Abschiedsgala der Brücke eV im Theaterhaus - AIDS-Hilfe Stuttgart
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24 NACHLESE CSD & HOCKETSE<br />
CSD und Hocketse <strong>der</strong> <strong>AIDS</strong>-<strong>Hilfe</strong><br />
Kurz vorweg:<br />
Erst Mal herzlichen Dank allen AktivistInnen des CSDs und <strong>der</strong> <strong>AIDS</strong>-<strong>Hilfe</strong>-Hocketse! Die St<strong>im</strong>mung be<strong>im</strong> CSD und auch<br />
bei <strong>der</strong> Hocketse <strong>der</strong> <strong>AIDS</strong>-<strong>Hilfe</strong> war einfach super! Beson<strong>der</strong>s beeindruckend war auch, wie ruhig es auf dem Marktplatz<br />
bei <strong>der</strong> Hocketse war, als wir an unsere verstorbenen Freunde und Freundinnnen gedacht haben.<br />
I<br />
m CSD-Gästebuch (www.csd-stuttgart.de)<br />
findet man einzelne Äußerun-<br />
gen, dass <strong>der</strong> CSD zum „Techno-<br />
festivals und Tuntenselbstdarstellung<br />
ohne jeglichen politischen Hintergrund“<br />
mutiert sei.<br />
Zwar bin ich auch <strong>der</strong> Ansicht, dass es<br />
besser wäre, wenn durch mehr<br />
Transparente und an<strong>der</strong>e Aktivitäten,<br />
<strong>der</strong> eigentliche Zweck des CSD, eine<br />
wirkliche soziale und rechtliche<br />
Gleichstellung von Lesben und<br />
Schwulen zu erreichen, deutlicher zum<br />
Ausdruck kommen könnte. Aber dem<br />
CSD jeglichen emanzipatorischen und<br />
politischen Charakter absprechen zu<br />
wollen, ist einfach absurd!<br />
Wie kann man Gruppen mit ihren (sozialpolitischen)<br />
Anliegen wie z. B. lesbisch-schwule<br />
Lehrer in <strong>der</strong> GEW,<br />
schwule Väter, Eltern schwuler und lesbischer<br />
Kin<strong>der</strong> o<strong>der</strong> den LSVD einfach<br />
übersehen?<br />
Vom För<strong>der</strong>verein Neue Wege in <strong>der</strong><br />
HIV-Therapie hatten wir z. B. das<br />
Transparent mit dem Motto getragen<br />
„Bekämpft <strong>AIDS</strong> – nicht Menschen mit<br />
<strong>AIDS</strong>“, dass bei den vielen Zuschauern<br />
des CSDs mehrfachen Beifall erntete.<br />
Damit wurde praktisch wi<strong>der</strong>legt, dass<br />
die Menschen heutzutage be<strong>im</strong> CSD nur<br />
den oberflächlichen Spaß und Konsum<br />
suchen und ernste Anliegen keine<br />
Chance mehr hätten.<br />
Es waren auch sehr originelle Wagen<br />
wie z. B. von <strong>der</strong> Schwulengruppe aus<br />
Reutlingen vertreten, die „unseren“<br />
neuen Papst wegen seiner schwulenund<br />
lesbenfeindlichen Krampfhaltung<br />
auf die Schippe genommen hat: „Gottes<br />
schwule Kindlein leben, auch ohne Papa<br />
Ratzis Segen“.<br />
Mit Vertretern an<strong>der</strong>en Gruppen und<br />
Organisationen unterstützte <strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>verein bei <strong>der</strong> Hocketse die<br />
Kampagne „Pillen statt Profite“ des<br />
Aktionsbündnis gegen <strong>AIDS</strong>. Wir stellten<br />
sie u. a. auch auf dem vollen <strong>Stuttgart</strong>er<br />
Marktplatz in einer kurzen Rede vor. In<br />
kürzester Zeit konnten mehrere<br />
Hun<strong>der</strong>te von Unterschriften gegen die<br />
tödliche Hochpreispolitik <strong>der</strong> Pharmakonzerne<br />
in <strong>der</strong> sog. „3. Welt“ gesammelt<br />
werden.<br />
Kritisch diskutiert werden muss<br />
und kann nach meiner Ansicht, wenn<br />
bei <strong>der</strong> CSD-Kundgebung hauptsächlich<br />
Vertreter von etablierten Parteien sprechen,<br />
die eine Politik gegen eine wirkliche<br />
Gleichberechtigung von Lesben und<br />
Schwulen vertreten, während Vertretern<br />
von Lesben- und Schwulengruppen, die<br />
das ganze Jahr über Kleinarbeit hierfür<br />
betreiben, kaum noch diese Möglichkeit<br />
eingeräumt wird.<br />
Bei <strong>der</strong> Hocketse <strong>der</strong> <strong>AIDS</strong>-<strong>Hilfe</strong> sah dies<br />
erfreulicherweise etwas an<strong>der</strong>s aus. Hier<br />
würde ich mir für die nächsten Jahre<br />
einen Mo<strong>der</strong>ator/ eine Mo<strong>der</strong>atorin<br />
wünschen, <strong>der</strong>/ die auch aus den<br />
Reihen <strong>der</strong> <strong>Stuttgart</strong>er <strong>AIDS</strong>-<strong>Hilfe</strong><br />
kommt. Denn, wer von den Teilnehmern<br />
<strong>der</strong> Hocketse hat wohl mitbekommen,<br />
dass die <strong>AIDS</strong>-<strong>Hilfe</strong> mit <strong>der</strong> Hocketse<br />
auch ihr 20jähriges Bestehen „gefeiert“<br />
hat?<br />
In <strong>der</strong> RAINBOW-Redaktion haben wir<br />
einen kritischen Blick auf unsere eigene<br />
CSD-Berichterstattung in den vergangenen<br />
Jahren geworfen. Dabei ist uns aufgefallen,<br />
dass wir ebenso hauptsächlich<br />
Bil<strong>der</strong> veröffentlicht haben, wo Schwule<br />
als unpolitische Paradiesvögel gezeigt<br />
werden. Wir finden es falsch, wenn <strong>der</strong><br />
CSD in den (bürgerlichen und schwulen)<br />
Medien <strong>im</strong>mer nur darauf sehr einseitig<br />
reduziert wird, während Lesben und<br />
Schwule mit politischen Transparenten<br />
und Anliegen kaum abgebildet und dargestellt<br />
werden.<br />
So berichteten die Medien kaum darüber,<br />
dass sich <strong>der</strong> Kölner mit den<br />
Lesben und Schwulen in Polen solidarisierte<br />
(siehe Kasten S.26/27 hierzu). In<br />
Frankfurt wurde <strong>der</strong> „Fall“ Andre<br />
Aragoli, <strong>der</strong> von Abschiebung in den Iran<br />
bedroht wird sowie die Hinrichtung<br />
zweier jugendlicher Schwuler am 20.<br />
Juli 2005 in Mashhad/Iran breit bekannt<br />
gemacht und zu Protesten aufgerufen.<br />
Mehrere Tausende wütende Online-<br />
Mails gingen bei den für die ursprünglich<br />
geplante Abschiebung politisch<br />
Verantwortlichen in Hessen ein.<br />
In <strong>Stuttgart</strong> fand ich das CSD-Motto<br />
"Familie heute" mit zahlreichen Veranstaltungen<br />
zum Thema höchstpolitisch.<br />
Wer wusste schon vorher, dass<br />
ca. jedes siebte lesbisch o<strong>der</strong> schwule<br />
Paar Kin<strong>der</strong> großzieht? Die politische<br />
Brisanz des <strong>Stuttgart</strong>er CSD bestand<br />
also keinesfalls nur in <strong>der</strong> Schirmherrschaft<br />
des CDU-Sozialminister<br />
Renners und den dadurch ausgelösten<br />
Spannungen – so wie es einige Medien<br />
darstellten.<br />
Rückmeldungen von Gästen aus an<strong>der</strong>en<br />
Städten bestätigten uns, dass die<br />
Hocketse <strong>der</strong> <strong>AIDS</strong>-<strong>Hilfe</strong> und die CSD-<br />
Parade noch nicht so stark kommerzialisiert<br />
und aus sexistischer Selbstdarstellung<br />
bestehen würde, wie dies in<br />
an<strong>der</strong>en Städten lei<strong>der</strong> mittlerweile<br />
durchaus in einigen (Groß-)Städten <strong>der</strong><br />
Fall ist.<br />
Tun wir alles dafür, dass diese Stärke<br />
des CSDs in <strong>Stuttgart</strong> und <strong>der</strong> Hocketse<br />
<strong>der</strong> <strong>AIDS</strong>-<strong>Hilfe</strong> nicht verloren geht, son<strong>der</strong>n<br />
in den nächsten Jahren gestärkt<br />
und ausgebaut wird. Ralf Bogen