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GIG Juli 2016

Stadtmagazin für Münster/Osnabrück/Lingen und die Region

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INTERVIEW<br />

7<br />

tun mit Begriffen wie Islamophobie.<br />

Ich mag den Begriff nicht.<br />

Machen es sich die muslimischen<br />

Verbände zu einfach,<br />

wenn sie Anschläge wie in Paris<br />

oder Brüssel zwar verurteilen,<br />

aber notorisch betonen,<br />

dass das alles mit dem Islam<br />

nichts zu tun habe?<br />

Egal, wer das meint, dass das alles<br />

nichts mit dem Islam zu tun<br />

hat, vermittelt den Menschen den<br />

Eindruck „Das beschäftigt mich<br />

nicht, das geht mich nichts an. Ich<br />

tue so, als wäre nichts passiert“.<br />

Das bestätigt dann die Ängste der<br />

Menschen, weil sie das Gefühl<br />

bekommen, dass die Muslime nicht<br />

sehen wollen, dass es ein Problem<br />

gibt. Wenn man Menschen, die<br />

Ängste haben, als islamophob bezeichnet,<br />

also als Kranke, Phobie ist<br />

“Wir haben heute ein Problem<br />

mit Terror im Namen des Islams.“<br />

............................<br />

ja eine Krankheit, beleidigt man die<br />

Menschen, die Ängste haben. Wir<br />

haben heute ein Problem mit Terror<br />

im Namen des Islams, das muss<br />

man klar sagen. Man muss überlegen,<br />

wie man damit umgeht. Ignorieren<br />

ist nicht der richtige Weg.<br />

Man muss sich dem Problem stellen,<br />

man muss genau schauen, warum<br />

der Islam hier und da instrumentalisiert<br />

wird.<br />

Als Reaktion auf terroristische<br />

Attentate wie die genannten<br />

hören wir oft die geäußerte<br />

Sorge, dass nun wieder alle<br />

Muslime unter Generalverdacht<br />

gestellt würden. Diese Sorge<br />

ist nachvollziehbar. Aber sollte<br />

nicht vor der eigenen Befindlichkeit<br />

das Mitgefühl mit den<br />

Opfern und deren Angehörigen<br />

im Fokus stehen? Mir kommt<br />

das oft etwas zu kurz.<br />

Das Problem ist, dass nach solchen<br />

Anschlägen Muslime sehr schnell in<br />

Zugzwang geraten und das Gefühl<br />

haben, dass sie nun selbst verdächtigt<br />

werden, Teil dieses Terrors zu<br />

sein. Das führt dann manchmal zu<br />

dem falschen Diskurs, dass man<br />

sich in der Apologie, der Verteidigungshaltung<br />

verliert, statt die<br />

Dinge konstruktiv anzugehen. Dass<br />

man sich, wie Sie sagen, erst<br />

einmal mit dem Leid der Leidenden<br />

auseinandersetzt und Trauer<br />

bekundet. Der ganze Diskurs, also<br />

von beiden Seiten, läuft schief.<br />

Wenn wir von Terror sprechen,<br />

sprechen wir von einem Phänomen,<br />

das alle betrifft. Diese Attentäter<br />

unterscheiden nicht zwischen Muslimen<br />

und Nicht-Muslimen. Der Terror<br />

ist unser gemeinsamer Feind.<br />

Die Trennlinie ist zwischen friedlichen<br />

Menschen und Extremisten,<br />

nicht zwischen Muslimen und<br />

Nicht-Muslimen.<br />

Wieso gibt es dann aber so<br />

wenig Gegenstimmen, wenn<br />

zum Beispiel vor einem Fußballspiel<br />

in Istanbul während<br />

einer Schweigeminute zum<br />

Gedenken der Opfer von Paris<br />

gepfiffen und sogar „Allah Akbar“<br />

gerufen wird? Damit<br />

wird doch die eigene Religion<br />

missbraucht, respektive in<br />

den Schmutz gezogen?<br />

Definitiv. Das sind Menschen, die<br />

wissentlich oder nicht wissentlich<br />

dazu beitragen, dass die Ängste<br />

vor dem Islam noch größer werden.<br />

Man muss auch diese Menschen<br />

aufklären, dass es nicht darum<br />

geht, wer<br />

stärker oder<br />

mächtiger auftritt.<br />

Es geht<br />

darum, dass wir<br />

alle Brüder und<br />

Schwestern im<br />

Menschsein sind und uns nicht in<br />

einer Boxarena befinden.<br />

Wenn sich junge Männer zum<br />

Salafismus hingezogen fühlen,<br />

hat das soziale und psychologische<br />

Ursachen. Am Anfang sind<br />

es Minderwertigkeitskomplexe,<br />

die sich später, gepaart mit Allmachtsgefühlen,<br />

zu einer explosiven<br />

Mischung entwickeln.<br />

Was kann die Gesellschaft, aber<br />

auch der Islam tun, um diese<br />

jungen Menschen wieder für<br />

sich zu gewinnen?<br />

Wenn wir es als Gesellschaft<br />

schaffen, den Menschen das Gefühl<br />

zu geben, dass sie hier anerkannt<br />

sind und dass sie eine positive<br />

Rolle in der Gesellschaft spielen,<br />

dann haben wir einen Rahmen<br />

geschaffen, um diese Menschen<br />

präventiv aufzunehmen.<br />

Wir brauchen aber auch eine andere<br />

Rhetorik. Diese Polarisierung<br />

„wir Deutsche und ihr Muslime“<br />

halte ich für problematisch, weil<br />

sie von Salafisten ausgenutzt wird.<br />

Da heißt es dann „Wir Muslime sind<br />

die Guten, und die Deutschen sind<br />

die Schlechten.“ Ich halte es auch<br />

für wichtig, dass die Religionsgemeinden<br />

ein Angebot machen, von<br />

dem sich die Jugendlichen angesprochen<br />

fühlen. In ihrem Alltag,<br />

in ihrer Lebenswirklichkeit. Sie sollen<br />

sich mit einem menschenfreundlichen<br />

Islam identifizieren<br />

können und sich gleichzeitig als<br />

loyale Bürgerinnen und Bürger dieses<br />

Landes sehen.<br />

Interview: Alexandra Mai<br />

Der zweite Teil des Interviews folgt in der<br />

nächsten Ausgabe <strong>GIG</strong> 08/16.

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