pferdetrendsMagazin No. 06 - März - April 2017

Neulich habe ich mal wieder ein Turnier
besucht und mir eine Zeitspringprüfung
der Klasse L gegönnt. Ich weiß ja nicht,
ob es vielleicht an dem Tag, dem Turnier
oder der Prüfung lag, aber was ich da zu
sehen bekam, war schon erste Sahne.
Es begann schon auf dem Abreiteplatz.
Nein Stopp, eigentlich begann es alles
schon auf dem Anhängerplatz. Die edeln
Schlachtrösser wurden gesattelt und für
die Prüfung bereit gemacht. Einflechten
muss man ja zum Glück nicht, es ist ja eh
nur ein Zeitspringen. Gamaschen und
Sattel werden auch nur fürs Stilspringen
geputzt. Obwohl, das wird ja auch
eigentlich gar nicht geritten, weil die
Richter eh alle blind sind und der hervorragende
Ritt sowieso nicht gewürdigt
wird. (Wieso, nur drei Mal zu dicht und
zwei Mal hinter der Bewegung, ne 7er
Note muss da ja wohl locker drin sein!)
Die gehen schließlich ohnehin immer
nach den Namen und dem Gesicht. Also
wird halt nur Zeit geritten, fertig aus.
Auf dem Abreiteplatz wird dann eine
Runde Pass geritten am kurzen Zügel
und dabei noch kurz das Handy gezückt.
Machen die Großen schließlich auch so.
Dann zwei Runden Trab und los über
die ersten Sprünge. Mit durchgedrücktem
Rücken und in bester Hirschmanier
sind dann die ersten 20 Kreuze mehr
recht als schlecht überwunden. Locker
ist der Bock aber immer noch nicht. Komisch.
Hat heute wohl einen schlechten
Tag. Naja, wenn es höher wird, passt
er schon auf. Dreimal in einem Affenzahn
(ist ja schließlich `nen Zeitspringen)
schlecht vor den Oxer gekommen,
dreimal springt das liebe Pferd, dreimal
kann sich der Reiter nur gerade so (am
Zügel fest-) halten. Ich denke mir im
Stillen, dass das doch gar nichts werden
kann... Gespannt Wechsel ich zum Prüfungsplatz
und beobachte gerade noch,
wie ein Pferd in der letzten Kurve auf
dem matschigen Rasenplatz ausrutscht,
sich fängt und am letzten, darauf folgenden
Sprung die obere Stange runterreißt.
Das gibt einen saftigen Tritt in die
Rippen und einen Klatsch auf den Hintern.
Hätte der blöde Bock jetzt nicht
mal aufpassen können?!
Kandidat „ich mache das heute wie ein
ganz Großer“ reitet ein. Nach einem
hektischen Grüßen im Tralopp wird
begonnen. In einem irren Tempo steuert
der Pilot seinen treuen Partner auf
die Sprünge zu. Sprung fünf ist für das
Pferd eigentlich unmöglich fehlerfrei
zu überwinden, aber er schafft es. Die
Kombination wird mit einem statt zwei
Galoppsprüngen genommen, was den
Reiter kurz auf den Hals katapultiert.
Das liebe Pferd macht den Kopf hoch,
sodass der Reiter wieder in den Sattel
rutscht. Einen Bügel verloren klammert
er sich am Hals seines Pferdes fest und
steuert auf den letzten Steilsprung zu.
Ich schließe die Augen und halte die
Luft an.
Als ich die Augen wieder öffne, sehe ich,
dass tatsächlich alles liegen geblieben
ist. Die Zeit war gut, aber nicht die Beste.
Es ist mir ein Rätsel, wie es jemanden
geben kann, der noch schneller war als
unser Kandidat hier.
Der Reiter reitet mit knallrotem Kopf
und anstehenden Zügeln im Trab raus.
Loben? Fehlanzeige. Ich höre noch, wie
er zu einem befreundeten Reiter sagt,
dass das Pferd wohl nichts taugt und er
sich nun wirklich nach etwas anderem
umsehen muss, dass seinen Ansprüchen
auch genügt.
Ich verlasse das Turniergelände und
gehe am Anhänger des besagten Pferdes
vorbei. Das Pferd steht artig auf dem
Transporter, die Schweißränder des Sattels
sind noch zu sehen. Heu gibt‘s heute
nicht, er hat schließlich nicht gewonnen.
Der Reiter steht schon an der Bierbude.
Während ich gehe denke ich mir, dass
viele Nichtreiter wohl Recht haben mit
der Behauptung, dass Reiter arrogant
seinen. Auch wünsche ich mir, dass besagter
Reiter sein Pferd schnell verkauft.
Das wohl bravste und liebste Pferd mit
dem deutlich untalentiertesten Reiter
hat wirklich etwas Besseres verdient.
Eure Jule
76 / pferdetrendsMagazin
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