch. Sammelzeit<br />
ist von September bis etwa November,<br />
je nach Witterung und Standort, das<br />
heißt in milden Wintern: auch bis in den<br />
Dezember hinein. Spitzkegelige Kahlköpfe<br />
sind ziemlich potent. Sie blauen<br />
nicht immer zuverlässig, wenn aber doch,
Psilocybe bohemica - Markus Berger<br />
dann vornehmlich am Stiel und erst nach<br />
Minuten bis Stunden (blaugrüne Verfärbung).<br />
Sie enthalten bis etwa ein Prozent<br />
Psilocybin, jedoch nur Spuren an Psilocin,<br />
wenn überhaupt. Jedoch ist das Baeocystin<br />
als biochemische Vorstufe des Psilocybins<br />
(Ersatz der Methylgruppe durch<br />
ein H, also Wasserstoff) in größeren Mengen<br />
von etwa einem Drittel des Psilocybins<br />
in den Pilzen enthalten.<br />
Psilocybe cyanescens, Blauverfärbender<br />
Kahlkopf, Blauender Kahlkopf<br />
Der Blauverfärbende Kahlkopf ist, wie der<br />
Name schon verrät, eine stark blauende<br />
Art, die auf Pflanzenresten, Humus, Holzkompost<br />
und morschem Holz zu finden<br />
ist. Markantestes Merkmal des cyanescens<br />
ist der meist stark gewellte, unregelmäßig<br />
hoch gedrehte, zwei bis sechs<br />
Zentimeter breite Hut, der bei Trockenheit<br />
gelb bis strohfarben und bei Feuchtigkeit<br />
braun erscheint. Der weißliche Stiel wird<br />
zwei bis 14 Zentimeter lang und wächst<br />
teils krumm. Die Sporen sind elliptisch.<br />
Sammelzeit ist von Ende September bis<br />
Dezember. Psilocybe cyanescens hat sich<br />
durch die neuere Verwendung von Rinde<br />
und Holzhäckseln in Städten ungeahnt<br />
ausgebreitet, der Trend wird sich weiter<br />
fortsetzen. Die Spezies kommt mit Sicherheit<br />
im gesamten deutschsprachigen<br />
Raum sowie in England, Italien, Norwegen,<br />
Schweden, Dänemark und Holland<br />
vor – höchstwahrscheinlich sind die Pilze<br />
auch noch in anderen Ländern zu finden.<br />
In getrockneten Exemplaren kommen<br />
etwa 0,8 Prozent Psilocybin und bis<br />
etwa ein Prozent Psilocin vor. Der Gehalt<br />
an Baeocystin liegt im Bereich bis 0,05<br />
Prozent, ist also vernachlässigbar.Siehe<br />
zu dieser Art auch die nachfolgend beschriebene.<br />
Psilocybe bohemica,<br />
Böhmischer Kahlkopf<br />
Der Psilocybe bohemica wird heutzutage<br />
von den meisten Forschern als eine lokale<br />
Varietät des Psilocybe cyanescens<br />
betrachtet, obgleich es diverse Gründe<br />
gibt, dieser mykologischen Einordnung<br />
nicht zu folgen. Die Art unterscheidet sich<br />
nämlich von Psilocybe cyanescens durch<br />
den silbrigen Stiel, den spezifischen Geruch,<br />
dem Abtrocknen der Hüte von braun<br />
nach weiß sowie der feinen Riefelung<br />
des Huts im feuchten Zustand. Auch erfolgt<br />
kein unregelmäßiges Hochdrehen<br />
der Hutränder im Alter, was beim robusteren<br />
Blauverfärbenden Kahlkopf sehr<br />
zeitig beginnt. Außerdem bildet Psilocybe<br />
bohemica weitaus weniger Psilocin<br />
als der cyanescens aus. Psilocybe bohemica<br />
wächst auf Holzresten und kann in<br />
feuchten Waldgebieten und sogar in Gärten<br />
gefunden werden. Der Hut wird zwischen<br />
einem und sechs Zentimetern breit<br />
und erscheint in feuchtem Zustand braun,<br />
in trockenem Zustand eher weiß mit gelegentlichen<br />
blauen Flecken. Der weißliche<br />
Stiel wird drei bis <strong>15</strong> Zentimeter lang und<br />
wächst häufig krumm. Die Sporen sind<br />
elliptisch. Sammelzeit ist von Ende September<br />
bis in den Dezember.<br />
Drogen Basiswissen<br />
Ein „neuer“ Psilocybe-Pilz:<br />
Psilocybe germanica<br />
Der Germanische Kahlkopf ist die jüngste<br />
aller hier besprochenen Arten. Er ist erst<br />
vor Kurzem vom renommierten Mykologen<br />
und Chemiker Dr. Jochen Gartz zusammen<br />
mit dem Kollegen Georg Wiedemann<br />
entdeckt und beschrieben und von<br />
den beiden Wissenschaftlern nach den<br />
Elbgermanen benannt worden. Die Erstbeschreibung<br />
dieses rasch blauenden<br />
Pilzes liegt zur Drucklegung dieser Ausgabe<br />
bislang nur auf lateinisch und englisch<br />
vor, die deutsche Publikation der Art<br />
steht noch aus. Psilocybe germanica unterscheidet<br />
sich zwar nicht unbedingt mikroskopisch,<br />
wohl aber äußerlich signifikant<br />
von den anderen einheimischen<br />
Psilocybe-Arten. Der Hut dieser Art ist einen<br />
bis vier Zentimeter breit. Der Fruchtkörper<br />
ist gut an seiner meist recht ausgeprägten,<br />
gelenkartigen Stielverdickung<br />
unterhalb des Huts zu erkennen und enthält<br />
dabei interessante Mengen an Psilocybin<br />
und Baeocystin. Entdecker Jochen<br />
Gartz erklärt, dass das Alkaloidmuster<br />
des germanica identisch mit dem des Psilocybe<br />
semilanceata ist. Psilocybe germanica<br />
ist ein Herbstpilz und besiedelt<br />
Mulch und Holzreste und scheint sich gut<br />
auszubreiten. Wer sich für die englisch-<br />
Psilocybe semilanceata - Alan Rockefeller CC BY-SA 3.0. 65
Drogen Basiswissen<br />
Conocybe cyanopus - Kevin Gorman CC BY-SA 3.0.<br />
sprachige wissenschaftliche Publikation<br />
zur Entdeckung des Psilocybe germanica<br />
interessiert, dem sei diese Internetseite<br />
ans Herz gelegt: http://bit.ly/1G6JAIS<br />
Psilocybe azurescens, Azurblauverfärbender<br />
Kahlkopf, Stattlicher Kahlkopf,<br />
Azureus-Kahlkopf<br />
Mancher wird jetzt verwundert schauen –<br />
der azurescens im deutschsprachigen Gebiet?<br />
Es ist tatsächlich so. Mittlerweile findet<br />
man den Psilocybe azurescens in der<br />
Tat an verschiedenen Stellen in Deutschland.<br />
Er hat sich aus einstmals vorsätzlich<br />
angelegten Kulturen sozusagen von<br />
selber ausgewildert und etabliert. Das ist<br />
letztlich auch kein all zu großes Wunder,<br />
wie Christian Rätsch in seiner Enzyklopädie<br />
der psychoaktiven Pflanzen erklärt:<br />
„Die Art verbreitet sich von allen Psilocybe<br />
spp. am aggressivsten“. Und Mykologe<br />
Jochen Gartz ergänzt im Buch Zauberpilze<br />
(Werner Pieper and The Grüne<br />
Kraft, 1993): „Der Pilz wuchs sogar spontan<br />
auf zufällig herumliegenden Wäscheklammern<br />
aus Holz“. Und auch der<br />
amerikanische Mykologe und Psilocybin-<br />
Pilz-Fachmann Paul Stamets hatte in seinem<br />
Buch „Psilocybinpilze der Welt“ (AT<br />
Verlag, 1996) vermerkt, dass Psilocybe<br />
azurescens eine „kaltwetter-tolerierende<br />
Art“ ist. Deshalb ist es nicht verwunderlich,<br />
dass die Art sich nach einigen Kultur-<br />
Experimenten ausgewildert hat. Eine weitere<br />
Ausbreitung in den nächsten Jahren<br />
ist unbedingt zu erwarten. Die Standorte<br />
sind die gleichen wie bei Psilocybe cyanescens,<br />
ebenfalls die Fähigkeit zur Zersetzung<br />
verschiedenster pflanzlicher Abfälle<br />
bei massenhafter Pilzbildung. Psilocybe<br />
azurescens ist die größte und potenteste<br />
Art des gemäßigten Klimas und vielleicht<br />
sogar die psychoaktivste von allen Pilzspezies.<br />
Ihre Wachstumszeit ist von Ende<br />
September bis zum Eintritt des Dauerfrostes.<br />
Bei mildem Klima wurden noch<br />
im Januar Pilze gesichtet.<br />
Psilocybe azurescens ist eine der am<br />
stärksten blauenden Arten, vielleicht sogar<br />
die stärkste. Das könnte damit zusammenhängen,<br />
dass sie die Art mit dem<br />
höchsten Psilocybin-Vorkommen innerhalb<br />
der Gattung ist. Der meist gebuckelte<br />
Hut dieser Spezies wird drei bis<br />
etwa zehn Zentimeter breit und erscheint<br />
in feuchtem Zustand braun, im trockenen<br />
Zustand jedoch gelblich. Der Stiel ist<br />
neun bis 20 Zentimeter lang, die Sporen<br />
sind elliptisch.<br />
Panaeolus subbalteatus,<br />
Dunkelrandiger Düngerling,<br />
Gezonter Düngerling<br />
Der Dunkelrandige Düngerling ist ein<br />
recht häufiger Pilz, der sich von den oben<br />
besprochenen psychoaktiven Pilzen der<br />
Gattung Psilocybe dadurch unterscheidet,<br />
dass er bereits ab Mai zu finden ist<br />
und bis in den Oktober hinein fruktifiziert.<br />
Panaeolus subbalteatus blaut nur<br />
schwach und besiedelt Kompost, Stroh,<br />
zuweilen gemähtes Gras sowie Pferdeund<br />
Kuhdung auf Weiden und Wiesen.<br />
Der flachglockige, häufig leicht gebuckelte<br />
Hut der Art wird zwischen zwei und<br />
Pluteus salicinus - Stu‘s Images CC BY-SA 4.0.<br />
66
fünf Zentimeter breit und erscheint in trockenem<br />
Zustand mit einem dunklen Rand<br />
(daher der Name). Der rotbraune und innen<br />
hohle Stiel wird vier bis acht Zentimeter<br />
lang. Die Lamellen sind schwarz-fleckig,<br />
die Sporen zitronenförmig. Die Pilze<br />
enthalten bis 0,7 Prozent Psilocybin und<br />
bis 0,5 Prozent Baeocystin in der Trockenmasse<br />
und bilden sogar Serotonin aus.<br />
Der Dunkelrandige Düngerling unterscheidet<br />
sich auch im Wirkprofil von den<br />
anderen Psilocybin-Pilzen, denn er hat die<br />
Eigenschaft, neben den psychedelischen,<br />
zuweilen auch empathogene Effekte herbeizuführen.<br />
Woran das liegen mag und<br />
ob hier vielleicht aufgrund der Anwesenheit<br />
von Serotonin (das ja oral nicht aktiv<br />
ist) und/oder anderen Inhaltsstoffen<br />
gewisse Synergien erzeugt werden, liegt<br />
bislang noch im Verborgenen.<br />
Conocybe cyanopus,<br />
Blaufüßiges Samthäubchen<br />
Dieser kleine Pilz ist so potent wie unscheinbar.<br />
Mit bis zu etwa einem Prozent<br />
Psilocybin und bis 0,2 Prozent Baeocystin<br />
in der Trockenmasse kann sich diese Conocybe-Art<br />
durchaus sehen lassen. Das<br />
Blaufüßige Samthäubchen besiedelt<br />
Rasen, Moos und Holzreste, kommt in<br />
Deutschland und in der Schweiz vor und<br />
ist von Mai bis Oktober zu finden. Der<br />
stumpfkegelige Hut ist 0,5 bis 2,5 Zentimeter<br />
breit, der helle Stiel wird bis zu<br />
etwa vier Zentimeter lang und blaut im<br />
Alter langsam von der Basis her. Die Lamellen<br />
sind gold-ocker. Conocybe-Arten<br />
können insbesondere von Laien und<br />
Anfängern leicht mit Galerina-Spezies<br />
(Häublinge) verwechselt werden, die mit<br />
ihren häufig enthaltenen Amatoxinen<br />
meist tödlich giftig sind. Wir erwähnen<br />
diesen Pilz an dieser Stelle auch nur, weil<br />
er dem Spitzkegeligen Kahlkopf in Sachen<br />
Potenz in nichts nachsteht. Ansonsten<br />
gilt für den Laien der gut gemeinte<br />
Rat: Finger weg!<br />
Gymnopilus purpuratus,<br />
Purpur-Flämmling<br />
Wie schon der Dunkelrandige Düngerling<br />
und das Samthäubchen (siehe oben) ist<br />
auch der in Europa eingeschleppte Purpur-Flämmling<br />
von Mai bis in den Oktober<br />
hinein zu finden. Die Art wächst auf<br />
Holzresten (Sägespänen!) und Kompost.<br />
Gymnopilus purpuratus hat einen gelben,<br />
3 bis <strong>15</strong> Zentimeter langen Stiel, und auf<br />
dem gelben bis roten, 1,5 bis zu 20 Zentimeter<br />
(!) breiten und flachen Hut wachsen<br />
tiefrote Schuppen. Schließlich werden<br />
die Lamellen bei der Sporenreifung<br />
orange-rostbraun. Die abfallenden Sporen<br />
kleben auch an der oberen Stielhälfte<br />
und ergeben einen Farbkontrast, welcher<br />
durch die Blauung der unteren Hälfte<br />
nach Druck ergänzt wird. Die Art enthält<br />
in der Trockenmasse etwa 0,3 Prozent<br />
Psilocybin, ebenfalls etwa 0,3 Prozent<br />
Psilocin und 0,05 Prozent Baeocystin.<br />
Inocybe aeruginascens, Grünlichverfärbender<br />
Risspilz<br />
Inocybe aeruginascens besiedelt Sand<br />
Panaeolus subbalteatus - Markus Berger<br />
und Rasen und ist häufig unter Laubbäumen<br />
zu finden, da er in Mykorrhiza-Partnerschaft<br />
mit Linden, Pappeln und anderen<br />
Bäumen lebt. Er kommt gleichfalls von<br />
Mai bis in den Oktober in Deutschland,<br />
der Schweiz und anderen europäischen<br />
Ländern vor. Der Hut des Pilzes ist zwei<br />
bis drei Zentimeter breit, bei Trockenheit<br />
bräunlich, zum Rand hin radialfaserig, im<br />
Jugendstadium stumpfkegelig, dann ausgebreitet,<br />
in der Mitte gebuckelt und spitz<br />
zulaufend. Der Rand ist nicht selten etwas<br />
eingebogen, die Farbe des Buckels bleibt<br />
etwas dunkler und ist zuweilen oliv- bis<br />
blaugrünlich gefärbt. Der an der Basis<br />
knollige Stiel ist drei bis fünf Zentimeter<br />
lang und seidig gestreift. Zunächst weißlich,<br />
später oft blau bis bläulich-grün. Die<br />
Sporen sind leicht elliptisch, die Lamellen<br />
braun. Die Art enthält bis etwa 0,5 Prozent<br />
Psilocybin und bis etwa 0,25 Prozent Baeocystin<br />
in der Trockenmasse. Das ist insofern<br />
interessant, als dass die meisten anderen<br />
Risspilze (Inocybe spp.) Muscarin<br />
enthalten und keine psychedelisch wirksamen<br />
Tryptamine. Es gibt zwar noch einige<br />
wenige Inocyben, die ebenfalls Psilocybin<br />
und Derivate bilden, zum Beispiel<br />
der Grünrote Risspilz Inocybe haemacta<br />
sowie Inocybe corydalina, Inocybe tricolor<br />
und Inocybe coelestium. Diese Arten<br />
sind aber erstens sehr selten in unseren<br />
Gefilden zu finden und zweitens nur<br />
schwierig zu bestimmen – so dass sogar<br />
professionelle Mykologen zuweilen dran<br />
scheitern.<br />
Pluteus salicinus, Grauer Dachpilz<br />
Der Graue Dachpilz besiedelt Baumstümpfe<br />
von Linde, Ahorn, Erle, Buche,<br />
Weide und anderen Bäumen und kommt<br />
im deutschsprachigen Raum vor. Der Hut<br />
wird drei bis acht Zentimeter breit, ist<br />
am Rand meist heller, silbergrau, haarig-filzig,<br />
die Hutmitte ist stärker filzig,<br />
oft sogar schuppig sowie abgeflacht-gebuckelt.<br />
Der Stiel ist fünf bis zehn Zentimeter<br />
lang und weiß, an der Basis braun<br />
gefasert. Die Sporen sind elliptisch bis eiförmig,<br />
die Lamellen frei und erst weiß,<br />
später lachsfarben. Mitunter sind die alten<br />
Pilze olivgrün verfärbt, es gibt auch<br />
Albinoformen ohne jegliche Blauung, wie<br />
überhaupt diese Art nicht immer zuverlässig<br />
blaut. Pluteus salicinus enthält im<br />
Hut bis etwa 1,6 Prozent Psilocybin, im<br />
Stiel bis über 1,1 Prozent (bezogen auf<br />
die Trockenmasse). Es gibt auch Proben,<br />
die weitaus weniger Psilocybin zum Vorschein<br />
brachten (zum Beispiel bis nur 0,2<br />
Prozent), die Variationsbreite des Alkaloidgehalts<br />
in den Pilzen ist erstaunlich.<br />
Aussicht<br />
Wie wir sehen, gibt es doch eine ganze<br />
Reihe von Psilocybin-Pilzen im deutschsprachigen<br />
Raum. Und das waren nicht<br />
einmal alle, sondern lediglich die typischsten<br />
Vertreter. Außerdem ist erstaunlich,<br />
dass mit der Art Psilocybe<br />
germanica jetzt ein „neuer“ Psilocybinbildender<br />
Pilz entdeckt wurde. Dabei<br />
neigt man doch eher dazu anzunehmen,<br />
dass die heimische Flora bestens bekannt<br />
ist. Das mag auf die Pflanzen des deutschsprachigen<br />
Raums durchaus größtenteils<br />
zutreffen, obgleich es auch hier Ausnahmen<br />
geben kann. Die Welt der (psychoaktiven)<br />
Pilzorganismen unserer Heimat<br />
hält aber offenkundig noch so manches<br />
Aha-Erlebnis für uns bereit. Möglich, dass<br />
irgendwann sogar noch ein Psilocybinpilz<br />
entdeckt werden wird, der bisher niemandem<br />
bekannt ist. Unsere Welt steckt immer<br />
noch voller Geheimnisse.<br />
Markus Berger<br />
Drogen Basiswissen<br />
Psilocybe azurescens - BlueCanoe CC BY-SA 3.0.<br />
67
<strong>grow</strong>! testet<br />
Wer nicht wägt, der nicht gewinnt!<br />
Der große <strong>grow</strong>!-Digitalwaagen-Test<br />
Eine Waage ist wie ein guter Freund: Man muss ihr vertrauen können. Doch die Entscheidung, welche<br />
Waage die richtige ist, fällt oftmals schwer. Das Angebot am Markt ist riesig, ebenso der Preisunterschied<br />
zwischen asiatischen Billigprodukten und teuren Exemplaren aus heimischer Fertigung, und die<br />
Qualitätskriterien sind kaum überschaubar. Ist jedoch billig immer auch gleichbedeutend mit „minderwertig“?<br />
Oder anders herum gefragt: Resultiert ein maximaler Kaufpreis zwangsläufig in einem verlässlicheren<br />
Wiege-Ergebnis? Was nutzt die billigste Waage, wenn sie mich schlichtweg anlügt, und warum<br />
sollte ich mein Bankkonto für ein vermeintliches Präzisionsinstrument plündern, wenn auch ein kleiner<br />
Griff in die Portokasse den Job ebenso gut erledigt? Wer hat also unser Vertrauen verdient? Wir haben<br />
für euch alles in die Waagschale geworfen und eine Auswahl von 18 Produkten getestet.<br />
Die Ausgangslage:<br />
Grundsätzlich existieren zwei Waagentypen, egal in welcher<br />
Gewichtsklasse. Da sind zum einen die guten alten Analog-<br />
Waagen, die ausschließlich mit mechanischen Komponenten<br />
arbeiten. Diese können mit einem Wiegeteller ausgestattet<br />
sein, auf welchem das Wiegegut platziert wird oder mit einer<br />
Hängevorrichtung, an die das Gut angehängt wird - wie bei einer<br />
Kofferwaage. Das Wiege-Ergebnis wird auf einer analogen<br />
Gewichtsskala angezeigt.<br />
Digitalwaagen hingegen arbeiten mit einer Kombination aus<br />
mechanischen und elektronischen Elementen, aber ebenfalls<br />
in Form von Hängewaagen oder als Exemplare mit Wiegeteller.<br />
Letztere sind die heutzutage wohl am häufigsten verkauften<br />
Waagentypen. Die mechanisch erzielten Wiege-Ergebnisse<br />
werden im Inneren der Waage in ein elektronisch<br />
darstellbares Ergebnis umgerechnet und auf einer digitalen<br />
Skala angezeigt. Damit lassen sich bequem selbst Werte im<br />
Tausendstel-Grammbereich visualisieren. Hinzu kommt, dass<br />
diese Digitalwaagen mittlerweile für jeden Durchschnittsbürger<br />
erschwinglich sind. Das macht sie für die meisten Endverbraucher<br />
zum Messinstrument der ersten Wahl. Aus diesem<br />
Grund haben wir uns ausschließlich auf digitale Taschenwaagen<br />
mit Wiege-Platte gestürzt, um euch bei der Auswahl eines<br />
geeigneten Helferleins zu unterstützen.<br />
Dabei haben wir uns in die Lage von Harz-, Kräuter- und<br />
Shroomliebhabern versetzt, um die ideale Bandbreite an<br />
Wiege-Bereichen abzudecken und abzuchecken. Während<br />
wohl die meisten in der Cannabis-Gemeinde mit Waagen im<br />
Hundert-Gramm Bereich und einer 0,1 Gramm Darstellung<br />
auskommen, kann der Konsum psychoaktiver Extrakte (z. B. aus<br />
Pilzen oder Hawaiianischen Holzrosen) den Einsatz einer Waage<br />
notwendig machen, die in puncto Genauigkeit deutlich darunter<br />
liegt. Eine 0,001-Gramm-Einteilung ist hier von Vorteil. Ambitionierte<br />
Grower wiederum kommen vermutlich ohne eine ordentliche<br />
Waage, die über 500 Gramm misst, nicht aus, wobei die<br />
zweite oder dritte Stelle hinter dem Komma zumeist eine untergeordnete<br />
Rolle spielt. Unterschiedliche Einsatzbereiche erfordern<br />
also unterschiedliche Kapazitäten und Empfindlichkeiten.<br />
Auch das ist zu beachten, wenn es um digitale Taschenwaagen<br />
geht. Daher haben wir vier Wiege-Bereiche zur Ausgangsbasis<br />
unseres Digitalwaagen-Tests gemacht, und Produkte aus jeder<br />
Klasse auf Herz und Nieren geprüft.<br />
a Waagen bis 100 gr.<br />
a Waagen bis 300 gr.<br />
a Waagen bis 500 gr.<br />
a Waagen bis 1 KG<br />
In jeder Klasse haben wir zudem die Waagen unterschiedlichen<br />
Preiskategorien zugeordnet, um einen direkten Vergleich zwischen<br />
kostspieligen Exemplaren und billigen No-Name-Produkten<br />
zu gewährleisten. Leiten lassen haben wir uns hierbei<br />
von zwei Faktoren: dem Angebot am Markt und dem mutmaßlichen<br />
Budget eines Durchschnitts-Users, der nicht steinreich<br />
und nicht bettelarm ist. Herausgekommen ist diese<br />
Preiseinteilung, jeweils exklusive etwaiger Versandkosten:<br />
a bis 10 Euro<br />
a bis 25 Euro<br />
a bis 40 Euro<br />
In jeder Gewichtsklasse sind im Handel<br />
Waagen mit 0,1 gr. und 0,01 gr. Teilung<br />
verfügbar. Dies gilt auch für die verwendeten<br />
Test-Samples.<br />
24
Die Tests und Beurteilungen:<br />
Was haben wir getestet?<br />
Nicht nur Waagen sollen verlässlich funktionieren. Gleiches<br />
gilt selbstverständlich auch für Waagen-Tests, denn sowohl<br />
die Hersteller als auch die User haben einen Anspruch auf gewissenhafte,<br />
neutrale und nachvollziehbare Untersuchungen<br />
bzw. Ergebnisse. Um das zu gewährleisten, haben wir uns an<br />
den geltenden EU-Richtlinien für Waagenprüfungen orientiert,<br />
zwei von deren Messmethoden übernommen und eigene Prüfkriterien<br />
hinzugefügt. Wir haben eine Reihe unterschiedlicher<br />
Tests durchgeführt, die im Gesamtergebnis in einer entsprechenden<br />
Bewertung resultierte. Dabei handelte es sich einerseits<br />
um Tests, die als Ergebnis harte Fakten liefern sollten;<br />
Zahlen, die in konkreten Belegen für das Wiegeverhalten des<br />
betreffenden Gerätes resultierten. Andererseits haben wir jedoch<br />
auch solche Kriterien berücksichtigt, die man eventuell<br />
als sogenannte „Soft Facts“ bezeichnen könnte, weil sie in<br />
einem größeren Maße interpretationsfähig sind. Etwa die Beurteilungen<br />
in Sachen Bedienungskomfort und Batterielebensdauer.<br />
Im Einzelnen haben wir die folgenden Kriterien unter<br />
die Lupe genommen und die erzielten Resultate dokumentiert:<br />
a Haptik/Verarbeitung<br />
Zunächst haben wir uns darum gekümmert, was jeden Käufer<br />
eines Produktes interessiert: die Verarbeitung der Ware. Wie<br />
fühlt sich das Gerät an? Wie stabil ist das verwendete Material?<br />
Was nützt mir das vermeintlich beste Wiege-Ergebnis, wenn<br />
das Teil schon beim Auspacken wackelt wie ein Kuhschwanz,<br />
oder wenn die Verarbeitung so minderwertig ist, dass ein Ausfall<br />
des Gerätes nur eine Frage der Zeit scheint. Ist also das Gerät<br />
robust konzipiert und verarbeitet, oder wurde an den Materialien<br />
gespart? Das waren die drängendsten Kriterien, die uns<br />
hier interessiert haben.<br />
a Batterie<br />
und zu erwartende Lebensdauer<br />
Nichts ist ärgerlicher, als wenn unserer Waage im entscheidenden<br />
Moment immer wieder der Saft ausgeht. Das war in der<br />
Vergangenheit leider recht häufig der Fall, weil die Energieversorgung<br />
der Geräte auf Knopfzellen ausgelegt war. Daher haben<br />
wir zunächst einmal nachgeschaut, was für eine Batterie<br />
für den Betrieb der Waage benötigt wird. Weiterhin hat uns interessiert:<br />
Gibt es Features wie „auto shut-off“, die das Batterieleben<br />
verlängern? Und lässt sich die Waage eventuell auch<br />
ohne Beleuchtung ablesen, um Energie zu sparen?<br />
a Bedienungsanleitung/Handling<br />
Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Kriterium war für uns<br />
die Bedienungsanleitung der Waage sowie ihre eng damit zusammenhängende<br />
Bedienbarkeit. Wird dem Benutzer des Gerätes<br />
eine sachgerechte Nutzung schon dadurch erschwert,<br />
weil kryptische Hinweise in Esperanto-ähnlichem Kauderwelsch<br />
ein Verständnis der einzelnen Bedienungs-Elemente<br />
und Wiege- bzw. Kalibrierungsvorgänge linguistische Fähigkeiten<br />
abverlangen? Sind die Bedienungshinweise sinnvoll<br />
bzw. zielführend, und gestaltet sich die nachfolgende Anwendung<br />
unkompliziert? Wie steht es um die Übersichtlichkeit der<br />
Bedienungs-Elemente insgesamt?<br />
a Kalibrierung<br />
Am Anfang eines Wiegeprozesses steht idealerweise die Kalibrierung<br />
einer Waage, weil sich ihre gespeicherten Werte je<br />
nach Höhe, Temperatur und Luftfeuchtigkeit verändern können.<br />
Daher ist es wichtig, diese nach einem Transport von A nach B<br />
oder nach mehrmaligem Gebrauch neu zu kalibrieren, um ihre<br />
Genauigkeit beim Wiegen zu gewährleisten. Weil aber die Kalibrierprozesse<br />
verschiedener Waagen unterschiedlich funktionieren,<br />
war es uns wichtig festzustellen, ob eine vernünftige<br />
Kalibrierung auf der Basis der mitgelieferten Gebrauchsanleitung<br />
möglich ist. Das haben wir getan, und damit gleichzeitig<br />
die beiden abschließenden Tests eingeleitet, die harte Messwerte<br />
liefern sollten.<br />
<strong>grow</strong>! testet<br />
aMessgenauigkeit/Richtigkeitsprüfung<br />
Bei der sogenannten Richtigkeitsprüfung wird gemessen, wie<br />
hoch die größte gemessene Abweichung vom aufgelegten Gewichtswert<br />
ausfällt. Hierzu bedarf es eines Referenz-Gewichtes,<br />
dessen tatsächliches Gewicht bekannt ist, und welches mittig<br />
auf dem Wiegeteller platziert<br />
wird. Idealerweise bedient<br />
man sich hierzu sogenannter<br />
Prüfgewichte, die es im<br />
Handel gibt. Das aufgelegte<br />
Prüfgewicht sollte in jedem<br />
Fall bei rund 50 Prozent der<br />
maximalen Wiege-Kapazität<br />
liegen, d. h. bei einer Waage<br />
bis 1 Kilo mit 1-Gramm-Einteilung<br />
bei ungefähr 500<br />
Gramm. Ideal ist freilich die<br />
Maximalkapazität. Je geringer die Diskrepanz zwischen Referenzgewicht<br />
und gemessenem Gewicht ausfällt, desto besser.<br />
Wir haben sogar noch einen draufgesetzt und nicht nur einen<br />
Referenzwert gemessen. Vielmehr haben wir gleich drei Messergebnisse<br />
erhoben, nämlich die Mess-Richtigkeit im Bereich<br />
des Maximalgewichts, der mittleren Gewichtsbelastung einer<br />
Waage (50 % von Max.) sowie im Bereich der Minimalkapazität<br />
(0,1 bzw. 0,01 Gramm). Auf diese Weise hatte jede der getesteten<br />
Waagen eine Chance, in mindestens einem Belastungspunkt<br />
der Prüfung zu glänzen. Darüberhinaus haben unserer<br />
Meinung nach jedoch drei Testergebnisse eine größere Aussagekraft<br />
über Stärken und Schwächen als lediglich eine Messung,<br />
die nur eine Momentaufnahme darstellt.<br />
- Eckenprüfung<br />
Schließlich wäre da die sogenannte Eckenprüfung. Mit Hilfe<br />
dieses Tests lässt sich die Abweichung im Wiege-Ergebnis von<br />
der Mitte der Wiege-Fläche zu den äußeren Bereichen am Rand<br />
dieser Fläche messen. Schließlich ist es ein Irrtum zu glauben,<br />
dass es egal sei, wo auf dem Wiege-Feld man sein Material<br />
platziert. Je höher die Abweichung der einzelnen Bereiche zum<br />
Referenzwert in der Mitte des Wiege-Feldes ist, desto unverlässlicher<br />
das Wiege-Ergebnis für den Anwender. Eine Grafik<br />
veranschaulicht das:<br />
Abbildung: Messpunkte der Eckenprüfung<br />
Allerdings gilt es in diesem Zusammenhang eines zu berücksichtigen:<br />
die Unterscheidung zwischen zufälligen Messfehlern<br />
(etwa durch sich ändernde Umwelteinflüsse wie Temperatur, Untergrund,<br />
Messgerät etc.) und systemisch bedingten Messfehlern<br />
(weil das Teil beispielsweise grundsätzlich 1 Prozent zu viel<br />
oder wenig anzeigt). Letztere sind vergleichsweise „berechenbar“<br />
und wurden daher von uns nicht speziell berücksichtigt.<br />
Begrifflichkeiten:<br />
kalibrieren, justieren, eichen<br />
Es existiert in der Gemeinde viel Verwirrung um die richtigen<br />
Begriffe, wenn es um Waagen und ihre Genauigkeiten geht. Der<br />
Begriff Kalibrierung wird nicht selten mit „Eichung“ und „Justierung“<br />
gleichgesetzt. Daher wollen wir an dieser Stelle auf<br />
ein paar wichtige Termini eingehen.<br />
„Kalibrieren“ bedeutet nichts anderes, als dass man per<br />
Messtechnik zuverlässig und wiederholbar die Abweichung<br />
einer Waage vom nominalen Auflagegewicht (bezeichnet als<br />
„Normal“) ermittelt. Hierzu bedient man sich passender Prüfgewichte,<br />
deren Wert bzw. Genauigkeit bekannt ist, beispielsweise<br />
durch entsprechende Zertifizierung oder durch das Gegenwiegen<br />
mit einer als exakt funktionierend bekannten<br />
Waage. Eine Kalibrierung ist ein Messvorgang. Es findet kein<br />
mechanischer Eingriff in der Waage statt. Das ist es, was der<br />
Nutzer im Regelfall tut. Eine „Eichung“ stellt lediglich in Zusammenhang<br />
mit einer Kalibrierung die amtliche Bestätigung<br />
25
<strong>grow</strong>! testet<br />
dar, dass eine Waage gewissen Vorschriften genügt. Eichungen<br />
sind in festgelegten Abständen durchzuführen und, wie auch<br />
Kalibrierungen, zu dokumentieren.<br />
Eine „Justierung“ (auch „Abgleich“ genannt) stellt hingegen<br />
einen Eingriff in das Messgerät dar. Sie wird offiziell wiefolgt<br />
definiert: „Einstellen oder Abgleichen eines Messgerätes, um<br />
systematische Abweichungen so weit zu beseitigen, wie es für<br />
die vorgesehene Anwendung erforderlich ist. - Justierung erfordert<br />
einen Eingriff, der das Messgerät bleibend verändert.“<br />
(zit. nach: Wikipedia.org, „Justierung“). Dies kann mit Hilfe von<br />
mechanischen oder elektronischen Einstellparametern geschehen,<br />
etwa, wenn die Waage auf unebenem Untergrund steht.<br />
Die Methoden:<br />
Wie haben wir getestet?<br />
Waage ist nicht gleich Waage: Die Geräte werden in verschiedene<br />
Genauigkeits-Klassen unterteilt. Da wären zunächst die<br />
sogenannten „eichfähigen“ Waagen, die in die Klassen 1 (Feinwaage)<br />
bis 4 (Grobwaage) eingeteilt werden. Im Bereich der<br />
eichfähigen Präzisions- und Handelswaagen mit einer Ablesbarkeit/Empfindlichkeit<br />
von 0,01 Gramm bzw. 0,1 Gramm, wie<br />
sie beispielsweise Juweliere verwenden, muss man freilich mit<br />
Einstiegspreisen von mehreren Hundert Euro rechnen. Eichfähige<br />
Fein-/Analysewaagen (Ablesbarkeit, 0,001 Gramm) sind<br />
ohnehin außerhalb unserer finanziellen Reichweite.<br />
Dem gegenüber stehen die „nicht eichfähigen“ Waagen.<br />
Diese sind zwar preislich erheblich günstiger als ihre eichfähigen<br />
Pendants, müssen dabei jedoch für den Privatanwender<br />
nicht unbedingt „schlechter“ sein. Wer braucht schon ein<br />
offizielles Genauigkeitszertifikat, wenn er einfach nur seine<br />
Kräuter oder Shrooms wiegen möchte? Zu dieser Kategorie<br />
von Waagen gehören unsere getesteten Exemplare. Hier existieren<br />
keine Eich-Genauigkeits-Klassen. Die Waagen werden<br />
einfach mit Hilfe von Kalibriergewichten auf genaue Linie gebracht<br />
- und die hat nichts mit der Genauigkeit bzw. mit der<br />
Verlässlichkeit professioneller Apothekerwaagen gemein,<br />
auch wenn die Hersteller mitunter etwas anderes behaupten.<br />
Doch auch die Prüfgewichte verfügen über unterschiedliche<br />
Genauigkeits-Klassen, und idealerweise sollten Waagen-<br />
und Prüfgewichte derselben Klasse angehören. Schließlich<br />
macht es keinen Sinn, eine super teure Apothekerwaage<br />
mit einem Prüfgewicht ohne Genauigkeits-Spezifikation (und<br />
vergleichsweise großer Mess-Toleranz) zu testen, ganz einfach,<br />
weil nicht sicher gestellt wäre, dass das aufliegende<br />
Gewicht auch tatsächlich der Empfindlichkeit der zu eichenden<br />
Waage gerecht würde. Auf der anderen Seite könnte<br />
man sicherlich eine günstig erworbene No-Name-Waage mit<br />
einem Eichgewicht testen und würde die korrekten Ergebnisse<br />
aus der Korrelation von Gewichts-Eichzertifikat und<br />
dem angezeigten Messergebnis der Waage ablesen können.<br />
Der Punkt ist freilich, dass derlei zertifizierte Gewichte selbst<br />
in niedrigen Wiegebereichen bereits so viel kosten wie unsere<br />
gesamte Waage. Da sollte man dann vielleicht sein Geld<br />
eher in die Genauigkeit der begehrten Waage investieren.<br />
Daher haben wir für unsere Tests Gewichte ausgewählt, die den<br />
Fähigkeiten und Gewichtskapazitäten der vorliegenden Waagen<br />
entsprechen. Wir haben von vornherein akzeptiert, dass<br />
es Fehlertoleranzen bzw. Messunsicherheiten geben wird - wie<br />
eben in diesem Segment der Consumer-Produkte üblich. Eine<br />
Wiege-Exaktheit wie von 1000 Euro teuren Profiwaagen zu verlangen,<br />
schien uns unfair. Wir haben uns an prozentualen Prüfvorgaben<br />
der Genauigkeitsklasse M3 orientiert. Eine Toleranz<br />
von < 0,2 % Mess-Abweichung vom aufliegenden Nominalgewicht<br />
galt uns hier als vertretbar, und diese Toleranz sollte sowohl<br />
den Waagen als auch den Prüfgewichten gerecht werden.<br />
Im Bereich einer 10-Gramm-Wiegung wären das < 0,20 Gramm<br />
Toleranz. Bei einem Gramm, nur noch 0,020 Gramm. Und im Bereich<br />
von 100 Milligramm reduziert sich die erlaubte Abweichung<br />
auf minimale 0,000020 Gramm. Man hätte die für eine<br />
sehr gute Bewertung nötige Toleranz sicherlich auch auf 0,020<br />
% festlegen können, aber schließlich muss die Kirche im Dorf<br />
bleiben, und als Normalanwender ist man eher selten auf die<br />
dritte bis fünfte Stelle hinter dem Komma angewiesen. Da gibt<br />
26<br />
es andere wichtige Faktoren, die eine Waage brauchbar machen.<br />
Abgesehen davon, dass die Waagen in unserem Preisbereich<br />
derartige Messgenauigkeiten ohnehin nicht leisten können.<br />
Wozu also messen, was sowieso nicht benötigt wird? Zum<br />
Vergleich: Die niedrigste Fehlergrenzenklasse von geeichten<br />
Prüfgewichten (Klasse M3) beträgt 0,2 %. Wir waren also einigermaßen<br />
anspruchsvoll bei der Formulierung unserer Kriterien<br />
im Messbereich, aber auch fair. Jeder der beiden Tests „Richtigkeit“<br />
und „Eckenprüfung“ wurde sechs Mal durchgeführt.<br />
Richtigkeit: Je sechs Mal mit den Gewichten: Maximal – 50 %<br />
d. Maximalgewichts - Minimal. Die jeweils niedrigste und die<br />
höchste Messwertreihe wurden gestrichen.<br />
Eckenprüfung: Je sechs Mal mit ca. einem Drittel des zulässigen<br />
Maximalgewichts. Die jeweils niedrigste und die höchste<br />
Messwertreihe wurde auch hier gestrichen.<br />
Von sechs erfolgten Messungen dieser beiden Tests haben wir<br />
also immer den obersten und den untersten Messwert gestrichen,<br />
und nur die vier Mittelwerte in die Wertung einfließen<br />
lassen. Der Grund liegt darin, dass sich in unterschiedlichen<br />
Messbereichen der Industrie gezeigt hat: Zwischen 5 und 31<br />
Prozent (geräte- und prüfungsabhängig) der durchgeführten<br />
Messungen sind fehlerhaft. Die statistische Häufung der gültigen<br />
Messungen befindet sich hingegen im Bereich der Mittelwerte.<br />
Wir haben uns daher mit 1/3 Mess-Ungenauigkeit (2<br />
von 6 Messdurchgängen) am oberen Ende der zu erwartenden<br />
Fehlerquote orientiert, um in jedem Fall ein faires Ergebnis der<br />
getesteten Waagen zu erzielen und um außerdem statistischen<br />
Gesetzmäßigkeiten zu genügen. Es bleiben somit pro Waage<br />
vier Messwerte für die Testauswertung.<br />
Umgebungsvariablen:<br />
Alle getesteten Digitalwaagen lagen bereits mehrere Tage vor<br />
der Prüfung in dem entsprechenden Raum, der für die Messungen<br />
vorgesehen war. Somit hatten alle Exemplare dieselben<br />
Umgebungsverhältnisse. Das ist wichtig für eine Vergleichbarkeit<br />
der Messergebnisse.<br />
a Die Temperatur lag bei<br />
23° bis 23,5° Celsius.<br />
a Die Höhe über Normalnull<br />
betrug 114 Meter.<br />
a Die relative Luftfeuchtigkeit<br />
bewegte sich zwischen 50 und 55 Prozent.<br />
a Der Untergrund war fest und eben, was durch zwei kombiniert<br />
eingesetzte Wasserwaagen sichergestellt wurde.<br />
Die Bewertungen:<br />
Für die beiden Tests „Richtigkeit“ und „Eckenprüfung“ gilt:<br />
Es wurden jeweils maximal 40 Punkte vergeben. Für Beurteilungen<br />
„Gebrauch“, „Batterieleben“, „Haptik“ und „Kalibrierung“<br />
gilt: Es wurden jeweils maximal 30 Punkte vergeben.<br />
Bei sechs zu berücksichtigenden Kriterien ergibt sich daraus<br />
kumulativ eine maximal zu erreichende Punktzahl von 200.<br />
Richtigkeit/Verlässlichkeit:<br />
Hier wurden Messabweichungen zum nominalen Auflagegewicht<br />
(n) beurteilt. Der Richtigkeitstest wurde jeweils sechs<br />
Mal mit drei unterschiedlichen Gewichten durchgeführt, und<br />
zwar jeweils bezogen auf die folgenden Kapazitäten der betreffenden<br />
Waage:<br />
a Minimal-Wiege-Einheit: (10mg/100mg)<br />
aMittelwert Gewicht: 25/50/100/125/200/250/300/500<br />
a Höchstgewicht: 50/100/200/250/300/500/650/1000<br />
Bis zu einer Abweichung von +/- 0,20 % zu n wurde das<br />
Wiegeergebnis als sehr gut bezeichnet. Es gab 40 Punkte.<br />
Bei einer Abweichung von bis zu+/- 0,5 % zu n<br />
wurden 35 Punkte vergeben.<br />
Bei einer Abweichung von +/- 1 % zu n<br />
wurden noch 30 Punkte vergeben.
<strong>grow</strong>! testet<br />
Bei einer Abweichung von bis zu +/- 1,5 %<br />
gab es noch 25 Punkte.<br />
Abweichungen von bis zu +/- 2 % wurden mit<br />
20 Punkten bewertet.<br />
Abweichungen von a 2 % wurden als Ausfall gewertet.<br />
Der Test gilt als nicht bestanden.<br />
Eckenprüfung:<br />
Hier ist bei Waagen mit nur einem Auflagepunkt des Wiegetellers<br />
ungefähr 1/3 des Maximalgewichts aufzulegen. Bezogen<br />
auf das mittig auf dem Wiegeteller platzierte Nominalgewicht<br />
(n), werden mögliche Messabweichungen an den vier<br />
Eckpunkten des Wiegetellers beurteilt.<br />
Bis zu einer Abweichung von +/- 0,20 % zu n wurde das Wiegeergebnis<br />
als sehr gut bezeichnet. Es gab 40 Punkte.<br />
Bei einer Abweichung von bis zu+/- 0,5 % zu n<br />
wurden 35 Punkte vergeben.<br />
Bei einer Abweichung von +/- 1 % zu n<br />
wurden noch 30 Punkte vergeben.<br />
Bei einer Abweichung von bis zu +/- 1,5 %<br />
gab es noch 25 Punkte.<br />
Abweichungen von bis zu +/- 2 %<br />
wurden mit 20 Punkten bewertet.<br />
Abweichungen von a 2 % wurden als Ausfall gewertet.<br />
Der Test gilt als nicht bestanden.<br />
-Gebrauch/Anleitung:<br />
Bewertung: 30 Punkte, super.<br />
20 Punkte, ok. 10 Punkt, mäßig.<br />
00 Punkte, Totalausfall<br />
-Verarbeitung/Haptik:<br />
Bewertung: 30 Punkte, super.<br />
20 Punkte, ok. 10 Punkt, mäßig.<br />
00 Punkte, Totalausfall<br />
-Kalibrierung:<br />
Bewertung: 30 Punkte, super.<br />
20 Punkte, ok. 10 Punkt, mäßig.<br />
00 Punkte, Totalausfall<br />
-Batterielebensdauer:<br />
Bewertung: 30 Punkte, super.<br />
20 Punkte, ok. 10 Punkt, mäßig.<br />
00 Punkte, Totalausfall<br />
Die Punktevergabe:<br />
a 200 - 195 Punkte: exzellentes Ergebnis<br />
Super! Es gibt keine oder so gut wie keine Beanstandungen.<br />
Die Waage ist robust verarbeitet. Sie arbeitet genau und verlässlich.<br />
Die Bedienungsanleitung ist gut verständlich, und<br />
die Stromversorgung ist effizient gelöst. Mit dem Teil kann<br />
man alt werden.<br />
a 194 - 185 Punkte: sehr gut<br />
Das Gesamtergebnis ist gut, wenngleich man hier und da<br />
eventuell Kompromisse eingehen muss. Dennoch erfüllt die<br />
Waage vermutlich alles, was man sich von ihr erhoffen kann.<br />
a 184 - 175 Punkte: befriedigend<br />
Wenn man auf das eine oder andere Feature verzichten kann,<br />
liegt man mit einer Waage des Mittelfeldes vermutlich richtig.<br />
Warum auf etwas Wert legen, was man nicht braucht?<br />
a 174 - 160 Punkte: na ja ...<br />
Eine Waage im hinteren Mittelfeld kann unter Umständen immer<br />
noch attraktiv für den einen oder anderen sein. Vermutlich<br />
ist sie kostengünstig, oder sie hat eventuell eine andere<br />
unschlagbare Stärke, die sie in diesem Punkt über andere Produkte<br />
hinaushebt. Insgesamt betrachtet, finden sich jedoch<br />
vielleicht attraktivere Modelle.<br />
a < <strong>15</strong>0 Punkte: muss jeder selbst wissen ...<br />
Die mitunter indiskutablen Einzelprüfergebnisse spiegeln sich<br />
im Endergebnis des Produkts wieder. Hier stimmt wenig.<br />
Am Ende wurden alle Bewertungspunkte eines Produktes<br />
addiert und die Gesamtpunktzahl unter den einzelnen<br />
Produkten verglichen. Voilà!<br />
Der/die Gesamtsieger:<br />
1. Platz<br />
Wir haben getestet, gerechnet und verglichen, und das Ergebnis<br />
steht fest. Den ersten Platz teilen sich gleich fünf Kandidaten.<br />
Alle Erstplatzierten haben in den jeweiligen Einzeltests die volle<br />
Punktzahl erreicht, und somit liegen sie auch im Gesamtergebnis<br />
vorne. Die Wiegeergebnisse waren durchweg sehr gut, wobei<br />
uns die „Joshs MR 5“ mit ihrer hohen Genauigkeit besonders<br />
beeindruckt hat. Mit ihrer geringen Größe, ihrer robusten Konstruktion<br />
und dem unauffälligen Design empfiehlt sich die „MR<br />
5“ ausdrücklich für eine mobile Verwendung. Und der Preis? Mit<br />
rund 10 Euro gehört sie zum preisgünstigsten, das der Markt zu<br />
bieten hat. Top! Doch auch die übrigen Sieger können mit ihren<br />
Features überzeugen. So bestechen die Modelle „U“ und<br />
„S“ von Fakt (500 gr. bzw. 1000 gr.) zusätzlich durch ihr edles<br />
Design, ihre Bedienungsfreundlichkeit sowie ihre hochwertige<br />
Haptik. Preislich im oberen Mittelfeld (23 € - 29 €) liegend, fühlen<br />
sich die Teile einfach super an. Gleiches gilt für die „MX“<br />
(500 gr.) von Perfectweigh, die übrigens exakt bauartgleich zum<br />
„Model U“ von Fakt daher kommt. Bei der „BLscale 500“ überzeugt<br />
uns, zusätzlich zum hervorragenden Wiegeergebnis, ihre<br />
bedienerfreundliche Gebrauchsanleitung. Piktogramme und<br />
mehrsprachige Erläuterungen lassen den Betrieb der Waage zu<br />
einem Kinderspiel werden. Hinzu kommt das ansprechende Design<br />
- eine Freude für das Auge. Beeindruckende Testresultate,<br />
stylische Designs und wertige Materialien, gepaart mit leichter<br />
Bedienbarkeit, das sind die Erfolgsrezepte der fünf Gewinner.<br />
2. Platz<br />
Den Siegern mit einer Gesamtpunktzahl von 196,25 dicht auf den<br />
Fersen, positioniert sich die „TP 500“ von Dipse bzw. Pefect Weigh.<br />
27
<strong>grow</strong>! testet<br />
Mit einer Teilung von 0,01 gr. liefert die Waage im Bereich der<br />
Mittel- und Maximalgewichte durchaus ansprechende Ergebnisse.<br />
Darüberhinaus haben uns das Design, der große Wiegeteller<br />
aus gebürstetem Metall sowie die komfortablen Bedienelemente<br />
überzeugt. Die Hintergrundbeleuchtung ist zu- und<br />
abschaltbar. Damit lässt sich Energie sparen. Die Wiegefläche<br />
ist nicht nur schön groß, der Bereich der optimalen Wiegegut-<br />
Platzierung ist außerdem noch zusätzlich markiert. Zwei unterschiedlich<br />
große, durchsichtige Schutzhüllen, die auch als<br />
Wiegeschälchen für größere Mengen loser Kräuter fungieren<br />
können, runden die Sache ab. In die Hosentasche passt dieses<br />
Modell zwar nicht mehr, aber eine Jackentasche tut es ja<br />
zur Not auch, und dafür erhält man eine Digitalwaage, die sich<br />
schwer und wertig anfühlt. Das Wiegen wird damit zum Genuss.<br />
3. Platz<br />
Den dritten Platz<br />
teilen sich zwei<br />
„Dipsen“. Auch<br />
hier gestaltet sich<br />
der Punkteabstand<br />
zum Zweitplatzierten<br />
äußerst<br />
eng. Gerade<br />
mal 1,25 Punkte<br />
beträgt die Differenz.<br />
Die „PS250“<br />
(50 gr./0,1) von<br />
„Dipse“ ist schon<br />
fast so etwas wie<br />
ein Klassiker. Mit<br />
einem Verkaufspreis<br />
von rund 35 - 39 € ist sie zwar nicht ganz billig, dafür hat<br />
sie sich jedoch mit exzellenten Testergebnissen empfohlen.<br />
Das Design in Form eines „Handhelds“ empfinden wir als innovativ<br />
und ansprechend. Die im Klappdeckel des leichten Kunststoffgehäuses<br />
untergebrachte Kurzbedienungsanleitung lässt<br />
den Nutzer zu jeder Zeit die wichtigsten Bedienungsschritte im<br />
Blick behalten. Die Bedienungselemente sind, wie bei „Dipse“<br />
allgemein üblich, komfortabel und übersichtlich angeordnet.<br />
Die „PS250“ gehört sicherlich zu den größeren Taschenwaagen,<br />
was freilich die Handhabung erleichtert. Doch auch das<br />
„Model T“ (500 gr./0,1) von „ Dipse“ lässt sich super komfortabel<br />
bedienen. In der Größe vergleichbar mit der kleinen „Joshs<br />
MR 5“, kommt auch das „Model T“ schwer und wertig daher.<br />
Eine stabile Kunststoffschale, die als Schälchen Verwendung<br />
findet, schützt die Wiegeplatte aus gebürstetem Metall. Vier<br />
silberne Bedienungsknöpfe ermöglichen trotz der geringen<br />
Abmessungen des Geräts eine komfortable Bedienung. Alles<br />
wird am Ende von einem schwarzen, hochglänzenden Kunststoffgehäuse<br />
mit Klappdeckel geschützt, dem man eventuell<br />
einen robusteren Schließmechanismus spendieren sollte. Was<br />
stark beeindruckt , weil es die Bedienbarkeit erleichtert, ist die<br />
wechselnde Displaybeleuchtung, sobald etwas geschieht, etwas<br />
aufgelegt oder die Wiege-Einheit gewechselt wird. Ihre<br />
Stärken zeigte die Waage im Bereich der Minimalgewicht-Auflagen.<br />
Ein Gerät, das nicht nur cool aussieht, sondern auch gut<br />
in der Hand liegt, das unauffällig ist und lässig zu bedienen.<br />
Sieger nach Einzelprüfungskriterien<br />
- beste Anleitung<br />
Eine leicht verständliche<br />
und übersichtliche<br />
Bedienungsanleitung<br />
ist der Schlüssel<br />
zum Gebrauch eines Gerätes.<br />
Das gilt auch für<br />
Waagen. Während die<br />
meisten Bedienungsanleitungen<br />
in Ordnung<br />
sind, manche vielleicht<br />
ein wenig zu knapp gehalten,<br />
beschränkten<br />
sich die Hersteller bei<br />
einzelnen Modellen auf die englische Sprache. Das war uns zu<br />
wenig, denn nicht jeder Käufer spricht und versteht die Sprache.<br />
Beeindruckt hat uns hingegen die illustrierte und mehrsprachig<br />
gehaltene Anleitung der beiden „BLscales“ (200 gr.<br />
bzw. 500 gr.). Schritt für Schritt werden die einzelnen Bedienschritte<br />
erläutert. Keine Fragen bleiben offen - vorbildlich.<br />
- beste Haptik/Design<br />
Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten, aber<br />
wer wollte es leugnen: Das Auge isst mit. Bei der Beurteilung<br />
dieses Kriteriums haben wir uns von der Wertigkeit des Materials,<br />
der Formgebung sowie dem „Handgefühl“ leiten lassen.<br />
Die teils innovative Verarbeitung von Metall und gummiertem<br />
Kunststoff kam gut an.<br />
Auch Touchscreens,<br />
wie bei der „TS500“<br />
und den „Fakt S“-Modellen,<br />
empfinden wir<br />
als stylisch. Insbesondere<br />
die Fakt-Modelle<br />
bestechen hierbei<br />
durch ihr schnörkelloses<br />
Design, das ausgesprochen<br />
edel wirkt.<br />
Bei dem „Model T“<br />
hingegen war es eine<br />
Kombination aus allen Variablen, die sie hier über andere Modelle<br />
hinaushebt. Innovative Form, gepaart mit einem angenehmen<br />
Gefühl in der Hand und hochwertigen Materialien, lautet<br />
ihr Rezept.<br />
- leichteste Kalibrierung<br />
Hier gab es im Großen und Ganzen keine grundlegenden Unterschiede<br />
zwischen den einzelnen Produkten. Fast alle ließen<br />
sich problemlos kalibrieren. Lediglich in der Kombination der<br />
zu absolvierenden Bedienschritte gab es geringe Unterschiede.<br />
- überzeugendste Stromspar-Features<br />
Die Zeiten, in denen uns die Waagenhersteller mit teuren Knopfzellen<br />
und stromfressenden Standardfeatures gequält haben,<br />
sind Gott sei Dank vorbei. Alle von uns getesteten Exemplare<br />
verfügen über die günstigen und überall erhältlichen AAA-Batterien.<br />
Was Topgeräte von durchschnittlichen Apparaten unterscheidet,<br />
sind weitere Einstellungen (teilweise sogar individuell<br />
einstellbar), welche die Haltbarkeit der Batterien noch<br />
verlängern. Als nützlich empfinden wir in diesem Zusammenhang<br />
die Autoabschaltung, wie sie beispielsweise die „Dipse“-<br />
und „Fakt“-Exemplare vorweisen können. Und wenn dann noch<br />
die Displaybeleuchtung zu- bzw. abgeschaltet werden kann,<br />
wie bei der „Dipse TP-500“ (Foto, 2. Platz), ist wohl das derzeitige<br />
Optimum in Sachen Energie-effizienz erreicht.<br />
- höchste Richtigkeit/Verlässlichkeit/geringste Toleranz<br />
Ein wenig ist es so wie beim Stabhochsprung. Wer sich selbst<br />
die Latte zu hoch hängt, riskiert zu reißen. Ein Beispiel: Wird<br />
eine Waage mit einer Genauigkeit von 0,01 Gramm vom Hersteller<br />
angepriesen, und hat diese dann bei der Prüfung Schwierigkeiten,<br />
auch nur 0,1 Gramm richtig anzuzeigen, führt das<br />
zwangsläufig zu Abzügen. Ganz einfach, weil das aufgelegte<br />
Prüfgewicht um ein Mehrfaches falsch gewogen wird. Es kann<br />
also für einen Hersteller durchaus Sinn machen, die Fähigkeiten<br />
seiner Waage ein wenig realistischer einzuschätzen, was<br />
sich in entsprechend<br />
höheren Punktzahlen<br />
widerspiegelt. Dies<br />
ist beispielsweise<br />
bei den Modellen<br />
„PS250“, der „TS500“<br />
und der „Joshs MR<br />
5“ der Fall. Doch<br />
selbst im Bereich von<br />
0,01-gr.-Auflösungen<br />
gibt es mitunter exzellente<br />
Resultate. So<br />
erkennt die „BLscale<br />
28
<strong>grow</strong>! testet<br />
200“ den Minimalwert in 100 Prozent der Testdurchgänge korrekt, ebenso wie die<br />
„Omega 200“. In einigen Fällen jedoch haben die Waagen Schwierigkeiten, den<br />
selbstgesteckten Ansprüchen gerecht zu werden.<br />
- erfolgreichste Eckenprüfung<br />
Manchmal muss es ein wenig schneller<br />
und diskreter gehen als üblich,<br />
und dann ist mitunter keine Zeit, um<br />
sicherzustellen, dass das Wiegegut<br />
exakt in der Mitte des Tellers liegt. In<br />
dieser Situation ist eine Waage von<br />
Vorteil, der es egal ist, wo auf dem<br />
Wiegeteller sich das Gut befindet -<br />
die überall das gleiche Ergebnis anzeigt.<br />
Hier macht keiner der kleinen<br />
„Dipse St. Pauli“ (100 gr./0,01)/Vollkunststoff/Klappdeckel/um<br />
die 18<br />
Euro) etwas vor. Das Teil zeigte in unseren<br />
Tests jeweils die exakten Werte<br />
an. Das schafft sonst keine – dem gebührt<br />
Hochachtung.<br />
Fazit unseres Digitalwaagen-Tests:<br />
„Du kriegst, wofür du bezahlst“. Diese Binsenweisheit stimmt bei mobilen Digitalwaagen<br />
nur eingeschränkt. Immerhin liegt die mithin preisgünstigste Waage unseres<br />
Tests in der Spitzengruppe. Während die überwiegende Anzahl unserer Samples<br />
die Wiegeprüfungen gut bis sehr gut absolviert hat, ergaben sich Unterschiede in<br />
der Wertigkeit der verwendeten Materialien. Auch die Ausführlichkeit und Anschaulichkeit<br />
der Bedienungsanleitungen unterschieden sich teils deutlich voneinander,<br />
und auch das ist keine Frage des Preises. Auf der anderen Seite konnten die höherpreisigen<br />
Kandidaten wie beispielsweise von „Dipse“ und „Fakt“ durchweg zusätzlich<br />
mit coolem Design, einer komfortablen Bedienbarkeit und stromeffizienten Energiesparfeatures<br />
glänzen.<br />
Es ist also am Ende eine Frage der persönlichen Präferenzen, welches Modell am besten<br />
zu einem passt. Lege ich Wert auf Genauigkeit und minimale Größe, kann aber<br />
auf Schnickschnack verzichten, muss ich nicht viel Geld ausgeben. Liegt mein Augenmerk,<br />
zusätzlich zu sehr guten Wiegeergebnissen, auf edlen Materialien bzw.<br />
einer erleichterten und mitunter individualisierbaren Bedienung, scheint auch ein<br />
etwas höherer Anschaffungspreis gerechtfertigt.<br />
Wo die eigenen Bedürfnisse liegen, muss jeder selbst entscheiden, denn richtig<br />
schlecht wiegt keine Waage. Das hat unser großer Digitalwaagentest gezeigt, der<br />
freilich immer nur die Momentaufnahme eines einzigen, jeweiligen Produktvertreters<br />
ist. Das kann bei einem anderen Exemplar schon wieder anders sein - oder anders<br />
beurteilt werden. Am Ende hilft nur eines: Das Produkt der Wahl anschauen,<br />
anfassen, testen - und sich dann für oder gegen einen Kauf entscheiden.<br />
Alle Tests wurden nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt. Irrtümer sind<br />
unwahrscheinlich, aber niemals ausgeschlossen. Eine Haftung ist in diesem Zusammenhang<br />
ausgeschlossen.<br />
Oliver Urig<br />
Die kompletten Test- & Messergebnisse findest Du im Internet auf www.<strong>grow</strong>.de<br />
A chtung:<br />
Wir verlosen einige Digitalwaagen aus unserem Test.<br />
Wer eine davon gewinnen möchte, schickt eine Postkarte<br />
oder E-Mail mit dem Stichwort „Digitalwaage“ an die<br />
Redaktion in Liebenau (Adresse siehe Impressum).<br />
Einsendeschluss ist Freitag, der 27. November 20<strong>15</strong>.<br />
Viel Glück!
Ganja Ninjas Schmuggel-Abenteuer<br />
Khyber Pakhtunkhwa<br />
– Erlebnisse in Nord-Pakistan Teil 2<br />
Aghani Market - Peshawar<br />
Die „North Western Frontier Province“ (NWFP) war noch nie eine leicht zu bereisende Gegend. Auch sieben<br />
Monate vor den Ereignissen von „Nine-Eleven-2001“ nicht. Ein paar Kilometer weiter beginnt das<br />
Herrschaftsgebiet der Taliban, und auch hier in der Grenzstadt Peshawar sind sie allgegenwärtig. Man<br />
sollte also tunlichst jemanden haben, der seine schützende Hand über einen hält. Einen „Tribesman“, der<br />
einem Greenhorn das Grüne hinter den Ohren wegputzt und dem sein Ehrenkodex gebietet, seinen Gast<br />
bis zum eigenen Tod zu verteidigen. Einen solchen hatte ich recht schnell gefunden. So erhielt ich Zugang<br />
zu Orten, in die ich mich allein nie getraut hätte. Ein afghanisches Flüchtlingslager beispielsweise oder<br />
die Hinterhöfe des berühmt-berüchtigten „Karkhano-Market“, wo man Schmuggelware aller Art erstehen<br />
kann. Inklusive Fachgeschäften für hochwertiges afghanisches Haschisch und Opiumprodukte. Alles<br />
zu Spottpreisen. Das Problem war, sein Dope zurück auf die Straße und in die Stadt zu bekommen.<br />
Aber in Peshawar gibt es letztlich für alles eine Lösung. Man muss den Pathanen nur sympathisch sein ...<br />
Bereits am folgenden Tag nahm ich die<br />
kilometerlange Aneinanderreihung<br />
von Geschäften bewusster und genauer<br />
in Augenschein. Es gab hier nichts, was<br />
es nicht gab, und bis auf die Teppiche<br />
kam so ziemlich alles aus China. Eingeschmuggelt<br />
via Afghanistan. Zoll- und<br />
steuerfrei und deshalb so billig, dass<br />
auch arme Menschen hier einkaufen.<br />
Mehr als eine halbe Stunde Fußmarsch<br />
in sengender Hitze lag bereits hinter uns.<br />
Dann, fast ganz am Ende dieser endlosen<br />
Ladenzeile, kurz vor dem Checkpost, der<br />
das Ende des pakistanischen Hoheitsanspruchs<br />
darstellt, schlugen wir uns nach<br />
rechts in einen der Eingänge, die zu den<br />
Backyards führten. Ich merkte mir das zur<br />
Rechten liegende „Kabul Restaurant“, um<br />
notfalls auch allein wieder hierher zu finden.<br />
Dann befanden wir uns auch schon<br />
wieder in dem kleinen Hinterhof, auf dem<br />
sich Logars „Charras-Pasal“ befand.<br />
„Nächstes Mal komm besser allein. Du<br />
brauchst den Alten nicht immer mitzuschleppen.<br />
Wir sind jetzt Freunde, und ich<br />
bin dein Bodyguard“, raunte mir Akbara<br />
zu, als Babajee gerade draußen zum Pinkeln<br />
war. Nun, zutrauen würde ich mir das<br />
inzwischen schon, aber den Alten so ausbooten?<br />
Das ging gar nicht, dazu hatte<br />
ich ihn schon zu gern. Außerdem war ich<br />
ja auch noch nicht in seinem Dorf gewesen,<br />
was mein eigentliches Hauptanlie-<br />
19
Ganja Ninjas Schmuggel-Abenteuer<br />
Khyber Road<br />
gen war. Aber schön, dass Akbara mir das<br />
angeboten hatte. Ich wertete es als Vertrauensbeweis<br />
und Indiz dafür, dass ich<br />
hier stets willkommen war.<br />
Wieder blieb ich für einige Stunden<br />
in diesem wunderbar klimatisierten<br />
Shop, intensivierte meine Beziehung zu<br />
den beiden Ladeninhabern und rauchte<br />
die Paki-Joints, die man mir am laufenden<br />
Band bastelte. Und als ich gerade dachte,<br />
dass man viel stoneder nicht mehr werden<br />
kann, fragte mich Akbara, ob ich<br />
schon einmal in einer der hiesigen „Räucherstuben“<br />
gewesen sei. Keine fünfzig<br />
Meter weiter gehöre eine davon seinem<br />
Cousin Malang. Der verkaufte kein Dope.<br />
Vielmehr konnte man es dort in großen<br />
Hookah‘s konsumieren. Ich war begeistert.<br />
Er schnallte sich die AK-47 um, und wir<br />
betraten den staubigen und hitzeflirrenden<br />
Innenhof, auf dessen gegenüberliegender<br />
Seite Malangs Laden lag. Noch<br />
ein Stück weiter, in einem angrenzenden<br />
Hinterhof, befanden sich die Shops, die<br />
Opium und Heroin verkauften. Auch dort -<br />
so verriet mir Akbara - gab es Lokalitäten,<br />
wo man den Stoff direkt konsumieren<br />
konnte, um dann an Ort und Stelle seinen<br />
Rausch auszuleben. Echte Opiumhöhlen.<br />
Malangs Kiff-Höhle hatte nicht annähernd<br />
die Gemütlichkeit von Logars<br />
Laden. Kaum ein Lichtstrahl fand seinen<br />
Werkstatt in Darra<br />
Weg hier hinein, aber sogar<br />
in diesem Zwielicht<br />
sah man, dass hier lange<br />
nicht sauber gemacht<br />
wurde. Auch Air-Condition<br />
gab es nicht. Der<br />
Shop-Keeper selbst saß<br />
auf einem kleinen Podest,<br />
döste vor sich hin<br />
und musste von seinem<br />
Helferlein geweckt werden.<br />
Babajee stellte mich<br />
vor, und der Schwarzbärtige<br />
war augenblicklich<br />
wie verwandelt. Ein deutscher<br />
Muslim? Sowas<br />
hatte er hier noch nie.<br />
„Wenn du rauchen möchtest?<br />
Die erste Füllung geht aufs Haus. Allah<br />
hu, Allah hu!“<br />
Der Assistent machte sich an einem<br />
Rauchgerät zu schaffen, wie ich es<br />
noch nie gesehen hatte. Beinahe mannshoch,<br />
mit einem Kopf, in den locker zehn<br />
Gramm Mische passten. Er rauchte an,<br />
brachte die Hookah in Wallung und nachdem<br />
eine riesige Stichflamme aus dem<br />
Kopf schoss, reichte er sie mir zur weiteren<br />
Verwendung. Keine Ahnung, was genau<br />
er da reingetan hatte, aber das Ding<br />
warf mich ziemlich um. Was ich mir natürlich<br />
keinesfalls anmerken lassen durfte.<br />
Ich war bestimmt nicht der erste Tourist<br />
hier, aber anscheinend bisher der einzige,<br />
der sich nicht die Lunge aus dem<br />
Leib husten musste. Malang war begeistert<br />
und freute sich wie ein kleines Kind.<br />
Ehrlich gesagt fand ich‘s rauch-technisch<br />
sogar recht mild, was wahrscheinlich an<br />
dem angefeuchteten Spezialtabak lag,<br />
den man hier als Beigabe benutzt. Nicht<br />
zuletzt aber wohl auch an der Qualität<br />
des verwendeten Haschischs. Auf jeden<br />
Fall war ich Malang aufgrund meines Zustands<br />
praktisch ausgeliefert. Zumindest<br />
für die nächsten zwei Stunden, in denen<br />
ich nicht von meinem Sitz hochkam.<br />
Ein wilder Bursche und völlig crazy. Direkt<br />
nach mir hatte auch er sich eine<br />
fette Hookah reingezogen, worauf er inbrünstig<br />
zu singen anfing. Nusrat Fateh Ali<br />
Khans „Allah hu, Allah hu“ in allen Tonlagen.<br />
Auch in solchen, die es gar nicht gibt.<br />
Dass Moslems nach dem Genuss von Haschisch<br />
besonders religiös werden, hatte<br />
ich schon öfter festgestellt. Aber dieser<br />
Typ schoss den Vogel ab. Erst nach einer<br />
gefühlten Ewigkeit schaffte ich den Weg<br />
zurück in die angenehme Kühle von Logars<br />
Charras-Shop. Zuvor musste ich allerdings<br />
hoch und heilig versprechen,<br />
bald wiederzukommen. Mal schauen. Für<br />
den Moment hatte ich genug.<br />
Noch ein wenig Rekreation bei meinen<br />
neuen Freunden, dann ging es auch<br />
schon wieder zum Bus. Zurück ins Tourist<br />
Inn, wo inzwischen ein neuer Traveller<br />
eingetroffen war. Beat war ein Schweizer<br />
Hippie mit bunten Klamotten und Dreadlocks,<br />
der eigentlich im indischen Kulu-<br />
Valley lebte, sein Dope inzwischen aber<br />
lieber bei Afghanen kaufte. Nicht nur,<br />
weil es hier viel billiger war, sondern weil<br />
es sich im indischen Himalaya schwierig<br />
gestaltete, größere Mengen ein und<br />
derselben Qualität zu erstehen. Bisher,<br />
so erzählte er mir, war er Badar Khans<br />
Kunde gewesen. Aber der hatte zu seinem<br />
großen Verdruss gerade den Preis<br />
um satte 30 Prozent erhöht, was seine gesamte<br />
Kalkulation durcheinanderbrachte.<br />
Als ich ihm verriet, was ich im Smugglers<br />
Bazar für Nr. 1-Qualität bezahlt hatte, war<br />
er baff. Beim nächsten Besuch dort wollte<br />
er unbedingt dabei sein.<br />
Nun aber stand erst mal der Khyber-<br />
Pass an. Und da durfte Babajee als<br />
Tribesman nicht mit. Stattdessen bekam<br />
ich ein amtlich gestempeltes Permit, einen<br />
Toyota-Pickup samt Chauffeur und einen<br />
mit AK-47 bewaffneten Gunner, der<br />
auf mich aufpassen sollte. Das Ganze<br />
für einen Geldbetrag, der einem pakistanischen<br />
Monatslohn gleichkam. Egal, diesen<br />
Traum musste ich mir erfüllen.<br />
Darra - Pumpgun<br />
Enge Serpentinen, stetig aufwärts und<br />
hinter jeder Kurve die gleiche eintönige<br />
Landschaft. Braun, grau und karg,<br />
nur hier und da ein wenig blasses Grün.<br />
Gelegentlich sah man ein Wehrhaftigkeit<br />
ausstrahlendes Pathan-Compound, sonst<br />
gab es hier nichts. Die reine Mondlandschaft.<br />
Ganz oben dann das Dorf Landi<br />
Kotal, das früher mal das war, was der<br />
Smugglers Bazar jetzt ist. Sowohl Supermarkt<br />
als auch Drehscheibe für Schmuggelwaren<br />
aller Art. Vornehmlich Waffen<br />
und Drogen, die von hier aus in alle Welt<br />
gingen. Inzwischen weitgehend unbedeutend<br />
und entsprechend ärmlich und heruntergekommen.<br />
Noch ein Stück weiter<br />
den Pass wieder hinunter und man war<br />
Khyber - Festung<br />
20
Khyber Mail mit Dope<br />
Unser Opa war so schlau gewesen, am<br />
vereinbarten Treffpunkt zu warten. Wir<br />
bekamen unser Paket und er sein Honorar,<br />
das wir freiwillig noch ein wenig aufstockten.<br />
Allerdings konnten wir jetzt nicht<br />
mehr im Tourist-Inn bleiben. Badar Khan<br />
war es zuzutrauen, dass er<br />
die Bullen informierte, sobald<br />
er mitbekam, dass<br />
Beat seinen Stoff woanders<br />
gekauft hatte. Wir packten<br />
klammheimlich unsere Sachen,<br />
zahlten unsere Rechnung<br />
und waren verschwunden,<br />
bevor er überhaupt<br />
reagieren konnte. Die letzten<br />
zwei Nächte verbrachten<br />
wir in einem 4-Sterne-Etablissement.<br />
Dann trennten<br />
sich unsere Wege. Ich<br />
machte mich auf den Weg<br />
nach Chitral, Beat flog in<br />
die Schweiz, um dort sein<br />
Dope zu vertickern. Irgendin<br />
Torkham, der Grenzstation zu Afghanistan.<br />
Ab dort war Taliban-Land.<br />
Obwohl es in Landi Kotal nichts gab,<br />
was man nicht auch in Peshawar kaufen<br />
konnte, reizte es mich, von dort etwas<br />
mitzunehmen. Einfach der Vollständigkeit<br />
halber. Aber war das schlau? In<br />
Pakistan gab es viele Polizei-Checks,<br />
und man konnte als Tourist auch wegen<br />
eines Pieces in arge Schwierigkeiten geraten.<br />
Was also meinte mein Bodyguard<br />
dazu, der das ja zwangsläufig mitkriegen<br />
würde? Er war entsetzt. Aber nur so<br />
lange, bis ihm klar wurde, dass es sich<br />
mitnichten um einen ganzen Sack voll<br />
Dope handeln sollte.<br />
„Ach so, haha, nur ein oder zwei Tola?<br />
Kein Problem, das nehme ich für dich mit.“<br />
Erstaunlich. Hier am Khyber-Pass war<br />
das Haschisch noch einmal billiger als<br />
unten im Tal: umgerechnet 0,35 € für das<br />
Beste, was Landi Kotal zu bieten hatte.<br />
Langsam nahm meine Sammelleidenschaft<br />
seltsame Formen an. Schon sieben<br />
verschiedene Top-Sorten am Start<br />
und es standen noch zwei weitere Anbaugebiete<br />
auf dem Reiseplan: als nächstes<br />
Chitral, dann - wenn irgend möglich<br />
- der pakistanische Teil von Kashmir.<br />
Am nächsten Morgen war Babajee<br />
nicht am vereinbarten Treffpunkt.<br />
Dafür saß Beat in dem kleinen Outdoor-<br />
Imbiss und genehmigte sich ein Frühstück.<br />
Perfekt. Da konnten wir gleich<br />
weiter zum Karkhano-Market und ich<br />
musste kein schlechtes Gewissen haben,<br />
dass ich ohne den Alten ging. Eines allerdings<br />
missfiel mir: Beats Aufmachung<br />
wies ihn schon von Weitem als Hippie aus<br />
und ein Shalwar Kamij wollte er ums Verrecken<br />
nicht anziehen. Und so kam es, wie<br />
es kommen musste.<br />
Nachdem wir bis zum frühen Nachmittag<br />
im Charras-Shop gesessen hatten,<br />
machten wir uns auf den Weg zurück in die<br />
Stadt. Ich breit wie Eimer, Beat stocknüchtern,<br />
denn er kiffte schon seit Jahren nicht<br />
mehr. Insgesamt achthundert Gramm hatten<br />
wir gekauft, aber natürlich transportierten<br />
wir die nicht selbst. Das erledigte<br />
für kleines Geld ein uralter Opa mit Krückstock<br />
für uns. Das gehörte zu Logars Service-Angebot.<br />
„Haltet euch auf Sichtweite hinter ihm.<br />
Wenn er in den Bus einsteigt, tut ihr das<br />
auch. Setzt euch aber woanders hin. Niemand<br />
darf mitbekommen, dass ihr etwas<br />
miteinander zu tun habt.“<br />
Gesagt, getan. Der Bus fuhr los, um<br />
gleich darauf wieder anzuhalten. Und<br />
ehe wir uns versahen, standen da drei sonnenbebrillte<br />
Zivilbullen und forderten uns<br />
barsch auf, auszusteigen. Von unserem<br />
Großväterchen, so stellten wir erleichtert<br />
fest, wollten sie zum Glück nichts.<br />
Genau gegenüber lag eine Polizeistation,<br />
in die man uns schleppte und<br />
umgehend damit begann, uns die Freuden<br />
einer Leibesvisitation angedeihen<br />
zu lassen. Ihr ganzes Auftreten ließ keinen<br />
Zweifel daran, dass sie einen handfesten<br />
Verdacht hatten. Um so perplexer<br />
war man, als man nicht mal in unseren<br />
Ärschen etwas fand. Von jetzt an mussten<br />
wir aufpassen. In solchen Gegenden<br />
wurde einem leicht mal was untergeschoben,<br />
was einem gar nicht gehört. Nur um<br />
den Verdacht zu bestätigen und ein fettes<br />
Bakschisch herauszuschlagen. Wir beobachteten<br />
also genau, wo die vielen Bullenfinger<br />
überall herumgrabbelten, um<br />
notfalls sofort intervenieren zu können.<br />
Zum Glück blieben sie brav, und so standen<br />
wir wenig später wieder auf der Straße<br />
und warteten auf den nächsten Bus.<br />
Ganja Ninjas Schmuggel-Abenteuer<br />
Peshawar - Khyber Bazar<br />
wie hatte ich das Gefühl, diesen Burschen<br />
nicht das letzte Mal getroffen zu haben.<br />
Bevor ich mich gen Norden aufmachte,<br />
stand noch Darra Adam Khel auf dem<br />
Programm. Eine kleine Stadt südlich von<br />
Peshawar, die für ihre Waffenfabrikation<br />
berühmt ist. Hier wurde vom Schießkugelschreiber<br />
bis zum Raketenwerfer alles<br />
gebaut, was das Kriegerherz begehrt.<br />
Auch hier gehörten gerade mal die ersten<br />
zehn Meter abseits der Straße zum pakistanischen<br />
Hoheitsgebiet. Dahinter war‘s<br />
vorbei mit „Law and Order“. Ich würde<br />
mich bereits wieder in den „Tribal Areas“<br />
befinden und einen Bodyguard brauchen.<br />
Nur ließ sich Babajee auch an diesem Tag<br />
nicht blicken. Egal. Ich fühlte mich inzwischen<br />
durchaus in der Lage, solch ein Unternehmen<br />
auch ohne ihn zu überstehen.<br />
Also fuhr ich zusammen mit Stefan,<br />
einem anderen Hotelgast, die vierzig<br />
Kilometer nach Darra. Mit einem klapprigen<br />
Mikrobus, der fast auseinanderfiel.<br />
Und wie es in Pakistan so ist: Es<br />
dauerte nicht lange und wir bekamen,<br />
was wir uns erhofft hatten: eine Einladung<br />
zum Tee in einem richtigen Pathan-<br />
Compound. Das, so Aziz, mein Sitznachbar,<br />
lag ein paar Kilometer jenseits von<br />
Darra und war Teil eines kleinen Dorfes<br />
namens Babozi. Sollten wir sie tatsächlich<br />
annehmen? Wir kannten den Burschen<br />
gerade seit ein paar Minuten. Wäre<br />
21
Ganja Ninjas Schmuggel-Abenteuer<br />
Aghani Market in Peshawar<br />
das jetzt Abenteuerlust oder Idiotie? Wir<br />
entschieden uns für das Abenteuer.<br />
Es war ein vergleichsweise kleines Compound,<br />
das wir besuchten. Das Bohai,<br />
das um uns gemacht wurde, war allerdings<br />
riesig. Sämtliche männlichen Bewohner<br />
strömten herbei, während die<br />
weiblichen anscheinend angewiesen worden<br />
waren, etwas zu kochen und Tee zu<br />
machen. Also aßen wir und tranken und<br />
palaverten mit den Wenigen, die des Englischen<br />
mächtig waren. Überaus freundliche<br />
Menschen allesamt. Gern hätte ich<br />
mit ihnen ein Tütchen geraucht, aber so<br />
wie es aussah, wurde hier nicht gekifft.<br />
Statt Haschisch bekamen wir eine heiße<br />
Dusche angeboten, dann brachte uns Aziz<br />
zurück an die Straße und wartete, bis wir<br />
in den Mikrobus gestiegen waren, der uns<br />
zurück nach Darra bringen sollte.<br />
Früher einmal eine regelrechte Touristen-Attraktion,<br />
braucht man schon<br />
seit Langem ein offizielles Permit, um den<br />
Ort besuchen zu dürfen. Was man aufgrund<br />
der jetzigen politischen Situation<br />
aber nicht bekam. Und eigentlich würde<br />
man auch an der offiziellen Haltestelle<br />
mitten im Ort aussteigen, aber da dort immer<br />
ein paar Polizisten herumlungerten<br />
und auf Leute wie uns warteten, ließen<br />
wir den Fahrer halten, bevor die eigentliche<br />
Ortsgrenze erreicht war. Und verschwanden<br />
augenblicklich in einer der Seitengassen.<br />
Uns war klar, dass man uns<br />
wohl früher oder später erwischen würde,<br />
aber bis dahin wollten wir den Ort auf eigene<br />
Faust erkunden.<br />
Wir trugen beide die landestypische<br />
Kluft, so dass wir nicht gleich auf den<br />
ersten Blick als Ausländer erkannt wurden,<br />
aber lange ging das natürlich nicht<br />
gut. Wir waren vielleicht eine Viertelstunde<br />
durch die Gassen gestromert, da<br />
hatte jemand einen Uniformierten alarmiert.<br />
Jetzt war natürlich Bakschisch fällig.<br />
Aber der gute Mann war zum Glück nicht<br />
nur sehr freundlich, sondern auch ziemlich<br />
bescheiden, und statt uns Probleme<br />
zu machen oder zumindest umgehend aus<br />
der Stadt zu scheuchen, bekamen wir noch<br />
eine Führung dazu. Was er nur tun konnte,<br />
weil er kein normaler Beamter war, sondern<br />
einer speziellen Einheit angehörte.<br />
Der „Frontier Police“, die ausschließlich<br />
aus Pathanen bestand. Ein normaler pakistanischer<br />
Bulle hätte die Gassen und Hinterhöfe<br />
nicht betreten dürfen.<br />
Bis auf einige Lebensmittel- und Charras-Läden<br />
bestand Darra Adam Khel<br />
aus Waffenmanufakturen und Geschäften,<br />
in denen die Knarren dann verkauft<br />
wurden. Auf offener Straße wurde von<br />
zehnjährigen Burschen Munition gefertigt,<br />
in nach vorn offenen Werkstätten<br />
konnte man beobachten, mit welch rustikalen<br />
Mitteln Schnellfeuergewehre und<br />
Rocket-Launcher hergestellt wurden. In<br />
den Läden warteten Repliken sämtlicher<br />
MP- und Pistolen-Modelle dieser Welt auf<br />
Käufer, und auf den Hausdächern fanden<br />
anscheinend die Tests statt. Geballer und<br />
Geratter waren hier allgegenwärtig. Gelegentlich<br />
hörte man sogar den dumpfen<br />
Knall eines Mörsers oder Granatwerfers<br />
aus Richtung der Hinterhöfe. Trotzdem<br />
empfanden wir die Stimmung nicht als<br />
bedrohlich. Eher als relativ relaxt und<br />
friedfertig. Wohin wir auch kamen, gab<br />
es ein Lächeln, Tee mit Gebäck und die<br />
Genehmigung, ein paar Fotos machen zu<br />
dürfen. Und so war er entgegen aller Befürchtungen<br />
doch überaus nützlich, der<br />
nette Policeman. Weshalb wir ihm zum<br />
Abschied auch noch einen kleinen Extrabonus<br />
zukommen ließen.<br />
Am nächsten Morgen war dann auch<br />
Babajee wieder zur Stelle. Aber da<br />
war mein Entschluss bereits gefallen.<br />
Es musste weitergehen, egal, wie gut<br />
es mir hier gefiel. Außerdem, das spürte<br />
ich, würde ich sowieso bald wieder hier<br />
sein. Jetzt stand Chitral auf dem Programm.<br />
Jene Region im äußersten Norden,<br />
die in den Siebzigern berühmt war<br />
für ihr exzellentes Haschisch. Ob es so<br />
etwas noch gab? In ein paar Tagen und<br />
nach einer anstrengenden Tour würde<br />
ich es wissen. Aber das ist dann wieder<br />
eine andere Geschichte.<br />
Ganja Ninja<br />
Patronen herstellung in Aarra Adam Khel<br />
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