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Vermeer „Die Malkunst“ - Kunsthistorisches Museum Wien

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<strong>Vermeer</strong> <strong>„Die</strong> <strong>Malkunst“</strong><br />

Spurensicherung an einem Meisterwerk<br />

Der seit ihrer Wiederentdeckung durch Thoré-Bürger in den 1860er Jahren stets wachsende Ruhm von Johannes<br />

<strong>Vermeer</strong>s „<strong>Malkunst“</strong> erfährt einen ersten Höhepunkt während der so genannten Wanderausstellung der<br />

Kunstschätze aus Österreich, die nach dem Zweiten Weltkrieg von 1946 bis 1954 durch ganz Europa und<br />

Nordamerika reiste. Bis zu 24.142 Besucher am Tag bewunderten das Gemälde an neun Stationen der Schau in<br />

Amerika. Insgesamt wurde die Ausstellung bis 1954 in 21 Städten gezeigt.<br />

Der sich bereits 1950 in New York abzeichnende fragile Zustand des Gemäldes erlaubte es jedoch nicht, die<br />

„<strong>Malkunst“</strong> zur großen monographischen Ausstellung von 1995/96 in Den Haag und Washington, D.C. erneut auf<br />

Reisen zu schicken. Damals entschied man sich für eine Restaurierung des Gemäldes im Kunsthistorischen<br />

<strong>Museum</strong>, die durch Prof. Hubert Dietrich, unterstützt durch den Chemiker Dr. Werner Jütte, in den Jahren 1995 bis<br />

1998 durchgeführt wurde. Während sich die „<strong>Malkunst“</strong> als eines der begehrtesten Gemälde der abendländischen<br />

Kunst etablierte, das Besucher aus aller Welt täglich ins Kunsthistorische <strong>Museum</strong> führt, wurde das Bild nach<br />

Abschluss der Restaurierung Ende der 1990er Jahre innerhalb von etwas mehr als fünf Jahren auch zu acht<br />

Ausstellungen verliehen, die in Washington, Moskau, New York, London, Madrid, Tokyo, Kobe und Den Haag<br />

stattfanden.<br />

Vor eineinhalb Jahren entfachte sich eine Debatte um die erneute Verschickung der „<strong>Malkunst“</strong> nach Japan, und<br />

Fragen zum Erhaltungszustand des Gemäldes kamen vermehrt auf. Eine neue Untersuchung der „<strong>Malkunst“</strong>, die<br />

eine präzise Bestandsaufnahme des Erscheinungsbildes sowie ein besseres Verständnis des Erhaltungszustandes<br />

ermöglichen sollte, stellte sich uns als eine Notwendigkeit und zugleich als eine Chance dar, eine bis dahin<br />

fehlende Studie zur Maltechnik dieses Schlüsselwerks im Œuvre <strong>Vermeer</strong>s durchzuführen. Wir entschieden uns in<br />

diesem Zusammenhang zur Einbeziehung einer internationalen Fachkollegenschaft, die im Juni 2009 zu einem<br />

Kolloquium nach <strong>Wien</strong> eingeladen wurde. Für die Analyse der im Bildgefüge der „<strong>Malkunst“</strong> zu beobachtenden<br />

Prozesse konnten wir Prof. Dr. Jaap Boon, Jaap Enterprise, Amsterdam, gewinnen, der seit vielen Jahren<br />

international auf diesem Gebiet tätig ist. Für den kunsthistorischen Bereich stand Dr. Arthur K. Wheelock, National<br />

Gallery of Art, Washington D.C., Pate; er hatte bereits im Zuge der Vorbereitungen zur <strong>Vermeer</strong>-Ausstellung<br />

1995/96 regen Anteil an den Untersuchungen am Gemälde, die im Vorfeld der Restaurierung stattfanden, womit<br />

sich nunmehr ein Kreis schließt.<br />

Die Ergebnisse der Forschungen am Bild münden nun erstmals in eine Ausstellung zu <strong>Vermeer</strong>s Hauptwerk im<br />

Kunsthistorischen <strong>Museum</strong> selbst, die erste Fokus-Ausstellung, die <strong>Vermeer</strong>s Demonstrationsstück jemals<br />

gewidmet wurde. Die Konzentration auf <strong>Vermeer</strong>s „<strong>Malkunst“</strong> erfolgte bewusst und versucht, in gewisser Weise der<br />

ursprünglichen Intention des Bildes und seines Schöpfers gerecht zu werden: Als Schaustück in <strong>Vermeer</strong>s Atelier<br />

war das Meisterwerk dazu bestimmt, als herausragendes Zeugnis seiner Kunst von potentiellen Käufern und<br />

Kennern genau betrachtet und bewundert zu werden.<br />

In der „<strong>Malkunst“</strong> bedient sich <strong>Vermeer</strong> einer scheinbar realistisch wiedergegebenen Atelierszene, um einen<br />

allegorischen Sinngehalt zu vermitteln. Dabei bricht der Delfter Meister mit der seit der Renaissance bestehenden<br />

Tradition, die „Allegorie der Malerei“ in einer Einzelfigur darzustellen. Hier sitzt der Maler vielmehr an seiner<br />

Staffelei und beginnt, den Lorbeerkranz seines als Klio, Muse der Geschichte, kostümierten Modells auf die<br />

Leinwand zu bannen. Seit der Entstehung des Werkes zwischen 1666 und 1668 haben Ikonographie und Malweise<br />

zahllose Interpretationen hervorgerufen, die in der Ausstellung thematisiert werden. Einen aufschlussreichen, aber<br />

auch ästhetisch reizvollen Einstieg in die komplexe Ikonographie des Bildes bieten Requisiten, die den<br />

Gegenständen im Gemälde entsprechen; zudem ermöglicht die Präsentation einen direkten Vergleich zwischen<br />

den Objekten und deren Umsetzung in Malerei.<br />

Kunsthistorische sowie technologische Fragestellungen fließen in der Schau zusammen, um der außerordentlichen<br />

Bedeutung der „<strong>Malkunst“</strong> im Œuvre <strong>Vermeer</strong>s auf komplementären Ebenen Rechnung zu tragen. Eine<br />

Spurensicherung als unvoreingenommene Bestandsaufnahme am Bild sowie an allen bisherigen uns zugänglichen<br />

Analysen fand sowohl im Dickicht der Kunstgeschichtsschreibung zur „<strong>Malkunst“</strong> als auch in den Dokumenten zur<br />

Geschichte des Bildes selbst statt. Der Vorteil und das Privileg, das Gemälde über einen längeren Zeitraum aus<br />

nächster Nähe untersuchen zu können, erlaubten einen regen und fruchtbaren Austausch zwischen den<br />

Fachkollegen auf kunsthistorischem, restauratorischem und naturwissenschaftlichem Gebiet.<br />

Als Ergebnis dieser Spurensuche zum Bild und an ihm sind u. a. neue Vorschläge zur Interpretation des Gemäldes<br />

sowie die erstmalige Präsentation der vollständigen Rekonstruktion der Landkarte zu verzeichnen, die <strong>Vermeer</strong> als<br />

Vorlage diente. Die Landkarte der 17 Provinzen von Claes Jansz. Visscher erscheint in <strong>Vermeer</strong>s „<strong>Malkunst“</strong> an<br />

der Rückwand des Ateliers. Diese Karte ist nach Westen ausgerichtet und zeigt die Niederlande vor der Teilung<br />

von 1648, was Anlass zu politischen Deutungen gegeben hat, auf die in der Ausstellung eingegangen wird.<br />

<strong>Vermeer</strong> verwandelt die kolorierte Landkarte im Bild in ein Bravourstück illusionistischer Malerei, indem er die<br />

graphische Vorlage in Licht und Farbe auflöst. Dies zeigt sich auch in der Wiedergabe der zwanzig die Karte<br />

umgebenden Städteansichten.<br />

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